Der Kampf um den Teamkader: Ihr Kickerlein kommet

Teamchef Koller bleibt seiner Linie und seinen Kickern treu und vertraut vertraut in seinem ersten Kader für die EM-Quali 2016 größtenteils auf Spieler, die er kennt, die schon länger für ihn spielen. Alternativen sind kaum in Sicht. Eine Bestandsaufnahme

 

OEFB Teamkader September 2014 Gepa Pictures

Welche Alternativen gibt es zum jetzigen Stamm?

 

Die Masse an Legionären nimmt zu. Beginnt ein Satz so, dann folgt zumeist ein Lamento über die Qualität der Angesprochenen. Und so ist es auch weitgehend. Werden dann noch die Leistungskurven jener Kicker – Legionäre und österreichische Bundesligaspieler - betrachtet, die Marcel Koller nun schon länger in den Kader berufen hat, dann zeigen diese eher nach unten als nach oben. Robert Almer, Heinz Lindner, Christian Fuchs, György Garics, Sebastian Prödl, Markus Suttner, Martin Harnik oder Marc Janko haben derzeit verschieden gelagerte Probleme. Als Aufsteiger sind im Grunde nur Stefan Ilsanker, Christoph Leitgeb, Rubin Okotie vielleicht auch noch Floriaen Klein und freilich David Alaba sowie Talent Valentino Lazaro, der jedoch so erst knapp 900 Spielminuten in Österreichs höchster Spielklasse vorzuweisen hat, zu bezeichnen. Die Frage ist: Welche Alternativen gibt es?

 


Cican Stankovic Gepa Pictures Red BullÖsterreichs Goalies: Brav oder zu jung

Seit den Rücktritten von Konsel und Wohlfahrt ist die Tormannfrage in Österreich eine Problemzone. Thomas Gebauer steht wohl eher aus Verlegenheit auf der Abrufliste. Richard Strebinger, Samuel Radlinger oder Dejan Stojanovic sind Zweiergoalies. Alex Manninger ist zurückgetreten, abgesehen davon 37 Jahre alt und ebenfalls mittlerweile nur noch ein Zweier. Michi Gspurning vereinslos, einzig der 2007er Geistermeister mit Stuttgart, Michael Langer, ist Stammgoalie bei Valerenga Oslo – und somit unter dem Radar von Koller. Die heimischen Goalies sind beinahe alle brav, aber unterhalb des Lindner-Niveaus. Bleibt im Grunde nur noch bald-Bulle Cican Stankovic. Der ist darüber hinaus eigentlich der einzige, der das bisherige Trio unter Druck setzen könnte. Stankovic hat sich noch so gut wie keinen Patzer erlaubt, ist ein Goalie, der Spiele entscheiden kann. Genau das ist eine Tugend, die wiederum Kollers Drei etwas abgeht, ganz abseits von Einsatzzeit und Form. Und wie wichtig das ist, zeigte die WM. Siehe Deutschland, siehe Mexiko. Eine deutliche qualitative Steigerung stellt Stankovic mangels Erfahrung eben auch noch nicht dar. Für einen Einser-Teamgoalie ist er noch zu jung, eine Einberufung in den Kader wäre aber jetzt genau der richtige Schritt gewesen, um ihn an die Spitze heranzuführen. Diesen Schritt hat Koller leider verabsäumt.

 


GEPA-03101387036Innenverteidigung: Gut aufgestellt

Martin Hinteregger und Aleksandar Dragovic sind sehr gut bis zu „auf dem Sprung zum Topteam", Kevin Wimmer ist schon in der deutschen Bundesliga; Sebastian Prödl die erfahrene Variante. Auf Abruf befinden sich die Defensivallzweckwaffe Fränky Schiemer, Christopher Dibon und der erfahrene Manuel Ortlechner. Die Einberufung des Austria-Kapitäns auf Abruf ist demzufolge auch eine Absage an Russland-Export Markus Berger. Ein Niklas Hoheneder könnte ein Thema sein, ist aber verletzt. Alles in allem haben die drei jungen Innenverteidiger die notwendige Qualität. Das irgendwann alle fehlen, ist eher unwahrscheinlich. Hier gibt es de facto keinen Handlungsbedarf, da die Altersstaffelung in Ordnung ist, es noch dazu auch genügend Alternativen gebe für den vierten Innenverteidiger, der ohnehin zumeist zum Bankwärmen mit ist.

 


Andreas Ulmer Gepa Pictures Red BullAußenpracker: Ulmer einzige ernsthafte Alternative

Das Quartett Fuchs, Suttner (links), Klein und Garics (rechts) ist mehr oder weniger gesetzt. Gerade bei Fuchs und Suttner gab es jedoch im vergangenen Jahr eine Stagnation. Andi Ulmer ist verletzt und wurde bislang nicht einberufen, wäre die einzig ernsthafte Alternative und verfügt auch über die internationale Erfahrung durch Red Bull Salzburg. Österreich ist aber freilich nicht das einzige Land, das mehr als eineinhalb auf internationalem Niveau brauchbare Außenverteidiger hat und das Quartett hat leider bisher auch nicht unter Beweis gestellt, dass sie der Weisheit letzter Schluss sind. In der heimischen Bundesliga gibt es ein paar junge (Martschinko, Pavelic) und gebrochene Versprechen (Schrammel, Klem). Ein Versuch wert wäre eventuell Marin Leovac, der es mit HNK Rijeka zumindest in die Europa League geschafft hat und grundsätzlich den Anforderungen eines modernen Außenprackers entspricht. Ob das allerdings reicht, um die Erfahrenen heraus zu spielen? Derzeit nicht, künftig vielleicht.

 


Trikots Junuzovic Alaba Gepa PicturesMittelfeldzentrale: Wozu? Doch!

In der Sechs-Acht-Zehn-Staffelung ist das Trio Baumgartlinger, Alaba und Junuzović derzeit unschlagbar. Vorsicht (Kavlak), Umschaltspiel (Leitgeb) und Brechstange (Ilsanker) befinden sich im Kader als taktische Alternativen. Andi Ivanschitz kennt das Koller-System, dürfte für den Teamchef aber zu wenig Power mitbringen, Michael Liendl spielt wiederum auch „nur" in der zweiten Liga, wäre aber jedenfalls ein mögliches Back-Up zu Junuzovic – bisher von Koller im Mai erstmals in den Kader berufen, jetzt im September nur auf Abruf, gleichfalls wie der ebenfalls in der zweiten Deutschen Liga kickende Lukas Hinterseer. Aus der heimischen Liga drängt sich derzeit Louis Schaub auf. Auf internationaler Ebene sieht es auch nicht schlecht aus. Marcel Büchel fliegt zwar unterhalb des Teamchefradars, ist von Juventus nach einer Saison als Stammspieler bei Serie B-Klub Virtus Lanciano nun an Serie A-Absteiger Bologna verliehen. Bei Juve hat er noch einen Vertrag bis 2016, er könnte eine Alternative sein. Ohne Grund gibt nicht einmal der italienische Serienmeister so lange Verträge her. Definitiv schon reif für das A-Team ist Marcel Ritzmaier, von Werner Gregoritsch für die U21 gekonnt ignoriert. Nach einer ansprechenden Saison bei Cambuur Leeuwarden in der Eredivisie hat er nun anscheinend den Sprung zum Stammspieler bei PSV Eindhoven geschafft. Auch wenn er noch jung ist, ist der 21-Jährige sicherlich zumindest eine passende Kaderergänzung, spielt zudem auf Erstliganiveau. Ebenfalls denkbar: Christian Gartner von Fortuna Düsseldorf. Klar, zwar zweite Liga. Aber der Ex-Mattersburger ist auch erst 20 Jahre alt und erkämpfte sich in einer schwierigen Phase beim deutschen Traditionsverein einen Stammplatz.

 


GEPA-07061343007 CustomOffensive Außenbahnen: Arnautovic und Harnik ohne Konkurrenz

Sicherlich, Marko Arnautovic und Martin Harnik könnten als Einservarianten etwas Druck vertragen. Derzeit scheinen die Bullen Sabitzer und Lazaro die Varianten zu sein. Weimann konnte letztlich im Team nie wirklich überzeugen und ist trotz Tore in der Premier League vorerst nur noch auf Abruf, Burgstaller muss sich in England erst wieder in den Fokus von Koller spielen. Jakob Jantscher ist Stammspieler in Luzern, aber auch schon 25 Jahre alt und eben Stammspieler in Luzern. Da kommt er an Stoke (Arnautovic) oder Stuttgart (Harnik) nicht ran. Viel zu befürchten hat die Einserpanier also nicht, bedenkt man noch die besondere Beziehung zwischen Koller und Arnautovic sowie die Vorliebe des Teamchefs für Harniks Chaosmomente. Weder von der Legionärsfront, noch aus der heimischen Liga haben sie also etwas zu befürchten. Dass der Wolfsberger Speedy Gonzales Christopher Wernitznig bald eine Alternative sein wird ist ebenso unwahrscheinlich wie dass Marcel Koller beispielsweise Florian Kainz von Rapid holt. Dazu hätte sich Rapid wohl für die Europa League qualifizieren und der ehemalige Sturm-Spieler dort in die Auslage spielen müssen.

 


marc janko   90minutenatSturm: Ja wen denn bitte?

Derzeit im Kader: Janko, Sabitzer und neu dabei ist Okotie. Dafür nur noch auf Abruf: Andi Weimann, der aber durch starke Leistungen in der Premier League immer wieder aufzeigt. Sein Problem: In Kollers System konnte der Premier-League-Stürmer nie wirklich aufzeigen. Er bleibt aber zumindest eine torgefährliche Alternative. Sonst? Philipp Hosiner müsste schon regelrecht explodieren. Erwin Hoffer wird dem Teamchef zu limitiert sein, Robert Zulj zu statisch, Philipp Zulechner ist kilometerweit von der deutschen Bundesliga entfernt, nicht einmal auf Abruf. Deni Alar ist einerseits wieder einmal verletzt, andererseits Rapidler. Blieben noch Martin Pusic (Esbjerg), Darko Bodul (Odense) und Atdhe Nuhiu (Sheffield Wednesday) als internationale Alternativen übrig. Ob Dänemark oder zweite deutsche Bundesliga wird schon wieder fast egal sein, Nuhiu hingegen wäre interessant. Immerhin sind die Schweden, Russen und Montenegriner in der Defensive alles andere als Filigrantechniker und „Nutschi" ein ziemlicher Brocken. Aber bekanntlich lässt Koller lieber Janko einmal um die Welt fliegen – immerhin, der dankt es mit einer ordentlichen Torquote. Bleibt für irgendwann später noch die Akte Alan. Der wurde laut Kurier-Recherchen (http://kurier.at/sport/fussball/fussball-oesterreich-muss-auf-alan-warten/68.039.741) nichts schon im Sommer 2010 in Österreich angemeldet, sondern erst im Dezember. Sprich: Selbst bei einer Einbürgerung aufgrund zu erwartender außergewöhnlicher Leistungen für das Land wäre er erst nach erfolgreich absolvierter Qualifikation einsetzbar. Auch wenn der ÖFB sich hier ausnahmsweise redlich um einen Kicker mehr bemüht, geben die internationalen Spiele in den letzten Monaten nicht unbedingt Hoffnung, dass Alan die große Hilfe wäre. Oder hat er es gegen Basel und Malmö geschafft, unmögliche Treffer zum richtigen Zeitpunkt zu erzielen? 

 

Ihr Kickerlein kommet

Rechnet man nun noch Kollers Freude an einem eingeschworenen Haufen hinzu, dann stehen die Chancen schlecht, dass sich am Kader inklusive Abrufliste viel ändern wird. Immerhin scheint der Schweizer anhand der Okotie-Einberufung beweisen zu wollen, dass eine gute Form bei Stürmern wichtig ist. Aber selbst wenn im Laufe der nächsten Monate Namen wie (am wahrscheinlichsten) Stankovic, Ritzmaier oder Schaub auf der Kaderliste aufscheinen, wird sich auch in der Quali für die Euro 2016 kaum etwas ändern. Konnte bei Kollers Amtsantritt noch gehofft werden, dass Kickern wie Jantscher, Holzhauser oder später Zulechner der ganz große Knopf aufgeht, muss nun wieder auf die nächste Generation gehofft werden. Und für die wird Frankreich zum Großteil noch zu früh kommen.