Ajax – doch kein Stolperstein?

Im Sechzehntelfinale der Europa League bekommt es Red Bull Salzburg mit dem niederländischen Spitzenteam Ajax Amsterdam zu tun. Am Papier sind die Salzburger klarer Außenseiter – auf dem Feld stehen die Chancen aber deutlich besser. Ein Ausblick von Jürge


„Ajax ist klarer Favorit." Für Salzburgs Sportchef Ralf Rangnick und Trainer Roger Schmidt ist die Ausgangslage vor dem bevorstehenden Europa League-Duell mit Ajax Amsterdam klar. Zumindest nach außen hin. Denn intern wissen die Salzburger wohl über die einmalige Chance bescheid, mit ihrer Mannschaft in die nächste Runde des Bewerbs einzuziehen. Aufgrund der eigenen Stärke, aber auch aufgrund ungeahnter Schwächen des niederländischen Meisters scheint die Überraschung deutlich greifbarer, als Rangnick und Co es offiziell zugeben wollen.

 

Viele knappe Siege gegen Mittelständer
Augenscheinlich sind kleinere Probleme der Amsterdamer schon seit einiger Zeit. Zwar sind die Rot-Weißen seit einer 0:1-Niederlage am 2. November des Vorjahres gegen Vitesse Arnheim mittlerweile elf Spiele in der niederländischen Eredivisie, drei Spiele in der Champions League-Gruppenphase (darunter ein 2:1 zuhause gegen den FC Barcelona und ein 0:0 beim AC Milan) und zwei Matches im heimischen Cup unbesiegt, wirklich überzeugen konnte man dabei allerdings zuletzt bei einem 4:0 Heimsieg gegen den NAC Breda am 7. Dezember und noch einmal Mitte Jänner beim 3:1 Cupsieg über Feyenoord Rotterdam. Dazu gab es viele knappe Siege gegen Mittelständler und Abstiegskandidaten wie den SC Cambuur-Leeuwarden, Roda JC Kerkrade oder die Go Ahead Eagles, einen 1:0 Sieg über den in dieser Saison deutlich unter Wert bleibenden PSV Eindhoven und zuletzt zwei Unentschieden (jeweils 1:1) auswärts gegen den FC Utrecht und den PEC Zwolle. Zwischen diesen beiden Partien trat Ajax zuhause gegen den FC Groningen an und konnte in der Partie ebensowenig begeistern, wie die Stimmung in der gut gefüllten Amsterdam ArenA, von der wir uns vor Ort deutlich mehr erwartet hatten.


IMG 6935Zugegeben, der FC Groningen ist jetzt nicht als Gassenfeger bekannt, die Unaufgeregtheit und Ruhe des Amsterdamer Publikums vor dem Spiel ist dann aber schon mehr als demonstrativ. Nur langsam füllt sich die mittlerweile doch auch etwas in die Jahre gekommene ArenA mit 50.000 Fans, richtig laut wird es darin nie. Nicht zu Beginn des Spiels, nicht nach dessen doch noch glücklichem Ende für Ajax und auch nur verhalten nach den beiden Toren der Amsterdamer.

 

Ajax-Grundformation
Aber alles der Reihe nach, beginnen wir mit der Grundformation von Ajax, mit der die Niederländer auch eine Runde später auswärts gegen PEC Zwolle starteten und mit der wir sie ähnlich auch gegen Salzburg erwarten: Im Tor ist Kenneth Vermeer eine sichere, wenn auch nicht außergewöhnlich starke Bank, in der Innenverteidigung scheinen der Finne Niklas Moisander und Joel Veltman gesetzt. Defensiv außen kamen in den beiden Spielen gegen Groningen und Zwolle der 17jährige Jungstar Jairo Riedewald und Ricardo van Rhijn zum Zug, im Zentrum defensiv Daley Blind (Sohn von Vereinslegende Danny Blind), davor der Südafrikaner Thulani Serero und Davy Klaassen; die starke Offensivreihe bildeten von links nach rechts Ex-Barca-Spieler Bojan Krkic, Siem de Jong und der Däne Lasse Schöne.


Soweit so gut. Der Spielverlauf ist dann zu Beginn wie erwartet: Groningen steht tief, lässt Ajax Platz und Raum für Kombinationen und der regierende Meister weiß das auch immer wieder auszunutzen. Vor allem über die schnellen und trickreichen Flügel Schöne und Krkic reißen sie die Groninger Abwehr ein ums andere Mal auf. Chancen ergeben sich so zwangsläufig, werden wie von Krkic aber kläglich verstolpert, prallen von Stange oder Latte (Ajax trifft insgesamt dreimal Alluminium, Groningen verbucht zwei Stangenschüsse) ab oder werden vom Schlussmann der grün-weißen Gäste entschärft. Als unumstrittene Schaltzentrale im Spiel der Amsterdamer erweist sich in dieser Phase Daley Blind, der aus dem defensiven Mittelfeld heraus das Spiel immer wieder an sich reißt, nach vorne trägt, kluge Pässe in die Spitze spielt, sich stets anspielbar gibt und auch mit Kampfgeist und Stellungsspiel zu überzeugen weiß.

 

IMG 6936Weit weniger souverän ist Blinds etwas offensiver agierender Nebenmann Thulani Serero, der zwar viel versucht, dem aber auch viel misslingt. Fehleranfällig ist er vor allem dann, wenn er rasch attackiert wird und genau darin könnte für Salzburg gegen Amsterdam auch der Schlüssel zum Erfolg liegen. Neben Serero reagieren nämlich auch die Innenverteidiger Moisander und Veltman, sowie Rechtsaußen Schöne und Rechtsverteidiger van Rhijn allergisch auf forsches Pressing. Und das bleibt auch den Groningern nicht verborgen, die im Laufe der ersten Spielhälfte weiter aus der Abwehr heraus rücken, den Gegner früher attackieren und dadurch immer wieder überraschend den Ball erobern und selbst vorstoßen können. Von Ordnung ist nach Ballverlusten bei Ajax nicht immer die Rede und so kommen auch die Groninger zu ihren Chancen, vor allem aus Weitschüssen, was sich später noch bezahlt machen sollte.


Vorerst dominiert Ajax jedoch das Geschehen, zunehmend über links und den agilen Krkic, der immer wieder in Dribblings geht und Zweikampfsituationen sucht. So schafft er die eine oder andere überraschende Spielszene, provoziert aber auch Fouls wie jenes vor dem 1:0, als er im Strafraum einen engen Haken nach links schlägt und von einem Groninger Verteidiger gefällt wird. Elfmeter. Schöne. 1:0. Damit ist es mit der Herrlichkeit von Ajax allerdings vorbei, immer öfter trägt das Groninger Forechecking Früchte und schlussendlich auch einer der Weitschussversuche, den der serbische U21-Teamspieler Filip Kostic kurz vor dem Halbzeitpfiff aus etwa 20 Metern via Stange im Tor unterbringt.


In der zweiten Hälfte dann ein gänzlich anderes Bild: Groningen hat Lehren aus den ersten 45 Minuten gezogen, attackiert früh, steht nun deutlich höher und lässt so Amsterdam überhaupt nicht mehr zur Entfaltung kommen. Im Gegenteil, setzen nun die Gäste nach und kommen – meist nach Fehlern in der Ajax-Defensive – immer wieder gefährlich vor das Tor von Vermeer. Der Führungstreffer für Groningen wäre in dieser Phase durchaus verdient, gelingt dann in der 83. Minute aber den Gastgebern. Genauer: Dem eingewechselten isländischen Nationalspieler Kolbeinn Sightorsson, der für frischen Wind sorgt und – klassisch Mittelstürmer – den Ball nach einer Flanke aus wenigen Metern mit dem Kopf über die Linie drückt. Von mehr Sicherheit im Spiel der Amsterdamer ist danach trotzdem keine Spur, mehrmals scheitert Groningen knapp am Ausgleich und zeigt – auch wenn dieser nicht gelingt – wie man gegen Ajax spielen muss: Forsch und früh attackieren, schnell umschalten und rasch abschließen. Genauso also, wie es Salzburg seit Monaten immer besser praktiziert und weshalb wir den Roten Bullen auch durchaus gute Aufstiegschancen zuschreiben. Mehr noch, würden wir die Salzburger – immer vorausgesetzt Ajax gelingt keine außergewöhnliche Sternstunde wie gegen Barcelona – sogar leicht favorisieren. Auch, wenn das Schmidt und Rangnick so nicht bestägigen wollen. Zumindest nicht offiziell.