Vorwärts Steyr: Zurück in die Zukunft

Der SK Vorwärts Steyr hielt jahrelang Oberösterreichs Fahnen in der Bundesliga hoch. Heute hat diesen Job die SV Ried übernommen, während die Steyrer zwei Klassen tiefer um die Rückkehr in den bezahlten Fußball kämpfen. Eine Reportage von Jürgen Zacharias

 

Irgendwann wieder einmal Bundesliga spielen. Mit diesem Fernziel im Gepäck tritt der SK Vorwärts Steyr an diesem Samstag-Nachmittag in der 8. Runde der Regionalliga Mitte gegen die Amateure des SV Kapfenberg an. Das Wetter ist windig-ungemütlich, die Tribünen im Stadion an der Volksstraße sind mit nur 1.050 Zuschauern spärlich besetzt, aber trotzdem ist die Stimmung aufgekratzt. Soeben hat Thomas Hirschhofer die Kapfenberger nach einer Unachtsamkeit der Steyrer Hintermannschaft in Oliver Gruenwald Juergen ZachariasFührung gebracht. Einzelne Pfiffe aus dem Publikum, während die Fans auf der Stehplatztribüne rund um den Fanclub Südchaos den Ausgleich verlangen. Ihn förmlich herbei schreien wollen, denn spielerisch ist ihrer Elf bislang recht wenig gelungen. Zu wenig, um als Aufsteiger in der aktuellen Regionalliga-Saison bestehen zu können und erst recht um das Fernziel des Vereins zu erreichen, in einigen Jahren die Rückkehr in den bezahlten Fußball zu schaffen.

 

"In vier bis fünf Jahren wollen wir so weit sein"
„In vier bis fünf Jahren wollen wir soweit sein", sagt Oliver Grünwald (siehe Bild links), der seit knapp zwei Jahren Sportmanager des Vereins ist und nun aus der letzten Reihe der Haupttribüne ungläubig verfolgt, wie der ungarische Stürmerstar Peter Orosz (einst RB Salzburg, Wacker Innsbruck, Vasas Budapest und FC Pasching) eine große Chance auslässt.

 


„Nach dem Aufstieg in der vergangenen Saison wollen wir uns in der laufenden Spielzeit in der Regionalliga etablieren und einen Platz unter den ersten 6 erreichen. Nach und nach soll es dann weiter nach oben gehen." Warum Grünwald so sicher ist, dass die Vorwärts mit ihrem aktuellen Mini-Budget von rund 400.000 Euro in Zukunft mit den Liga-Größen Pasching, BW Linz, LASK und Austria Klagenfurt mit weit höheren Budgets bis hin zu 1,5 Mio. Euro konkurrieren kann?

 

GEPA-15080968037 Custom

Eines der letzten ganz großen Highlights: Cup-Spiel gegen Red Bull Salzburg im Jahr 20009 (Foto: Gepa Pictures)

 

„Natürlich gilt es da einiges aufzuholen. Aber mit guter Arbeit wollen wir uns nachhaltig sowohl sportlich als auch wirtschaftlich nach oben entwickeln. Wenn wir uns in allen Bereichen verbessern, können wir diesen Vereinen in Zukunft ganz sicher Konkurrenz machen", sagt Grünwald, „dabei gilt es vor allem im Vereinsumfeld Versäumtes nachzuholen. Erste Schritte dazu haben wir bereits gemacht und weitere sind geplant."


GEPA-15080968033 CustomSo ist man etwa drauf und dran den bisher stiefmütterlich behandelten Nachwuchs zu professionalisieren und mit einem Ausbildungszentrum vor allem für jene Spieler eine Option darzustellen, die es nicht in die Akademien in Linz oder Ried schaffen. Im Sommer konnte man bereits sechs neue Jugendtrainer zum Verein lotsen, bald soll auch die bislang unbefriedigende Zahl an Trainingsplätzen gehoben werden – im Stadtteil Gleink stehen nur zwei Felder zur Verfügung, die Kampfmannschaft trainiert entweder im Stadion oder am Union-Platz. Um den Spielern auch abseits des ersten Teams Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau ermöglichen zu können, soll zudem die 1b-Mannschaft, die aktuell im Mittelfeld der 2. Klasse Ost herum dümpelt, langfristig in Richtung Bezirksliga geführt werden.

 


Auch wirtschaftlich streben die Steyrer rund um Präsident Jörg Rigger eine Professionalisierung an: Kürzlich wurde zu diesem Zweck ein Wirtschaftsbeirat ins Leben gerufen, dem neben dem Steyrer Bürgermeister eine Handvoll Wirtschaftstreibende aus der Stadt und ihrer Umgebung angehören. Selbst der Bau eines neuen Stadions ist – obwohl das Thema nach ersten Überlegungen vor zwei Jahren medial bereits mehrfach für beendet erklärt wurde – laut Grünwald immer noch in Diskussion.

 

Stadion Steyr2 Juergen Zacharias

Für die Fans hat das Stadion an der Volksstraße Kultcharakter (Foto: Jürgen Zacharias)


Bei den Fans stoßen derartige Überlegungen auf wenig Gegenliebe – für sie hat das Stadion an der Volksstraße Kultcharakter. „Mehr noch", sagt Christian Kreil, der bis vor einem halben Jahr auf seinem Blog „this is volxroad" regelmäßig über das Vereinsgeschehen berichtete und unter seinem Alter Ego „Grille" eine Kolumne für die Stadionzeitung schreibt, „das ist noch ein richtiger Fußballplatz, der über die Jahrzehnte gewachsen ist, zu unserer Vereinsgeschichte gehört und mit dem wir so viele Erinnerungen verbinden."

 

Etwa in der jüngeren Vergangenheit an das Meisterschaftsfinale 2005 mit 5.000 Zuschauern gegen den ASK St. Valentin, an den Fünftliga-Schlager gegen Weißkirchen vor 7.000 Fans oder das 0:1 gegen Sturm Graz im ÖFB-Cup Achtelfinale 2010 vor ebenfalls 7.000 Besuchern. Zudem sei das Stadion, so Kreil, durchaus in einem guten Zustand. Auch wenn sich die digitale Anzeigetafel heute in der ersten Halbzeit einen Durchhänger gönnt, ist sich der Steyrer sicher, dass das Stadion auch für die Bundesliga reichen würde. „Immer wieder wurden kleinere Verbesserungen durchgeführt", sagt er im Gespräch mit 90minuten.at. „Anlässlich des Spiels gegen Sturm Graz wurde etwa die Nordtribüne saniert und drei Jahre davor im Zuge der U-19-Europameisterschaft das Flutlicht verbessert."

 

GEPA full 8088 GEPA-10111068093 Custom

Bittere 0:1-Niederlage im Cup gegen Sturm Graz (Foto: Gepa Pictures)

 


Seine Wurzeln hat der Mythos Vorwärts Steyr freilich nicht in den vergangenen Jahren, sondern schon viel früher. Etwa am 4. September 1949, als die Herren Knor, Rehak und Hartl Sportgeschichte schrieben. Nachdem die Vorwärts in der Saison 1948/49 erst im Finale des Bundesländer-Cups mit 2:5 der Wiener Austria unterlag, qualifizierte sich der Verein für die neu geschaffene Staatsliga A, den Vorläufer der heutigen Bundesliga, und traf dort am 2. Spieltag in seinem ersten Heimspiel auf den SK Rapid. Der reiste mit Stars wie den Körner-Brüdern, dem kürzlich verstorbenen Leopold Gernhardt und Johann Riegler nach Oberösterreich und verlor nach einer 2:0-Führung prompt noch mit 2:3. Der Rapidler Knor wiederbelebte mit einem Eigentor den am Boden liegenden Gegner, acht Minuten später hatten die beiden anderen Herren das Spiel gedreht und damit den Grundstein für den Klassenerhalt der Vorwärts gesorgt.


GEPA-15080968013 CustomIm Jahr darauf war dann der Abstieg nicht mehr zu verhindern und es sollte bis zur Saison 1988/89 dauern, bis man wieder Bundesliga-Luft schnuppern durfte. Dann allerdings mit durchschlagendem Erfolg: Mit Spielern wie dem Ukrainer Oleg Blochin (heute Trainer von Rapids Europa League-Gegner Dynamo Kiew), Andreas Heraf, Zeljko Vukovic, Daniel Madlener, Johann Kogler, Christoph Westerthaler, Kurt Hochedlinger, Tomislav Kocijan, Walter Waldhör oder dem tschechischen Internationalen Ivo Knoflicek erreichte man in den Saisonen 1990/91 und 1991/92 jeweils den siebten Tabellenplatz und durfte die Vorwärts 1995 sogar am damaligen UI-Cup (eine Art internationaler Qualifikationsbewerb für den UEFA-Cup) teilnehmen. Dort kickten die Rot-Weißen mit einem 2:1 Auswärtssieg überraschend die Frankfurter Eintracht aus dem Bewerb, scheiterten aber letztlich am französischen Vertreter Racing Straßburg. Obwohl die Saison so gut begonnen hatte, stand am Ende mit nur sechs Punkten der sieglose Abstieg in die 2. Division.

 

Sportliche Talfahrt mit Schlammschlacht

Bereits von schweren Finanzproblemen gebeutelt, gelang zwei Saisonen darauf aber nochmals der Aufstieg, ehe nach dem neuerlichen Abstieg in der 2. Division schließlich der Spielbetrieb eingestellt werden musste. Was folgte war eine mediale Schlammschlacht mit wechselnden Schuldzuweisungen, ein erfolgreiches Zwangsausgleichverfahren und am 28. August 2001 gegen Maria Neustift der Neustart in der 2. Klasse Ost, der achten Spielklasse.


„Natürlich war im ersten Moment der Schock sehr groß, als bekannt wurde, dass der Spielbetrieb eingestellt wird", sagt Christian Kreil, „heute sehen wir es als durchaus interessante Erfahrung, auch einmal gegen die Mannschaften aus der direkten Nachbarschaften gespielt zu haben." Das Zuschauerinteresse am Traditionsklub war in den Niederungen des heimischen Fußballs auch aufgrund der vielen Regionalderbys ungebrochen. Hunderte Fans waren und sind bei Auswärtsspielen mit dabei, zu hause rechnet der Verein in dieser Saison mit einem Schnitt von 1.500 bis 2.000 Zuschauern – weit über den üblichen Besucherzahlen in der dritten Spielklasse. „Das zeigt auch das Potenzial, das in Vorwärts schlummert", sagt Sportmanager Oliver Gründwald. „Steyr ist ein Traditionsverein und gehört ganz einfach nach oben."

 

GEPA-15080968027 Custom

Steyr will zurück. Zurück in den Profi-Fußball (Foto: Gepa Pictures)

 

100-jähriges Jubiläum 2019 bereits eine Liga höher geplant
Gelingen soll der Aufstieg vor allem mit einem Grundgerüst aus Spielern aus der Region, Talenten wie Husein Balic und Hussein Susic und punktuellen Verstärkungen. „Im Sommer mussten wir uns mit acht neuen Spielern fit für die neue Liga machen", sagt Grünwald, „nun gilt es uns zu stabilisieren und im Fall der Fälle gezielt neue Spieler zu holen." Im Sturm dürfte dabei am wenigsten Bedarf herrschen: Nachdem der Kapfenberger Rechtsverteidiger Miroslav Beljan innerhalb weniger Minuten zuerst Gelb und dann Gelb-Rot wegen Kritik kassiert, erzielt Peter Orosz mit der ersten gelungenen Offensivaktion der Rot-Weißen den 1:1 Ausgleich. Damit scheint die Spielfreude zurückgekehrt, in Halbzeit zwei verläuft das Match – dann wieder bei funktionierender Anzeigentafel – wie auf einer schiefen Ebene. Peter Orosz und seine Teamkollegen lassen aber die besten Chancen ungenützt und bringen damit nicht nur Trainer Adam Kensy und Sportmanager Oliver Grünwald, sondern auch das Publikum zur Verzweiflung. Das Unentschieden bedeutet zwar den ersten Punktegewinn nach zwei Niederlagen in Serie, so richtig zufrieden will damit im Umfeld der Steyrer aber niemand sein.

 

Warum auch? Der Verein hat schließlich höhere Ansprüche, spätestens zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 will die Vorwärts wieder eine Liga höher spielen.

j.zacharias@90minuten.at