Verkauft die FIFA WM-Tickets, die ihr nicht gehören?
Offener Brief an FIFA-Präsident Josef Blatter des Deutschen Fußball Instituts (DFI):
Sehr geehrter Herr Präsident Blatter,
das Deutsche Fußball Institut wendet sich persönlich an Sie, um Sie über Ereignisse zu informieren, von denen Sie als Präsident des Weltfußballverbands FIFA möglicherweise noch nicht erfahren haben. Es geht um die Nutzung des Maracanã-Stadions in Rio de Janeiro während des gerade laufenden Confederation Cups und der FIFA-Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2014.
Das Stadion gehört zum Teil 4.500 Privateigentümern. Die Eigentümer haben ein Recht, ihr Stadion bei jeder dort stattfindenden Veranstaltung zu besuchen. Sie haben feste Sitzplätze, die Ihnen gehören. Die Sitzplätze sind ihr Eigentum. Dies gilt auch bei dem Confederation Cup und der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2014. Als das Maracanã-Stadion gebaut wurde und es bei der Finanzierung Engpässe gab, wurden diese Sitzplätze verkauft. Den Eigentümern wurde das Recht eingeräumt, ohne jede Ausnahme alle Veranstaltungen im Stadion besuchen zu dürfen, egal ob es sich dabei um Sportveranstaltungen, Konzerte oder beispielsweise den Papstbesuch handelt. Der Beitrag, den die Eigentümer zur Finanzierung des Stadions geleistet haben, war enorm. Der Kaufpreis für einen Sitzplatz entsprach dem Gegenwert einer Eigentumswohnung in einem bürgerlichen Viertel von Rio de Janeiro. Nur mit dieser privaten Unterstützung konnte das "Vorzeigestadion Maracanã" überhaupt ursprünglich realisiert werden.
Die FIFA hat, möglicherweise ohne von diesen Vorgängen zu wissen, einen Vertrag mit dem brasilianischen Staat abgeschlossen. Der Vertrag räumt der FIFA die Vermarktungsrechte aller Sitzplätze in den WM-Stadien und damit auch in dem Maracanã-Stadion ein. Erfasst sind also auch die Plätze, die dem brasilianischen Staat überhaupt nicht gehören, sondern 4.500 privaten Eigentümern.
Die Eigentümer haben sich dagegen gewehrt. Sie haben vor einem brasilianischen Gericht Recht bekommen. Das Gericht hat den brasilianischen Staat verurteilt, den betroffenen Eigentümern Tickets für jedes Spiel in dem Maracanã-Stadion zu kaufen oder alternativ die Eigentümer für jedes Spiel zu entschädigen. Kürzlich wurde dieses richtige und faire Urteil auf Veranlassung der Regierung von Rio de Janeiro ohne Angabe von näheren Gründen und ohne auf die sachliche Wertung der Gerichtsurteile einzugehen von einem brasilianischen Obergericht aufgehoben.
Das bedeutet im Ergebnis: Den Eigentümer werden ihre Sitzplätze während dem Confederation Cup und der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2014 weggenommen. Sie werden ohne Entschädigung enteignet! Vor diesem Hintergrund wenden wir uns persönlich an Sie als Präsidenten der FIFA: Ist die FIFA bereit, dieses Ergebnis zu akzeptieren? Will die FIFA sich an dieser rechtsstaatswidrigen Enteignung beteiligen und wirklich mit WM-Tickets handeln, die ihr nicht gehören?
Wir können uns nicht vorstellen, dass Sie, Herr Blatter, der in vorbildlicher Weise weltweit für den Fair-Play-Gedanken eintritt und weltweit dazu plakative und nachhaltige Aktionen durchführt, ein solches Ergebnis akzeptiert und aufgrund der jetzigen Kenntnis defacto involviert sind und somit mitverantworten. Im Namen der betroffenen Eigentümer bitten wir Sie, sich dieser Sache persönlich anzunehmen und ein faires Ergebnis für die betroffenen Eigentümer herbeizuführen.
Das DFI befasst sich wegen des anstehenden größten Sportereignisses aller Zeiten, der FIFA WM 2014 in Brasilien, schwerpunktmäßig mit Südamerika und den Nationalmannschaften. Sie vertritt mit diesem offenen Brief eine Reihe der Teileigentümer und sich selbst. In Brasilien gehen in diesen Tagen hunderttausende von Bürgern auf die Straße. Sie demonstrieren für weniger Korruption, mehr Gerechtigkeit und mehr Rechtsstaatlichkeit.
Der brasilianische Staat sitzt in der Klemme. Auf der einen Seite hat er mit der FIFA einen Vertrag geschlossen. Auf der anderen Seite haben brasilianische Gerichte mehrfach festgestellt, dass er über die Sitzplätze der 4.500 Miteigentümer in dem Maracanã-Stadion nicht verfügen durfte. Nur Sie, sehr geehrter Herr Blatter, können hier eine Lösung herbeiführen und zu mehr Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit beitragen, die die Demonstranten in Brasilien in diesen Tagen so vehement fordern.