Hosiner: Abflug zum Hass-Klub, der keiner mehr sein will
Philipp Hosiner steht vor dem Wechsel zum deutschen Bundesligisten 1899 Hoffenheim. Für den Stürmer wäre es ein großer Schritt – und für den Klub ein großartiger Transfer. Von Tim Röhn
In Deutschland haben die Hoffenheim-Hasser, von denen es bekanntlich sehr viele gibt, nun zum ersten Mal ein Problem. In der jüngeren Vergangenheit war es ja sehr einfach, auf den Klub aus dem Kraichgau zu schimpfen. Retorten-Verein! Plastik-Klub! Das waren noch die jovialsten Bezeichnungen für die TSG 1899, die mit den Millionen des schwerreichen SAP-Gründers Dietmar Hopp in die Bundesliga gehievt worden war.
Wie hasst man ein Team mit Herz?
Als die Mannschaft dann in der vergangenen Saison in den Abgrund stürzte, frohlockten die Missgünstigen, nun verschwinde Hoffenheim endlich wieder von der Bildfläche. Es kam anders, das Team rettete sich mit einem 2:1 im letzten Spiel in Dortmund in die Relegation, dort machte es dem 1. FC Kaiserslautern den Garaus. Hoffenheim hat in jenen Tagen im Mai etwas Überraschendes bewiesen: dass es doch eine Seele, möglicherweise sogar Charakter hat. Es war beeindruckend, zu beobachten, wie sich die Mannschaft aus einer scheinbar aussichtslosen Lage gekämpft hat.
Das ist sie nun, die erste Schwierigkeit für die Hoffenheim-Feinde: Wie hasst man ein Team mit Herz? Die zweite lautet: Wie soll man eine Antipathie gegen einen Klub aufrechterhalten, der neuerdings mit Markus Gisdol einen überaus sympathischen Trainer aufbietet, der mutmaßliche Söldner zum Amtsantritt rausgeworfen hat? Die Wut auf das Projekt an sich wird bleiben, aber die Prozesse, die in Gang gesetzt wurden, werden Hoffenheims Image aufpolieren. Im Kraichgau wollen sie keine altverdienten Kicker mehr, sondern junge, gierige Leute.
Angesichts dessen passt Philipp Hosiner ausgezeichnet in das Anforderungsprofil von 1899. Der 24 Jahre alte Angreifer von Austria Wien hat in der vergangenen Saison in 48 Pflichtspielen 41 Treffer erzielt und elf Tore vorgelegt, das sind wahnsinnige Werte. Hoffenheim ist sich mit dem österreichischen Nationalspieler bereits einig. „Ich möchte diese Chance nützen, die ich mir als Schützenkönig erarbeitet habe", sagte Hosiner, an dem auch der FC Valencia und Lazio Rom Interesse bekundet hatten, der Zeitung „Krone".
Hosiner passt zum Umbruch des Klubs
Nun pokern die Klubs um die Ablöse. Drei Millionen Euro sind im Gespräch, trotz des Kurswechsels wollen sie bei 1899 auch nicht so tun, als ob man plötzlich am Hungertuch nage. Daher wäre es auch eine große Überraschung, falls der Transfer platzen sollte.
In Hoffenheim wissen sie, dass sie einen wie Hosiner beim Umbruch nur zu gut gebrauchen können. Die erfahrenen Stürmer wie Igor de Camargo sowie Eren Derdiyok und für viel Geld verpflichtete Hoffnungsträger wie Joselu, der von Real Madrid Castilla kam, enttäuschten in der vergangenen Saison. Derdiyok und Joselu sollen gehen, in Sachen de Camargo ärgern sie sich in Hoffenheim darüber, dass der Spieler, zuvor nur von Mönchengladbach ausgeliehen, durch den Klassenerhalt automatisch verpflichtet wurde.
Allein mit der Performance der Stürmer Sven Schipplock, 24, und Kevin Volland, 20, durften die Verantwortlichen zuletzt meist zufrieden sein. Ein weiterer Jungstar wie Hosiner, blitzschnell, beidfüßig, kopfballstark, würde die Offensiv-Qualität der Mannschaft weiter erhöhen.
Ein weiteres Argument pro Hosiner ist seine Vergangenheit in Deutschland, die die Umstellung etwas erleichtern dürfte. Im Alter von 16 Jahren war der Spieler 2006 zu 1860 München gekommen und ging für die zweite Mannschaft auf Torejagd. Beim SV Sandhausen verpasste Hosiner danach den Durchbruch: In der Saison 2009/2010 schaffte er im Dress des Drittligisten nur ein Tor in 20 Einsätzen. Der Angreifer ging zurück in die Heimat, entwickelte sich prächtig und ist nun bereit für eine zweite Chance in Deutschland.
Angestrebte Rückfall in alte Zeiten
Hosiner passt dabei exakt in das Konzept von Trainer Gisdol und Manager Alexander Rosen, die im April das Duo Marco Kurz/Andreas Müller abgelöst hatten und dem Klub neues Leben einhauchten – übrigens sogar ohne Ex-Nationaltorhüter Tim Wiese, der nicht zum neuen Profil des Klubs passt und sich trotz laufenden Vertrags einen neuen Arbeitgeber suchen soll. „Wir wollen auf den Weg zurückfinden, der uns einmal ausgezeichnet hat", sagte Gisdol jüngst und erinnerte damit an das Jahr 2008, als sich Hoffenheim nach dem Bundesliga-Aufstieg sofort im Kampf um die Tabellenspitze und damit im Ringen mit dem FC Bayern wieder fand.
Junge, hochmotivierte Profis waren es, die damals das TSG-Trikot trugen und dafür sorgten, dass der Klub gar nicht mal so verhasst war, sondern sogar ein stückweit bewundert wurde. Mit Spielern wie Philipp Hosiner könnte der angestrebte Rückfall in alte Zeiten tatsächlich gelingen.