Die WM-Stadien 2014: Von Brasilia bis Rio
In sechs Austragungsorten wurde beim Confed-Cup im Juni für die WM 2014 in Brasilien geprobt – nicht immer mit Erfolg. Ein Überblick über die Stadien und Städte, die im kommenden Jahr das Ziel zehntausender Fußballfans aus der ganzen Welt sein werden. Vo
Die brasilianische Hauptstadt – in den 1950er Jahren unter Präsident Juscelino Kubitschek aus dem Steppenboden der zentralen Provinz Goias gestampft – ist vom infrastrukturellen Standpunkt her wie gemacht für eine WM. Das Verkehrsaufkommen ist für brasilianische Verhältnisse eher gering, es gibt einen großen Flughafen, genügend Hotels – viele davon in unmittelbarer Nähe des Stadions – und eine ganze Reihe an touristischen Sehenswürdigkeiten wie den von Oscar Niemeyer gestalteten Nationalkongress.
Die eindrucksvolle Architektur der 2,6-Millionen-Einwohner-Metropole fand auch beim Bau des WM-Stadions ihren Niederschlag: Das für rund 450 Millionen Euro neu errichtete Estadio Nacional Mane Garrincha bietet bei der WM 71.000 Zuschauern Platz, seine Ränge sind steil und die Akustik ausgezeichnet. Beim Confed-Cup wurde hier lediglich das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Japan hier ausgetragen, im kommenden Jahr wird der WM-Tross zu Gruppenspielen, je einem Achtel- und Viertelfinale sowie zum Spiel um Platz drei in Brasilia gastieren.
Der große Makel an Brasilia: Die Stadt verfügt über wenig Fußballtradition und keine erstklassigen Vereine. Die lokalen Klubs Brasiliense und Gama durften sich in der Vergangenheit zwar schon mit den Großklubs aus Rio und Sao Paulo messen, aktuell sind sie jedoch nur in der dritten bzw. vierten Liga zu finden und nicht in der Lage, das riesige Stadion nach der WM zu füllen. Der Arena droht deshalb nach 2014 trotz ambitionierter Pläne der privaten Betreiber das Schicksal eines »Weißen Elefanten«. Denn die Verlegung großer Partien nach Brasilia, wie bei Neymars Abschiedsspiel für den FC Santos gegen Flamengo, dürften die Ausnahme bleiben, auch wenn es in Brasilia die meisten Flamengo-Fans außerhalb Rios gibt.
BELO HORIZONTE
Die unübersichtliche und überbevölkerte Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais ist nicht gerade das, was man unter einer Touristenattraktion versteht. Dennoch hat Belo Horizonte einiges zu bieten: Die Küche von Minas gilt als einer der besten Brasiliens, die Auswahl an Cachacas (den klassischen brasilianischen Zuckerrohrschnäpsen) ist atemberaubend und die barocken Goldgräberstädte Mariana und Diamantina liegen nur einen Tagesausflug entfernt. Auch Fußball wird in BH (sprich: Be-Aga) großgeschrieben. Mit Atletico Mineiro und Cruzeiro verfügt die drittgrößte Stadt Brasiliens über zwei Erstligisten. Atletico sicherte sich mit den Mannschaftsstützen Ronaldinho, Jo und Bernard in der Vorwoche erstmalig den Sieg in der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions League. Dem Stadtrivalen Cruzeiro war das schon 1976 und 1997 gelungen.
Auf die WM-Touristen warten bei der Copa 2014 in Belo Horizonte lange Wege. Denn das Estadio Governador Magalhaes Pinto (kurz: Mineirao) liegt in Pampulha, einem Vorort acht Kilometer außerhalb des Zentrums. Eine U-Bahn zum Stadion gibt es nicht, das von Bussen getragene öffentliche Verkehrsnetz von BH kam während des Confed-Cups durch Demonstrationen und Straßenblockaden mehrmals zum Erliegen. Die Schnellbusstrecke ist noch eine kilometerlange Baustelle, ob sich die Fertigstellung bis zum WM-Ankick ausgeht, ist unsicher. Zumindest funktionierte aber das Shuttlebus-System im Rahmen des Confed-Cups durchaus gut.
Das Estadio Mineirao (Kapazität: 62.000) wurde für 235 Millionen Euro am Platz seines gleichnamigen Vorgängers hochgezogen. Von außen erinnert der »Gigant von Pampulha« wegen seiner exponierten Lage auf einem Hügel an ein gestrandetes Raumschiff oder eine Raubritterburg. Im Inneren sorgen die flachen Ränge jedoch dafür, dass das Stadionerlebnis nicht so intensiv ist wie im Maracana von Rio, in Brasilia oder Salvador. Bei der WM werden hier neben Gruppenspielen ein Achtel- und ein Semifinale ausgetragen. Der Vorteil für WM-Touristen: Im Gegensatz zu vielen anderen WM-Schauplätzen ist Belo Horizonte nicht nur mit dem Flugzeug, sondern auch per Bus aus Rio oder Sao Paulo erreichbar.
FORTALEZA
Die Hauptstadt der Provinz Ceara an der nördlichen Atlantikküste Brasiliens ist seit Jahrzehnten eine internationale Reisedestination und neben seinen weißen Sandstränden auch bekannt für Sextourismus, dem die Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren verstärkt und teilweise erfolgreich den Kampf angesagt hat. Diverse einschlägige Etablissements am zentralen Touristenstrand von Iracema wurden geschlossen und auch an anderen Orten der Stadt floriert das horizontale Business nicht mehr wie früher.
Die Auswahl an Unterkünften jeglicher Preiskategorie in Fortaleza ist groß, allerdings sprechen nur wenige Hotelbedienstete eine Fremdsprache. Die Stadt hat kaum historische Sehenswürdigkeiten, aber nur wenige Kilometer nördlich gibt es sehr schöne palmengesäumte Strände, die sich vor allem bei Surfern und Kite-Surfern großer Beliebtheit erfreuen. Aber auch den Fußballfans dürfte bei der WM einiges geboten werden: Schon beim Confed-Cup organisierte Fortaleza ein eigenes Fanfest mit Public Viewing, Konzerten und Partys direkt am Strand, das von den Einheimischen sehr gut angenommen wurde.
Das Estadio Governador Placido Castelo (kurz: Castelao) ist ähnlich wie in Recife weit von den Touristenhotels entfernt. Das Castelao wurde als erstes WM-Stadion im Dezember 2012 eröffnet und weiß architektonisch sowohl von außen als auch von innen zu überzeugen. Allerdings liegt ein großer Bereich auf der Gegengerade bei Nachmittagsspielen in der Sonne, was bei den saunaähnlichen Temperaturen am Äquator zu einem Martyrium für nicht an dieses Klima gewohnte Besucher werden könnte. Wie die WM-Austragungsorte Cuiaba, Brasilia und Manaus verfügt auch Fortaleza über keinen Erstligisten. Die Klubs Ceara und Fortaleza spielen in der zweiten bzw. dritten Liga, wollen ihre Spiele aber in 64.000er Arena austragen. Bei der Endrunde im kommenden Jahr ist das Estadio Castelao Schauplatz von Gruppenspielen sowie je einem Achtel- und einem Viertelfinale.
RECIFE
Am Flughafen von Recife herrschten beim Confed-Cup teilweise chaotische Bedingungen – vor allem für Reisende aus dem Ausland. Lange Schlangen bei der Passkontrolle, endloses Warten bei der Gepäckausgabe, kaum ein Bankomat beim Ausgang in Betrieb. Gerade weil die Stadt an der Nordostküste von vielen europäischen WM-Touristen angeflogen werden wird, bleibt sie ein organisatorisches Fragezeichen für die Endrunde.
Recife (wörtlich: Riff) verfügt über schlecht ausgebautes Metrosystem, das oft überlastet ist. Vom Flughafen zu den Touristenunterkünften am Strand von Boa Viagem ist es nicht weit. Wer schwimmen geht, sollte hier allerdings aufpassen: Der Strand gilt als haiverseucht, erst vergangene Woche gab es eine tödliche Attacke. Besser aufgehoben ist man an den wunderbaren Stränden von Porto de Galinhas, rund 60 Kilometer weiter südlich. Ebenfalls sehenswert sind das historische, von vielen Kanälen durchzogene Zentrum von Recife sowie die barocken Häuser und Kirchen von Olinda, die nicht umsonst als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet sind.
Das Estadio Pernambuco liegt weit in der Pampa. Bei normalem Verkehrsaufkommen benötigt der Bus aus dem Zentrum fast eine Stunde. Das 180 Millionen Euro teure Stadion präsentierte sich beim Confed-Cup noch nicht ganz fertig, viele Baustellen waren nur notdürftig abgedeckt. Hinzu kamen logistische Unzulänglichkeiten wie die verspätete Öffnung von Einlasstoren, die Abreise gestaltete sich ebenfalls sehr langwierig. Bei der WM ist für Recife und sein Stadion, das mit 44.000 Plätzen zu den kleineren Arenen der Copa zählt, nach dem Achtelfinale Schluss. Aktuell wird das Pernambuco nur vom Erstligisten Nautico genutzt. Die Stadtrivalen von Sport und Santa Cruz spielen in anderen Stadien.
RIO DE JANEIRO
Gemeinsam mit Sao Paulo wird Rio de Janeiro wohl das Gros der WM-Touristen anlocken – nicht zuletzt wegen seiner touristischen Strahlkraft. Die Sehenswürdigkeiten der »cidade maravilhosa« – der wunderbaren Stadt, wie Rio von seinen Bewohnern oft genannt wird – sind vielfältig und reichen von den berühmten Stadtstränden von Ipanema und Copacabana, dem Zuckerhut, der Christus-Statue am Corcovado bis hin zum pulsierenden Nachtleben von Lapa.
Die WM-Spiele Rios gehen ausschließlich im Maracana-Stadion im Stadtteil Tijuca über die Bühne. Das brasilianische Fußballheiligtum – ursprünglich zur WM 1950 gebaut und zu diesen Zeiten von bis zu 200.000 Zuschauern bevölkert – wurde für die Copa 2014 für rund 450 Millionen Euro komplett umgebaut. Außer der historischen Betonhülle blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Vor allem die Umgestaltung des Innenraums, die Verkleinerung auf 76.800 Plätze sowie die Privatisierung des zuvor öffentlichen Stadions und seiner weitläufigen Anlage führte zu massiver Kritik von Fans, Anrainern und Nutzern.
Vom organisatorischen Standpunkt präsentierte sich das Maracana bei den drei Spielen des Confed-Cups bereits WM-reif. Die An- und Abreise der Zuschauer verlief dank der U-Bahn-Anbindung und eines gut ausgeschilderten Leitsystems komplikationslos. Im näheren Umfeld des Stadions gibt es außerhalb der FIFA-Bannmeile eine Reihe von Restaurants und Bars, die einen guten Rahmen für ein Fußballfest abgeben sollten. Allerdings war das Stadionareal während des WM-Vorbereitungsturniers auch mehrmals Schauplatz von Zusammenstößen zwischen Demonstranten mit der Polizei.
Die Privatisierung des Maracana schritt nach dem Confed-Cup zügig voran. Fluminense schloss mit dem Eigentümerkonsortium einen Nutzungsvertrag über die kommenden 35 Jahre ab. Stadtrivale Flamengo wollte noch keinen derart langfristigen Deal unterzeichnen und spielt vorerst nur bis Jahresende im Maracana. Nutzen könnte das Stadion vorübergehend auch Botafogo, weil das Engenhao-Stadion wegen eines Baufehlers in den nächsten 17 Monaten geschlossen bleibt. Bei der WM-Endrunde werden im Maracana vier Vorrundenspiele, je ein Achtel- und Viertelfinale sowie das Endspiel am 13. Juli ausgetragen.
SALVADOR
Mit Salvador fungiert eine weitere Metropole des bevölkerungsreichen Nordostens als Schauplatz der WM. Die ehemalige Hauptstadt Brasiliens, vom 17. bis ins 19. Jahrhundert Zentrum des Sklavenhandels mit Afrika, ist schon seit längerer Zeit ein Fixpunkt in den Brasilien-Reisen vieler Urlauber, entsprechend gut entwickelt präsentiert sich die touristische Infrastruktur – vor allem an den Stadtstränden von Barra und Rio Vermelho, rund um die historische Altstadt Pelourinho und andere Sehenswürdigkeit wie die Wallfahrtskirche von Bonfim.
Das WM-Stadion Fonte Nova befindet sich relativ zentral an einer künstlichen Lagune. Aufgrund der nicht vorhandenen U-Bahn-Anbindung und seiner Lage in einem Kessel ist es aber nicht so einfach zu erreichen, wie ein Blick auf den Stadtplan nahelegen würde. Beim Confed-Cup wurde das vielen Besuchern des Spiels zwischen Nigeria und Uruguay zum Verhängnis. Sie mussten Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei passieren, um zum Stadion zu gelangen. Dort zeigten sich Ordner angesichts eines schlechten Leitsystems und des unübersichtlichen Stadiongeländes bei der Frage nach dem Weg oftmals überfordert.
Die neue Arena wurde an der Stelle des alten Fonte-Nova-Stadions errichtet, das 2007 nach einer Zuschauerkatastrophe abgerissen werden musste. Bei einem Teileinsturz einer Tribüne waren acht Menschen ums Leben gekommen und Dutzende verletzt worden. Das 230-Millionen-Euro-Stadion hat mit seiner Hufeisenform und einer breiten Öffnung in Richtung der Lagune seine klassische Charakteristik gewahrt und überzeugt durch steile Ränge und eine ausgezeichnete Sicht für sämtliche Besucher. Neben der Vorrunde werden in Fonte Nova auch ein Achtel- und ein Viertelfinalspiel ausgetragen, vor und nach der WM wird die Arena von den beiden Erstligisten Salvadors, Bahia und Vitoria, genutzt.