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Bundesliga: Coronakrise wird zur Beziehungskrise

Eine Mehrheit der Bundesliga-Klubs wünscht sich eine andere Zusammensetzung des Bundesliga-Aufsichtsrates. Grund dafür ist eine Vertrauenskrise in einen Teil der aktuellen Führung.

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++ 90minuten.at-Exklusiv ++ Von Michael Fiala

 

Die Corona-Krise hat in den vergangenen Wochen nicht nur für einen Lockdown im österreichischen Fußballsport gesorgt, sondern auch eine Vertrauenskrise gegenüber einem Teil des aktuellen Bundesliga-Aufsichtsrats ans Tageslicht gefördert, wie 90minuten.at in einer exklusiven Recherche herausgefunden hat.

Den Bundesliga-Aufsichtsrat bilden derzeit Philip Thonhauser (Admira/Vorsitzender), Siegmund Gruber (LASK/stellvertretender Vorsitzender), Erwin Fuchs (Kapfenberg/stellvertretender Vorsitzender), Christian Jauk (Sturm Graz), Diana Langes-Swarovski (WSG Tirol), Volker Viechtbauer (Salzburg), Gerhard Stocker (Wacker Innsbruck) und Thomas Hollerer (ÖFB-Generalsekretär/ohne Stimmrecht). Thonhauser und Gruber sitzen neben Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer zudem auch im ÖFB-Präsidium und treffen dort wichtige Entscheidungen.

 

LASK-Präsident Gruber sorgt für schlechte Stimmung

Doch warum leidet das Vertrauen des aktuellen Aufsichtsrates der Bundesliga? Den Zorn zugezogen hat sich vor allem LASK-Präsident Siegmund Gruber. Entgegen der Vereinbarung aller Bundesliga-Klubs erst am Dienstag zu starten haben die Linzer bereits am Montag mit dem Training begonnen und so ganz nebenbei mit der Einladung einer breiten Journalistenschar gegen die aktuelle Verordnung der Bundesregierung verstoßen. Zudem ist zu hören, dass Gruber in diversen Arbeitsgruppen, die derzeit eifrig an der Wiederaufnahme der Liga arbeiten, als Bremser auftritt und versucht, Lösungen eher zu zerreden als sie zu finden. Auch seine Wortmeldung zu UEFA-Präsident Aleksander Ceferin erinnerte einige Ligavertreter unter vorgehaltener Hand eher an einen Provinzkaiser als einen verantwortungsvollen Vertreter der höchsten Spielklasse mit Stimmrecht im ÖFB-Präsidium. Über die Gründe, warum der LASK bei diesem Thema so zaghaft agiert, wurde bereits spekuliert (>> siehe: Doppeltes Spiel der Linzer?). Allgemeiner Tenor: Gruber soll sich seiner Rolle als stellvertretender Vorsitzender des Bundesliga-Aufsichtsrates mehr bewusst sein, aber offensichtlich sieht er derzeit nicht über den Paschinger Tellerrand hinaus.

Und auch andere Mitglieder dieses Gremiums haben sich zuletzt nicht gerade beliebt gemacht. Ein eigens aufgesetzter Brief mit neun Schutzschildforderungen von WSG-Präsidentin Diana Langes-Swarovski an Sportminister Werner Kogler kam ebenfalls nicht gut an, weil es die gemeinsam abgestimmten Bemühungen der Bundesliga gefährdete. Schlussendlich vermisste man auch vom Vorsitzenden des Bundesliga-Aufsichtsrates den bedingungslosen Zug zum Tor, um die Liga endlich wieder zumindest im TV sehen zu können.

Der Antrag zur Erweiterung des Aufsichtsrates

All dies hat dazu geführt, dass gestern Freitag, sieben der zwölf Bundesliga-Klubs einen Antrag gestellt haben, eine Abstimmung zur Erweiterung des Aufsichtsrates einzubringen (siehe Bild). Die Regularien sehen vor, dass dieser Antrag von einer Zweidrittel-Mehrheit abgesegnet werden muss. Wie 90minuten.at-Recherchen ergeben haben, stimmten jedoch Admira, LASK, Wattens - diese drei Vereine haben bekanntlich einen Vertreter im Bundesliga-Aufsichtsrtat - und Mattersburg dagegen. St. Pölten enthielt sich der Stimme. Alle anderen, also Rapid, Salzburg, Sturm, WAC, Altach, Hartberg und Austria stimmten dafür. Fazit: 7 von 12 waren genau ein Verein zu wenig, die Niederlage perfekt, auch wenn diese noch ausgebügelt werden kann (siehe weiter unten).

 

"Kompetenzen ergänzen"

Dass Red Bull Salzburg, Rapid, Sturm, Austria gemeinsam mit einigen kleineren Vereinen an einem Strang ziehen und gemeinsam ein Ziel verfolgen, ist in der Bundesliga-Historie keine Selbstverständlichkeit. „Der FC Red Bull Salzburg hat diesen Antrag unterstützt, weil es einfach sinnvoll erscheint, die Kompetenz im Aufsichtsrat durch weitere Klubs zu ergänzen, vor allem in so herausfordernden Zeiten wie diesen. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass dieser Antrag nichts mit der professionellen Arbeit der Bundesliga-Geschäftsstelle zu tun hat”, sagt Stephan Reiter, wirtschaftlicher Geschäftsführer Red Bull Salzburg, in diplomatischer Art und Weise gegenüber 90minuten.at.

In Wirklichkeit ist es den sieben Vereinen, die den Antrag eingebracht haben, ein Dorn im Auge, dass ausgerechnet ein Großteil jener Klubs, die im Bundesliga-Aufsicht sitzen, in Sachen Saison-ReStart immer wieder einmal auf der Bremse stehen. Es war wohl auch kein Zufall, dass LASK-Präsident Siegmund Gruber in der Bundesliga-Konferenz am Freitag, mit Abwesenheit glänzte - in einer der wohl wichtigsten Sitzungen der vergangenen Jahre.

Philip Thonhauser sieht keine Vertrauenskrise.

Machtgelüste von Rapid und Austria?

Philip Thonhauser, Vorsitzender des Bundesliga-Aufsichtsrates, versucht im Gespräch mit 90minuten.at die Bedenken einer Vertrauenskrise zu zerreden. "Ich denke, dass viele dieser 7 Klubs - aber vor allem Austria und Rapid - in dieser Krisenzeit nach mehr Information und mehr Einbindung seitens der Bundesliga lechzen. Daher habe ich als in der Klub-Konferenz vorgeschlagen, in dieser Krisenzeit alle 12 Bundesliga-Klubs viel stärker einzubeziehen", so Thonhauser, der sogar in die Gegenoffensive geht: "Hier sehe ich auch das Problem: Wenn einige Großklubs aus der Hauptstadt mit allen Mitteln versuchen, ihre Macht auszubreiten, sehe ich es als meine Verantwortung, für die kleinen Klubs aufzustehen." (>> siehe exklusives Interview mit Philip Thonhauser: "Ich sehe als meine Verantwortung, für die kleinen Klubs aufzustehen"). Diese Theorie wird aber von einigen, von Thonhauser angesprochenen kleinen Klubs nicht gestützt, sonst hätten Vereine wie WAC, Altach oder Hartberg den Antrag nicht unterstützt.

 

Wie geht es weiter?

Am 7. Mai kommt es mittels Video-Konferenz zu einer Bundesliga-Hauptversammlung. Sofern der Antrag auf Erweiterung des Aufsichtsrates fristgerecht eingebracht wird, muss über diesen dann unter allen Klubs der Bundesliga aber auch jenen der 2. Liga abgestimmt werden. Ausgang offen.

Eines ist offensichtlich: Das Vertrauen in den Aufsichtsrat der Bundesliga ist durch die Vorgänge der vergangenen Tage beschädigt. Eine weitere Abstimmungsniederlage werden sich Rapid, Austria, Salzburg & Co aber auch nicht abholen wollen. Insofern werden die Anstrengungen der nächsten Tage nicht nur der Wiederaufnahme der Saison gelten, sondern auch, ob eine Zweidrittelmehrheit für eine Erweiterung des Bundesliga-Aufsichtsrates möglich erscheint. Denn eines hat die Mehrheit der Bundesliga-Klubs in den vergangenen Wochen verloren: Das Vertrauen, dass Thonhauser, Gruber und Langes-Swarowski in ihrer Funktion des Aufsichtsrates der Liga den richtigen Weg vorgeben.

Hinweis: Wie LASK-Präsident Siegmund Gruber über diese Thematik denkt, lesen Sie am Montag auf 90minuten.at. Eine entsprechende Anfrage dazu wurde von 90minuten.at am Samstag versendet - ebenso an Diana Langes-Swarovski.

 

90minuten.at-Exklusiv: Bundesliga-Aufsichtsrats-Vorsitzender Philip Thonhauser im Interview

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