SK Sturm: Rote Zahlen, schwarzer Geist
Beim SK Sturm Graz herrscht seit der Rückkehr von Franco Foda Euphorie. Zuletzt trübten aber die Nachwehen wenig erfolgreicher Vormonate die Aufbruchstimmung, der Klub schrieb erneut Verlust: Er hatte mit höheren Einnahmen bei Zuschauern und im Merchandis
Bei Sturm Graz gibt es vermutlich niemanden, der den Turnaround des Vereins so sehnlich herbeiwünscht wie Gerhard Goldbrich. Nicht verwunderlich, dass der General Manager gleichzeitig ein Mann ist, der nicht gerne mit der jüngeren Vergangenheit konfrontiert wird. Dieser Tage war dies wieder der Fall, als bekannt wurde, dass der SK Sturm zum zweiten Mal nacheinander in der fast ebenso langen Ära Goldbrich rote Zahlen schrieb. Zum Stichtag des Geschäftsjahres am 30. Juni 2014 steht ein Minus von 392.530,00 Euro zu Buche, wie aus den vom Kreditschutzverband veröffentlichten Zahlen hervorgeht. Alles halb so wild, wie Goldbrich erklärt: „Von den 392.530 Euro ist genau ein Minus von 41.000 übrig geblieben, der Rest sind Abschreibungen“. Mit so einem Minus - im zuschauerbezogenen Bereich sei der Verlust fast siebenstellig gewesen - noch derartig abzuschließen, sei doch „eine positive Arbeit eines Vereins“. Auch weil Goldbrich und sein operativer Gegenpart für den Bereich Wirtschaft, Daniela Friedl, viele Kostenstrukturen im Verein bereinigt hätten, „die wir zum Teil so übernommen haben.“ Beim Klub selbst ist das Geschäftsjahr 13/14 längst abgehakt, auch für die Öffentlichkeit, die davon erst in der vergangenen Woche Notiz nehmen konnte, sei das alles nicht sehr relevant. Goldbrich sagt: „Wir sind jetzt wieder auf Schiene.“
Bereits vor knapp einem Jahr war die wirtschaftliche Geschäftsführerin Friedl im Interview von einem „Minus im höheren sechsstelligen Euro-Bereich“ ausgegangen. Geworden ist es nun weniger als angenommen - vorerst auch ohne die Einnahmen aus den Rapid-Abgängen Robert Beric und Florian Kainz, die beide erst in der nachfolgenden Bilanz aufscheinen. Und auch, obwohl sich insbesondere die wenig erfolgreiche Ära von Darko Milanic dramatisch auf den Zuschauerzuspruch auswirkte. Je länger der Slowene am Trainerstuhl saß, desto weniger oft bewegten sich die Grazer Drehkreuze. Die Zuschauereinnahmen sanken um bis zu 30 Prozent, im letzten Heimspiel unter Milanic gegen Altach pilgerten lediglich 6.252 treue Seelen ins Stadion. Erinnerungen an diese Tage treiben den Mitarbeitern in der Sturm-Geschäftsstelle in Messendorf noch immer Sorgenfalten ins Gesicht, man redet schlicht nicht gerne darüber. Wenige Stunden nach dem 2:2 gegen Altach heuerte Milanic bei Leeds United an, wenige Tage und ein Comeback von Franco Foda später, fanden gegen Grödig 9.113 Menschen den Weg nach Liebenau. Seither kamen nie weniger als 8.700. „Wir stehen momentan bei einem Plus von 19 Prozent was die Tickets betrifft, und bei einem Plus von 28% im Merchandising-Bereich“, verrät Goldbrich und meint, dass es die Zuschauereinnahmen betreffend erst in der nächsten Saison wieder voll bergauf gehen könne. „Die Abos, die ich am Anfang der Saison nicht verkauft habe, die hole ich dann im Laufe der Saison nie wieder herein.“
Erst unlängst veröffentlichten Bundesliga und ÖFB ihre Zukunftsstrategie für das Jahr 2020. Mittelfristig sollen durchschnittlich wieder 10.000 Zuschauer Österreichs Stadien füllen - ein Schnitt wie er für Graz prädestiniert scheint. Für Goldbrich ist dies unseriöses Köpfezählen. „Einer budgetiert die 10.000 Zuschauer mit den billigsten Kartenpreisen, der andere mit den teuersten. Wichtig ist die Summe, wir budgetieren mit dem Schnittpreis“, erklärt er und lässt Vorwürfe, wonach Sturm in der Vorsaison zu euphorisch kalkuliert hätte, nicht gelten. „Dass der Zuschauerschnitt unter 7.000 einbricht, das ist bei einem Verein wie Sturm Graz nicht absehbar.“ Der Verein hätte dennoch heuer ein wenig konservativer, aber immer noch „sportlich“ kalkuliert. „Weil wir wussten, bei Sturm Graz geht es wieder nach oben.“
Die Bilanz der Grazer weist eine 6.190.140,00 Euro schwere Eigenkapitalquote auf. Eine löbliche und positive Kennzahl, die in dieser Höhe kein anderer Bundesligist vorweisen kann. Da brauche man nur in die Bundeshauptstadt schielen, so Goldbrich, auch Rapid Wien könne da nicht mithalten. In Graz steht diese Quote vor allem für die Vermögenswerte der Trainingszentren Messendorf und Gössendorf. Wie rasch man starre Immobilien in einer möglichen Not flüssig machen kann, erfuhr damals aber bereits Stadtrivale GAK leidvoll. Doch all das ist Vergangenheit.
Wäre es nach Sturm-Aufsichtsrat Robert Adam gegangen, würde heute jemand anderes anstelle von Goldbrich Auskünfte über Bilanzjahre geben. Für die etatmäßige wirtschaftliche Geschäftsführerin Daniela Friedl, die derzeit in Mutterschutz weilt, war lange eine Interims-Nachfolge vorgesehen gewesen. „Gerhard Goldbrich arbeitet bereits an einer solchen Lösung“, verriet Adam im vergangenen November gegenüber sturm12.at. Die nunmehrige Variante lautet: Interimslösung light. Gerhard Goldbrich steht nun auch im wirtschaftlichen operativen Geschäftsgebaren an der Front, im für die Entscheidungsfindung definierten Vier-Augen-Prinzip gibt es aber eine interne Interimslösung. „Zusätzlich wurde niemand geholt, das war nie der Plan“, erklärt Goldbrich, weil so auch Friedl nach ihrer halbjährigen Babypause problemlos wieder zu den Schwarz-Weißen zurückkehren könne.
Lediglich als Gegner auf dem Spielfeld kehrt Marco Djuricin nach Graz zurück. Der Verkauf des elffachen Saisontorschützen nach Salzburg sei keine wirtschaftliche „Notwendigkeit“ gewesen. „Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir das Geschäftsjahr 2014/15 auch ohne Transfers positiv abschließen werden“, sagt Goldbrich und erzählt von einer Beinahe-Vertragsverlängerung mit Djuricin zur Winterpause. Sturm hätte laut dem General Manager sogar abgelehnt, „wenn wir nicht parallel die personellen Alternativen so wählen hätten können, dass wir nun guter Dinge sind, dass wir uns nicht verschlechtert haben.“ Sturms sportliche Lebensversicherung verließ den Verein im Winter nicht nur für die kolportierte Rendite von 2,5 Millionen Euro. Er war auch an exakt der Hälfte aller Sturm-Tore im abgelaufenen Kalenderjahr beteiligt. Dennoch bleiben die Ziele der Grazer mit dem Erreichen des zweiten Tabellenplatzes hochgesteckt. Angst, dass damit die Erwartungshaltung zu sehr nach oben geschraubt werden könnte hat Goldbrich nicht. „Die ist bei den Fans in Graz immer sehr hoch. Wir haben das Selbstvertrauen zu sagen, dass wir attackieren.“ Sturm will sein Heil im Angriff nach vorne versuchen. Denn die Zukunft kann in Graz gar nicht schnell genug kommen.