Marcel Koller: ‚In Österreich reicht es oft, ein Talent zu sein'
Nach dem Brasilien-Spiel ist vor dem Qualifikationsstart im Jahr 2015. In ein paar Tagen wird sich der Schweizer bereits mit dem nächsten Gegner Liechtenstein beschäftigen. Im kommenden Jahr soll die taktische Flexibilität erhöht und die Weiterentwicklung
„Ich verliere extrem ungern, mit einem Unentschieden kann ich schon eher leben. Wir hätten uns ein Unentschieden verdient gehabt und haben eine gute Leistung gegen ein Top-Team gezeigt", zeigte sich Teamchef Marcel Koller auch am Tag nach dem Brasilien-Match hin- und hergerissen. „Ich freue mich aber vor allem über die gute Leistung über das ganze Jahr gesehen. Das Unentschieden hätten wir aber gerne noch mitgenommen", so der Schweizer. Stolz ist Koller vor allem auch darauf, dass die Mannschaft gegen Brasilien die Vorgaben „voll und ganz umgesetzt" hat, obwohl nur eine Trainingseinheit vor dem Brasilien-Match für taktische Arbeit zur Verfügung stand. „Das Team ist dadurch auch flexibler geworden." Die nächsten paar Tage will Koller ausspannen, danach beginnt die Konzentration auf 2015, genauer gesagt auf den nächsten Gegner Liechtenstein (27. 3. 2015, Vaduz).
„Fußball ist auch Selbstvertrauen"
Das Länderspieljahr mit nur einer Niederlage und keiner Niederlage aus einem Pflichtspiel war für Koller naturgemäß „sehr positiv. Das gibt uns viel Mut für das kommende Jahr." Auch die Qualifikationsspiele im Herbst beurteilt der Teamchef durchwegs positiv: „Wenn man die Qualifikationsspiele ansieht, waren wir gegen Schweden die bessere Mannschaft und haben leider nur 1:1 gespielt. Gegen Moldawien, Montenegro und Russland hat man dann eine Weiterentwicklung erkennen können. Das ist auch ein Ergebnis der dreijährigen Arbeit. Neben der spielerischen Qualität haben wir zuletzt auch das Selbstvertrauen dazubekommen."
Der Faktor Selbstvertrauen darf aus der Sicht von Koller auch nicht unterschätzt werden. „Wir haben uns jetzt stetig drei Jahre weiterentwickelt, doch der Erfolg im Fußball hat auch sehr viel mit Selbstvertrauen zu tun. Oft sind es Sekundenbruchteile, um eine Entscheidung zu treffen, die dann aber möglicherweise entscheidend ist. Das Team hat auf jeden Fall eine erkennbare Entwicklung, das versuchen wir auch im kommenden Jahr mitzunehmen", erwähnte der Schweizer, der die Entwicklung im kommenden Jahr vor allem auch im taktischen Bereich vorantreiben will: „Wir wollen taktisch flexibler werden, dazu müssen wir aber auch bereit sein, die Leistung zu erbringen, die sogenannten Dreckswege zu gehen, die keiner gerne läuft. Ich muss von außen noch zu oft reinrufen, um die Spieler immer wieder darauf aufmerksam zu machen".
„Im Ausland muss man sich mehr durchsetzen"
Auffallend im abgelaufenen Länderspieljahr ist die Tatsache, dass Spieler aus der österreichischen Bundesliga – Ausnahme Red Bull Salzburg – so gut wie kein Leiberl mehr haben. Koller rät dennoch nicht, in jungen Jahren den bedingungslosen Weg ins Ausland zu suchen: „Man muss das individuell ansehen. Nicht jeder hat die Persönlichkeit, im Ausland den Weg zu machen". Dennoch ist Koller davon überzeugt, dass die Kicker im Ausland mehr gefordert werden als hierzulande: „Im Ausland muss man sich mehr durchsetzen, mehr gegen Widerstände ankämpfen, in Österreich reicht es oft schon, ein Talent zu sein, um gesetzt zu sein. Wenn man die Persönlichkeit jedoch nicht hat, wird man im Ausland keine Spielpraxis bekommen, was dann auch nicht förderlich ist", sagte Koller auf Nachfrage von 90minuten.at.