‚Das war der größte Betrug'
20. Oktober 2013, ein klassisches Sechspunktespiel in der Wiener Liga für die Gastgeber. Tabellenführer SR Donaufeld gastiert beim FC Stadlau. Die Gäste führen zu diesem Zeitpunkt nach zehn Runden die Tabelle acht Punkte vor den Stadlauern an. Das Spiel n
Der Fußballfan meint, schon alles gesehen zu haben. Mäzene kommen und gehen, ein Landeshauptmann bekommt ein Stadion sowie einen Fußballklub oben auf, Schwanenstadt ist plötzlich in Wiener Neustadt und Schwadorf in der Südstadt. Die kleinen und die großen Aufreger der heimischen Kickgeschichte eben – und hier sind nur Skurrilitäten aufgelistet, die gegenwärtige U16-Kicker schon erleben durften. Hier eine Geschichte in dem gegenwärtigen Streit zwischen dem FC Stadlau, der Schirizukunftshoffnung Cem Dogan und dem Wiener Fußballverband sowie der IG Referee.
„Das war der größte Betrug"
Das sprach Erwin Cseh nach dem 1:2 seines FC Stadlau gegen SR Donaufeld an jenem sonnigen Sonntag Mitte Oktober. Was war passiert? Nachdem Mario Lamesic in der 31. Minute die Heimmannschaft mit einem sehenswerten Flugkopfball in Führung gebracht hatte, zeigte Schiedsrichter Cem Dogan nach einem Handspiel eines Stadlauer Verteidigers acht Minuten später auf den Punkt. Thomas Kreuzhuber soll den Ball mit der Hand berührt haben – auf den Videoaufnahmen schwer ersichtlich. In der 64. folgte die nächste Elfmeterentscheidung nach einem Laufduell, Dogan zeigt abermals auf den Punkt, das Spiel in Folge gedreht. Kurz darauf hätte er für – aus Stadlauer Sicht - ausgleichende Gerechtigkeit sorgen können, er verwarnte aber Martin Balaz, statt einen weiteren Elfmeter zu geben. Nach dem Spiel ließ sich Stadlau-Coach Cseh zu der Aussage hinreißen, in vollem Wortlaut: „„Das war der größte Betrug, seit meinem sechsten Lebensjahr bin ich Fußballer und sowas habe ich noch nie gesehen, dass der Schiedsrichter 90 Minuten im Mittelpunkt ist und das Match ganz alleine entscheidet (...) bei allem Respekt, aber was der Schiri da abgeliefert hat, war lächerlich."
Absicht?
Die IG Referee versichert im Gespräch, dass Cem Dogan die, wie im Video ersichtlich, eventuell objektiv auch anders zu treffende Entscheidungen, unbeeinflusst und ausschließlich aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung getroffen hat. Ein Verfahren gegen den Stadlau-Trainer wurde folgerichtig von Verbandsseite eingeleitet, aber eingestellt. 90minuten.at liegt eine E-Mail des WFV vor, in welchem dieser die erstinstanzliche Einstellung damit argumentiert wird, dass der Verein FC Stadlau den Vorfall bedauert und sich zu einer freiwilligen Spende für wohltätige Zwecke verpflichtet. Allerdings stimmt eine Einstellung eines solchen Verfahrens nicht mit der Rechtsordnung des Verbands überein.
Der Makel bleibt
Eine Einstellung des Verfahrens wider die Statuten und dennoch eine Zahlung, wenn auch freiwillig und wohltätig. Schließlich könnte ein Trainer, wenn solche Aussagen widerrechtlich straffrei bleiben, Stimmung gegen Schiedsrichter machen, kommende Spiele beeinflussen und dabei ungestraft bleiben. Denn wegdiskutierbar ist der Makel, der Dogan, dem Talentepoolschiri, anhaftet, nach einem Einseiter in der Wiener Kronenzeitung nicht. Eine Klage wegen Rufschädigung wäre vielleicht sogar möglich, da tatsächlich das Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Die Geschichte bekommt noch einen weiteren Aspekt, nämlich die Aufgabenbereiche von Stadlau-Präsident Thomas Reindl. Dieser ist nämlich nicht nur der Obmann des Fußballclubs, sondern auch politisch höchst aktiv. Reindl ist gegenwärtig dritter Vorsitzender im Landtag Wien und seit 2006 Bezirksparteivorsitzender-Stellvertreter bei der SPÖ-Donaustadt. Des Weiteren ist er seit 2001 Mitglied im Landessportrat. Dem Landessportrat obliegt es laut § 9 des Landessportgesetzes die „Unterstützung und Beratung der Sportverbände und Sportvereine bei der Planung und Errichtung von Sportstätten, beim Erwerb oder der Bestandnahme von Grundflächen zur Sportausübung und bei der Sicherung des Bestandes vorhandener Sportstätten".
Rechtspflegeordnungsverletzung
Die IG Referee informierte in einem Schreiben, welches 90minuten.at ebenfalls vorliegt, nun eben den ÖFB anzurufen, dass dieser seinen Landesverband ermahnt, die Rechtspflegeordnung einzuhalten. Der inkriminierende Aspekt steht unter § 100 der ÖFB Rechtspflegeordnung: „§ 100 Unkorrektes Verhalten gegenüber Spieloffiziellen. Jede [...] angezeigte Person wird wie folgt gesperrt: für 1 bis 6 Pflichtspiele bei Kritik an den Entscheidungen des Schiedsrichters oder der Tätigkeit eines Schiedsrichterassistenten; [...] d) für 2 bis 24 Pflichtspiele bei Beschimpfung, Beleidigung, oder Verspottung eines Spieloffiziellen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit. [...](4) Macht sich ein Offizieller eines Vergehens gemäß Abs. 1 schuldig, so ist er mit einer Funktionssperre von 1 bis 24 Monaten und/oder einer Geldstrafe von € 40,-- bis zu € 4.000,- zu bestrafen. Zusätzlich kann auch der Verein mit einer Geldstrafe von € 40,-- bis zu € 4.000,-- bestraft werden." Schließlich sieht die Rechtspflegeordnung vor, dass sie „für den gesamten Bereich des ÖFB, seine Mitglieder und seine Vereine" gilt, unter § 2 heißt es des Weiteren: „Dieser Ordnung unterliegen: a) die direkten und indirekten Mitglieder (Verbände und Vereine) des ÖFB."
WFV sieht es ganz anders
Auf Nachfrage von 90minuten.at erklärt WFV-Präsident Robert Sedlacek, dass Dogan selbst keine Anzeige gemacht habe und die Anzeige, die eingebracht wurde, nicht den Statuten entsprach, weswegen das Verfahren eingestellt wurde. Nachdem Sedlacek zur Zeit des Vorfalls nicht in Österreich war, stellt er die Sache so dar, dass er mit Reindl Kontakt aufgenommen habe und die Spende vereinbart habe, um „das nicht unter den Tisch zu kehren". Würde nun ein Befugter eine neuerliche Anzeige einbringen, müsste der Verband nun aber ermitteln. Sedlacek weiter: „Wir haben etwas für die Schiedsrichter getan! Daraus zu konstruieren, dass die Schiedsrichter Freiwild sind, ist gewagt." Die Anzeige brachte übrigens Wiens Schiedsrichter-Obmann Hans Liebert ein, wie 90minuten.at in Erfahrung bringen konnte.