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Bundeshymne: Hat der ÖFB wegen „Töchter-Passage“ beim ORF interveniert?

Hat der ÖFB beim ORF interveniert, damit die österreichischen Nationalspieler beim falschen Absingen der Hymne nicht gefilmt werden? Auch der Ton wurde bei der heiklen Passage zuletzt nicht übertragen. Der ORF dementiert einen Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit.

90minuten.at-Exklusiv - von Michael Fiala und Georg Sander

 

Seit 2012 gibt es den neuen Text der österreichischen Bundeshymne. Und genauso lang gibt es Diskussionen darüber. Es gibt stolze Verweigerer wie etwa einen bekannten österreichischen Volksmusiker und Menschen, die sich freuen würden, wenn der neue Text jene Würdigung erfährt, die er verdient.

 

ÖFB-Kicker singen alte Version

Auch in Österreichs Fußball gibt es diese Diskussion seit einiger Zeit. Es ist offenkundig, dass die Spieler der österreichischen Nationalmannschaft es bisher für nicht notwendig erachtet haben, die korrekte Version zu singen. Eine entsprechende Anfrage von 90minuten.at dazu Anfang September über den Umgang mit dieser Thematik wurde wie folgt beantwortet: „Im Rahmen der nächsten Lehrgänge wird der ÖFB alle Nationalteams hinsichtlich des korrekten Texts der Bundeshymne sensibilisieren.“

Es folgte das Länderspiel-Triple gegen Griechenland, Nordirland und Rumänien. Am (alten) Text der Hymne hat sich bei den Spielern nichts geändert: „Heimat bist du großer Söhne“ war eindeutig zu hören. 90minuten.at fragte daraufhin erneut beim ÖFB nach, was unternommen wurde, um dieses Thema zu sensibilisieren. Der Verband, der sich gerne und oft dafür rühmt, für Vielfalt und Gleichberechtigung einzutreten, ließ die Anfrage vom 15. Oktober einfach unbeantwortet.

 

ÖFB-Intervention beim ORF?

Der negative Höhepunkt war jedoch noch nicht erreicht und sollte bei den beiden letzten Gruppenspielen der Nations League gegen Nordirland und Norwegen folgen. Wobei, eigentlich zeichnete sich zunächst eine positive Wende ab: Bei der Live-Übertragung des Spiels zwischen Österreich und Nordirland zeigte der ORF, wie sonst auch üblich, die Spieler beim Absingen der Hymne. Just bei jener heiklen Textpassage wurde plötzlich Franco Foda eingeblendet. Die Mundbewegungen ließen keinen Zweifel zu: Der Teamchef geht mit gutem Beispiel voran und singt die neue Version. Alles gut also? Nein!

War es ein Zufall, dass Franco Foda bei dieser Textsequenz zu sehen war? Offenbar nicht, wie sich aufgrund von 90minuten.at-Recherchen herausstellen sollte. Denn wie 90minuten.at aus sicheren Quellen erfahren hat, bat der ÖFB den ausstrahlenden Sender ORF darum, bei dieser Passage nur Franco Foda zu zeigen.

Die traurige Gewissheit folgte dann, gestern Mittwoch: Die österreichische Hymne wurde abgespielt, aufgrund der Geisterspiel-Akustik waren die österreichischen Kicker besonders gut zu hören. Und dann passierte es erneut: Genau zu dem Zeitpunkt, als die Passage mit „Töchter und Söhne“ angestimmt werden sollte, wurde erneut Franco Foda eingeblendet. Dem nicht genug: Der Ton mit den Stimmen der österreichischen Fußballer wurde einfach abgedreht. Kaum war diese Passage vorbei, waren wieder Alaba & Co zu sehen - und natürlich auch wieder der Ton zu hören, wie man bei folgender Audio-Aufzeichnung der gestrigen TV-Übertragung entnehmen kann:

Audio-Aufzeichnung Hymne Österreich vs Norwegen:

Die Textzeile mit "Heimat großer Töchter und Söhne" war während der ORF-Übertragung nicht zu hören.

ÖFB: „Vor jedem Heimspiel mit ORF in Austausch“

ÖFB-Pressesprecherin Iris Stöckelmayr meint auf die Frage, warum der ÖFB Einfluss auf die Berichterstattung des ORF genommen habe: „Der ÖFB befindet sich vor jedem Länderspiel hinsichtlich Countdown, Pre- und Post-Match-Aktivitäten, besonderen Ereignissen rund um das Spiel (Trauerminute, Fan-Choreografien, Ehrungen...) etc. in Austausch mit dem Host Broadcaster ORF, ist aber in inhaltliche Entscheidungen in keiner Weise eingebunden bzw. hat keinerlei Einfluss darauf. Das wäre nicht im Einklang mit dem Grundsatz der redaktionellen Unabhängigkeit.“ Eine konkrete Antwort, ob und warum der ÖFB den ORF darum gebeten habe, lässt diese Antwort jedoch offen.

"Der ÖFB ist aber in inhaltliche Entscheidungen in keiner Weise eingebunden bzw. hat keinerlei Einfluss darauf." - ÖFB-Sprecherin Iris Stöckelmayr

„Keinerlei Eingriff in redaktionelle Unabhängigkeit“

Gegenüber 90minuten.at meint ein Sprecher des ORF, angesprochen auf die angesprochene Szene: „Es ist üblich beim Absingen der Hymne auch die Trainerbank miteinzubeziehen, der Umschnitt (in dem Fall zu Franco Foda) erfolgt dabei oft an ähnlicher Stelle. Und was den Ton betrifft so folgt dieser bei einer derartigen Liveproduktion immer der Kamera. Grundsätzlich ist festzuhalten: Selbstverständlich gab und gibt es keinerlei Eingriffe in die redaktionelle Unabhängigkeit der ORF-Sportredaktion.“

Das klingt soweit nachvollziehbar, wäre da nicht eine zweite Szene wenige Sekunden später, als Franco Foda noch einmal exklusiv ins Bild gerückt wird. Dieses Mal bleibt der Ton der österreichischen Nationalspieler jedoch on air. Auch dafür hat der ORF eine Erklärung: „Auch das ist leicht erklärt. Der Tonmeister hat manuell zusätzlich das Mikro der Spieler „aufgemacht“, um es Ton-mäßig besser (als beim ersten Schwenk) zu gestalten.“

 

Gegen Nordirland folgte der Ton der Kamera nicht

Zudem scheint die Antwort "der Ton folgt immer der Kamera" des ORF weit hergeholt, denn beim Match gegen Nordirland (Video liegt 90minuten.at vor) war wie oben schon beschrieben Franco Foda bei besager Stelle zu sehen. Zu hören gab es allerdings den falschen Text, gesungen von den Spielern.

Kurz Zusammengefasst: Während also der Ton normalerweise der Kamera folgt, folgte er es bei der Übertragung der Hymne nicht immer. Eine nachvollziehbare Argumentation kann der ORF in diesem Fall nicht liefern.

"Grundsätzlich ist festzuhalten: Selbstverständlich gab und gibt es keinerlei Eingriffe in die redaktionelle Unabhängigkeit der ORF-Sportredaktion." - ORF-Sprecher

Vorbildfunktion ÖFB?

Unabhängig dieser skurril anmutenden Szenen, bleibt natürlich die Frage offen, warum überhaupt über dieses Thema im Jahr 2020 noch diskutiert werden muss. Warum hat es der ÖFB als größter Sportverbands Österreich verabsäumt seine Vorbildfunktion wahrzunehmen. Immerhin erzielen Länderspiele eine Quoten von hunderttausenden Sehern.

Auch dazu hat der ÖFB eine Antwort parat: „Mannschaftsbesprechungen sind in der momentanen Situation nicht unter normalen Rahmenbedingungen möglich. Die gestaffelte An- und Abreise der Spieler, die unklare Personalsituation sowie die Corona-Bestimmungen (Kontaktminimierung in geschlossenen Räumen, notwendiger negativer Eingangs-Test für anreisende Spieler bevor sie Kontakt zur Mannschaft haben dürfen) lassen zeitlich und organisatorisch wenig Spielraum.“

Der ÖFB meint weiter: „Angesichts der vielfältigen und durchaus schwerwiegenden Themenlage vor und während des Lehrgangs wurde der klare Fokus darauf gerichtet, die Spieler - neben den sportlichen Analysen - zu den aktuellen Entwicklungen im Mannschaftskader, zur Situation bei den Gegnern und selbstverständlich zum Covid-Präventionskonzept zu informieren. Die anderen geplanten Themen, Aktionen und Programmpunkte wurden allesamt auf das Frühjahr verschoben.“

Schlussendlich heißt es: „Der ÖFB bekennt sich voll und ganz zur aktuellen Fassung der österreichischen Bundeshymne und ist sich seiner Vorbildwirkung in der Außendarstellung auch bewusst. In der derzeitigen Lage konnte das Thema jedoch nicht mit oberster Priorität behandelt werden.“

Offensichtlich war das schlechte Gewissen aber immerhin so groß, um zumindest für diesen Lehrgang eine Notlösung zu finden – auf dem Rücken der Gleichberechtigung.

 

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