Günter Kreissl: 'Erwarten uns keine Wunderdinge'

Günter Kreissl, Sportdirektor von Sturm Graz, äußert sich im 90minuten.at-Interview unter anderem zu den Erwartungen an die drei Neuzugänge, welchen Stellenwert die jungen Spieler im Verein haben sowie dem aktuellen Stand der Verhandlungen mit Trainer Franco Foda. Das Gespräch führte Stefan Berndl.

 

90minuten.at: Einleitend zur abgelaufenen Transferzeit. Zwei Spieler, Matic und Edomwonyi, sind um gutes Geld abgegeben worden. Jetzt sind drei Spieler geholt worden, denen zum Teil die Spielpraxis fehlt. Hat das Team Ihrer Meinung nach an Qualität verloren? Oder konnte man das Niveau halten?
Günter Kreissl:
Ich hoffe schon, dass wir das Niveau halten können, das war auf jeden Fall der Plan. Wir haben statt Edemwonyi Zulechner und Chabbi. Im Mittelfeld statt Matic Ovenstad und Atik, zwei junge, sehr dynamische Spieler. Es ist so, dass die Spieler leider erst relativ spät zur Mannschaft gestoßen sind. Das war nicht anders möglich, nach der Verhandlungssituation mit den Klubs, von denen die Spieler kamen. Deswegen ist es ein denkbares Szenario, dass es vielleicht ein wenig dauert. Auch, weil die Spieler jünger sind, weil es für zwei Spieler die erste Auslandsstation ist. Aber es ist genauso möglich, dass sie von Runde eins weg funktionieren, was natürlich unser Wunsch ist. Aber man muss ein wenig abwarten, wie schnell sich die Spieler einfinden.

 

Welche konkreten Erwartungen hat man an die drei Neuzugänge?
Ich kann sie nur beschreiben, das erklärt am besten auch unsere Erwartungshaltung. Mit Martin Ovenstad haben wir einen sehr modernen, zentralen Mittelfeldspieler, der sowohl in der Offensive als auch in der Defensive seine Stärken hat. Eine Grundvoraussetzung dafür ist eine große Laufstärke, die bringt er mit. Er ist technisch gut, er ist auch aggressiv im Zweikampf. Für mich ein absoluter Potentialspieler, der in der österreichischen Liga eine sehr gute Rolle spielen kann. Bei Baris Atik sprechen seine Leistungen einfach für sich. Wenn du im November und Dezember in fünf Spielen bei Hoffenheim dreimal eingewechselt wirst, also die Nummer zwölf, dreizehn im Kader bist, dann sieht man, dass da viel Potential da ist. Ein Spieler, der im Eins-gegen-Eins, in seiner Offensivdynamik seine Stärken hat. Und Seifedin Chabbi ist ein Spieler, der gewisse herausragende Stärken mitbringt. Das ist bei ihm Sprungkraft und das Kopfballspiel. Er hat für einen relativ großen Spieler auch einen guten Speed, kann viel über die Seiten kommen. Und das sind alles drei Profile, die uns interessant erschienen sind. Aber Sie haben natürlich recht, auf oberstem Niveau haben alle drei nicht die Spielpraxis in den letzten Monaten gehabt.

 

Das heißt, man erwartet von den Dreien auch von heute auf morgen keine Wunder, sondern plant längerfristig mit Ihnen?
Definitiv sind das Spieler, auch aufgrund des Alters, wo wir wussten, dass das auch eine Investition in die Zukunft ist, dass sie die Zeit bekommen werden. Aber Wunderdinge erwarten wir uns von gar keinem. Wir erwarten uns da auch von Dani Alar keine Wunderdinge. Oder von einem Schulz, Spendlhofer, um noch andere zu zitieren. Wir wollen eine Mannschaft haben, die bereit ist zu arbeiten, die bereit ist sich zu quälen und um den Erfolg zu kämpfen. Und das ist für mich die Prämisse.

 


Ein kurzer Rückblick auf den Herbst. Der Start in die Saison war mit neun Siegen aus elf Spielen und bloß einer Niederlage grandios, das hatte man so nicht erwarten können. Gegen Ende des Winters kam dann aber ein kleiner Einbruch. Was waren Ihrer Ansicht nach die Gründe dafür, wie hat man das analysiert?
In meiner Analyse spielt sehr wohl auch die öffentliche Wahrnehmung eine Rolle. Es ist nach dem ersten Heim-Unentschieden gegen Mattersburg sofort das Wort Krise gefallen. Da war noch überhaupt keine Krise da. Und es war dann nach dem Ausscheiden im Cup gegen St. Pölten, wo wir als klar überlegene Mannschaft dann leider im Elfmeterschießen verloren haben, da war dann gleich eine richtige Krise da. Und so etwas ist bei einer Mannschaft, für die die Spitzenposition selbst überraschend war, ein gewisser Stress. Man versucht dann doppelt und dreifach die Dinge gut zu machen und man hat dann nicht mehr diese Selbstverständlichkeit. Da kann man dann auch in einen Negativ-Lauf hineinkommen. Wir haben den gehabt und haben vor allem auch bei den Heimspielen gegen die Admira und St. Pölten nicht den Erwartungen entsprechen können. Von uns selbst, aber auch von den Zuschauern. Aber ich glaube, dass wir schon in der Herbstsaison leistungs- und ergebnistechnisch gut die Kurve bekommen haben, vor allem am Ende mit den Siegen auswärts gegen Wolfsberg, auswärts gegen Ried und mit einem wirklich tollen Spiel gegen Red Bull Salzburg.

 

Welche Lehren zieht man aus dieser Phase für das Frühjahr und inwieweit kann die Mannschaft, die nun mit den Transfers etwas verjüngt wurde, dem Druck, der in der Spitzengruppe da ist, standhalten?
Es gibt Spieler in der Mannschaft, die wir speziell auch aus Gründen der Atmosphäre, der Mentalität der Mannschaft verpflichtet haben. Wie Christian Schulz, der einfach gestellt ist, durch fast 400 Spiele in der Deutschen Bundesliga. Solche Spieler, wie auch ein Christian Gratzei, Spieler mit Erfahrung, die schon viel durchgemacht haben, viel erlebt haben. Wir haben relativ viele Spieler, die Spitzenklub-Erfahrung haben. Wie etwa im Sommer geholt, Spieler wie Koch, Huspek, Alar, Hierländer. Das ist wichtig, dass du solche Typen im Kader hast, die wissen, wie es sich anfühlt, wenn bei einem Großklub gewisse Erwartungshaltungen entstehen. Und das lässt auch hoffen, dass die die jungen Spieler dann so führen, dass wir mit der Situation klarkommen.

 

Weil wir gerade bei den jungen Spielern sind. Ich habe es vorhin bereits angesprochen: Zwei Spieler wurden um gutes Geld abgegeben, drei junge Spieler geholt. Sie selbst haben im letzten Jahr in einem Interview gesagt, sie sehen Sturm nicht unbedingt als Ausbildungsverein. Auch bei unserem Hinrundenrückblick hat sich gezeigt, dass bei Sturm relativ wenige U23-Spieler zum Einsatz kommen. Jetzt sind zumindest drei externe gekommen. Wie aber sieht es mit dem eigenen Nachwuchs aus? Wie ist der Stellenwert?
Ja hoch. Wir werden natürlich immer, wenn wir im eigenen Haus Spieler haben, die das Potential für ganz oben haben, dann werden wir versuchen die einzusetzen. Ich glaube schon, dass wir einen sehr hohen Anteil an jungen Spielern in der Mannschaft haben. Man darf nicht vergessen, ein Lykogiannis ist erst Anfang 20. Das gleiche trifft auf Spendlhofer zu, auf Schmerböck auf Horvath. Es gibt also viele Spieler, die, wenn sie fit sind, auch eine Stammposition einnehmen. Es gibt sehr viele Spieler im besten Alter. Heutzutage bist du als Spieler mit 25, 26, 27 Jahre ja schon alt. Ich glaube, dass wir einen guten Altersschnitt haben. Wir haben schon im Sommer wirklich große Talente, mit Romano Schmid, Dario Maresic, Lukas Skrivanek in den Kampfmannschaftskader hinaufgeholt und die müssen sich einfach entwickeln, die müssen Gas geben. Genauso Spieler, die schon länger dabei sind, wie ein Sandi Lovric. Und wir haben da Potential, aber es gilt dann trotzdem – auch für diese Spieler – sich gegen die interne Konkurrenz durchzusetzen.

 


Die Trainerfrage. Bereits Anfang Dezember hieß es, dass eine Verlängerung von Franco Foda kurz bevorsteht. Anfang Jänner dann erneut. Auf der heutigen Pressekonferenz meinten Sie auch, dass der Verein mit ihm weiterarbeiten will und Sie auf einem guten Weg sind. Wie lange werden sich die Verhandlungen tatsächlich noch ziehen?
Es sind jetzt noch drei, vier Tage bis zum Frühjahrsstart. Und es war immer so definiert, dass wir zum Frühjahrsstart wieder eine Auskunft über den Status geben werden. Das ist noch drei, vier Tage weg. Daher ersuche ich da um Verständnis, dass ich das nicht weiter kommentieren möchte.

 

Inwiefern stört es dann, wenn Franco Foda immer wieder für eine offene Trainerposition ins Spiel gebracht wird?
Gar nicht, weil ich in jeder Sekunde sehe, dass Franco Foda mit viel Begeisterung und Akribie Sturm-Graz-Trainer ist und er noch nie zu mir gekommen ist und nur irgendwie darüber nachgedacht hat, sich zu verändern. Und auf der anderen Seite ist es auch ein Kompliment, wenn sich größere Klubs aus Deutschland für Franco Foda interessieren. Das einzig mühsame für mich ist, dass ich sehr oft dazu Stellung nehmen muss.

 

Dementsprechend sehen Sie auch kein fehlendes Bekenntnis von Franco Foda zu Sturm Graz?
Nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Das Bekenntnis ist absolut da.


Wir danken für das Gespräch!

 

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