Fredy Bickel: 'Der Plan wurde komplett über den Haufen geworfen'

Seit knapp einem Monat ist Fredy Bickel offiziell Sportdirektor bei Rapid Wien. Im Interview mit 90minuten.at sprach der Schweizer über seine ersten Wochen im Amt, seine Ziele mit dem Verein und wieso er Trainer Damir Canadi für einen Fußball-Verrückten hält. Das Gespräch führte Stefan Berndl

  90minuten.at: Gehen wir zu Beginn auf Ihre ersten Wochen bei Rapid Wien ein. Haben Sie, als Sie im Winter gekommen sind, eine Fehleranalyse gemacht und was hat diese ergeben? Wo lagen und liegen die Herausforderungen bei Rapid?
Fredy Bickel:
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich wollte nicht fest zurückschauen. Klar, das hat dazugehört, dass man dann auch die richtigen Schritte einleiten kann. Vor allem dann auch für die Zukunft. Eigentlich ist es ganz einfach erklärbar, man kennt solche Beispiele: Du gehst mit gewissen Erwartungen in eine Saison, du weißt um die Stärke des Kaders. Es läuft dann auch noch gut zu Beginn. Dann kommt man in eine Negativ-Spirale, es kommen Verletzungen hinzu, es kommt der Trainerwechsel hinzu, der Sportchef wird gewechselt. Da kommt ziemlich viel zusammen. Dass wir jetzt dort stehen, wo wir jetzt stehen ist grundsätzlich keine Überraschung, wenn man das so anschaut. Und ich denke auch, wir sind zurecht dort, wir haben uns nicht mehr verdient. Und die Tabelle lügt nicht.

 

Sie sind nun knapp ein Monat offiziell im Amt des Sportdirektors. Inwiefern wurden die Erwartungen, mit denen Sie zu Rapid gekommen sind erfüllt, was hat Sie überrascht?
Ich denke, dass das Bild, das ich mir von der Mannschaft bei den Partien machen konnte, sich ziemlich bestätigt hat. Insofern, dass die Mannschaft wirklich über ein großes Potential verfügt, dass sie auch einen guten Charakter hat, dass sie sehr willig ist, dass aber auch das eine oder andere Problem – vor allem mental – dazukommt. Von dem her war es mehr eine Bestätigung. Gefreut hat mich, überrascht hat mich, dass wir uns eigentlich ziemlich schnell auch im Betreuerteam gefunden haben. Mit dem Trainer, mit seinen Assistenten. Dass sich da schon in den ersten Tagen eigentlich eine gute Zusammenarbeit entwickelt hat, die mir sehr große Freude macht und die mir auch große Hoffnungen für die Zukunft macht. Dass der Verein grundsätzlich gut aufgestellt ist und ich auch in der Schweiz nach vergleichbarem suchen müsste, das wusste ich eigentlich auch. Also waren es unter dem Strich hauptsächlich positive Bestätigungen.

 

Es war auch für Sie eher ungewöhnlich, dass erst der Trainer und dann erst der Sportdirektor verpflichtet wurde. Wie würden Sie den Trainer Damir Canadi charakterisieren, wie haben Sie ihn bisher kennen gelernt?
Ein Fußball-Verrückter, ein Arbeiter. Einer der auch ins Detail geht, eigentlich 24 Stunden am Tag. Das wird seine Frau nicht gerne hören und ich nehme es auch gleich wieder zurück (lacht). Auch Damir Canadi und ich, wenn wir jetzt schon das eine oder andere privat voneinander wissen, haben uns vor allem über Fußball unterhalten. Das ist das Dauerthema. Ich denke auch, dass er ziemlich schnell und ziemlich gut die Mannschaft organisiert hat und der Betreuerstab auch gut reagiert hat in der Vorbereitung. Dass man insbesondere auch die Probleme im Kopf angegangen ist.

 


Wie sieht die Aufgabenverteilung konkret aus? Wo geben etwa Sie etwas in die eine oder andere Richtung vor?
Grundsätzlich versuche ich immer, dass wir das als Team machen und auch so auftreten. Weil du kannst nicht von einer Mannschaft erwarten, dass sie sich als Team stark fühlt, als Team findet, wenn das neben dem Feld nicht so ist. Das musst du auch irgendwo vorleben. Meine Rolle ist daher vor allem die, dass ich schaue, wo ich helfen kann, wo ich unterstützen kann. Ob es jetzt bei der Mannschaft oder beim Betreuerstab ist. Ich kann natürlich von meinen Erfahrungen schöpfen, diese auch so weitergeben. Die haben bei mir aber immer auch eine Grenze, wenn es etwa ins Taktische hineingeht, ins Fußballerische hineingeht. Der Chef auf dem Platz ist ganz klar der Trainer.

 

Sie haben in einem eigenen Text in der Aargauer Zeitung gemeint, dass Rapids Fragebogen sie gut charakterisiert hat. Etwa, dass Sie „ziemlich stur und abweisend oder arrogant reagieren“ können, wenn sie nicht in Entscheidungen einbezogen werden. Was bedeutet das für Rapid? Wie schätzen Sie ihren Kompetenzradius hier ein?
Gut, es gibt immer und überall gewisse Richtlinien. Die sind mir sehr wichtig. Das ist auch die Verantwortung eines Präsidiums, dass diese auch eingehalten werden und dass du dich mit diesen auch identifizieren kannst. Ich denke, das ist kein großes Problem für mich. Der Verein hat sich ja auch Gedanken über mich gemacht. Sie haben wahrscheinlich auch nicht ganz umsonst diesen Test so angelegt, dass sie jetzt auch noch Genaueres über mich wissen. Ich war von dem her einfach erstaunt, da ich so etwas das erste Mal gemacht habe. Und ich habe nicht gedacht, auch wenn es negative Punkte sind, dass die Auswertung des Fragebogens so genau sein kann. Und ja, es gibt sicher auch bei mir Punkte, die nicht nur gut sind, die mich selber auch nicht immer freuen. Die man selber auch immer wieder versucht zu bearbeiten. Trotz allem ist es für mich noch immer sehr wichtig, dass ich zu dem, was wir machen, stehen kann und dass ich morgens – so banal das jetzt tönen mag - in den Spiegel schauen kann und das Beste für deinen Arbeitgeber und für dich gegeben hast.

 

In Ihrer Antrittspressekonferenz haben Sie gesagt, dass sie zuerst etwas liefern müssen und Zeichen setzen müssen. Welche Zeichen sind das? Was kann man also in den nächsten Wochen/Monaten von Ihnen erwarten?
Ja, das habe ich so gesagt und das habe ich auch so gemeint. Aber ich denke auch da wieder, die Zeichen müssen von uns allen kommen. Ich bleibe auf dieser Linie und es ist auch so: Wir müssen die Zeichen gemeinsam setzen, gemeinsam auftreten. Ich kann dazu beitragen oder unterstützen und das mache ich, so gut ich kann. Dass die gemeinsamen Ziele, Zeichen oder wie man es auch immer nennen möchte, für jeden erkenntlich sind, für jeden spürbar sind. Und dass man auch neue Wegen gehen kann und soll. Ich bin nicht der, der kommt und sagt, dass das jetzt so und so laufen muss. Nein, ich komme und schaue mir die Verhältnisse hier an, schaue, wo ich mich einbringen und helfen kann und dort will ich es bestmöglich tun.

 

Michael Krammer meinte im 90minuten.at-Interview, dass die finanziellen Rahmenbedingungen mit Ihnen klar abgesteckt wurden: Inwiefern unterscheidet sich daher die Arbeit zu ihrem vorherigen Job, wo Investoren dann doch das eine oder andere Mal zusätzliches Budget locker gemacht haben?
Ich denke schon, dass es hier etwas einfacher ist. Du hast, und das ist mir – wie ich bereits erwähnt habe – sehr wichtig, klare Richtlinien, du hast klare Vorstellungen, du hast klare Zahlen über die du sprichst. Du weißt also, woran du bist und dann musst du auch nicht beginnen zu träumen, was du noch alles machen könntest, weil der Rahmen ist klar abgesteckt. Hast du Investoren dann bist du noch etwas mehr von Resultaten abhängig. Läuft es dann plötzlich gut kommt man auch in eine Euphorie. Gibt es eine Kursänderung, will man vielleicht etwas mehr. Und das ist dann schon so als Sportdirektor, dass du diese Möglichkeiten packst, weil du ja das bestmögliche für deinen Verein und für deine Mannschaft willst. Aber es ändert dann auch immer wieder die Pläne. Du weichst hin und wieder von deinem Weg ab, musst dich darauf konzentrieren, zurückzukommen. Und das ist nicht so einfach, als wenn du genau weißt, wo es langgeht.

 

Weil Sie immer wieder die Richtlinien ansprechen: Sind Sie ein Mensch, der nicht gerne mit Ungewissem konfrontiert wird? Der alles sehr genau plant?
Für mich sind Richtlinien sehr wichtig, ja. Es ist schon so, dass ich oftmals zu verplant bin, zu weit voraussehe, auf alles vorbereitet sein will. Und je besser du deine Richtlinien hast, deine Leitplanken, desto weiter kannst du auch nach vorne schauen. Umso besser kannst du dich auf das vorbereiten, was vor dir liegt. Und daher sind mir diese Dinge schon sehr wichtig.

 


Apropos Planungssicherheit: Die abgelaufene Transferphase lief nicht unbedingt nach Wunsch, was vor allem an den vielen Verletzungen lag. Eigentlich war geplant, die Anzahl der Legionäre zu reduzieren. Was dann nicht passiert ist. Dafür sind einige Verletzte hinzugekommen. Inwiefern hat das ihren ganzen Plan für die Vorbereitung über den Haufen geworfen?
Der Plan wurde eigentlich komplett über den Haufen geworfen. Ich muss aber auch sagen, dass ich glaube, dass wir gut reagiert haben. Ich habe mit den Einzelgesprächen begonnen, in Absprache mit dem Trainer, habe dann aber schnell gesehen, dass da etwas auf uns zukommt. Jeden Tag ein neuer Unfall. Da musst du dann ein wenig vorsichtiger ans Werk gehen. Was dann auch geschehen ist. All diese Vorgaben, die du dir Ende Dezember selber gibst, wie du dich vorbereitest, was du in den nächsten Wochen machen willst. Das kam dann alles völlig anders. Oftmals wäre es vielleicht besser, man wäre nicht ganz so gut vorbereitet.

 

War dann noch geplant einen Transfer zu tätigen, um diese verletzungsbedingten Ausfälle zu kompensieren? Oder ist das nicht wirklich ein Thema gewesen?
Grundsätzlich war das kein Thema, aber du musst immer vorbereitet sein. Und wir haben uns schon auf jeder Position Gedanken gemacht. Es hätte ja durchaus auch sein können, dass plötzlich Spieler weg sind, bei denen du vielleicht nicht damit gerechnet hast oder die Schlüsselpositionen einnehmen. Und dann hättest du reagieren müssen. Daher wussten wir auch, was wir machen mussten. Wir waren aber nur einmal nahe dran, als dann noch ein Verteidiger ausfiel. Da haben wir uns erkundigt und sind auch zwei, drei Schritte weitergegangen. Glücklicherweise hat dann Max (Anm.: Maximilian Hofmann) Entwarnung gegeben, dass es nicht so lange dauert, wie wir zuerst befürchtet haben. Und da konnten wir da auch wieder einen Rückzieher tätigen. Da bin ich glücklich für uns und auch für Max, dass die Pause nicht so lange geht.

 

Kurz noch einmal zum Legionärs-Thema. Inwiefern soll dann im Sommer reduziert werden, dass man mit weniger Legionären in die nächste Saison geht?
Ja, das ist ganz sicher ein Thema. Das ist so, dass wir die Zahl runterschrauben möchten. Aber es geht immer noch um den Menschen, um den Spieler. Du musst auch mit ihm Lösungen finden. Ich denke bei Jan (Anm.: Novota) ist auch klar, dass seine Situation nicht sehr glücklich ist. In seinem Alter, mit seiner Erfahrung, mit seiner Klasse möchte er ganz sicher auch noch einmal spielen. Bin aber auch glücklich, dass er noch da ist. Weil ich denke, dass er auch ein sehr positives Element in der Mannschaft sein kann. Aber das wird auf die Dauer sicher eine Lösung geben, muss es auch geben. Aber eine Lösung, die für beide Seiten stimmt. Der Vertrag von Tomi läuft aus. Sind voraussichtlich schon einmal zwei Namen weniger auf der Liste. Dann schauen wir, was uns diese zweite Saisonhälfte noch bringt. Wie reagieren wir? Kommen die verletzten Spieler zurück? Vielleicht sollte man da nicht zu weit vorausschauen, vielleicht regelt sich das auch alleine. Aber ich hoffe nicht durch Verletzungen.

 

Letzter Punkt, die Rückrunde. Das Ziel des Vereins und auch Ihres ist es europäisch zu spielen, also den Sprung unter die besten Drei zu schaffen. Sie haben in der Frühjahrspressekonferenz auch gesagt, dass man realistisch bleiben muss. Auf Platz drei fehlen aktuell zwölf Punkte. Wie realistisch ist das wirklich?
Nein, es ist nicht sehr realistisch, aber trotzdem wollen und haben wir das Thema Europa-Cup klar im Kopf. Das möchten wir erreichen. Wir sind aber so auf dem Boden, dass wir auch sehen, dass das eigentlich nicht mehr in unserer Hand liegt. Ok, vielleicht der Cup, aber da sollte man nicht zu viele Dinge vorplanen. Das kommt meistens auch anders, als man denkt. Der Cup hat auch immer seine eigenen Gesetze. Also sollten wir uns nicht nur auf einem Wettbewerb abstützen. Das ist gefährlich. Die Meisterschaft haben wir nicht in den eigenen Händen oder Füßen. Aber was wir machen können, und das erwarte ich, ist, dass wir vorbereitet sind, wenn der eine oder andere Klub etwas ins Straucheln gerät. Dann möchten wir das gerne erben. Aber das geht nur, wenn die anderen etwas patzen. Wir alleine können es nicht schaffen. Aber wir wollen darauf vorbereitet sein, dass wir erben könnten.

 

Inwiefern beeinflusst eine mögliche Nicht-Qualifikation - die ja im Moment realistisch ist - Ihre Strategie für die kommenden zwei Jahre?
Ich denke von der Strategie her ist es nicht entscheidend. Wir werden so oder so schauen, dass wir im Sommer das bestmögliche für die Mannschaft machen können. Was entscheidend sein kann ist die Kadergröße. Es ist für mich klar, wenn man in den europäischen Wettbewerb geht, braucht man vielleicht 25, 26 Spieler. Ansonsten ist für mich ein Kader mit 23 Spielern völlig ausreichend für eine Meisterschaft. Das kann ein entscheidender Punkt sein.

 

Wir danken für das Gespräch!

 

Weiterlesen: Franz Wohlfahrt: 'Nicht immer attraktiv'

Schon gelesen?