Wie muss man sich die Analyse zwischen Teamchef und Sportdirektor vorstellen? Wie stark kann ein Sportdirektor einem Trainer “dreinreden”? Und welche Schlüsse hat Willibald Ruttensteiner aus dem ernüchternden 2016er-Jahr gezogen? Diese und andere Fragen h
Ein Interview mit dem Papst hätte 90minuten.at im Jahr 2016 wohl eher bekommen als eines mit Teamchef Marcel Koller. Viele, interessante Fragen haben sich aus dem Abschneiden bei der Euro 2016 und dem Start in die WM-Quali ergeben. Doch Koller blieb hart und uns das Nachsehen. Immerhin: Sportdirektor Willibald Ruttensteiner stellte sich wenige Tage vor Weihnachten den Fragen, in denen es vor allem darum geht, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Sportdirektor und dem Teamchef eigentlich aussieht, welche Schlüsse aus der - laut ÖFB - intensiven Analyse gezogen wurden und was man sich von Koller, Alaba & Co im Jahr 2017 erwarten muss.
90minuten.at: Was hat das ÖFB-Team im Jahr 2016 nicht mehr geschafft, was es 2015 stark gemacht hat?
Willi Ruttensteiner: Punkte. (denkt kurz nach) Eine sehr schwierige Frage, die man herunterbrechen und auf einzelne Faktoren aufteilen muss. Ich glaube, dass es 2015 einen Riesenhype um das Team gab, es wurden mit den neun Siegen und einem Unentschieden sehr viele Punkte erspielt. Ich habe damals schon gesagt, dass wir vielleicht nicht so gut waren, wie wir medial dargestellt worden sind, weil sich jeder wahnsinnig gefreut hat. Im Gegensatz dazu haben wir bei der Euro die Punkte nicht gemacht. Das Ergebnis brauchen wir auch nicht schönreden, das war nicht befriedigend. Aber grundsätzlich war es so, dass wir nicht so schlecht waren, wie wir in den Medien dann 2016 aber beschrieben wurden.
Können Sie das anhand der Spiele bei der Euro so beurteilen?
Wenn wir die Spiele der Euro hernehmen, beginnt es mit Ungarn, Portugal waren wir glücklich. Gegen Island in der 72. Minute, eine 1:1-Situation, Schöpf haut den Ball rein und es würde 2:1 für Österreich stehen und es läuft alles ganz anders. Gegen Wales, Serbien und Irland waren wir nicht unbedingt die schlechtere Mannschaft. Wir haben in der Offensive zu wenig Tore erzielt und waren in der Defensive nicht stabil genug.
Immer wieder wurde die intensive Analyse betont. Wie kann man sich die Analyse zwischen Ihnen und dem Teamchef vorstellen?
Ich denke, dass zuerst jeder für sich selbst analysiert. Am Beispiel der Euro: Die drei Spiele habe ich Minute für Minute, also wirklich jede Minute analysiert. Auch hier habe ich über das AmiscoPro-System, wo man das Feld von oben in der Totalen mit allen Spielern sieht, diese Spiele analysiert, um genau zu sehen: Was ist am Spielfeld passiert? Mit meiner Analyse und jener des Teamchefs setzt man sich dann zusammen und bespricht die Spiele durch. Man versucht dann jede Detailsituation zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Da geht es um eine physische, technisch-taktische Betrachtung, aber auch um eine Spielerbetrachtung. Das ist, glaube ich, auch eine wichtige Aufgabe des Sportdirektors. Ich war auch bei ihm in der Schweiz und habe Marcel Koller nach der Euro besucht, wo wir in einer Art Klausur das alles genau analysiert und besprochen haben. Und ich habe auch Verständnis, dass die Medien hier Interesse zeigen. Ich muss da auch nicht immer einer Meinung mit dem Teamchef sein, man kann Themen kritisch ansprechen. Diese Dinge, das habe ich auch schon bei der letzten Pressekonferenz erwähnt, können aber nur unter vier Augen bleiben.
Inwieweit greifen Sie dann auch in die Arbeit des Teamchefs ein, wenn Sie nicht einer Meinung sind?
Karl-Heinz Rummenigge hat das zuletzt beim Spiel zwischen Bayern und RB Leipzig ganz gut auf den Punkt gebracht. Er wurde zur Aufstellung von Bayern kritisch befragt. Er meinte sinngemäß: Ich würde Sie bitten, dass Teamchef Anchelotti in der Causa Aufstellung, Spielanlage und Umsetzung der Verantwortliche ist. So ist das auch bei uns.
Aber wo wäre die Grenze, wo Sie dann einschreiten müssten?
Bei der Auswahl von Spielern und Aufstellung habe ich nicht mitzureden. In Sachen Spielanlage haben wir vom Nationalteam begonnen bis inklusive allen Nachwuchs-Teams eine Spielphilosophie definiert, aber letztendlich geht es um Leitlinien und nicht darum, wie es bei den Medien oft hinterfragt wird, ob ich dem Teamchef diesen oder einen anderen Spieler ans Herz lege. Das ist etwas, was kein qualitativer Sportdirektor mit einem qualitativen Teamchef macht. Auf der anderen Seite gibt es aber Gespräche mit Wertschätzung. Wenn man die wichtigen Punkte aufarbeitet und auf den Tisch bringt, sodass sich der Teamchef dann auch bedankt. So sehe ich die Arbeit eines Sportdirektors: zuarbeitend. Ich kann beeinflussen, in dem ich viele Überlegungen aus der Analyse mit ihm bespreche.
Wenn Sie Ihre Analyse der Euro-Spiele betrachten und dann auf den Start der WM-Qualifikation umlegen: Hat das ÖFB-Team dazugelernt und aus den Fehlern gelernt?
Ich habe mir eigentlich gewünscht, dass mit der Euro nach der erfolgreichen Qualifikation ein erfolgreicher Schlusspunkt gesetzt wird, quasi das Tüpfelchen auf dem I. Die große Zielsetzung war, dass wir nach der Gruppenphase weiterkommen. Dass es nach dem erfolgreichen Herbst für uns schwierig wird, habe ich gewusst. Bei allen Teams, auch beim Weltmeister, kann man feststellen, dass sie nach eine erfolgreichen Qualifikation oder einem Turnier leicht abfallen. Nur sind die danach wieder schneller auf Schiene gekommen, sie haben die Mannschaft etwas umgebaut, sind etwas abgefallen aber dann wieder gekommen und haben die Punkte gemacht und die Spiele gewonnen. Das ist uns nicht gelungen.
Wobei im ÖFB-Team eigentlich kein Umbau stattgefunden hat?
Bei uns ist der Umbau schwieriger als in Deutschland. Umbau ist vielleicht auch der falsche Ausdruck, Koller hat aber eine neue Perspektive gesetzt. Das ist für mich völlig untergegangen bei der Betrachtung der Journalisten: Schaub, Schöpf, Sabitzer, Lazaro, Gregoritsch sind dazugekommen. Gregoritsch spielt in der Bundesliga und ist ein möglicher Konkurrent von Marc Janko oder auch Nachfolger. Da ist schon etwas passiert. Ich habe aber erwartet, dass wir nach der Euro Schwierigkeiten bekommen. Von den Ergebnissen haben wir den Turnaround bisher auch nicht geschafft.
Ist es für Österreich auch deswegen schwieriger geworden, weil man Österreich besser kennt als noch im Jahr 2015 und wenn ja, welche Lehren kann man daraus ziehen?
Das ist eine gute Frage und sie ist auch diskutiert worden, weil Julian Baumgartlinger das aufgebracht hat. Das beschäftigt mich seit einem Jahr sehr: Reicht es aus, ein Spielsystem zu haben? Gute Mannschaften, man sieht es immer wieder, haben eine höhere taktische Flexibilität.
Ist das Spiel gegen Island bei der Euro mit der Dreierkette, die Fans und Journalisten überrascht hat, so zu werten, dass man dieser Ausrechenbarkeit entkommen wollte?
Das war für mich vom Zugang her äußerst positiv. Als der Teamchef mich informiert hat, dass er gegen Island mit der Dreierkette spielen will, habe ich gesagt: Fantastisch. Wir haben dann diskutiert, ob man das in der Formation von Beginn weg spielen sollte oder aus dem Spiel heraus. Wenn wir 4-2-3-1 spielen und es setzt sich Julian Baumgartlinger ab und stellt die Dreierkette her und die Außenverteidiger gehen hoch, hat man die gleiche Formation. So wurde es auch in der zweiten Halbzeit gemacht. Die erste Halbzeit hat nicht funktioniert, das lag an vielen Faktoren. Grundsätzlich ist die Flexibilität eine Zukunftsvision, nicht nur bei Nationalteams, sondern auch im Klubfußball und in der Ausbildung.
Warum wir das so detailliert fragen, liegt auch daran, dass uns Marcel Koller seit der Euro kein Interview geben wollte. Es wurde nach der Euro sehr viel über den zu großen Druck gesprochen, über die neue Situation bei einem großen Turnier. Das sind aber alles Dinge, die man bei Island und Ungarn auch sagen kann. Was von Seiten des ÖFB gar nicht öffentlich besprochen wurde ist, ob auch der Teamchef Fehler gemacht hat. Sehen Sie, auch mit der Weisheit des Rückblicks, etwas, was man aus taktischer Sicht bei der Euro hätte besser machen können?
Für mich war es fast ein bisschen beschämend, wie man Marcel Koller nach der Euro behandelt hat...
Inwiefern?
Man hat Marcel Koller die Umstellung beim Spiel gegen Island sehr stark angelastet und ihn stark kritisiert. Das war für mich typisch Österreichisch.
War es dann ein Reflex von Koller, dass er sich aus der Kritik ausgenommen hat?
Ich glaube, es ist nicht sein Stil, dass er sich in der Öffentlichkeit selbst verteidigt und dann auch Gegenargumente bringt. Er hat sehr viel Verantwortung übernommen, für mich den Spielern gegenüber manchmal auch zu viel Verantwortung. Er hat immer wieder schützend die Hand hingehalten. Wenn man die Arbeit betrachtet, das habe ich auch bei der letzten Pressekonferenz betont, kann man immer etwas anders machen. Wenn man die Besprechungen und die Vorbereitungen zu einem Lehrgang sieht, tue ich mir schwer, die Kritik an Koller zu rechtfertigen. Aber ich kenne das Geschäft: Gefragt sind Ergebnisse. Auf der anderen Seite stehe ich aber zu jemanden, der alles gibt, auch um genauer hinzuschauen, um zu sehen, warum es gegen Serbien oder Wales nicht geklappt hat.
Serbien ist ein gutes Beispiel: Nach dem Spiel hat Koller sinngemäß die Spieler dafür kritisiert, dass die letzten zehn Meter nicht machen. Liegt es wirklich daran oder insgesamt gesehen nicht an der Taktik und die Spieler waren einfach deshalb zehn Meter zu weit weg vom Ball?
Meine Analyse ist, dass es nicht so einfach ist, ein Spiel auf einzelne Bereiche so zu reduzieren: Ein bisschen mehr laufen, dann passt es. Es ist komplexer. Es hat im Jahr 2016 in den Detailbereichen etwas gefehlt. Noch viel schwieriger ist es, dass einzelne Spieler Topleistungen geboten haben und es dann alles im Durchschnitt zu betrachten.
Einzelne Spieler zu beurteilen scheint relativ leicht. Spieler werden oft auch negativ beurteilt, was aber auch daran liegen könnte, dass sie schlecht vom Trainer eingestellt wurden. Einen Trainer im Gesamtkontext zu beurteilen, ist schwer. Sehr oft werden von Trainerseite Spieler pauschal nach einem Match angesprochen, selten hinterfragen sich die Trainer selbst. Oliver Lederer ist hier vielleicht eine Ausnahme. Würden Sie sich wünschen, dass sich der Teamchef in der Öffentlichkeit mehr hinterfragt?
Öffentlich wünsche ich mir das nicht, das bringt nichts. Die Analysen, die er vor der Mannschaft macht, trifft er sehr wohl ganz genau, sowohl im Einzelgespräch als auch in der Gruppe.
Sie haben auch gemeint, dass das Pressing im vorderen Drittel in diesem Jahr verlorengegangen ist. Liegt das daran, dass man es bewusst zurückgeschraubt hat oder dass es der Gegner nicht mehr zugelassen hat?
Beides trifft es. Wenn man unser Pressing studiert und sich als Gegner darauf einstellt und hohe, lange Bälle nach vorne spielt, kann man nicht mehr pressen. Das ist die Reaktion auf unser Pressing. Da ist Taktik und Gegentaktik im Spiel. Wenn man im vorderen Drittel die Bälle gewinnt ist die Chance groß, da der direkte Weg zum Tor gering ist. Das hatten wir früher öfter. Die Frage ist jetzt: Was können wir tun, um den Gegner in derartige Situationen zu bringen.
Ist das die von Ihnen vorher angesprochene, taktische Flexibilität, die Sie 2017 sehen möchten? Steht das auf Ihrer Agenda ganz oben?
Ich glaube, dass wir in der Spielanlage und der Ausrechenbarkeit meiner Meinung nach mehr riskieren müssen, um das Ziel zu erreichen.
Riskieren nur aus taktischer Sicht oder auch personell?
Wenn man eine Spielanlage, einen Matchplan überlegt, muss man auch die entsprechenden Leute dazu einberufen. Mit anderen Worten: Wenn wir so weiterspielen wie bisher, glaube ich nicht, dass wir das Ziel erreichen können. Wir müssen allgemein eine Weiterentwicklung gehen. Alles wird analysiert, auch bei den Bayern wird hinterfragt, wie Bayern in zwei, drei Jahren aussehen wird. Dieser Prozess ist verdammt schwer, wenn es so gut läuft wie im Jahr 2015. Gerade in der Phase des Sieges muss man neue Impulse setzen, um das aufrechterhalten zu können. Jogi Löw hat das nach der Weltmeisterschaft gezeigt, als er viele neue Impulse gesetzt und neue Spieler eingesetzt hat.
Sie wissen, welche Frage jetzt kommt: Ein neuer Impuls, eine Überraschung wäre es doch, wenn David Alaba einmal im Nationalteam links hinten spielen würde? Einfach, um zu sehen, wie es funktioniert?
Das wäre keine Überraschung …
.. für die Gegner von Österreich schon ..
Ich habe eine klare Meinung: Bis nach der Euro war das keine Frage. Wir hatten Christian Fuchs auf dieser Position und David Alaba auf der zentralen Position mit großem Potenzial. Ich hätte Fuchs nie auf die Ersatzbank gesetzt, um Alaba dort spielen zu lassen. Jetzt ist es so, dass man eine neue Lösung gebraucht hat, und da kann man der Meinung sein, dass Alaba links hinten spielen soll. Das ist ein legitimer Vorschlag, den weiß aber auch der Teamchef. Auf der anderen Seite hat Koller die Option mit Suttner gezogen und dann das Experiment mit Wimmer gemacht. Natürlich kann man rückblickend sagen: Es ist aufgegangen oder nicht. Das ist immer so. Vom Potenzial des Spielers Alaba ist er einer der drei, vier besten Spieler, wenn nicht der beste Spieler Österreichs. Dass er in der Schaltstellte der Mannschaft spielt, ist nachvollziehbar. Auf der anderen Seite ist er auf der linken Seite Weltklasse. Es ist wichtig, wie man die Mannschaft baut und wie man damit in der Zukunft spielt. Optimal aufgestellt sind wir da insgesamt derzeit noch nicht.
Nicht zuletzt hat Jupp Heynckes zuletzt sinngemäß gemeint, dass Alaba einer der besten Linksverteidiger der Welt aber auf der zentralen Position einer von vielen ist…
… aber nicht in Österreich. Für Bayern ist seine Analyse richtig. Die Überlegung des Teamchefs ist, das große Potenzial von Alaba in die Schaltzentrale zu bekommen, …
… weil es keine Alternative gibt?
Noch nicht.
Um das Thema Koller langsam abzuschließen, muss ich Sie noch einmal auf das ORF-Interview ansprechen, das Sie im Rahmen der ÖFB-Weihnachtsfeier gemacht haben. Sie meinten: „Es ist eine sehr ernste Situation, sehr nachdenklich, wir sind aber am Analysieren. In Bezug auf Aufstellungen, Positionen und Auswahl der Spieler kann man immer diskutieren. Er (Anm. Koller) macht es sich auch nicht leicht. Aber er ist halt ein Mensch, der nicht sehr viel wechselt und verändert, sondern von den Dingen, die er angeht, überzeugt ist. Das kann auch ab und zu etwas im Weg stehen“. Bei der Pressekonferenz haben Sie zwar versucht, diesen Sager zu entkräften, aber wirklich überzeugend war das für mich nicht. Wie meinten Sie das jetzt?
Meine Wahrnehmung ist, dass diese Stelle im Interview extra herausgeschnitten wurde. Die Absicht, Koller zu kritisieren, war nicht gegeben; überhaupt nicht. Ich denke, dass das Interview so gewesen ist, wie ich es heute gesagt habe: Ich bin mit seiner Arbeit zufrieden, aber dass auch er da oder dort nach einem Spiel etwas vielleicht anders macht. Ich habe es nicht negativ gemeint.
Aber wenn man meint: “Man steht sich im Weg” ist das eindeutig nicht positiv?
Ich habe es so gemeint: Wenn man ihn als Person kennt, ist er ein Charakter, eine Person mit Handschlagqualität, auf sein Wort kann man sich verlassen. Er übernimmt auch Verantwortung und schützt die Spieler. Das kann auch manchmal kontraproduktiv sein, wenn jemand anderer den Fehler macht und sich Koller schützend davor stellt. So irgendwo war das “im Weg stehen” gemeint. Wir sind alle Verantwortlich und müssen zusammenhelfen. Der Schuldige muss nicht immer der Teamchef sein.
Wenn man mit deutschen Journalisten spricht, die in Deutschland mit Koller gearbeitet haben, hört man immer wieder, dass Koller sehr konsequent seinen Weg gegangen ist, bis zum bitteren Ende sozusagen. Die einen nennen es Konsequenz, die anderen Sturheit. Sie fordern jetzt mehr Flexibilität. Glauben Sie, dass Sie mit Koller zusammenkommen werden?
Es gibt beim ÖFB viele Leute, die Koller ehrlich unterstützen, viel Qualität haben und sehr viel beitragen können. Ich halte aber nichts davon, dem Teamchef die Hauptschuld zu geben. Es gibt viele Faktoren wie die Spieler, Betreuer, der ÖFB selbst.
Was darf man sich für 2017 erwarten, speziell zur WM-Qualifikation?
Die übergeordnete Zielsetzung lautet weiterhin, in den Top 30 zu bleiben. Es ist in Österreich schon selbstverständlich geworden, aber es ist eine große Zielsetzung für ein kleines Land wie Belgien oder Schweiz dauerhaft in diesem Bereich zu bleiben.
Aus Fan-Sicht kann man sich aber von einer Top-30-Position wenig „kaufen“, wenn es keine WM-Qualifikation gibt?
Da haben Sie Recht. Der Hintergedanke ist: Wenn man dauerhaft in den Top 30 bleibt, ist man auch in der WM-Qualifikation vorne mit dabei. Eine Selbstverständlichkeit, bei einer EM oder WM dabei zu sein, ist für mich nicht realistisch. Mit dieser Vision werden wir immer wieder mit dabei sein. Für die Qualifikation speziell glaube ich, dass der Turnaround möglich ist.
Das heißt, Platz 2 für ein mögliches PlayOff?
Damit beschäftige ich mich gar nicht. Wir müssen die Aufgaben Moldawien und Irland schaffen. Das wird entscheidend. Wir müssen hier gewinnen, dann glaube ich, dass es im Herbst verdammt knapp wird und sogar alles möglich ist, da schließe ich Platz eins nicht aus.
Zum Abschluss möchte ich noch kurz das Thema Werner Gregoritsch anschneiden. Sie meinten in der Presseaussendung zur Verlängerung von Gregoritsch: „Es war aus sportlicher Sicht eine klare Entscheidung für eine Verlängerung.“ Inwiefern gab es andere Gründe, die nicht für eine Verlängerung gesprochen haben? In den Medien konnte man von den Disziplinlosigkeiten zur Genüge lesen…
Sie kennen den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Interpretation. Die sportlichen Leistungen waren exzellent und deswegen ist er verlängert worden. Das, was Sie interpretieren, kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben die sportlichen Erfolge analysiert und da ist er mit seinem Ergebnis auf Rang 14 in Europa vorgerückt. Das war Werbung für den österreichischen Nachwuchsfußball. Was übersehen wird, sind die Spieler, die er abgegeben hat …
… im Playoff konnte er aber dann auch auf A-Team-Spieler zurückgreifen …
In Summe wird diese Leistung über die vier Jahre, speziell die letzten zwei Jahre evaluiert. In Summe gab es von mir die klare Forderung an das Präsidium, mit diesem Trainer weiterzuarbeiten.
Wie schwer ist es, eine U21 zu trainieren?
Ganz schwer. Es ist die schwierigste Mannschaft. Man hat es auf der einen Seite mit Profispielern zu tun, die unglaubliche Gehälter verdienen und damit zurechtkommen müssen. Auf der anderen Seite ist ein Ausbilden einer Persönlichkeit in diesem Alter massiv. Wenn ein Erwachsener diesen Sprung in dieser Gehaltsdimension machen würde, wüsste ich nicht, wie viel Fehlverhalten es dann geben würde. Grundsätzlich gibt es auch in anderen Ländern in diesem Alter Probleme, weil diese Spieler ihre Grenzen ausloten.
Es ist also aus Ihrer Sicht kein Mangel an Führungsqualität zu erkennen?
Wenn ich nach einer Qualifikation gemeinsam mit dem Delegationsleiter erlaube, dass sich die Mannschaft noch ein paar Stunden zusammensetzt, ist das keine Verfehlung. Die Verantwortung eines Erwachsenen ist da nicht wegzudiskutieren. Da sollten wir auch Schwerpunkte in der Ausbildung setzen, um diese Eigenverantwortung zu erhöhen.
Ich frage auch deshalb, weil uns folgende Geschichte zugetragen wurde: Wenige Minuten vor dem Play-Off-Spiel gegen Spanien in St. Pölten gab es unseren Informationen zufolge eine Spielerrevolte. Einige Spieler forderten, dass ein bestimmter Spieler, der ursprünglich von Werner Gregoritsch aufgestellt wurde, nicht spielen darf, da sie sonst selbst nicht spielen werden. Der Grund dafür ist, dass dieser Spieler rund um den Teamlehrgang Verfehlungen begangen hat. Ist das nicht ein Alarmsignal für jeden Trainer und vor allem für Sie als Sportdirektor?
In Bezug auf den Einsatz des Spielers kann ich Ihnen keine detaillierte Antwort geben, weil ich nicht weiß, was genau abgelaufen ist. Dass es eine Umstellung gegeben hat, kann ich bestätigen. Aber den Grund kann ich nicht bestätigen. Der Zusammenhalt der Mannschaft ist ein hoher, das ist auch ein Verdienst des Werner Gregoritsch. (siehe auch hier: U21: Spieler-Revolte vor dem PlayOff gegen Spanien?)
Danke für das Interview!
>>> Weiterlesen - U21: Spieler-Revolte vor dem PlayOff gegen Spanien?