Oliver Lederer: ‚Heute musst du als Trainer wirklich wissen, wovon du redest‘

Der Admira-Trainer ist der Trainer-Star der heurigen Saison. Aus den totgesagten Südstädtern formte Oliver Lederer binnen Monaten eine Mannschaft, die es aufs Stockerl schaffen könnte und sogar im Cup-Finale steht. Im ausführlichen 90minuten.at-Interview

 

90minuten.at: Endlich Cheftrainer. Wenn Sie auf diese ganze ÖFB-Trainerthematik jetzt noch einmal zurückblicken. Haben Sie Verständnis?
Oliver Lederer: Ich bin recht flott durch die Trainerausbildung gekommen, habe dann bei der Aufnahme zur UEFA Pro Lizenz ein Kriterium, das aus meiner Sicht etwas schwammig formuliert war, nicht erfüllt, und mittlerweile auch geändert wurde. Deshalb muss man jetzt Verständnis aufbringen. Die Kommunikation hätte besser laufen können. Jetzt, wo ich die Pro-Lizenz machen kann, fällt es mir leichter, Verständnis dafür zu haben.

 

Würden Sie etwas an der Ausbildung per se kritisieren?
Die Profikarriere als Spieler ist für die Pro Lizenz wichtig. Das kann in der Endabrechnung zur Zulassung fehlen. Es wird aber laufend adaptiert, derzeit von Dominik Thalhammer und Willi Ruttensteiner. Es gibt immer Verbesserungsbedarf. Es kann sein, dass einige Dinge nicht ganz so fair ablaufen. Ich habe alles gemacht, vom Kinder- und Jugendtrainer über Landesverband zur Pro Lizenz und die Praxis ist notwendig.

 

Am Ende des Tages muss man jedoch so ehrlich sein, dass die großen Vereine nicht so die große Dominanz an den Tag legen.< /div>< /div>

 

Müsste man Ausbildung zum Trainer und Fußballerkarriere ganz trennen?

Man darf nicht aufgrund der Spielerkarriere bevorzugt werden; dass man sich Dinge erspart ist durchaus legitim. Einen Vorteil gegenüber einem, der keine große Profikarriere hatte, sollte das aber (Anm.: bei der Zulassung zur nächsten Lizenzstufe) nicht bringen.

 

Kommen wir zur Meisterschaft: Wieder einmal schickt sich ein „kleiner“ Klub an, die Phalanx der etablierten Großklubs zu durchbrechen. Welchen Anteil hat daran Admira Wacker?
Grundsätzlich ist es so, dass der kleine Verein, der das schafft, der Aufsteiger ist. Das ist relativ leicht zu erklären: Jedes Spiel ist mit der Aufstiegseuphorie ist wie ein Europacupspiel in einem großen Stadion. Warum es nun wir sind, liegt zu einem großen Teil aber auch an uns. Wir sind als Mannschaft sehr gut aufgetreten, haben mit den verschiedensten Spielanlagen erfrischenden Fußball geboten. Am Ende des Tages muss man jedoch so ehrlich sein, dass die großen Vereine nicht so die große Dominanz an den Tag legen.

 

Peter Schöttel sagte gegenüber 90minuten.at neulich, man müsse als Trainer stets Leistung und Ergebnis gesondert betrachten, so wohl auch die Verteilung von Siegen, Unentschieden und Niederlagen. Wie beurteilen Sie das Gesamtniveau der Liga?
Unterm Strich muss man es aufs Wesentliche reduzieren. Wir sind eine Ausbildungsliga, das betrifft auch Rapid, Austria und Sturm. Auch Rapid wird am Ende einer guten Saison Spieler verlieren. Das wird auch in diesem Jahr wieder sein. Man könnte meinen, sie stagnieren. Das sehe ich anders. Es ist doch immer Aufbauarbeit, die Spieler an dieses Niveau heran zu führen. Man hat ja bei Salzburg gesehen, wie lange sie in dieser Saison gebraucht haben, um wieder in die Spur zu kommen. Jetzt haben sie am Ende aber wieder die Ordnung hergestellt, die sein sollte. Die Chance für Austria und Rapid auf den Titel war groß wie nie. Trotzdem steht Red Bull oben. Wir machen es uns zudem zu leicht, wenn wir von Stagnation reden. Ich habe immer gesagt, dass Rapid mit Beric aus meiner Sicht den Titel verkauft hat, in Altach beim 0:0 hätte er wohl getroffen. Es fehlen ja nicht 20 Punkte auf Red Bull.

 

Das ist jetzt aber ein Rapid-, kein Admiraproblem.
Ja, aber sie haben die enttäuschenden Spiele ja gewonnen, wie gegen Grödig zu Hause. Gegen uns haben sie eine auf den Deckel bekommen. Das Spiel in Altach war aus meiner Sicht richtig gut, wenn da vorne einer steht, der einen rein haut, fahren sie mit drei Punkten heim und sie bleiben voll im Titelrennen. Das sind ganz banale Dinge, die das entscheiden, keine Fachsimpelei. Rapid fehlt vorne einfach einer. Jelic ist noch nicht so aufgegangen, wie es erwartet wurde und auch Prosenik braucht nach seiner langen Verletzunspause einfach noch Zeit.

 


Apropos Tore. Den Knipser hat die Admira auch nicht, statistische Indikatoren für den Erfolg gibt es eigentlich nicht wirklich. Es gibt keinen Torjäger (Anm.: Schößwendter mit 7 Treffern torgefährlichster Spieler), zu Beginn der Saison gab es sechs ungeschlagene Spiele; warum also steht man, wo man steht?
Das erste Saisonviertel war mit 17 Punkten schon außergewöhnlich. Es war abzusehen, dass wir das Niveau nicht halten würden. Da hat auch Starkl alles getroffen, da war jeder Schuss aufs Tor ein Treffer. Es ist so, dass wir uns im Laufe der Meisterschaft beim Ballbesitz enorm gesteigert haben; weg von der reinen Konter-/Umschaltmannschaft, hin zu ballorientiertem Fußball. Hinter Rapid und Salzburg haben wir mittlerweile gemeinsam mit Mattersburg den meisten Ballbesitz.

 

Liegt es auch am späten August-Transfer von Srdjan Spiridonovic? Er kann die Bälle gut halten, mit wenig Raum gut umgehen.
Man ist immer von dem einen oder anderen Spieler abhängig. Spiridonovic ist ein unglaublicher Individualist. Alleine gewinnt er dennoch nicht. Aber er ist ein überragender Spieler, der den Unterschied ausmachen kann. Wir spielen jetzt aber auch eher mit einer Neun, die im Angriffsdrittel die Bälle hält und ablegt. Das ist Starkl überhaupt nicht; aber zu dem Zeitpunkt der Saison hatten wir auch Räume; dann haben die anderen auf uns reagiert und wir hatten oft die passende Antwort parat.

 

Natürlich muss man taktisch adaptieren. Muss man das in einer Zehnerliga eventuell eher, als etwa Leicester in England, die nur zwei Mal gegen die anderen Teams spielen?
Das ist Ansichtssache. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass man sich bei vier Saisonduellen besser kennt als bei zwei. Das würde in einer größeren Liga wegfallen, es wäre für uns Trainer und die Analysten anspruchsvoller. Aber ich sehe es auch als Anreiz, vier Mal gegen Rapid oder Salzburg zu spielen, etwa zu finden, was ihnen weh tut und so zu zeigen, dass man variabel ist.

 

Bei Rapid kommt ja noch dazu, dass sich jedes Internetportal, das sich mit Taktik beschäftigt, Rapid in alle Einzelteile zerlegt. Rapid ist dadurch gläsern.< /div>< /div>

 

Eines der Highlights dieses Jahr war das Spiel gegen Rapid. Würden Sie meiner These zustimmen, dass der Sieg möglicherweise in der Höhe vielleicht überraschend war, aber Sie ganz genau gewusst haben, wie Rapid zu knacken ist?
Bei Rapid kommt ja noch dazu, dass sich jedes Internetportal, das sich mit Taktik beschäftigt, Rapid in alle Einzelteile zerlegt. Rapid ist dadurch gläsern. Die gilt es in Österreich zu schlagen. Wir dachten genau zu wissen, wie man Rapid an dem Tag schlagen kann. Es gibt dann freilich noch einen Gegner und umsetzen muss man seine eigenen Ideen auch. Die Ausführung unseres Plans war an diesem Tag das Entscheidende. Wir haben kaum Bälle unkontrolliert weg geschlagen, haben sie dorthin gespielt, wo Rapid Räume aufmacht.

 

Stichwort „Probleme im defensives Umschaltspiel von Rapid“, als Beispiel, wie der Kleine dem Großen beikommen kann?
Das ist ja nicht mangelhaft. Jede Mannschaft hat Schwächen, so auch Rapid. Um ein Detail zum besseren Verständnis zu verraten: Florian Kainz, bzw. die Seitenspieler bei Rapid, pressen immer wieder auf den Innenverteidiger durch. Dadurch können Hofmann, Schwab oder Petsos das Zentrum sichern und sie haben im Zentrum bei langen Bällen Überzahl. Es ist dann so, dass der Außenverteidiger nicht so hoch aufschiebt und hier kann man mit dem Spielaufbau arbeiten. Das haben wir ausgenutzt und es ist uns vor allem zu Beginn unglaublich gut gelungen. Die Spieler hatten dann Vertrauen in diese Spielweise. Rapid ist schwierig zu bespielen, du brauchst Mut und den hatten wir an dem Tag. Ich sehe es aber nicht als Schwäche Rapids.

 

Sie suchen im Gesamtkonzept des Gegners das Mittel, um ihn zu knacken. Bei Salzburg stehen die Außenverteidiger unglaublich hoch, vor allem Andreas Ulmer...
Wir haben immer einen Gegner, auf den wir uns vorbereiten; wir schauen, welche Räume wir gut besetzen können. Die Frage ist: Wie können wir das, was wir haben, gewinnbringend einsetzen? Gegen Red Bull Salzburg kann das auch funktionieren. Wir waren da richtig gut im Spielaufbau. Aber unsere Offensivspieler waren der Defensive gar nicht gewachsen. Wir konnten kaum Bälle in die Angriffszone spielen. Da waren sie vor allem bei defensiven Zweikämpfen richtig überlegen. Sie haben uns zerlegt. Wir müssen daraus lernen, denn unsere Spielweise beinhaltet auch, unsere Offensivspieler so in Szene zu setzen, dass sie sich durchsetzen. Wenn du nach Ballgewinn den ersten, zweiten Ball gleich wieder verlierst, das macht Salzburg großartig, dann kommst du nicht ins Positionsspiel.

 


Eine kleine Mannschaft lebt vom Umschaltspiel. Hätte man das vor zehn Jahren nicht einfach „Konterspiel“ genannt und etwas abschätzig drüber geredet? Heute sagt man: „Wir wollen aus einer sicheren Abwehr die Umschaltmomente nutzen um im Angriffsdrittel Überzahl zu generieren.“ Klingt besser, ist aber nah dran?
(lacht) Diese Diskussion hatte ich oft mit Walter Knaller. Ich würde gern einen erleben, der mir den Unterschied zwischen Konter- und Umschaltspiel erklärt. Aber auch eine Ballbesitz-orientierte Mannschaft hat Umschaltmomente. Auch Barcelona nutzt seine Umschaltmomente. Es haben sich die Medien ungemein gewandelt. Heute musst du als Trainer wirklich wissen wovon du redest. Sonst wirst du aufgemacht, in sämtlichen Analysen und das direkt nach dem Spiel, wenn du noch nicht einmal eine Wiederholung gesehen hast. Du wirst bombardiert mit Fragen. Als Trainer musst du wissen, was du von dir gibst. Davon musst du aber überzeugt werden. Sonst wirst du ohne Ende aufgemacht. Dafür verschwinden die Floskeln. Wir sollten aber aufpassen, dass wir nicht mit Begrifflichkeiten überschwemmt werden. Man muss in Österreich nicht immer Chancen kreieren, darf sie ruhig heraus spielen. Hier werden Trainer dann belächelt, wenn sie im Dialekt reden.

 

Die Admira ist gemäß unserer Recherche gar nicht so jung, wie man meinen mag. Und die Admira kauft auch, entgegen der Mär, viele Leistungsträger zu. Die halbe erste Mannschaft ist sowohl in gutem Fußballalter, als auch zugekauft.
Wir bewegen uns da bei rund 50 Prozent. Unser Ziel ist es, die zugekauften Spieler nicht mehr so zu brauchen. Ich möchte nur präzisieren, dass wir alle Spieler ablösefrei geholt haben. Es sind Spieler, die bei ihren bisherigen Klubs nicht so zu Recht gekommen sind oder sogar gescheitert. Wir sind aber auch selber mit Spielern gescheitert, die wir geholt haben. Wir sind nicht die großen Superpsychologen, die jeden Spieler erreichen. Es ist natürlich die Wunschvorstellung, irgendwann komplett mit eigenen Spielern aus unserer Akademie zu spielen.

 

Geht das?
Es ist machbar. Das ist meine persönliche Überzeugung. Viele wurden verliehen, kommen wieder zurück, sind nun im besten Fußballeralter. Wir werden in den letzten Runden aber sicher noch deutlich jünger. Wir wollen dem einen oder anderen Spieler die Spielpraxis geben. Jetzt schließt sich wieder der Kreis: Normalerweise stecken wir mitten drin im Abstiegskampf. Êinem jungen Spieler unter diesen Voraussetzungen eine Bühne zu geben, ist verdammt schwierig. Unter so einem Druck kann es schon sein, dass das eine oder andere Talent zerbricht.

 

Wir haben aber schon ein bisschen geschmunzelt, dass wir zu Beginn der Saison so konkurrenzlos als Abstiegskandidat dargestellt wurden.< /div>< /div>

 

Ist die noch lebende Chance auf Platz 3 und den Cupsieg nun durch den Umstand entstanden, dass man eben doch ein bisserl erfahrener ist, als viele Medien tun? Oder taktische Überlegenheit?
Taktische Überlegenheit? Nein. Wir versuchen uns wie alle anderen Mannschaften vorzubereiten. Wir haben aber schon ein bisschen geschmunzelt, dass wir zu Beginn der Saison so konkurrenzlos als Abstiegskandidat dargestellt wurden. Es war nicht so, dass wir davon ausgegangen sind, dass wir durchrasseln. Wir wussten, dass wir eine gute Mannschaft haben, die aber ausbalanciert sein muss. Wir wussten, dass, wenn wir ein super Jahr haben, wir die beste Mannschaft vom Rest, abseits der großen Vier, sein können. Wir selbst haben diese Zuschreibungen – jung, unerfahren und so weiter, nie an die große Glocke gehängt.

 

Ist es vielleicht einfach Effizienz? Hinten und vorne?
Ich glaube, dass es sich im Laufe einer Saison doch so entwickelt, dass man von sich selbst überzeugt ist; etwa Wostry gegen Salzburg. Dass er so spielt, dass er viel bereinigen kann und im Spielaufbau mutiger ist als vor acht Wochen, hängt damit zusammen, dass wir gut unterwegs waren. Vor einem Jahr war es fast dieselbe Mannschaft, es ging aber in jedem Spiel um fast jeden einzigen Punkt – das hemmt!

 

Ich könnte jetzt wieder die Sinnhaftigkeit der Zehnerliga hinterfragen...
Da schließt sich auch wieder der Kreis. Du spielst entweder gegen den Abstieg oder um die Europa League. Das habe ich auch im Verein gesagt, wenn es um die Jungen geht. Wir lassen uns davon aber nicht irritieren. Wir wollen für die kommende Saison vorbereiten, junge Spieler bringen. Die Zehnerliga ist natürlich teuflisch.

 

Wenn Sie Pech haben, fehlt Ihnen nächstes Jahr die halbe Mannschaft. Immerhin zahlt ja fast jeder Klub mehr als die Admira. Wie funktioniert Nachhaltigkeit in einem Umfeld, in dem Konkurrenten besser zahlen können und die Scoutingabteilungen der sogenannten Großen, vor allem in Graz und Wien, nach einer Halbsaison schnell zugreifen? Sogar Zweitligisten haben mehr Geld...
Stimmt alles. Wir wissen, dass wir beim Gehalt am unteren Ende der Liga angekommen sind und selbst in der SkyGo Ersten Liga die eine oder andere Mannschaft besser zahlt. Wie hätten wir den Schössi halten sollen? 18 Monate haben wir es versucht! Es wird immer der eine oder andere gehen. Wir können wirtschaftlich nicht mit und wovon reden wir bei der Europa League-Quali? Zwei, vielleicht vier Spiele. Ob das den großen Reiz darstellt, weiß ich nicht. Beziehungsweise, das weiß ich, dass dem nicht so ist. Die Nachhaltigkeit ist unsere Akademie.

Wir danken für das Gespräch!

 

>>> Siehe auch Taktik-Analyse zu Rapid vs Admira - Lernresistenter Barisic: Niederlage gegen Admira war kein ‚rabenschwarzer Tag‘