Lassaad Chabbi: 'Wir haben nicht nur einen Plan B, sondern auch C und D'

Austria Lustenau ist Tabellenführer der SkyGo Erste Liga. Oberflächlich mag es am Ghanaer Raphael Dwamena und seinen zwölf Saisontoren liegen. Austria-Coach Lassaad Chabbi gibt im Interview mit 90minuten.at einen Einblick, wie sein Erfolg zustande kommt.

 

90minuten.at: Warum ist Austria Lustenau gegenwärtig Erster in der SkyGo Erste Liga?
Lassaad Chabbi: Weil wir mehr Punkte als die anderen geholt haben.

 

So einfach?
Einfach ist das nicht. Da steckt viel harte Arbeit dahinter.

 

Medial steht derzeit Ex-Liefering-Spieler Raphael Dwamena mit seinen 15 Toren im Fokus. Ist es manchmal so einfach, dass man als Trainer einen Stürmer hat, der Tor um Tor schießt?
Er hat auch schon bei Liefering Tore geschossen. Bei uns passt aber das gesamte Team zusammen, ist gut gewachsen. Wir haben auch Geduld mit ihm. Er hat auch ein paar Spiele keine Tore gemacht (Anm.: zwischen Runde 12 und 15). Aber er war immer in der Startelf. Raphael fühlt sich im Team sehr wohl und es macht ihm Freude, Fußball zu spielen. Und wenn du Freude hast, dann triffst du auch.

 

Ist die mentale Komponente bei Stürmer wichtig?
Es ist bei Raphael jetzt wie letztes Jahr bei meinem Sohn (Anm.: Seifedin Chabbi, spielt seit Sommer beim FC St. Gallen). Es ist mir wichtig, dass ein Stürmer Chancen hat! Es gibt viele, die denken, dass ein Stürmer nicht gut ist, wenn er nicht trifft. Mir ist ein Stürmer lieber, der zu vielen Chancen kommt als einer, der kaum zu Chancen kommt. Raphael hat wie mein Sohn seine Chancen bekommen. Trifft er nicht, hat er trotzdem das Vertrauen des Trainers. Wenn er in einem Spiel zu seinen Chancen kommt und kein Tor macht, macht er sie vielleicht im nächsten Spiel. Viele sagen: Der hat zwei Spiele nicht getroffen, also muss ein anderer spielen. Das glaube ich nicht.

 

Taktisch vertrauen sie auf ein recht aufregendes 4-2-3-1 mit Rochaden in den Offensivpositionen. Wie hoch ist der Anteil individueller Klasse für so eine Spielart, wie hoch der Anteil an der Trainingsarbeit?
Das kommt immer auf die Spielphilosophie darauf an, die der Trainer vermitteln will. Es geht bei mir ums Positionsspiel und Automatismen. Dass der eine weiß, wo er hin muss, wenn der andere in diese Richtung läuft, ist ein langer Prozess. Ich habe eben meine Philosophie, wie Fußball gespielt werden soll. Und ich bin ständig bei Toptrainern hospitieren. Egal ob Guardiola oder Frank de Boer. Ich war in St. Petersburg bei Zenit. Ich habe immer darauf geachtet, wie sie Offensivfußball spielen. Das ist mir wichtig. Wir trainieren das, damit jeder weiß, wer sich wohin nach vorne bewegt und wer nach hinten absichert, wenn der Ball beispielsweise auf die linke Seite kommt. Aber wir haben auch das Wissen, dass nicht alles schlecht ist, wenn wir einmal ein oder zwei Spiele verlieren. Wir spielen offensiven Fußball, aber ich sage meiner Mannschaft immer, dass wir uns an den Spruch halten: Offensiv spielen, defensiv denken. Dann funktioniert auch das Positionsspiel, wenn es diese Automatismen gibt.

 

In der zweiten Leistungsstufe ist die Fluktuation hoch, wie schwierig ist es in diesem Umfeld, Automatismen zu erarbeiten?
Es ist nicht so einfach, wenn jedes Jahr die besten weg gehen. Irgendwann – das sage ich ganz ehrlich – zerbricht das Team dann. Du kannst ja nicht jedes Jahr bei Null anfangen. Ich möchte, und ich hoffe uns gelingt das, dass unsere Mannschaft zusammen bleibt. Dann haben wir auch eine Chance auf Erfolge.

 


Spielt da das Scouting noch mehr eine Rolle? Viele Transferflops kann man sich nicht leisten, gleichzeitig gibt es nicht unendlich viel Geld für Scouting. Wie finden Sie die Spieler für Ihr System?
Ich bin seit 30 Jahren in Österreich und im Fußball tätig. Ich weiß schon, welche Spieler da dazu passen. Ich suche immer Spieler, die Qualität haben. Ich suche auch immer Spieler, die eine gute Ausbildung haben. Mehr als die Hälfte meiner Spieler haben die Matura. Für mich ist es auch ein bisschen einfach. Dwamena ist zu uns gekommen, er wusste, dass ich auch Afrikaner bin und mit dieser Mentalität der Afrikaner kann ich ganz gut. Ich hole auch gerne Österreicher, die gute Fußballer sind und gerne in der Bundesliga spielen wollen, wie Marco Krainz oder Valentin Grubeck. Die haben Talent, sie müssen nur an sich selber glauben.

 

Sie verlassen sich beim Spielerholen auf Ihre Erfahrung?
Und auf den Verein. Manager Daniel Ernemann war Fußballer, er versteht sehr viel von Fußball. Er schaut immer, wie der Markt ist. Auch unser Präsident Hubert Nagel ist seit Jahrzehnten im Fußball und seit zwanzig Jahren Präsident des Vereins. Nach so langer Zeit hat man auch viel Ahnung. Wir entscheiden immer zusammen.

 

Verändert es etwas für Sie, wenn Lustenau nun nicht mehr Jäger ist, sondern gejagt wird?
Nein. Darüber reden wir nicht. Ich sage meinen Spielern immer, dass sie Fußball spielen sollen und es genießen. Ihre Frauen, Kinder, Familien und Freunde sollen sie am Wochenende mitbringen, für sie und die Fans spielen. Am Schluss schauen wir dann, wo wir landen. Aber wir sprechen nicht über den Tabellenplatz. Es freut uns, dass wir Erste sind. Aber es darf kein Druck entstehen. Wir wollen einfach nur schönen Fußball spielen und Fans und Familie eine gute Zeit bereiten.

 

Was halten Sie generell und auch im Zusammenhang mit der geänderten Tabellensituation vom Plan B, der von den Medien sehr gerne gefordert wird?
Wir haben nicht nur einen Plan B, sondern auch C und D. Wir spielen immer offensiv, aber mit verschiedenen Systemen. Wir spielen nicht nur 4-2-3-1, im Spiel ändern wir auf 4-4-2 oder 4-3-3. Das sind verschiedene Pläne. Es kommt auch drauf an, wie der Gegner auf uns reagiert.

 

Warum läuft das jetzt alles so gut? In vergangenen Jahren war man etwas weiter weg?
Ich kann nicht beurteilen, was vor mir war. Ich will keine Energie auf Sachen verschwenden, die ich nicht weiß. Jetzt läuft alles. Nicht nur der Trainerstab arbeitet gut, sondern auch der Betreuerstab. Wir haben tolle Leute, die alle super arbeiten. Wir sind immer pünktlich beim Hotel und beim Stadion. Wir haben auch einen super Busfahrer. Es liegt nicht immer nur am Trainer.

 

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Wir möchten unbedingt schnell dorthin, wo Rapid und Austria sind. Und es ist nie zu früh! < /div>< /div>< /blockquote >

 

Auch das Umfeld stimmt?
Es gibt Vereine, die vergessen, wie wichtig die Betreuer sind. Wie wichtig ist ein Platzwart? Wie wichtig ist ein Busfahrer? Der Ernst Happel hat früher gesagt: „Der wichtigste Mann für mich ist der Busfahrer, weil er mich pünktlich zum Stadion bringt.“ Das stimmt in meinen Augen.

 

Sie haben nach der aktiven Karriere in Bludenz und die Vorarlberger Akademie gearbeitet, bevor Sie ein Jahr in der Heimat in Tunesien Co-Trainer waren. Sie kennen Vorarlberg und den Fußball. Für wie wichtig erachten Sie es auch auf lange Sicht, dass Austria Lustenau in die ab 2018 kommende Zwölferliga kommt?
Wir werden alles dafür tun, dass wir zu den besten zwölf Vereinen gehören werden. Wir möchten unbedingt schnell dorthin, wo Rapid und Austria sind. Und es ist nie zu früh!

Wir danken für das Gespräch!

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