Andreas Müller: ‚Man merkt, dass Rapid mittlerweile einen Stil hat'
Rapid-Sportdirektor Andreas Müller spricht im 90minuten.at-Interview über den Anteil des Sportdirektors am Erfolg, den etablierten Stil von Rapid, zu viel Rapid-Geist und die Gefahr, dass im neuen Stadion eine neue Mannschaft spielen wird. Das Gespräch fü
Der Bauch des Ernst Happel-Stadions wird nur noch bis Sommer Arbeitsplatz von Andreas Müller sein. Dann zieht der Tross wieder weiter raus, an den Stadtrand, nach Hütteldorf. Dort soll im Idealfall eine Meistertruppe einziehen, die auch in Europa für Furore sorgt. Wie das bewerkstelligt werden soll, fragt sich der geneigte Fan und der eine oder andere Journalist. Vor allem die Offensivspieler wecken Begehrlichkeiten. Doch der Sportdirektor meint in einem durchaus emotionalen Streitgespräch, dass es Rapid sein wird, das den Verlauf der Verhandlungen bestimmt.
90minuten.at: Wie viel Anteil nehmen Sie für sich für die gegenwärtig europäisch ausgezeichnete, in der Liga gute Position des SK Rapid?
Andreas Müller: Im Vorjahr sind wir gegen Helsinki ausgeschieden. Damals war das Team nicht so in der Balance wie dieses Jahr. Es waren viele Leistungsträger gegangen und man sieht ja immer wieder, dass es Zeit braucht, bis eine Mannschaft wieder homogen ist. Das Enttäuschende hat auch immer etwas Positives. Das (Anm.: Ausscheiden gegen Helsinki) war die Grundlage, ein Jahr kontinuierlich jede Woche ohne internationale Belastung zum Team zu werden. Das war auch der Grund, warum die Mannschaft im Sommer sehr eingespielt war. Die Entwicklung ging peux-a-peux in die richtige Richtung.
Kaderentwicklung und die Weiterentwicklung der Mannschaft möchte ich nachher detailliert behandeln. Kurzfristig gefragt: Mit welchem Ziel geht Rapid in das Sechzehntelfinale gegen Valencia CF? Reden wir noch einmal über die Gruppenphase. Der Startsieg über Villarreal hat uns in die Gruppe getragen. Aber es waren fünf Siege mit einem Tor Unterschied und eine knappe Niederlage in Spanien. Das hätte auch zu unseren Gunsten ausfallen können. Was wir bei allen Gruppenspielen gesehen haben, ist, dass wir immer den richtigen Moment hatten, das Spiel für uns zu drehen. Den Moment hatten wir auf unserer Seite. Aber unsere Mannschaft lernt schnell. Gegen Ajax wurden wir weggespielt, hätten auch mit 0:4 in die Pause gehen können. Sie lernen, was auf internationalem Niveau gefragt ist, zu gewinnen. Wir müssen – jeder einzelne – ans absolute Limit gehen, um auf diesem Niveau zu bestehen; und auch zum richtigen Zeitpunkt die Tore zu machen. Wir rechnen uns gegen Valencia schon etwas aus. Wenn man die Gruppenphase übersteht, ist in der KO-Phase alles möglich. Dazu braucht es aber etwas Spezielles. Wenn ich direkt frage, sagen Sie: Wir sind ein Team und arbeiten gemeinsam daran. Aber ein Sportdirektor muss ja auch den Kader zusammenhalten, Angebote abblocken. Wie hoch ist nun Ihr Anteil? Eines ist klar: Auch wenn Sie es vorwegnehmen, bin ich ein Teil des Teams. Wenn man die Transfers her nimmt, all die Spieler, die im Sommer 2014 gekommen sind – Beric, Kainz, Schobesberger, die waren nicht die Spieler, die sie heute sind. Der Großteil der Arbeit ist, dass sie bereit waren, weiter an sich zu arbeiten. Und sie hatten und haben ein Trainerteam, das bereit war und ist, mit ihnen zu arbeiten. Wir haben gemeinsam entschieden, welche Spieler wir holen. Sie zu entwickeln ist ja nicht mein Job. Ich bin dafür da, am Verhandlungstisch für Rapid das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Einen Beric dort hin zu bringen, das ist die Arbeit von unserem Trainerteam. Wenn ich nur daran denke, wie viele individuelle Einheiten etwa Carsten Jancker mit Robert gemacht hat. Und der hat von der Mannschaft profitiert. Aber jeder Transfer birgt auch Risiko! Wenn da 60, 70 Prozent gelingen, bist du schon sehr gut. Für Rapid ist Meister-Werden und international überwintern immer das Ziel, dazu kommt Spielerholen und gewinnbringend weiterverkaufen. Dann braucht man das Quäntchen Glück... ...ich will es nicht aufs Glück reduzieren. Es ist schon eine gewisse Qualität da, die in der Mannschaft steckt! Das stimmt mich zuversichtlich. Für mich sieht man auch eine Entwicklung hin zu einer klaren Spiel- und Klubphilosophie. Wo sehen Sie die Entwicklung bei Zoran Barisic konkret, seit Sie gekommen sind? In unserem Spielstil. Man kann mittlerweile sagen, dass Rapid einen Stil hat. Wir attackieren hoch, haben viel Ballbesitz, wollen über die Außen brechen und kreativ sein, Torchancen kreieren. Dazu brauchen wir auch individuell außergewöhnliche Spieler. Die haben wir mit Kainz, Schobesberger, Schaub oder Hofmann. Dahingehend werden wir unsere Spieler auch in Zukunft aussuchen. Ein Vorteil gegenüber meinen vorigen Stationen ist auch, dass von 25 Kaderspielern 19 Österreicher sind. Das schafft eine hohe Identifikation und einen Teamspirit, den ich so noch nicht erlebt habe. Was fehlt dem Team noch? Blickt man die Jahre zurück, spielt Rapid nicht die erste Geige. Schauen wir uns diese Saison an: Da hat Salzburg lange gebraucht, Ihre Mannschaft hat das letztlich nicht nützen können. Wir haben gesagt, dass es uns wichtig ist, dass wir die Mannschaft verbessern, dass sie besser wird. Wir wollten dieses Jahr mehr Punkte erreichen als letztes Jahr. Da sind wir gut dabei, haben nach 20 Runden mehr Punkte als letztes Jahr. Dazu kommen noch die internationalen Ziele, wo wir in die Gruppenphase kommen wollten und der Cup rein. Von dem her sind wir voll im Soll. Was man kritisieren kann, sind acht Bundesliganiederlagen. Dahingehend bin ich überzeugt, dass unser Team lernen muss, Spiele, die man nicht gewinnen kann, nicht zu verlieren. Austria Wien holte gegen Red Bull in der Meistersaison 2012/13 zwei von zwölf Punkten. Packende Duelle mit Salzburg sind gut und schön, die Schale wird wo anders – gegen die vermeintlich Kleinen - gewonnen. Da sind wir grad bei dem Punkt. Wir hatten viele internationale Spiele, die viele Körner kosten. Dann fährst du nach Mattersburg oder Grödig, dann fehlt die Frische nach dem Europapokalauftritt. In diesen Spielen muss man von der Spielphilosophie ein Stück weit weg. Ich sage, dass es da nur ums Ergebnis geht. Es fehlt der Schweinskick? Dann war es am Ende ein Arbeitssieg. Wir sind vielleicht zu sehr im Glauben, dass Rapid immer toll gewinnen muss. Das ist eine Aufgabe für die Frühjahrssaison: Erkennen, dass das Spiel zäh ist, nicht immer selbst nur vorne angreifen. Das gilt es, besser umzusetzen - da sind wir uns einig, dass dazu auch Erfahrung gehört. Quasi: Man soll das normale Auswärtsteam sein? Nicht gegen Ajax, wo ich eh auch 140 Prozent bin, sondern einfach ein Auswärtsteam in Grödig oder Wolfsberg? Man muss sich cleverer anstellen, man muss den Gegner nicht niederspielen. Das spielt sich im Kopf ab. Unser Anspruch ist es, das in Österreich mit bekannten Ausnahmen immer zu machen. Dann muss man auch einmal mit einem Punkt aus Altach zufrieden sein. Die Hälfte an Niederlagen und wir sind Tabellenführer. Das hatten wir bei Schalke. Hätten wir uns cleverer verhalten, wären wir 2007 deutscher Meister geworden. Dazu braucht es auch eine gewisse Erfahrung. Sie sprechen von Erfahrung. Ich entgegne Hofmann, Sonnleitner, Novota, Petsos. Wie passt das zusammen? Da haben Sie mich falsch verstanden. Natürlich ist die Erfahrung bei einigen da. Aber es geht um den Gedanken, in ein Spiel als „Wir sind Rapid, wir müssen die dominieren“, es geht um die Einstellung.... Zu viel Rapid-Geist? In dem Punkt, dass ich sage: Man erwartet von uns, den Gegner in jedem Spiel mit zwei, drei Toren zu schlagen und dabei toll spielen. Das wollen auch die Erfahrenen. Man muss aber drüber nachdenken, dass es so nicht immer geht. Da gibt es Gegner, die machen dir das Leben schwer. Das ist Einstellungssache. Wenn dir ein Gegner in allen Belangen weh tun will, muss ich im Spiel auch einmal bereit sein, dieses Angebot anzunehmen und mich dagegen zu stemmen. Meine Linie verliere ich ja nicht auf Dauer. Zusammengefasst fehlt den Spielern das Bewusstsein für die Maloche. Das muss auch Zoran Barisic noch besser vermitteln? Wir hatten ein Spiel in Mattersburg. Da haben wir gesagt, wir attackieren 20 Meter weiter hinten und locken den Gegner. Raus kam ein 6:1. Gegen die Austria daheim haben wir wiederum vergessen, dass man in der 90. Minuten mit dem einen Punkt zufrieden sein sollte und laufen in einen Konter hinein und verlieren. Sie haben vorhin angesprochen, dass nach Europa League-Spielen die Körner fehlen. Das Thema Doppelbelastung wird heiß diskutiert: Ausreden sagen die einen, ein ernstzunehmender Faktor sagen die anderen. Andererseits hat Rapid oft nach Länderspielpausen ebenfalls schlecht gespielt. Ist die Doppelbelastung jetzt ein Thema oder nicht? Es ist ja nicht so, dass man nicht drei Mal in der Woche nicht spielen kann. Die Werte sind gut. Ein Profi muss das aushalten. Punkt. Es ist auch etwas anderes, wenn man am Mittwoch in Amsterdam vor 50.000 spielt und dann vor zweieinhalbtausend in Grödig. Was man auch unterschätzt, ist die Zeit mit der Reiserei dazwischen. Wir hatten 33 Pflichtspiele in diesem Halbjahr, dazu kommen einige Verletzte. Und wir haben Neuzugänge, die noch nicht so funktioniert haben, wie wir uns das erhofft hatten. Ich will kurz unterbrechen. Man weiß ja schon vor der Saison, dass man in eine Gruppenphase kommen will. Verletzungen muss ich mit einberechnen. Hatte man da nicht die eine oder andere Alternative zu wenig? Das wäre etwas für den Sportdirektor. Nein, das würde ich nicht sagen. In der Breite sind wir top aufgestellt. Wir haben mit den Spielern, die wir geholt haben, für den Fall der Gruppenphase vorgesorgt. Was ich aber sehe, ist, dass die Neuen den Anschluss an die Stammmannschaft noch nicht so geschafft haben, wie wir uns das vorgestellt haben. Das hat auch seine Gründe. Ein Grund kann sicherlich sein, dass die Mannschaft sehr erfolgreich war, und es für die Neuen ungleich schwererer war, in ein funktionierendes Team zu kommen. Etwa Philipp Schobesberger: Auch er hat über ein halbes Jahr gebraucht, bis er voll eingeschlagen hat. Wir sehen in diesem Bereich aber stetig Fortschritte, welche die Neuzugänge näher an die Mannschaft bringen, schließlich haben sie alle viel Qualität. Warum lasse ich nicht dann in Grödig nach dem Europa League-Spiel einen anderen Spieler spielen? Etwa in der Innenverteidigung. Da entscheidet allein unser Trainerteam. In der Innenverteidigung sind wir mit Vizekapitän Mario Sonnleitner, Max Hofmann und Christopher Dibon sehr ausgeglichen und gut aufgestellt und mit Maximilian Wöber gibt es ein vielversprechendes Talent. Ich will die fehlenden Körner, die Sie vorhin angesprochen haben, ergründen. Die zentrale Position im Mittelfeld ist in etwa immer dasselbe. Wenn wir gut funktionieren, müssen die offensiven Außen frisch sein. So können wir Gegner knacken, die tief drinnen stehen. Genau auf diesen Positionen haben wir Probleme gehabt. Sie werden sicher danach fragen: Wir würden gerne bis Ende Jänner einen Spieler verpflichten, der offensiv links oder rechts kurzfristig und perspektivisch helfen kann. Das ist für unser Spiel enorm wichtig. Reden wir noch über den Sommer. Petsos wird Rapid verlassen, Kainz will auch weg, Louis Schaub ist auch nicht gerade auf wenigen Blöcken der Scouts. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen, zudem ist Steffen Hofmann – sagen wir es vorsichtig – auch nicht mehr ganz der Jüngste. Es sieht so aus, als ob Rapid im neuen Stadion auch mit einer neuen Mannschaft spielen wird müssen? Ich will nicht ausschließen, dass es im Sommer den einen oder anderen Transfer geben kann. Das ist normal, dass sich Spieler in den Fokus spielen. Wir wollen aber das Heft in der Hand haben. Bis auf Petsos haben alle Spieler bei uns Vertrag. Das ermöglicht uns eine gute Verhandlungsposition. Wir müssen keinen Spieler verkaufen. Aber wenn einer ein sehr gutes Angebot hat, dann ist es normal, dass man sich als Rapid damit auseinander setzen muss. Das heißt aber nicht, dass wir Spieler schnell verkaufen. Wir sollen um alle, die auch in Zukunft für Rapid spielen sollen, kämpfen. Im Mai haben Sie immerhin im 90minuten.at-Interview auf die Frage bzgl. des Zusammenhalten der Mannschaft gemeint: „Ich glaube, dass wir eine Mannschaft haben, die sich gut entwickelt hat. Es gibt wohl auch viele Spieler, die auch im neuen Stadion spielen wollen.“ Nüchtern betrachtet muss man wohl feststellen: Ob Rapid jetzt im neuen Allianz-Stadion spielt oder im Happel-Oval hat anscheinend wenig Einfluss auf den Kader? Das ist ja kein Phänomen von Rapid. Das passiert auch bei großen Klubs. Wir werden unserer Linie treu bleiben. Wir sehen zuerst, wer in unserer zweiten Mannschaft ist. Wir bereiten uns darauf vor, dass im Sommer der eine oder andere Abgang möglich sein wird. Wir werden im Sommer eine schlagkräftige Truppe haben. Natürlich wollen wir mit dieser Mannschaft noch zwei, drei Jahre durchspielen. Aber diese Überzeugung muss auch der Spieler haben. Gibt es diese nicht, will ich wirtschaftlich das Beste für Rapid herausholen und Stärke zeigen. Das haben wir bei Beric bewiesen. Die Zeit ist vorbei, dass man nach Österreich kommt und mal einen Spieler im Vorbeigehen für kleines Geld mitnimmt. Ich mache auch den Spielern klar, dass es für sie besser ist, für richtig viel Geld zu einem anderen Klub zu gehen, dann haben sie dort ein ganz anderes Standing. Wir danken für das Gespräch! Zum Thema >>> Christoph Peschek im Interview: ‚Dass auch Politiker Rapidler sein können, ist zulässig' >>> Allianz Stadion: Block West künftig mit bis zu 8.603 Stehplätzen