Andreas Herzog: ‘Salzburg ist nicht so unantastbar, wie sie es schon einmal waren'
Vor dem Start der Bundesliga-Saison spricht der USA-Co-Trainer, ÖFB-Rekordnationale und Sky-Experte Andreas Herzog im 90minuten.at-Interview über den verlorenen Heimvorteil der Austria Wien, die Unantastbarkeit von RB Salzburg und eine erhoffte Liga-Eupho
90minuten.at: Am Samstag erfolgt der Ankick zur neuen Bundesliga-Saison. Erwartet uns eine Neuauflage der abgelaufenen Saison, in der die Frage nach dem Absteiger spannender wird als der Kampf um den Meisterteller?
Andreas Herzog: Zu Beginn war es letztes Jahr nicht so. Ich bin immer noch der Meinung, wenn Rapid nicht die Doppelbelastung mit der Europa League gehabt hätte, wären sie in der vorigen Saison Meister geworden. Sie haben schon nach ein paar Runden so viel Vorsprung gehabt, das hätten sie sicher nicht so leicht hergeschenkt. Fakt ist, dass für mich Salzburg und Rapid die beiden Favoriten um den Titel sind. Sturm Graz hat sich gut verstärkt, mit der Austria ist auch zu rechnen. Aber die werden es spüren, dass sie ins Happel-Stadion umziehen. Von einem richtigen Heimvorteil kann man bei der Austria heuer nicht ausgehen.
Rapid hat die „Auswärtsspiele“ im Happel-Stadion gut über die Bühne gebracht. Die Violetten müssen auf den Heimvorteil verzichten?
Wenn du in einem so großen Stadion spielst und nie mehr als 10.000 Zuschauer hast, dann ist das kein großer Heimvorteil. Aber es kann für die Spieler auch befreiend wirken, es kann Vor- und Nachteil sein. Im Stadion wird keine Stimmung sein, vor der die Gegner Angst haben müssen, weil es immer sehr leer sein wird. Das Gegenteil wird heuer im Rapid-Stadion der Fall sein, im neuen Allianz-Stadion.
Vom neuen Rapid-Stadion verspricht sich der Verein einen finanziellen und sportlichen Aufschwung. Ist Rapid heuer damit stärker als in der Vorsaison? Was bringt der neue Trainer Mike Büskens?
Es gibt nicht nur einen neuen Trainer und neue Spieler, ein paar Leistungsträger haben auch den Verein verlassen. Da muss man abwarten, wie es sich entwickelt. Das Potenzial ist da, man hat gute neue Spieler geholt und viel Geld investiert. Man muss abwarten, wie das von Beginn an alles miteinander harmoniert. Ein Vorteil wird sicher das neue Stadion sein. Das wird einige Punkte bringen, davon bin ich überzeugt.
Wird das reichen, um Salzburg vom Thron zu stoßen? Wie stark sind die Bullen heuer?
Sie sind nicht mehr so unantastbar wie sie es einmal waren. Salzburg ist wieder Favorit, aber nicht mehr der haushohe Favorit. Es hat schon Saisonen gegeben, da war nur die Frage, ob sie mit zehn oder 15 Punkten Vorsprung Meister werden. So sehe ich das heuer nicht. Sie werden schon richtig gute Leistungen bringen müssen, damit sie den Titel verteidigen können.
Also erwartet uns wieder ein Zweierduell um den Titel? Welches Team kann abseits vom Meisterkampf besonders überraschen?
Ich traue Heimo Pfeifenberger mit Wolfsberg wieder einiges zu. Auch Sturm hat sich mit einigen guten Spielern verstärkt. Sie haben das Potenzial, unter die Top 3 zu kommen. Für die Admira wird es schwer, die Saison vom Vorjahr noch einmal zu wiederholen. Bei St. Pölten hoffe ich, dass sie fortsetzen können, dass die Aufsteiger immer eine Bereicherung für die Liga sind. Das wird heuer sicherlich spannend. Es wäre super für St. Pölten, wenn sie nach so langen Jahren Abstinenz mit einem wunderschönen kleinen Stadion gut in der Liga ankommen. Besonders Karl Daxbacher wünsche ich alles Gute. Schon in den letzten Jahren hat er immer wieder super Arbeit geleistet. Egal, bei welchem Verein er gerade ist.
Wenn St. Pölten die Tradition der erfolgreichen Aufsteiger fortsetzt, werden sie wohl nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Welche Teams müssen sich hingegen Sorgen machen?
Das ist schwer zu sagen. Das hängt immer sehr vom Start ab. Heuer kann man keine Mannschaften nennen und sagen: Bumm, für die wird es extrem schwer. In den letzten Jahren hat man immer auf Wr. Neustadt getippt, auf Grödig oder die Admira. Passiert ist es dann nie. Heuer ist es zum ersten Mal so, dass es keine Mannschaft gibt, wo man vom Kader her sagen könnte, es wird schwierig werden. Ich denke, dass es nicht nur um Meistertitel und Europa League spannend wird, sondern dass es auch hinten eng wird.
Für viele Experten ist ja Mattersburg heuer Abstiegskandidat Nummer 1.
Sie haben meinen Freund als Co-Trainer verpflichtet, Kurt Russ. Er war früher immer mein Zimmerkollege und ich wünsche ihm natürlich alles Gute und dass er mit Ivo (Ivica Vastic, Trainer von Mattersburg, Anm.) gut harmoniert und die Mattersburger besser spielen als im Frühjahr. Sie haben die Mannschaft zusammen gehalten, haben im vorigen Herbst fantastisch gespielt und das gilt es jetzt zu wiederholen. Für mich gibt es keinen Abstiegskandidaten Nummer 1, es ist viel möglich. In den letzten Jahren hat man immer zwei Verdächtige gehabt. Das ist diesmal nicht so augenscheinlich.
Welcher junge österreichische Spieler wird in dieser Saison auf sich aufmerksam machen? Und welche Legionäre haben das meiste Potenzial und werden einschlagen?
Die zwei Rapidler, Ivan Mocinic und Arnor Traustason. An beide sind die Erwartungen hoch. Zu wünschen wäre, dass bei der Admira wieder ein paar Junge herauskommen, die das Vertrauen von Oliver Lederer bekommen und Spielpraxis erhalten. Das würde der Liga gut tun, wenn wieder neue Spieler mit Potenzial für die Nationalmannschaft heranreifen. Einen richtigen Newcomer habe ich nicht im Auge. Vielleicht der Junge von der Austria, Dominik Prokop. Den habe ich aber noch nicht so oft gesehen, daher tue ich mir bei der Beurteilung noch etwas schwer. Aber es ist ein gutes Zeichen, wenn er schon jetzt in der Europa League Quali von Beginn an spielt.
Stichwort Europa League. Wie weit werden die österreichischen Vereine kommen? Und mittlerweile schon die Standardfrage vor jeder Saison: Schafft RB Salzburg endlich den Sprung in die Champions League?
Es wäre immer toll, wenn ein österreichischer Verein in der Champions League mitspielt. Perfekt wäre eine Mannschaft in der Champions League und zumindest zwei in der Gruppenphase der Europa League zu haben. Nach der EM wäre es wichtig, wieder die Euphorie zu wecken. Damit auch durch die Liga positiv über den österreichischen Fußball gesprochen wird. Denn die EM war schon ein Dämpfer.
Die Leistung des Nationalteams bei der EM hat die Fußball-Euphorie sicher etwas gebremst. Sind von der EM spezielle Auswirkungen auf die Bundesliga zu erwarten, was Spielweise oder Taktik betrifft?
Im Großen und Ganzen ist nicht wirklich etwas Neues passiert. Den einzigen Trend, den ich gesehen habe war, dass die Mannschaften mehr defensiv als offensiv gespielt haben. Das ist für die Entwicklung des Fußballs nicht schön. Die Attraktivität fällt weg, das Zuschauerinteresse wird weniger. Der Fußball lebt von den Übermannschaften wie Bayern München, Real Madrid und Barcelona, die wunderschönen Fußball spielen und auch von Typen wie Ronaldo und Ibrahimovic. Wenn das wieder mehr Richtung Defensive und Tor verteidigen geht, ist das für den Fußball nicht allzu berauschend.
Nicht allzu berauschend ist auch die Qualität vieler Bundesliga-Spiele. Das schlägt sich auch in den Zuschauerzahlen nieder, die in der abgelaufenen Saison um rund 55.000 Besucher zurückgegangen sind.
Dadurch, dass man heute schon jedes Match und jede Liga anschauen kann und mit der Champions League jede Woche die Top-Spieler im Fernsehen sieht, färbt das natürlich etwas auf die österreichische Bundesliga ab und man sagt, die Qualität ist nicht so hoch. Ich bin aber viel unterwegs und schaue mir viele Spiele an. Und wenn ich nicht gerade Spiele in der Premier League, der deutschen Bundesliga oder in Frankreich oder Spanien sehe, sondern in irgend einer anderen Liga, dann denk ich mir: So schlecht ist die österreichische Liga auch nicht, wie wir immer tun. Das Problem ist, dass man immer vergleichen kann mit den Top-Ligen und der Champions League. Und da kommen wir nicht hin. Das war immer so und wird immer so bleiben, das ist ganz normal. Die dänische Liga, die schwedische Liga, die tschechische oder auch die slowakische Liga, die sind alle um keinen Deut besser als die österreichische.
Die Bundesliga hofft durch die kommende Reform, dass die Qualität steigt.
Man macht ja Reformen, dass sich etwas zum Besseren ändert. Das kann man nur hoffen. Es ist schon schwierig, wenn Vereine in der zweiten Liga schon während der Saison finanziell keine Chance mehr haben, das schwächt den Fußball in Österreich. Wenn solche Fälle künftig mit der Reform verhindert werden und man das Niveau noch anheben kann, wäre das eine tolle Sache.
Danke für das Interview!
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