Robert Almer: ‚Der deutsche Einfluss kommt mir entgegen'

Robert Almer spricht im Interview mit 90minuten.at über den deutschen Einfluss bei der Austria, was sich in den vier Jahren in Favoriten verändert hat und welche er Gedanken bei einem Angebot von Manchester United hat. Das Gespräch führte Michael Fiala

 

90minuten.at: Sie haben vor Ihrem Wechsel zur Austria in drei Jahren nur knapp mehr als 30 Pflichtspiele bestritten, jetzt stehen Sie regelmäßig jede Woche bei der Wiener Austria im Tor. Was hat sich dadurch verändert?
Robert Almer: Am Spielfeld hat sich gar nicht so viel verändert. Vielleicht ist es die Sicherheit, speziell beim Spielaufbau ist einiges einfacher, dafür sorgt die Regelmäßigkeit. Man kann Abschläge im Training oft trainieren, das ist im Spiel auf dem Platz aber ganz anders. Das ist für mich der einzige Unterschied. Sonst finde ich nicht, dass es für mich viel Unterschied ausmacht.

 

Aber inwiefern konnten Sie einen Effekt in einem der anderen Bereiche wie Psyche oder Technik im Vergleich zu früher spüren?
Psychologisch wäre es natürlich gelogen, wenn ich sage, dass es in den Jahren davor einfach für mich war. Ich habe mich aber immer gut fokussieren und die Dinge auf den Punkt abrufen können. Einfacher ist es aber, wenn man regelmäßige Einsatzzeiten hat und gewisse Automatismen dann besser greifen mit den Mitspielern, weil man weiß, wo die sich hinbewegen.

 

Und wie sieht es direkt vor dem Match aus? Ist die Anspannung eine andere, wenn man als Einer-Goalie ins Spiel geht?
Es ist schwer zu sagen. Ich bin mittlerweile in einem Alter, wo man schon etwas gelassener ist. Als junger Spieler wäre es anders, wenn man gewisse Situationen in einer Karriere noch nicht so oft erlebt hat. Das ist schon eine besondere Charaktereigenschaft für einen guten Torhüter, dass man auf einmal da sein muss, wenn man gefragt ist. Speziell als Torhüter hat man wenige Chancen. Wenn man als Ersatztorhüter reinkommt, muss man dann eigentlich besser sein als der Stammtorhüter, um eine Chance weiterhin zu bekommen. Da muss man vom Kopf her sehr stark sein.

 

Wie sehr haben die Diskussionen über die Personalie Almer in den vergangenen Monaten und Jahren an Ihnen geknabbert? Oder haben die Sie gar beflügelt?
Belastet hat es mich nicht, aber klar geht es einem auf die Nerven, wenn ständig diese Fragen kommen ...

 

Aber haben Sie Verständnis für diese Fragen?
Das ist ja ganz normal, diese Fragen sind klar. Das war auch bei Janko oder Fuchs so, als sie eine Zeit lang nicht gespielt haben. Diese Stimmen werden bei Fuchs auch wieder kommen, da er bei Leicester nicht so regelmäßig zum Einsatz kommt. Aber im Endeffekt geht es um die Leistung auf dem Platz. Wenn die Leistung nicht so wäre, wären wir nicht mehr im Nationalteam. Und die Leistung haben wir immer gebracht.

 

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Vom Umfeld her hat sich bei der Austria gar nichts verändert. < /div>< /div>< /blockquote >

 

 

Was hat sich eigentlich seit dem Abgang bei der Austria im Jahr 2011 im Vergleich zu 2015 entwickelt?
Vom Umfeld her hat sich gar nichts verändert. Die Ost-Tribüne hat es damals schon gegeben, auch die Mitarbeiter hat es zum Großteil schon gegeben. Das Trainerteam ist jedoch komplett neu und hat jetzt diesen deutschen Einfluss, was mir entgegenkommt. Sonst sieht man, dass der Trainer und auch Franz Wohlfahrt einige Dinge verändern wollen, das geht aber nicht von heute auf morgen. Damit meine ich auch das ganze Drumherum, wie auch zum Beispiel den Videoanalysten, wo jeder Spieler auch fragen kann und ein Feedback bekommt. Das ist ein erster Schritt in Richtung internationale Professionalität. Da gibt es noch sehr viele Dinge zu tun, um auf das Level zu kommen, das wir aus Deutschland kennen.

 

Sie haben den „deutschen Einfluss" mit Thorsten Fink erwähnt. Ist das einer der Punkte, wo Österreich noch Aufholbedarf hat?
Aufholbedarf auf alle Fälle, aber die Lücke ist noch lange nicht geschlossen. Das ist natürlich auch eine budgetäre Frage. Die meisten deutschen Vereine sind uns da weit überlegen. Auch wenn es finanziell nicht möglich ist, hier gleichzuziehen, müssen wir versuchen, Dinge zu optimieren und zu verbessern, um uns möglichst an diesen Standard anzunähern.

 

Zuletzt haben Sie bei der Austria mit einer Augenklappe trainiert? Ist das so eine Weiterentwicklung und wie ist Ihr Fazit?
Ich kenne es schon von früher aus Deutschland. Dort haben wir das beim normalen Konditionstraining versucht. Jeder hat ein führendes Auge und das zweite, das Mitläuft. Man versucht, das nichtführende Auge zu trainieren und das periphere Sehen zu verbessern.

 

Ihr führendes Auge ist welches?
Das rechte Auge. Das ist leicht zu erkennen. Man versucht hier noch ein, zwei Prozente herauszuholen.

 

Im Nationalteam haben Sie zuletzt den Rekord für die Torsperre gebrochen, kurz danach aber das Tor von Ibrahimovic bekommen. Inwiefern ist das für Sie relevant? Haben Sie sich einfach geärgert, weil Sie ein Tor bekommen haben oder auch ein bisschen, dass Sie den Rekord nicht weiter ausbauen konnten?
Ich ärgere mich bei jedem Gegentor. Der Rekord ist ein schöner Nebeneffekt und eine schöne Auszeichnung für die gesamte Mannschaft. Ich habe mich mehr über das Tor geärgert, weil wir 4:0 vorne lagen und wir in der Defensive vielleicht das eine oder andere Prozent nachgelassen haben und schon klingelt es dann.

 


Eine Frage, die wir Marc Janko auch schon einmal gestellt haben: Sind Sie eigentlich Teamchef Koller dankbar, dass er auf Sie vertraut hat, obwohl Sie keine Spielpraxis hatten? Wie sehr beurteilen Sie dies im Nachhinein: Ohne Koller wäre Ihre Karriere wohl deutlich anders verlaufen, oder?
Das Nationalteam war ein Anker für mich. Man muss trotzdem die Leistung bringen. Wenn die Leistung nicht passt, kommt der nächste. Das haben alle, die im Verein schwierige Phasen gehabt haben, immer bewiesen – Janko, Fuchs und auch ich.

 

Die mannschaftliche Leistung zeichnet das Team aus. Inwiefern gibt es aber von Ihnen die Ansage: Ich bin die Nummer eins in Frankreich bei der Europameisterschaft?
Klar. Ich habe die Nummer eins die vergangenen vier Jahre auf meinem Rücken gehabt und die will ich auch im kommenden Jahre tragen. Wir sind aber wieder bei der Geschichte, dass man seine Leistung bringen muss. Koller hat zuletzt in einem Interview gemeint: Es wollen alle ins Nationalteam und dort spielen und keiner vom Stammpersonal darf nachlassen, speziell im Jahr 2016. Da geht es jetzt ans Eingemachte.

 

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 Es wird bei allen Spielern jetzt noch genauer hingeschaut, ob man einen Fehlpass spielt oder einen Ball nicht gut fängt. Motto: Ein Nationalspieler darf sich solche Fehler nicht erlauben. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Marcel Koller und die Teamspieler waren bemüht, den Ball bei der Frage zur fixen Qualifikation lange flach zu halten, um keine zu frühe Euphorie aufkommen zu lassen. War die Qualifikation zur Europameisterschaft für Sie innerlich auch erst mit dem Sieg gegen Schweden greifbar?
Wir haben natürlich gewusst, dass die Ausgangsposition sehr gut ist. Ich habe aber immer gesagt, dass jedes Spiel auch anders ausgehen kann – auswärts in Russland oder gegen Moldawien. So eine klare Geschichte war es noch nicht. Mit dem Sieg und der Art und Weise wie wir gegen Schweden gewonnen haben, ist es umso schöner. Die wirkliche Freude ist erst nach dem Schweden-Match gekommen.

 

Wie schwer fällte es Ihnen, die Konzentration im Nationalteam zu halten, wenn so eine große Last von den Schulter gefallen ist?
Ich glaube, das kann uns sogar noch beflügeln, weil wir frei aufspielen können. Es wird jetzt noch einmal Kräfte freisetzen. Ich hoffe, dass wir die Leistung, die wir gegen Schweden gezeigt haben, auch gegen Montenegro abrufen können.

 

Österreich ist in der aktuellen Weltrangliste sogar auf Platz 11 und schielt auf die Top 10. Was darf man von einem Team, das so gut platziert ist, bei der Europameisterschaft erwarten. Rein rechnerisch müsste das Achtelfinale ja drinnen sein?
Es wird bei allen Spielern jetzt noch genauer hingeschaut, ob man einen Fehlpass spielt oder einen Ball nicht gut fängt. Motto: Ein Nationalspieler darf sich solche Fehler nicht erlauben. Die Öffentlichkeit erwartet jetzt mehr Leistung von Nationalspielern als früher. Früher waren wir ein Team, das sich nie für Großereignisse qualifiziert hat. Jetzt wird es erwartet, dass wir diese Leistungen bringen. Wenn man früher schlechte Leistungen gebracht hat, war alles schlecht. Und wenn es gut war, sind wir nach oben gehoben worden. Jetzt wird gefordert, dass alle Partien gut gespielt werden.

 

Aber zurück zu meiner Frage: Rein rechnerisch müsste anhand der Platzierung in der Rangliste das Achtelfinale bei der Euro als fix anzusehen sein?
Das ist interessant, dass immer gerechnet wird. Celtic Glasgow hatte gegen Barcelona nur 20% Ballbesitz und das Spiel gewonnen. Ich bin froh, dass im Fußball nicht alles berechnet werden kann.

 


Im Dezember werden die Gruppen für die Euro ausgelost. Haben Sie vielleicht einen Wunschgegner, gegen den Sie besonders gerne spielen würden?
Ich bin da ganz offen, es ist so oder so ein Erlebnis. Es ist mir völlig egal.

 

Zuletzt ist das Thema Doping im Fußball wieder etwas aufgekommen? Wissenschaftler sind der Meinung, dass Doping im Fußball mehr helfen kann als es bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde? Sind Sie jemals irgendwie auf dieses Thema angesprochen worden oder in Kontakt gekommen?
Nein, eigentlich nicht. Auf der Torhüterposition würde vielleicht ein wenig mehr Sprungkraft helfen, der Rest ist eine Technik-Sache. Bei den Spielern sieht es vielleicht ein bisschen anders aus. Ich hatte aber nie Kontakt oder bin in Versuchung gekommen. Das ist auch eine Sache, die mich überhaupt nicht interessiert. Leider gibt es aber viele schwarze Schafe und es ist mittlerweile ein Wirtschaftszweig. Es ist schwierig hier anzukämpfen, denn man ist immer drei Schritte zurück.

 

Wenn Sie im August 2016 auf die Euro 2016 zurückblicken. Was würden Sie gerne über das Turnier sagen können?
Das ist noch so weit weg. Ich hoffe, dass wir erfolgreich sein können. Das ist noch Zukunftsmusik. Lassen wir uns überraschen.

 

Aber was wäre „erfolgreich sein" in Ihrem Sinn?
Wir wissen noch nicht, welche Mannschaften bei uns in der Gruppe sind. Wenn wir drei starke Gegner bekommen, kann es auch ein Ausscheiden in der Gruppenphase geben. Jetzt warten wir einmal die Auslosung ab und lassen uns überraschen. Wir sollten es auch ein bisschen genießen, dass wir uns für so ein Turnier qualifiziert haben.

 

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 Wenn sich jetzt ein Topklub wie Manchester United meldet, werde ich nicht sagen, in Österreich ist es so schön und ich bleibe in Österreich.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Sehen Sie die Euro aber auch noch einmal als Sprungbrett für Ihre Karriere oder ist das mit der Rückkehr nach Österreich kein Thema mehr?
Ausschließen kann man gar nichts. Die Euro ist für alle Spieler eine Plattform und eine Möglichkeit für einen Karriereschritt. Die Leistungen müssen passen, da wiederhole ich mich.

 

Und für Sie persönlich?
Klar, wenn sich jetzt ein Topklub wie Manchester United meldet, werde ich nicht sagen, in Österreich ist es so schön und ich bleibe in Österreich. Solche Möglichkeiten darf man nie ausschlagen. Aber ich habe Vertrag bei der Austria bis 2017 mit Option, die Familie fühlt sich auch sehr wohl. Es müsste schon alles sehr gut passen, damit ich diesen Schritt noch einmal mache.
Danke für das Interview!

 

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