Philipp Zulechner: ‚Deutschland ist taktisch intensiver'
Von Deutschland wieder zurück nach Österreich: Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeugnis für einen Fußballer. Im Interview mit 90minuten.at erklärt Philipp Zulechner, warum es in Deutschland nicht geklappt hat, warum seine Krankengeschichte übertrieben wu
Im April wird Philipp Zulechner 25 Jahre alt. Für dieses noch immer junge Alter hat er am Papier schon vieles von dem erlebt, was ein großes Fernsehdrama braucht. Zwischen 1998 und 2005 war Zulechner bei seinem Traumverein Austria Wien. Dann kämpfte sich der Youngster zunächst über die Admira zur Red Bull-Akademie, und dann zwischen Grödig und Horn in die österreichische Bundesliga. Im Herbst 2013 folgte die sportliche Explosion: Die große deutsche Bundesliga klopfte an, der Traum ist wahr geworden. Ausgebildet in Österreich, transferiert um gutes Geld in eine große Liga – Zulechners Karriere ist nicht nur der Fußballertraum, sondern auch jener der Bundesligaspitze.
Bis hierhin verlief es für Zulechner genial. Doch dann hat es nicht sollen sein. Im Gespräch mit 90minuten.at erklärt der Stürmer das erfolglose Jahr in Deutschland. Philipp Zulechner redet nicht sonderlich viel, aber er bringt die Dinge auf den Punkt. Etwa, dass Freiburgs Defensivtaktik für ihn, den ehemaligen Grödiger Überfallsstürmer, nicht das Richtige war. Und er verrät auch, dass Medien in Deutschland mehr aus dem Fußball machen als in Österreich.
90minuten.at: Was nehmen Sie mit aus dem Jahr in Deutschland?
Philipp Zulechner: Man lernt taktisch und von der Robustheit her einiges. Es ist schneller und härter, taktisch intensiver. Vom Fußballerischen her ist der Unterschied nicht so groß. Es sind dann eher einzelne Spieler, die den Unterschied ausmachen können.
Was waren denn Ihre größten Probleme in Freiburg?
In Grödig haben wir sehr offensiv gespielt, in Freiburg eher defensiv. Wir haben in Grödig totales Pressing gespielt, haben den Ball am 16er erobert und ich bin schnell zum Abschluss gekommen. Bei Freiburg habe ich an der Mittelauflage den Ball bekommen, dann sind es noch 40 Meter bis zum Tor. Aber meine Stärken liegen weite vorne.
Kommen wir noch einmal zu Ihrer Aussage über die „intensivere Taktik" in Deutschland zurück. Immerhin war Adi Hütter gut genug für einen Job bei Red Bull und eine souveräne Europa League-Gruppenphase. Können Sie das konkretisieren?
Es wird mehr darauf eingegangen. In der Videoanalyse oder im Training. Da wird oft unterbrochen. In Grödig haben wir von Anfang an gesagt, dass wir alle überraschen wollen. Das ist uns mit unserem Stil gelungen, wir waren so aufeinander abgestimmt, dass wir taktisch nicht mehr so viel machen mussten. Unsere Abläufe waren so eingespielt, dass es keinen Unterschied gemacht, ob da einer aus der ersten Elf gespielt hat oder von der Ersatzbank.
In Österreich wird das oft bemängelt, dass man sich auf eine Taktik, ein System festlegt. Wie war das in Freiburg?
Wir haben in der Vorbereitung viele Systeme ausprobiert, aber konkret auf ein System hin trainiert. Das wurde immer wieder leicht verändert, von Spiel zu Spiel, von Gegner zu Gegner. Daran haben wir die Woche gearbeitet. Im Großen und Ganzen blieb es gleich.
Manchmal hat man in Österreich das Gefühl, dass die Mannschaften im April gegen denselben Gegner genau gleich spielen wie ein halbes Jahr davor. Können Sie das nachvollziehen?
Ich habe in der Bundesliga nur ein halbes Jahr gespielt. Das kann ich nicht wirklich beurteilen.
Kommen wir zu Ihnen. Ihre Karriere war nicht linear. Hat Ihnen das im letzten Jahr geholfen?
Es kommen ja die meisten Fußballer in ein Tief oder durchleben eine Zeit, in der es nicht so rund läuft. Desto besser man damit umgehen kann, desto einfacher ist es. Egal, ob ich in Deutschland oder der Regionalliga spiele. Mir hilft das auch ein bisschen.
Mit wie viel Wehmut sehen Sie die deutsche Bundesliga an und sind selbst wieder „nur" in Österreich?
Ich habe versucht, meine Chance zu nützen. Wenn ich meine Einsatzzeit bekommen habe, habe ich das gemacht – umsonst mochten mich die Fans ja auch nicht. Woran es gelegen hat, weiß ich nicht. Es hat nicht sollen sein. Jetzt bin ich zurück in Österreich, ich will mich wieder wohl fühlen und spielen. Da ist es mir egal, ob ich in Österreich, Deutschland oder Litauen bin. Obwohl es andere Angebote gab, z.B. aus der zweiten deutschen Liga.
Grödig – Freiburg – Wien klingt irgendwie schon auch nach Aufstieg – zumindest, was die Größe der Stadt betrifft. Aber Heimkehrer werden immer ein bisschen als gescheitert angesehen ...
Hier ist teilweise schon ein höheres Niveau, aber in Deutschland wird das alles mehr gepusht von den Medien. Es wird mehr Werbung gemacht, sechs Stunden vor dem Spiel sind schon viele im Stadion. Das ist schon ein Unterschied. Fast jedes Spiel in Freiburg, egal gegen wen, war ausverkauft. Die Stimmung war fast immer gut, egal wie es gestanden hat – die Deutschen sind einfach fußballverrückt.
Warum geht das hier nicht?
In Deutschland machen die Medien mehr. Da wird viel mehr interpretiert. Da wird schnell aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Sie machen alles, was im Fußball passiert, groß.
Wie Ihre Krankheitsgeschichte. Da haben Sie den Kollegen von Laola1 erzählt, dass Sie nur kurz außer Gefecht waren.
Es wurde dramatisiert, war nicht so schlimm, wie es dargestellt wurde. Aber jeder in Freiburg fragte sich, was der Zulechner hat!
Wie auch immer, Sie haben jetzt ein Jahr lang nur sehr unregelmäßig gespielt. Welche Erwartungen haben Sie nun an sich selbst? Was ist überhaupt möglich?
Ich möchte ganz einfach so viele Spiele wie möglich machen. Wenn ich laufe und kämpfe, dann kommen auch die Tore von alleine. Ich mache mir nicht den Druck, jetzt zehn Tore zu machen. Also es gibt ein Ziel, aber das behalte ich für mich und schaue dann selbst, ob ich mir mehr oder weniger hätte zutrauen sollen. Und dann muss ich das analysieren.
Sie folgen quasi Omer Damari nach, ersetzen einen wichtigen Mann. Sie sind ein anderer Stürmertyp. Erzählen Sie!
Ich will uns beide jetzt auch nicht unbedingt vergleichen. Er ist technisch versierter, ich gehe schnurgerade runter und ziehe ab. Ich sehe meine Stärken auch eher im 16er und im schnellen Abschluss, als im Ballhalten und -verteilen.
Wenn wir uns jetzt das nächste halbe Jahr ansehen: Derzeit ist die Austria nicht dort, wo sie hin will. Was ist möglich?
Es gibt in Österreich drei große Vereine, das ist bekannt. Wir wollen so weit wie möglich vorne sein. Red Bull Salzburg abzufangen wird kaum machbar sein, aber der zweite Platz ist möglich.
Nun ist es aber so, dass die Fans der Veilchen nicht unbedingt nur drei Punkte wollen, das „Wie" muss auch stimmen. Müssen sich die Fans drauf einstellen müssen, dass ihr auch ranzige Siege feiern werdet?
Es ist ja immer schwierig, wenn sich eine Mannschaft hinten rein stellt. Man muss geduldig sein. Und wenn wir ein Spiel in der 89. Minute durch ein Glückstor gewinnen sollten und es war nicht schön, dann war es halt so. Wir haben dann aber die drei Punkte und sind unserem Ziel einen Schritt näher gekommen. Unser Anspruch ist natürlich schon ein schöner Fußball, aber das ist eben auch nicht immer so leicht, wie man es von außen gesehen vielleicht vermuten möchte.
Wird neben dem normalen Training auch die Methode Brechstange trainiert?
Was soll man da großartig trainieren? Das ist im Endeffekt mehr Glück als können. Da stehen dann ein paar große vorne drinnen und man schlägt die Bälle hoch vor, damit irgendjemand der Ball vor die Füße fällt. Man trainiert aber schon, auf engem Raum zu spielen und so den Abschluss zu finden.
Wir danken für das Gespräch!