Peter Zeidler: ‚Da ging eine kleine Fußballwelt in die Brüche'

Nach einem total verhauten Saisonstart kommt Red Bull Salzburg langsam in die Gänge. Im Interview mit 90minuten.at spricht Bullen-Trainer Peter Zeidler über Kinderfußball, ob das Flügelspiel vernachlässigt wird und warum es gut ist, wenn Bullen-Spieler be

 

90minuten.at: Wenn man das Fußballjahr wie ein Schuljahr sieht, könnte man sagen: Die ersten zwei Schularbeiten wurden verhaut, seitdem wird's zwar besser, aber nach wie vor gibt's kaum eine volle Schulstunde gute Leistungen. Eigentlich wäre der Schüler akut gefährdet. Welche Note würde der Lehrer Peter Zeidler der bisherigen Arbeit von Zeidler geben?
Peter Zeidler: Natürlich tue ich mir mit der verpassten Europacupqualifikation schwer. Ich kenne viele Schüler, die einmal ein Jahr verhauen haben und im nächsten Jahr umso stärker waren. Wir wollen uns für Europa qualifizieren und international eine Rolle spielen. Und im Laufe eines Schuljahres hat man doch auch die Zeit, gute Leistungen abzuliefern. Da gibt es noch Schularbeiten, die wir gut machen können. Mattersburg und Rapid zählen jetzt doppelt. Wenn ich jetzt Lehrer wäre und mein Schüler zeigt mir – wenn auch oft nur in kurzen Episoden – fünf, zehn, dreißig Minuten lang, dass er gut ist, dann habe ich weiterhin Vertrauen und fordere ihn, damit die Leistung einmal konstant wird.

 

Wenn sie die vergangenen Wochen reflektieren: Warum hat es nicht geklappt?
Wenn man sich unsere bisherigen drei Monate ansieht, seit ich bei der ersten Mannschaft bin, war es so, dass sehr viele große Spieler der letzten Jahre den Klub verlassen haben. Wir wollten mit den vielen Neuen wieder eine gute Mannschaft aufbauen. Aber dann waren Spieler wie Schwegler, Soriano, Hinteregger, Damari, Yabo, Lazaro, Nielsen, Djuricin oder Leitgeb in den entscheidenden Spielen in Malmö oder in Minsk nicht einsatzfähig. Deshalb mussten in dieser Situation sehr viele ganz junge Spieler ran. Aber in Malmö oder zwei Mal gegen Minsk hat das noch nicht ganz geklappt.

 

Welche Fehler wurden gemacht? War der Umbruch zu schnell?
Wir haben unsere Träume – den großen von der Champions League und jenen von Europa – nicht erfüllen können. Das wäre aber mit 17 – 19-Jährigen und mit zehn Abgängen immer noch machbar gewesen. Und die Europa League sowie so. Gut, in Minsk sind fünf Mittelstürmer ausgefallen, das verfolgt uns. Des Weiteren verfolgen uns die Konzentrationsmängel in der Basisarbeit. Da machen wir immer wieder Fehler, individuelle wie mannschaftstaktische. Die müssen wir schnell abstellen.

 

Adi Hütter hat Ende der vergangenen Saison mit dem Argument, dass er nicht ständig neu entwickeln will, hingeschmissen. Immerhin hat man für Red Bull Salzburg-Verhältnisse sehr spät am Transfermarkt noch einmal reagiert und mit Pehlivan einen sehr erfahrenen Spieler geholt. Ein Eingeständnis?
Es kam im zentralen Mittelfeld schon auch knüppeldick. Da wussten wir, dass Leitgeb körperlich nicht stabil ist, sein Knie hat sich in den letzten Monaten immer wieder gemeldet. Wir waren verhalten optimistisch, ob das mit drei Spielen pro Woche geht. Jetzt wurde er diese Woche operiert. Dann haben wir mit Yabo ja einen entwicklungsfähigen, aber gestandenen Spieler der zweiten deutschen Liga geholt. Tatsache ist, dass er als wichtiger Spieler noch kein einziges Pflichtspiel für uns bestritten hat und auch operiert wurde. Dann muss Laimer seine Basis noch stabiler machen, obwohl er letztes Jahr schon toll gespielt hat. Dann gab es hier im Mittelfeld ein Vakuum und die Möglichkeit, mit Pehlivan einen ablösefreien, erfahrenen Nationalspieler zu holen. Da mussten wir also quasi reagieren und ihn holen. Aber jetzt ist er auch verletzt, nachdem er in den letzten Jahren noch nicht so intensiv trainiert hat und drei Monate gar nicht richtig trainiert hat.

 

Wann werden Sie den Fußball sehen, wie Sie ihn wollen?
Je früher desto besser. Wir gewinnen unsere Spiele jetzt einmal mit nicht überzeugenden Leistungen. Wir sind aber noch nicht in Topform und sollten eben trotzdem Mattersburg und Rapid möglichst erfolgreich gestalten. Der Weg geht nach oben. Die Frage stellt sich wie bei einer mathematischen Kurvendiskussion: Wie schnell und wie hoch ist die Steigung? Wenn wir als Mannschaft besser werden, zusammen wachsen, Verletzte wieder zurückkommen, geht es schneller. Ich weiß, dass die Entwicklung stattfindet, das traue ich mir und meinem Trainerteam zu. Zu sagen, dass wir z.B. am 31, Oktober in Altach in Topform sind, wäre falsch. Ich dachte auch, dass wir schon weiter sind. Rückschläge sind zwar logisch und wir brauchen auch nicht klagen.

 


Manche Spieler zeigen auf, Takumi Minamino hat sich toll entwickelt, Benno Schmitz wächst und gedeiht. Wir haben vorher den Umbruch angesprochen. Haben Sie nicht Angst, dass die, die jetzt aufzeigen, im Sommer wieder weg sind?
(überlegt) Das glaube ich nicht. Zunächst freuen wir uns über die Entwicklung, eben wie bei Minamino, Schmitz oder auch Caleta-Car und Keita. Aber man denkt als Trainer in dieser Situation nicht daran, dass die mittelfristig wieder weg sind. Es ist gut, wenn sie begehrt sind.

 

Konkret: Rechnen Sie damit, mit diesem Kader nun, sagen wir, zwei Jahre arbeiten können? Außer es legt jemand für die genannten zwölf Millionen Euro auf den Tisch.
Klar wollen wir das. Und sicher gibt's Begehrlichkeiten anderer Vereine. Aber darauf hoffen wir auch. Wir haben intern besprochen, dass wir diese Mannschaft entwickeln und am Ende oben stehen und mit dem Team, das im Sommer nicht verändert wird, in den europäischen Qualifikationsspielen unseren Mann stehen können. Für die Champions League müssen wir Meister werden. Das kann man bei unserem momentanen Entwicklungsstand und der Stärke Rapids nicht garantieren. Aber wir müssen über Platz zwei oder drei nach Europa kommen. Wir haben ja jetzt noch Zeit bis zur Winterpause, um uns zu verbessern. Aber es ist ein gutes Zeichen, wenn unsere Spieler beobachtet werden, das heißt, dass wir erfolgreich sind.

 

Sie wären auch mit einem zweiten Platz zufrieden?
Nein, Red Bull Salzburg hat den Anspruch, ganz vorne zu sein. Aber es wird schwer werden. Da müssen wir nach außen zurückhaltend sein, aber intern brauchen wir nicht drum rum reden. Eine Sache ist mir ganz wichtig: Wir müssen alle Gegner respektieren und Entwicklungen bei anderen Mannschaften sehen. Siehe Rapid gegen Ajax oder Donezk. Die anderen können auch etwas, gerade wenn man sich ansieht, wer im dritten und im vierten Viertel der letzten Meisterschaft die beste Mannschaft war.

 

Kommen wir zur Taktik: Wäre ich ein gegnerischer Trainer, würde ich es machen wie zum Beispiel Basel, der WAC, Malmö oder Dinamo: Einfach hinten rein stellen und kontern. Ist Red Bull Salzburg so einfach zu knacken?
Zwei Dinge hierzu: Wenn wir offensiv verteidigen, geht es darum, nichts zu zulassen. Je weiter man vom eigenen Tor weg ist, desto perfekter muss man es machen. Das haben wir zu oft nur mit 90 Prozent gemacht. Wir wissen, wie wir spielen wollen, es ist aber derzeit nicht perfekt. Außerdem müssen wir uns weiter entwickeln, die Gegner haben sich gut auf uns eingestellt. Das hat man auch gegen die Profitruppe von Horn gesehen. Die waren gut eingestellt, haben direkt mit langen Bällen gespielt. Da müssen wir gegen Gegner, die total massiert stehen, auch schauen, wie wir zu Torchancen kommen. Wir sind schon bereit, uns zu hinterfragen und zu entwickeln.

 


Es gibt Stimmen, die das Flügelspiel vernachlässigt sehen...
Da gibt es durchaus Entwicklungsmöglichkeiten. Aber Sky hat am Sonntag bei Talk und Tore schon auch festgestellt, dass wir es auch über die Seiten probieren. Das muss man nun definieren. Wir meinen mit Seiten ja nicht, wie früher, dass man einen weißen Schuh von den Linien hat. Wir meinen mit Seiten die Höhe beim Strafraumeck. Nicht immer nur total zentral spielen, sondern 20, 25 Meter über diese Halbspur reinkommen. Das machen viele gute Mannschaften und wir wollen flexibel sein beim Torchancen kreieren.

 

Aber kommt man sich nicht etwas doof vor, wenn einen eine Drittligetruppe, Profis hin oder her, so beschäftigt? Ist man nicht berechenbar?
Das Spiel gegen Horn ist schnell analysiert und es geht mehr darum, wie wir uns verhalten, wenn der Gegner den Ball hat. Wir haben es in zwei Szenen nicht geschafft, uns taktisch richtig zu verhalten. Da geht es primär ums Defensivverhalten. Unser Spiel beginnt immer beim Defensivverhalten. Das muss immer klappen, da fehlt wohl bislang die Konzentration in manchen Situationen. Insofern waren das 0:1 und das 2:2 Musterbeispiele dafür.

 

Dazu kamen die "Kinderfußball"-Anmerkungen von Kapitän Soriano und Abwehrchef Hinteregger. Sie haben sich letztens auf Sky dafür erklärt. Aber wir wollen da noch einmal nachhaken: Soriano und Hinteregger sind keine „jungen", die nicht wissen, was sie tun, wenn sie so etwas posten?
Ich habe es schon am Sonntag gesagt, dass man die Enttäuschung nach dem abermaligen Verpassen schon auch verstehen muss. Auch weil es sehr realistisch war, vor allem nach dem Hinspiel gegen Malmö. Wenn man sich das Wie ansieht, ging da schon eine kleine Fußballwelt in die Brüche. Heutzutage muss man halt mit Social Media leben, das muss ich nicht verstehen, kann die Enttäuschung aber nachvollziehen. Diese Dinge muss man ansprechen und wir müssen das auch intern klären, dass so etwas überhaupt nicht geht, ohne auf Details einzugehen. Für mich ist das erledigt. Jonny hat ja auch die spielenden Kinder gepostet, er hat es dann raus genommen und bereut. Das ist auch kein spezifisches Red Bull Salzburg-Thema, dass sich viele der Tragweite von Social Media nicht bewusst sind. Das kann bei anderen Mannschaften ja auch ein Thema sein. Wir müssen sie einfach dazu erziehen, damit verantwortungsvoll umzugehen.

 

Bei Soriano hatte man den Eindruck, er würde sich vielleicht Richtung Wechsel bewegen, die Kinderfußballanmerkung wäre da die Ouvertüre gewesen.
Sie verwenden da selber ja mehrere Konjunktive. Aber wir kommen wieder zur Enttäuschung bei den Spielern, die wir erwähnt haben. Sie waren die Protagonisten der letzten zwei Jahre. Nicht des ersten Jahres unter Schmidt, da gab es ja auch Düdelingen und Pasching. Aber die Protagonisten, Soriano, Hinteregger, für die war es schon schlimm, den großen Umbruch hier mitzumachen und dann nicht international mit dabei zu sein. Da ist es nicht einfach, die Rolle neu zu akzeptieren, bescheidener und weiter unten anzufangen. Deshalb kamen solche Reaktionen zustande.

 

Bei allem, was Red Bull Salzburg Ihnen anbietet, ist wohl nun eher der Pädagoge, weniger der Fußballtrainer gefordert, um die Ziele zu erreichen, oder?
Jeder Trainer sollte Pädagoge sein – das bin ich. Weil es derzeit nicht perfekt klappt, gibt es eben Gegentore aus Standards, wie in Wolfsberg. Diese Szenen gilt es abzustellen. Wir müssen es eben annehmen, dass wir gerade nicht alle dominieren. Man muss mit Bescheidenheit kleine Schritte setzen.

Wir danken für das Gespräch!