Muhammet Akagündüz: ‚Dann hat er beim SK Rapid nichts zu suchen'
Aktuell ist Muhammet Akagündüz Akademietrainer beim SK Rapid. Vor ein paar Jahren war der zehnfache Nationalteamspieler einer der ersten „Secondos", die das Teamdress trugen. Im Interview spricht er über die No-Gos bei seinen Burschen und dass jungen Mens
90minuten.at: Können Sie sich an rassistische Äußerungen gegen Ihre Person erinnern? Sie haben sich ja nicht ausgesucht, in Bingöl geboren worden zu sein.
Muhammet Akagündüz: Nein, ich kann mich an keine Vorfälle erinnern. Aber danach, beziehungsweise in letzter Zeit, merkt man privat schon, dass die Tendenz größer wird.
Hat das konkret mit dem Fußball zu tun?
Gar nicht. Im Privatleben kommt es aber das eine oder andere Mal vor.
Liegt es daran, dass man im Fußball schnell gemerkt hat, dass es egal ist, wo ein guter Kicker herkommt?
(denkt kurz nach) Unter den Spielern kenne ich keine Fälle und das kann es in meinen Augen nicht geben. Wenn es vorkommen sollte, gibt es Konsequenzen. Ich kann mich schon an einen Fall erinnern, da ging es um die Rasse. Er hörte die leider typischen Laute, die bei farbigen Spielern vorkommen.
Hört man es am Feld eventuell einfach auch nicht?
Da gibt es schon den einen oder anderen Ruf. Das sind aber Einzelfälle, die man überhört. Es ist kein Massenphänomen.
Gerade bei Rapid gibt es eine große Masse an Fans. Je mehr Menschen auf einem Haufen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine gewisse Anzahl an Leuten dabei ist, die – sagen wir – bei diesem Thema unsensibel sind. Haben die organisierten Fans verstanden, dass man nicht zu tausend einen Gegner wegen der Herkunft beleidigen kann?
Es kann sein, dass die Fans das untereinander regeln. Aber ich habe nicht so viel Kontakt zur Fanszene. Ich glaube aber schon, dass die Masse drauf schaut, dass man damit nichts zu tun hat. Aber vermeiden wird man Einzelfälle nie können.
Und im Nachwuchs? Gerade in Wien leben viele Menschen, die nicht hier oder deren Eltern nicht hier geboren wurden. Ist es da ein Thema?
Es gibt schon Konfliktpunkte, wenn Mannschaften mit großem Ausländeranteil auf solche treffen, in der mehrheitlich Österreicher spielen.
Als AKA U15-Coach ist man auch noch sehr stark Pädagoge. Sprechen Sie das auch an, dass man sich nicht provozieren lassen soll?
Ich kann mich da an keinen Fall erinnern, dass das einer gemacht hat. Manche Zuschauer sind da dabei, aber direkt gibt es das nicht. Die Burschen wachsen gemeinsam auf. Die sind jetzt seit drei, vier Jahren zusammen, für die ist das selbstverständlich, alle Mitspieler sind gleich. Ein Spieler würde nicht auf die Idee kommen, dass einer anders ist oder von woanders kommt. Im Kinder- und Jugendfußball – oder überhaupt im gesamten Kinder- und Jugendbereich, spielt das keine Rolle. Das ist ein Problem der Erwachsenenwelt.
Aber warum funktioniert es im Fußball? Gerade im Fußball ist auch viel Druck dabei.
Es geht um jede Veranstaltung, bei der viele Menschen zusammen kommen. Das kann auch ein soziales Projekt sein. Die Menschen kommen zusammen, sich näher, es werden Barrieren abgebaut. Da gibt's keine Konflikte. Weil es einfach ist, aus der Ferne Vorurteile zu haben, jemanden zu beurteilen. Einfacher, als wenn ich ihn kenne.
Wie würden Sie drauf reagieren, wenn einer Ihrer Jungs im Spiel einen anderen aufgrund seiner Herkunft beleidigt? Und sei es, um „nur" eine Rote zu provozieren.
Das ist für mich ein heikles Thema. Es kann in der Hitze des Gefechts schon einmal ein Wort fallen, aber rassistische Sätze sind tabu. Das ist ein No-Go. Wenn das öfter vorkommt, dann hat er beim SK Rapid nichts mehr zu suchen.
Das ist ja auch eine Charaktersache. Und der Charakter muss bei einem Spitzenklub ohnehin passen?
Ja, weil es bei uns nicht nur um die Ausbildung eines Spielers im fußballerischen Bereich geht. Es geht auch um die Persönlichkeit. Das muss reifen, damit die Burschen auch ihre soziale Verantwortung übernehmen können. Natürlich müssen auch die schulischen Leistungen passen. Wir Fußballer haben ja leider ohnehin ein schlechtes Image, aber wir wollen da ja weg. Wir wollen Menschen heranziehen, die nicht nur gute Fußballer sind. Es hat sich einiges verändert. Natürlich gibt es noch den einen oder anderen, aber es achten schon die Eltern vermehrt darauf, dass die Kinder nicht nur kicken können.
In der Schule ist stets zu wenig Geld, um Sozialkompetenzen zu lehren und lernen, es wird viel auf den Nachmittag abgewälzt. Warum funktioniert es dann hier im Verein mit dem guten Miteinander, aber nicht draußen in der „echten Welt"?
Ich will das gar nicht so sagen, dass es „da draußen" nicht funktioniert. Problemthemen sind Problemthemen der Erwachsenen. Ein Kind macht sich keine Gedanken über Rassismus. Unlängst habe ich mir etwas im Fernsehen angeschaut, ich weiß nicht mehr, ob es „Wiener Geschichten" oder „Am Schauplatz" war, da haben sie einen Buben interviewt; der hat Sachen über Ausländer gesagt, die einfach nicht seine Meinung sein können. Das kann er nur von zu Hause haben, was ihm die Eltern erzählt haben. Das kann nicht die Meinung eines zehn- oder zwölfjährigen Kindes sein. Es wird eher von zu Hause mitgegeben. Aber wir versuchen natürlich, wenn es Probleme gibt, beim Lösen zu helfen.
Egal ob Boskovic, Petsos, Junuzovic oder Alaba. Die Österreicherinnen und Österreicher strömen zu Tausenden in die Fußballstadien, jubeln Einwandererbuben oder Legionären zu. Und dann haben wir eine Stimmung im Land, wo nicht 50.000 Menschen auf die Straße gehen, wenn Asylwerbende in Zelten schlafen müssen.
Die Leute haben halt Angst. Da muss man schon auch ein gewisses Verständnis für diese Leute aufbringen. So lange es im Rahmen bleibt. Denn sie haben Angst um ihr Land, um ihre Stellung in der Gesellschaft, den Lebensstil. Ich meine, wir reden da von zehntausenden Flüchtlingen in Europa dieses Jahr, die Türkei hat seit Beginn des Krieges in Syrien rund zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Da hört man wenig.
Wann kommt denn dieser Punkt, an dem sich aus dem Jugendlichen ein Erwachsener bildet und auch die Trainer merken, dass es nicht hinhaut?
(zuckt mit den Achseln) Das ist eine gute Frage. Bei großen Vereinen wird da sicher gute Arbeit geleistet. Ich will nicht sagen, dass kleinere Vereine schlecht arbeiten, aber die Spieler, die wir mittlerweile hier raus bringen, in dieser Hinsicht keine Probleme haben. Freilich mit Ausnahmen.
Liegt das am im Verhältnis sehr großen Trainerteam?
Bei uns muss einfach alles passen, vom Fußballerischen bis zum Persönlichen. Da glaube ich, dass es keine Probleme gibt. Ein Verein aus zum Beispiel einem kleinen Ort, der jeden Spieler nehmen muss, um überhaupt eine Mannschaft zusammen zu bekommen, der schaut nicht unbedingt, wie sich die Burschen in der Freizeit verhalten, welche Ansichten sie haben. Das kommt vielleicht im Verein nicht so raus.
Cheftrainer Zoran Barisic sagte uns neulich, dass es erst seit zwei Jahren eine „klare, an den Verein angepasste Spielphilosophie" gibt, von der U13 bis zur ersten Mannschaft. Was macht er anders?
Wenn Rapid sich finanziell besser aufstellen will, dann braucht es ja den eigenen Nachwuchs, den man aufbaut und teuer verkauft. Der Zoki kommt einfach aus dem Nachwuchs. Wer einmal im Nachwuchs gearbeitet hat, hat ganz andere Augen auf den Nachwuchs als einer, der als Trainer gleich bei den Profis angefangen hat. Er weiß, worum es geht, damit gute Spieler nicht auf der Strecke bleiben. Dadurch können wir jetzt besser auf den Nachwuchs schauen.
In Holland ist es Usus, auch als der größte Starspieler einmal als Kinder- bzw. Jugendtrainer anzufangen...
Meiner Meinung nach muss jeder, der einmal Trainer sein will, im Nachwuchs anfangen. Da kann er sich entwickeln, da kann er erkennen, was es heißt, Spieler zu entwickeln. Es ist ganz was anderes, Profis zu trainieren. Das sind fertige Spieler, da weiß man, was man hat.
Wie nah sind Sie in der U15 an den Idealvorstellungen, die die Spielphilosophie vorgibt, dran?
Da gibt es Vorgaben: Auf der Position muss der Spieler dieses und jenes können, diese Voraussetzungen mitbringen. Die Spielidee wird seit Barisic und mit dem neuen Nachwuchsdirektor (Anm.: Willi Schuldes) von der U12/U13 an durchgehend umgesetzt.
Wir danken für das Gespräch!