Georg Pangl: ‚Die Cashflows der Vereine sind zum Teil gefährdet'
Georg Pangl, ehemaliger Bundesliga-Vorstand und derzeit General Secretary der European Professional Football Leagues (EPFL), spricht im 90minuten.at-Interview darüber, warum der Mai als Termin für die WM in Katar auch möglich gewesen wäre, welche finanzie
90minuten.at: Nach der Entscheidung der FIFA-Taskforce, die WM 2022 im Dezember stattfinden zu lassen, haben Sie sich via Twitter zu Wort gemeldet und gemeint: „Die Europäischen Ligen (EPFL) und Klubs (ECA) stimmen gegen die Empfehlung der FIFA Task Force die WM 2022 im Winter auszutragen." Können Sie das konkretisieren? Was meinten Sie mit „stimmen gegen die Empfehlung"?
Georg Pangl: In der Task-Force selbst sitzen Vertreter aus der ganzen Welt, von allen Stakeholdern. Da sind neben allen Kontinentalverbänden auch einige Ligen wie die J-League oder die amerikanische Liga dabei, neben ECA auch einige Klubvertreter z.B. aus Mittel- und Südamerika, etc. Alle Vertreter bis auf EPFL und ECA haben in der Umfrage für den November/Dezember-Termin gestimmt. Wir als EPFL und die Klubs haben jedoch immer gesagt, dass wir nicht dafür sind. Wir haben eine Mai-Variante vorgeschlagen und diese auch sehr professionell mit Daten und Fakten unterlegt. Es hieß dann von Seiten der FIFA: Da ist Ramadan, außerdem ist es zu heiß. Der Vorschlag wurde dann leider schnell verworfen.
Dh. ein Mai-Termin wäre aus EPFL-Sicht realistisch?
Aus unserer Sicht wäre es jedoch absolut zu spielen, wenn man die Beginnzeiten der Spiele adaptiert. Man hätte auch die Beginnzeiten entsprechend später ansetzen müssen, d.h. um 22 Uhr bzw. bei drei Spielen pro Tag in der Gruppenphase auch um 23 Uhr. Wir haben in diese Studie viel Energie und Know-how investier bis hin zu beigefügten Daten von Meteo Swiss, die belegen, dass man im Mai – auch ohne Kühlsystem – spielen kann; der Vorschlag wurde einfach rasch vom Tisch gewischt, aufgrund der Terminproblematik und der Unterbrechung des weltweiten Spielbetriebes waren wir mit Beginn der Verhandlungen gegen einen Wintertermin bzw. den November/Dezember-Termin. Es ist davon auszugehen, dass das FIFA-Exekutivkomitee dem Vorschlag der Task-Force am 19. März zustimmen wird. Der jetzige Vorschlag beeinflusst den kompletten Spielbetrieb rund um den Globus extrem.
Die Europäischen Ligen (EPFL) und Klubs (ECA) stimmen gegen die Empfehlung der FIFA Task Force die WM 2022 im Winter auszutragen.
FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke lehnte in einem Statement Ausgleichszahlungen an die Vereine ab? Wie beurteilen Sie diese Aussage?
Jede andere Aussage hätte mich auch positiv verwundert. Das ist die Rolle des Fifa-Generalsekretärs, die er ausführen muss. Das muss er sagen. Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir suchen den Verhandlungsweg, um unsere Ziele darzulegen.
Sollte es zu Ausgleichszahlungen kommen. Werden da wie üblich die großen fünf Ligen profitieren oder welche Überlegungen haben Sie hier?
Jetzt reden wir schon vom Fell des Bären, der noch nicht erlegt ist. Es kann auch sein, dass den Ligen seitens der FIFA vorweg keine Zahlungen gewährt werden und dass man einen mühsamen juristischen Weg in Kauf nehmen muss. Wenn es eine Art Kompensationszahlung gibt, bin ich überzeugt, dass die großen Ligen den Zugang und Finanzbedarf der mittleren und kleinen Ligen verstehen werden. Demgemäß wird gerade zum Beispiel die Premier League mit den aktuell unglaublich hohen TV-Geldern kein Geld verlangen. Den Engländern geht es ums Prinzip, dass man ihnen den Boxing-Day streitig machen will. Hinzu kommt, dass der Dezember auch der stärkste Fernsehmonat ist, wenn es um Fußball geht. Das heißt natürlich auch für die TV-Partner der Ligen, dass die nicht so glücklich mit dieser Entscheidung sein werden und in weiterer Folge möglicherweise weniger bezahlen wollen. Damit geht es dann auch um finanzielle Einbußen für die TV-Anbieter und folglich um Verluste für die Klubs, die wie in England oder den Topligen einen entsprechend großen Beitrag zum Budget der Klubs leisten. Aber auch für die kleinen Ligen ist jede finanzielle Abfederung extrem wichtig.
Bedarf es einer Einigung oder ist im Extremfall eine Entscheidung der FIFA gegen den Willen der Klubs und Ligen möglich?
Die FIFA als Bewerbshüter kann auch ohne unsere Zustimmung die WM austragen. Es war schon vorher nicht davon auszugehen, dass man in allen Punkten Einstimmigkeit erzielt, das liegt auf der Hand und man kann es nicht allen Recht machen. Jeder Stakeholder hat zugesichert, seinen Beitrag zu leisten und Abstriche zu machen. Wir als EPFL haben jedoch das Gefühl, dass wir am Ende des Tages gemeinsam mit den Klubs die Rechnung allein bezahlen. Die Weltmeisterschaft ist ein Milliardenprojekt, der Spielplan der Ligen ist aufgrund von Terminen für die Nationalmannschaft, UEFA-Klubbewerbe oder der Cupbewerbe jetzt schon extrem komprimiert und jetzt soll man zusätzlich noch fünf bis sechs Wochen bereit stellen? Das ist nicht nur eine organisatorische sondern auch eine wirtschaftliche Challenge. Da geht es um die Einkommen der Klubs, die Cashflows der Vereine sind zum Teil gefährdet, weil die Spieler weiter bezahlt werden müssen. Schon jetzt bekommen die Nationalverbände einen großen Teil des WM-Kuchens so wie auch die großen Klubs für die Abstellung der Spieler. Wir wünschen uns, dass wir bei der FIFA speziell für die Anliegen der kleineren und mittleren Ligen und ihren Klubs Gehör finden.
Die Fifa kann also auch ohne Zustimmung der Klubs die FIFA WM durchführen. Was sagt Ihr Gefühl: Wird die FIFA einlenken, weil es einfach ein „Geben und Nehmen"-Spiel ist?
Diese Annahme ist absolut richtig, da sich die FIFA grundsätzlich immer um einen gemeinsamen Nenner bemüht. Man hat mit der Vergabe an Katar eine Entscheidung getroffen, die auf Basis der Cooling-Systeme in den Stadien erfolgte, weshalb andere Länder wie England eine Niederlage einstecken mussten. Dass man Jahre später erst draufkommt, dass man die WM im Sommer nicht spielen kann, ist schon bemerkenswert. Basierend auf diesem Wunsch, einen gemeinsamen Nenner zu finden, hoffe ich, dass die FIFA auch versuchen wird, die Ligen und Klubs zufriedenzustellen.
Wie schnell wollen Sie eine Lösung herbeiführen?
Wir warten jetzt formell noch den 19. März mit der Sitzung des Exekutivkomitees ab, parallel laufen schon die ersten informellen Gespräche. Sobald die offizielle Entscheidung durch ist, werden wir sehr bald das Gespräch mit der FIFA suchen.
Ein anderes Thema ist die immer größer werdende Schere zwischen Europa und Champions League. Viele kleinere Nationen, auch Österreich, sehen hier ein mittelfristiges Problem, da mit der Teilnahme an der Europa League zu wenig Geld verdient werden kann im Vergleich zur Champions League? Welche Entwicklungen gibt es diesbezüglich?
Hier sind wir schon seit langer Zeit mit der UEFA laufend im Gespräch. Diese Schere sollte man nicht zu weit auseinandergehen lassen. Sie ist jetzt schon zu groß. Erst kürzlich hat mir der Kollege aus Schweden erzählt, dass Malmö mit der Teilnahme an der Champions League das Budget für zwei Jahre sichern konnte, auch für die Austria war die Champions League extrem wichtig. Es ist aber schon eine Art Wettbewerbsverzerrung, wenn sich "Abonnementmeister" mit der Teilnahme an der Champions League immer mehr von den restlichen bzw. kleineren Vereinen vor allem finanziell absetzen können.
Glauben Sie, dass die UEFA dieses Problem erkannt hat?
Ich habe schon das Gefühl, dass die UEFA dieses Problem erkannt und ein nachhaltiges Interesse an einem spannenden Wettbewerb – national wie international – hat, in ihrer Funktion sogar haben muss. Der internationale Fußball ist schon jetzt zu vorhersehbar oder berechenbar geworden, es spielen fast immer die gleichen großen Klubs in der entscheidenden Phase der Champions League. Profiligen wie die NHL haben das längst erkannt, dass man als Ganzes und mit einer gewissen sportlichen Ausgeglichenheit viel mehr lukrieren kann und setzen daher viel stärker auf Solidarität. Die Unvorhersehbarkeit, das Ungewisse in jedem Fußballspiel, müsste wieder mehr Gewicht bekommen. Wir als europäische Ligen sind der Mastermind hinter dieser Thematik. Wir hoffen, dass für den Zyklus 2015-2018 bereits ein erster Schritt gesetzt wird.
Danke für das Gespräch!