Franco Foda: ‚Es geht nicht darum, Spieler zu beschimpfen'
Mit Franco Foda ist in Graz auch wieder der Erfolg zurückgekehrt. In der Winterpause haben die Grazer jedoch ihren besten Stürmer verloren. Im Interview mit 90minuten.at erzählt Foda, wie er diesen Ausfall kompensieren will, warum die österreichische Liga
90minuten.at: Ich lese oft, dass der zweite Platz, der den Zugang zur Champions League-Qualifikation beschert, das Ziel der Saison ist. Das ist nur recht und billig, betrachtet man die Tabelle. Was aber ist Ihr Minimalziel?
Franco Foda: Generell definiere ich den Fußball nicht nur nach der Tabelle. Wir wollen guten Fußball spielen und uns weiterentwickeln. Das haben wir im Herbst auch getan. Darüber hinaus haben wir schon vor der Saison gesagt, dass wir 2015/16 international dabei sein wollen. Jetzt haben wir mit Marco Djuricin einen Topspieler verloren und müssen schauen, dass wir das kompensieren.
Die Taktik war nicht nur auf ihn ausgerichtet. Wie müssen Sie nun anders spielen lassen, sowohl taktisch als auch möglicherweise psychologisch? Es wirkt ja doch auch auf die Mannschaft, wenn einer geht, der elf Tore geschossen hat...
Marco ist jetzt weg. Er hat unter meiner Regie sehr gut gespielt und viele Tore geschossen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Angebot kommen würde. Das kam und er hat es angenommen. Wir haben jetzt Roman Kienast, Bright Edomwonyi und Josip Tadic vorne. Insofern sind wir variabel genug, um zu bestehen.
< blockquote> Sie sind nun seit einiger Zeit wieder in Österreich. Unser Land ist nicht gerade ein Taktikwunderland. Inwieweit hat sich Österreich da weiterentwickelt? Die Meistertrainer 2013 und 2014 haben den Sprung nach Deutschland geschafft und sind dort zumindest noch nicht gescheitert. Wie sehen Sie die taktische Entwicklung in der österreichischen Bundesliga und wo gibt es aus Ihrer Sicht noch Potenzial. Selbst Teamchef Koller hat angesprochen, dass es bei der taktischen Arbeit noch Potenzial in Österreich gibt? Sturm hat in den letzten Jahren enorm viele Spieler abgegeben, präsentiert sich gerade aber gut und konstant wie lange nicht. Ein Indiz für den modernen Fußball, dass das Team wichtiger ist als die Einzelteile? < blockquote> Es ist nicht das erste Mal, dass bei Sturm die besten Spieler geholt werden - Jantscher, Leitgeb, Kainz, Beric, Djuricin. Würden Sie sich wünschen, dass da einige zu halten wären. Oder müssen das „Durchlaufposten" sein? Aber viele Spieler gehen auch in zweite Ligen, wie in die Championship oder die 2. deutsche Bundesliga. Dadurch entsteht doch ein Braindrain, wird die Liga da zu sehr leer gekauft? Es kann ja nicht gut sein, wenn jedes halbe Jahr die sieben besten Spieler gehen. Sie sehen in dieser Entwicklung keine Gefahr? Und wo kann sich der SK Sturm in Österreich positionieren? Man sieht sich gerne als einer der „Big 4", ist aber der deutlich kleinste unter der Großen. < blockquote> Wie beschreiben Sie Ihre konkrete Spielphilosophie, wenn man sehr oft wechselnd Favorit und Außenseiter ist? Wie erleben Sie den SK Sturm? Es ging zuletzt turbulent zu, die Fans im Stadion scheinen befriedigt, sturm12.at hat sich mittlerweile zurück gezogen, auch aufgrund von Kommunikationsproblemen. Ist der SK Sturm schon der moderne Verein, den Jauk damals versprochen hatte? Der Abgang damals war nicht reibungslos, man hörte vor allem von ziemlich heftigen Turbulenzen innerhalb der Kabine. Bei Ihrer Rückkehr haben Sie gemeint, dass Sie sich auch menschlich weiterentwickelt haben. Können Sie das konkretisieren? Wir danken für das Gespräch!
In meiner ersten Zeit bei Sturm waren auch viele Mannschaften in der Gruppenphase der Europa League. Da kommt man nicht hin, wenn man taktisch nicht gut vorbereitet ist. Generell darf man nicht den Fehler machen, den österreichischen Fußball zu unterschätzen. Hier wird meiner Ansicht nach taktisch gut gearbeitet. Auffällig war, dass hier jetzt offensiver gespielt wird. Alle Mannschaften haben klare Vorstellungen, wie sie spielen wollen und das sieht man auch. Insofern war es schon gut, es hat sich aber noch positiver entwickelt.
Ich rede doch nicht über die anderen Mannschaften. Meine Mannschaft ist Sturm Graz und es liegt mir fern darüber zu reden, was andere taktisch verbessern müssen. Jeder Trainer schaut auf sein Team und da hat er wohl genug zu tun und hat nicht darüber zu urteilen, was die anderen im taktischen Bereich machen.
Man braucht beides. Man braucht die, die individuelle Klasse haben, gerade im Offensivbereich. Aber das Wichtigste ist die Mannschaft. Die individuelle Kompetenz muss in Verbindung mit der Mannschaft funktionieren, um erfolgreich zu sein. Du brauchst heute aber eben auch Individualisten, kreative Spieler, die den Unterschied ausmachen können.
Wenn eine Mannschaft Spieler halten kann, dann ist das in Österreich Red Bull Salzburg. Man sieht das bei Damari, bei Boyd, bei Djuricin – die sind gegangen. In Österreich gibt es eben nicht die finanziellen Möglichkeiten wie auch im Ausland. Es geht im Fußball auch um Geld. Die Spieler haben nur ihre Laufzeit von zehn oder 15 Jahren und da müssen sie schauen, dass sie das Beste daraus machen. Da ist es auch nur logisch, dass einer geht, wenn er die Möglichkeit hat, ins Ausland zu gehen. Selbst Salzburg konnte Mané, Kampl oder Alan nicht halten. Ich will jetzt nicht sagen, dass Österreich ein Ausbildungsland ist. Aber so wie die großen Ligen sich in Österreich bedienen, holen sich die österreichischen Klubs die Spieler bei noch kleineren Mannschaften.
Wir Trainer werden das nicht ändern können. Das wird immer so sein. Ich bin davon überzeugt, dass in der tipico-Bundesliga gut gespielt wird. Wir brauchen uns vor niemandem verstecken. Das zeigt sich auch an der Nationalmannschaft, da sind die Spieler feste Bestandteile bei ihren Teams im Ausland. Das bedeutet ja, dass Spieler, die in Österreich gut funktionieren, auch im Ausland funktionieren können. Das ist schon auch positiv. Es kommt immer auf die Sichtweise drauf an. Natürlich suchen die Besten die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen. Und junge Spieler wie Donis Avdijaj machen hier den nächsten Schritt. Das ist ein Kreislauf.
Was heißt Gefahr? Klar wäre es eine Bereicherung, wenn die besten Spieler hier bleiben. Aber das ist nicht so. Es ist nicht so, dass überall im Ausland viel, viel besserer Fußball gespielt wird. Es geht um Stadien-Infrastruktur, wo anders gibt es viel mehr Zuschauer und du kannst auch viel mehr verdienen. Das ist attraktiv für die Spieler, darum gehen sie auch ins Ausland.
So lange es Salzburg gibt, wird es immer schwierig sein, Meister zu werden. Danach sieht man, dass alles relativ eng beieinander liegt, recht ausgeglichen ist. Wir wollen immer, so möglich, international dabei zu sein. Dieses Ziel haben aber viele andere auch, wie Rapid, die Austria, dann gibt es immer wieder eine Überraschungsmannschaft wie jetzt Altach oder davor Grödig. Insofern ist der Kampf sehr hart. Wir wollen uns einfach kontinuierlich weiter entwickeln und unter den Top4 positionieren.
Ich fange mit Außenseiter und Favorit nicht viel an. Jeder Spieler muss immer so ins Spiel gehen, dass er gewinnen will. Von solchen Floskeln wie Favorit und Außenseiter hat man nichts. Wir versuchen eben immer, gut vorbereitet das nächste Spiel zu gewinnen – unabhängig vom Gegner. Das ist unsere Hauptaufgabe.
Es wurden einige Dinge verändert, aber es waren schon vorher viele Dinge gut. Ich will mich aber auch gar nicht mit der Vergangenheit beschäftigen. Ich bin froh, wieder hier als Trainer zu arbeiten. Mir macht die Aufgabe viel Spaß. Sturm war und ist ein toller Verein. Da hat sich nicht viel verändert. Alles andere ist für mich im Prinzip zweitrangig.
Nicht nur ich, sondern jeder entwickelt sich egal in welchem Alter weiter. Das ist bei fast allen Menschen so. Und man lernt aus Fehlern. Aber da geht es gar nicht um „menschlich". Es wird heute genau so laut, weil der Trainer einen gewissen Anspruch hat und die Spieler das umsetzen sollen. Wenn man viele Individualisten unter einen Hut bringen muss, dann ist es doch ganz normal, dass es auch mal lauter wird. Da geht es nicht darum, Spieler zu beschimpfen, sondern darum, klar und deutlich seine Vorstellungen zu vermitteln.