'Ich bin nicht Gott'

David Alaba will auf dem Platz und nicht bei Interviews überzeugen. Beobachtung eines Medientermins mit dem teuersten Verteidiger der Welt. Von Gerald Gossmann aus München


David Alaba ist aktuell der größte Fußballstar des Landes. Sein Gesicht steht für den Aufschwung des österreichischen Kicks. Seit Jahren ist er Stammspieler bei einem der größten Vereine, dem FC Bayern München. Alaba ist der teuerste Verteidiger der Welt. Wo er auftaucht, blitzen Handykameras auf. Bei Facebook hat er 2,5 Millionen Fans. Er ist Werbetestimonial für Coca Cola und die Bank Austria. Alaba ist Fußball-, Medienstar und Liebling der Fans. Heute hat er einen von Sky organisierten Medientermin mit ausgewählten österreichischen Journalisten zu absolvieren. Alaba gilt als schwieriger Interviewpartner, weil er selten klare Aussagen tätigt. Alaba spricht mediengeschult. Er hantelt sich zumeist von einer Phrase zur nächsten, als wäre er sein eigener Wachhund, der darauf achtet, nichts Unüberlegtes zu sagen. Alaba-Interviews gelten deshalb als wenig spannend. Marko Arnautovic neigt dazu bei Laune von Silikonbrüsten oder seiner Ghettovergangenheit zu erzählen. Marc Janko neigt zu Nachdenklichem. Alaba neigt zu nichts von beidem. Es ist gegen 18 Uhr, die Bayern haben gerade Köln 4:0 abgeschossen. Wir Journalisten warten in einer Lounge im obersten Rang der Arena auf David Alaba. Ein großer Konferenztisch und Ledersesseln stehen darin. David Alaba betritt in einem roten Bayern-Trainingsanzug den Raum. Fast schüchtern wirkt er, wenn er ein knappes Hallo in die Runde wirft. Alaba, 23, bubenhaftes Gesicht, große fragende Augen, merkt man an, dass er sich am Platz wohler fühlt als bei Interviews. Er wirkt nicht erfreut über den Termin, aber geduldig. Eigentlich will er nicht antworten, aber es gehört zum Geschäft. Das weiß Alaba. Das Gespräch beginnt. Rund 10 Journalisten (darunter auch 90minuten.at) stellen abwechselnd Fragen an Alaba. Es geht mit einer Standardfrage los.

 

Wird Gewinnen irgendwann langweilig oder freut man sich weiterhin über jeden Sieg wie ein kleines Kind?

Es wird nie langweilig. Man freut sich über jeden Sieg. Man setzt sich Ziele und will die Spiele gewinnen. Und wenn man das erreicht, ist das immer schön.


Du spielst viele unterschiedliche Positionen, füllst viele Rollen aus. Ist das schwierig für dich oder gefällt es dir?
Ich weiß, dass ich auf mehreren Positionen spielen kann. Das ist auch schon länger so.


Alaba wirkt wie gewohnt. Bisher gab es wenig Gelegenheit für ihn spannend zu antworten. Versuchen wir ihn ein bisschen aus der Reserve zu locken. Er würde gerne öfter im Mittelfeld spielen, aber Experten sehen ihn in der Abwehr besser aufgehoben. Das gefällt ihm sicher nicht.


Was denkst Du: Auf welcher Position bist Du am besten?
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich mich im Mittelfeld natürlich am wohlsten fühle. Aber auch links hinten in der Abwehr.


Taktikanalytiker sehen Dich eher in der Verteidigung stärker als im Mittelfeld. Was sagst Du dazu?
Wer?


Taktikanalytiker, die Dein Spiel analysieren, sehen Dich in der Verteidigung stärker.
In welcher Verteidigung, wo?


Als linker Außenverteidiger. Siehst Du das ähnlich und sagst: Eigentlich bin ich hinten stärker?
Nein. Ich habe auch schon öfter bewiesen, dass ich im Mittelfeld gut spielen kann. Und links hinten habe ich auch immer wieder gezeigt, dass ich einen Drang in die Offensive habe. Ich kann vorne immer gefährlich sein.


Denkst Du, dass Du bei Bayern München in absehbarer Zeit im Mittelfeld spielen wirst?
Davon bin ich überzeugt. Ich habe es auch schon öfter gezeigt, dass ich beim FC Bayern und unter dem jetzigen Trainer im Mittelfeld spielen kann.


Pep Guardiola bezeichnet Dich als „Gott". Wie gehst Du mit so einer Aussage um?
Ich weiß wie er es meint.


Wie meint er es?
Gott bin ich jetzt nicht.

 

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Alaba wird gefragt, ob es noch etwas Besonderes für ihn sei, zum Sportler des Jahres gekürt zu werden. Ob der 1.000 Sieg mit dem FC Bayer München etwas Außergewöhnliches für ihn ist. Und ob die vierte deutsche Meisterschaft in Folge ein Ziel sei. Alaba antwortet darauf zu Recht einsilbig und phrasenhaft. Es gibt wahrscheinlich wenige Menschen, die auf derlei Fragen mit sprudelnder Kreativität reagieren. Alaba zählt, das wusste man davor schon, nicht dazu. Versuchen wir es mit Provokanterem.


Darfst Du die Elfmeter beim FC Bayern eigentlich noch schießen? Man hat den Eindruck, es schießt nur mehr Thomas Müller.
Er schießt ja gut, oder?


Bleibt das so?
Ja, er ist die Nummer 1.


Alaba lässt sich zu keiner Aussage hinreißen, wieder Elfmeter schießen zu wollen. Er erkennt, worauf die Fragerei abzielt.

 


Du bist der teuerste Verteidiger der Welt, bist in Weltauswahlen vertreten und Dein Trainer bezeichnet Dich als „Gott". Wie bleibt man da am Boden?

Ich habe mit meiner Familie und meinen Freunden ein sehr gutes Umfeld. Ich bin sehr dankbar dafür. Und ich versuche immer ich selbst zu sein.


Ertappst Du dich dabei, in den Spiegel zu schauen und dabei zu denken: Ich bin besser als die anderen?
Ah. Nein. Sagen wir so: Ich weiß schon, dass ich etwas drauf habe und gut bin. Aber ich will immer besser werden, mich weiterentwickeln und dazulernen.


Wo kannst Du dich noch verbessern?
In allen Belangen. Es ist mein linker Fuß, taktisches Verhalten, Zweikämpfe. Sicherlich auch außerhalb des Platzes. Ich kann immer dazu lernen und will das auch. Ich bin nicht mehr der jüngste Spieler, aber schon noch jung. Und ich will und kann mich weiterentwickeln.


Du bist sehr früh ins Ausland gegangen. Was denkst Du: Wie wichtig war das für deine Entwicklung?
Das war sehr wichtig für meinen Weg. Ich bin seit 2008 in München und habe hier sehr viel gelernt.

  

Was würdest Du talentierten Spielern in Österreich raten? Eher früh den Schritt wagen oder einmal in der österreichischen Bundesliga Fuß fassen?
Schwer zu sagen. Ich habe aus der Akademie bei der Austria viel nach München mitnehmen können. Ich hatte nicht unbedingt Nachteile, als ich hier angekommen bin. Ich hatte eine sehr gute Schule und sehr gute Trainer bei Austria Wien und dafür bin ich sehr dankbar. Das Niveau in Deutschland ist natürlich höher, aber die Ausbildung in Österreich ist auch schon sehr gut. Im Grunde muss das jeder für sich selbst entscheiden. Ich hatte das Glück, dass ich nicht weit von zu Hause weg war. Du hast zwar Heimweh am Anfang, aber ich bin dann in den Zug gestiegen, habe mir zwei Filme angeschaut und war wieder daheim. Jeder Spieler, der diesen Schritt macht, muss sich auch wohl fühlen dabei.


Du bist Champions League-Sieger, mehrfacher deutscher Meister und hast Dich jetzt mit Österreich für die Europameisterschaft qualifiziert – welche Ziele hat man da noch?
Die vierte Meisterschaft in Folge ist ein Ziel von mir und der ganzen Mannschaft. Wir wollen in allen Bewerben am Ende ganz oben stehen. Und dann kommt sicher noch die Europameisterschaft dazu. Aber ich bin kein Spieler, der so weit nach vorne schaut. Ich versuche mir meine Ziele in näherer Zukunft zu stecken und diese dann auch zu erreichen.


Was ist bei der Europameisterschaft das Ziel?
Das ist ein weiter Weg bis dahin. Wir wollen uns als Mannschaft weiterentwickeln und den Weg weitergehen. Es wird wichtig sein, dass wir nicht aufhören unser Spiel zu spielen. Wir wollen Schritte nach vorne machen und uns weiterentwickeln.


Jetzt spricht der klassische Alaba. Medienschulung: Sehr gut. Alaba weiß, dass er nach Zielen für die EM gefragt werden wird. Er lehnt sich nicht aus dem Fenster, weil er genau weiß, dass ihm die Aussage spätestens bei einem frühen Ausscheiden um die Ohren gehauen werden würde.


Wird das österreichische Nationalteam mittlerweile bei den Bayern anders wahrgenommen?
Auf jeden Fall wird man anders wahrgenommen. Anfangs bin ich vom österreichischen Nationalteam immer mit einer Niederlage zurück nach München gekommen. Das ist jedem aufgefallen. Und jetzt komme ich immer mit Siegen zurück. Das ist schon etwas anderes.


Was war aus Deiner Sicht hauptausschlaggebend dafür, dass die Nationalmannschaft so extrem viel besser geworden ist in den letzten vier Jahren?
Ich denke, dass wir schon in meiner Anfangszeit Potential hatten. Wir waren nicht erfolgreich. Aber wir haben uns als Mannschaft von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Wir haben Spieler in der Mannschaft, die individuelle Klasse haben. Aber wie wir zusammen agieren, das ist schon anders als vor drei, vier Jahren.


Befürchtet man als Spieler, dass Marcel Koller nach der Europameisterschaft Österreich verlassen könnte?
Marcel Koller hat natürlich einen großen Anteil am Erfolg. Er hat aus uns eine Mannschaft gemacht, die auf dem Platz gut spielt und außerhalb des Platzes wie eine Mannschaft auftritt. Daran hat er großen Anteil.

 

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Der Pressesprecher des FC Bayern kommt bei der Tür herein: „Na gibt's schon Verletzte", sagt er in breitem bayrischen Dialekt. „Sei vorsichtig mit ihnen, das sind Gäste von uns", scherzt er in Richtung Alaba und grinst.
Alaba kontert: „Was soll ich denen tun, die sind ja von mir z´Haus."
Jetzt lacht der Pressesprecher und scheint sich zu denken: der Alaba, ist der nicht eine Klasse für sich? Einer, der sich bei Interviews nie verplappert. Eine einfache Sache für den Pressesprecher.


War es unter Koller mehr taktisch der große Wurf oder aber sein Umgang mit den Spielern?
Wir treten als Mannschaft auf. Wir stehen defensiv sehr gut und kreieren nach vorne Chancen, die wir anfangs nicht herausgespielt haben. Und: Wir nutzen die Chancen, die wir haben. Das hat insgesamt sicher taktische Gründe, aber auch menschliche. Wenn man alles zusammentut, dann kommt da Erfolg raus.


Hast Du das Gefühl, dass der 10. Platz von Österreich in der Weltrangliste die wahre Stärke des Teams widerspiegelt?
Das haben wir die letzten Jahre gezeigt, dass wir nicht schlecht sind. Ja.


Es ist nicht jeden Tag Champions League. Gibt es auch etwas, dass dir am Fußball gar keinen Spaß macht?
(Überlegt lange) Ah. Vorbereitung...


Jetzt ist der Moment, wo er etwas Unerwartetes sagen könnte. Was macht ihm keinen Spaß? Vorbereitung. Alaba, der Verspielte, mag also keine Schinderei. Das klingt brauchbar. Schnell bemerkt Alaba aber, dass er sich damit aus dem Fenster lehnen könnte und schwenkt wieder in den mediengeschulten Sprechmodus.


Aber auch in der Vorbereitung trainieren wir immer mit dem Ball und machen wenige Läufe. Es ist schwer, irgendetwas nicht zu mögen.


David Alaba lässt sich wenig herauslocken, wo man ansetzen könnte. Wie sieht es eigentlich mit seiner Schmähfähigkeit aus?


Ziehst Du in der Kabine jetzt den Thomas Müller auf, nachdem Österreich früher qualifiziert war als Deutschland?
Nein, er hat sich gefreut und mir gratuliert.


Du hast dem Herbert Prohaska während der Feier mit dem österreichischen Nationalteam seine einzige Jacke kaputt gemacht, als du ihm Bier über den Kopf geschüttet hast...
...geh, geh, geh. Seine einzige Jacke...hör auf. So ein Schmäh.


Hast Du ihm eine neue per Post geschickt?
Nein. Aber ich werde ihn fragen, ob wir einmal durch die Kärntnerstraße gehen sollen.


Das war witzig. Geben wir ihm die Möglichkeit, sich einmal in Szene zu setzen:

Über was würdest Du mit Journalisten gerne sprechen? Was ist ein Thema, über das Du gerne sprichst?
Ja, ich bin ein Spieler, der nicht so gerne mit euch redet. (alle lachen)


Alaba nimmt die Auflage für den Schmäh an und verwertet. Seine Antwort:
Schwer zu sagen.


Was sind so Themen, die Du mit Freunden besprichst?
Das sind ganz andere Sachen.


Zum Beispiel?
Alaba überlegt lange.


Jeder Mann spricht mit Freunden gerne über Frauen, oder?
Wenn wir jetzt zu Sechst da sitzen, kommt das auch einmal vor. Ich würde jetzt lügen, wenn ich sage, dass es anders ist. Sicher spricht man auch über Fußball, aber nicht unbedingt. Eigentlich kommt alles vor bei uns.


Okay. Wieder ein bisschen fachlicher. Versuchen wir Alaba noch einmal ins Nachdenken zu bringen.

Manche Spieler merken sehr früh, dass sie später Trainer werden wollen. Hast Du auch schon den Gedanken?
Die EM ist schon weit weg für mich, wie soll ich da an so etwas denken?


Es gibt ja Spieler, die früh merken, dass sie ganz gut ein Spiel lesen können und die Abläufe verstehen. Bist Du so jemand, der dadurch in diese Richtung tendieren könnte?
Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich denke, dass ich ein sehr gutes taktisches Verständnis habe und mich da sicherlich auskenne. Ich kann umsetzen, was der Trainer von mir verlangt. Aber ob ich jetzt Trainer werde? Keinen Plan.


„Passt´s", fragt Alaba am Schluss. „Fertig?" Er fragt das wie ein Schüler, der das Ende einer Unterrichtsstunde herbeisehnt. Alaba scheint sich nicht zu fragen, wie er geantwortet hat. Er ist froh, dass er jetzt fertig ist. Alaba hat kein Bedürfnis sich der Welt wortgewandt und nachdenklich zu präsentieren. Im roten Trainingsanzug schlürft er aus dem Presseraum. Am Dienstag will er wieder überzeugen. Auf dem Platz.

 

>>> Matthias Sammer im Interview mit 90minuten.at: 'Der österreichische Fußball sollte Willi Ruttensteiner ein Denkmal setzen'

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