Michael Hatz: ‚Das Produkt Fußball ist in Österreich nur schwer zu verkaufen'
Michael Hatz hat nach seiner Zeit als Spieler seine "Fußball-Karriere" als Projektkoordinator der NV Arena und zuletzt als Marketingleiter des SKN St. Pölten fortgesetzt. Im Interview mit 90minuten.at – geführt vor dem Europacupduell gegen Plovdiv - spric
Herr Hatz, Sie haben mit Rapid in der Europacupsaison 1994/95 gegen Petrolul Ploiesti aus Rumänien gespielt und sind dabei nur mit viel Glück in die nächste Runde gekommen. Der SKN hat nun mit dem bulgarischen Vertreter Botev Plovdiv einen ähnlich unbekannten, aber starken Gegner – was ist für St. Pölten drinnen?
Das sind Gegner, die vielen Fußballfans unbekannt, aber sehr unangenehm zu spielen sind. Gegen Ploiesti haben wir damals viel Glück gebraucht (Anm. u.a. zwei Stangenschüsse der Rumänen beim 0:0 im Rückspiel, das Hinspiel in Wien gewann Rapid erst durch einen in letzter Minute von Zoran Barisic verwandelten Elfmeter mit 3:1) um weiterzukommen und gegen Plovdiv wird es wohl ähnlich sein. Von der Stärke der Bulgaren konnten wir uns sogar selbst überzeugen: Kurioserweise haben wir kurz vor der Auslosung gegen sie ein Freundschaftsspiel absolviert und dabei 2:4 verloren. Da war schon zu sehen, dass das eine sehr gute und homogene Mannschaft ist und das macht die Aufgabe für uns nicht unbedingt leichter.
Die Chancen stehen also eher schlecht?
Der SKN ist ganz sicher nicht Favorit, immerhin spielt St. Pölten in der zweiten Liga und Plovdiv in der ersten bulgarischen Liga und die ist ungefähr auf demselben Niveau wie unsere Bundesliga einzuschätzen. Aber im Fußball ist bekanntlich immer alles möglich und wer weiß, vielleicht ist Plovdiv auch zu knacken und ein Einzug in die nächste Runde drinnen.
Unabhängig davon, ob der Aufstieg gelingt: St. Pölten rückt durch die beiden Spiele nach der erfolgreichen Cupsaison neuerlich in den Fokus der heimischen Fußballwelt. Was bedeutet das für den SKN? Sind das erste Schritte dahin, wo sich der Verein dann auch in den kommenden Jahren sieht?
Das muss man schon differenziert betrachten: Im großen Kontext sind die Spiele gegen Plovdiv für den österreichischen Fußball nichts Aufregendes, für St. Pölten ist das regional aber eine riesige Sache und kann das auch ein wichtiger Impuls quer durch alle Bereiche für die Zukunft sein. Die Erwartungshaltung ist aufgrund der jüngsten Erfolge und des neuen Stadions jedenfalls sehr groß und die Zielrichtung Bundesliga klar definiert. Aber planbar ist der Aufstieg natürlich nicht, schließlich ist die zweite Liga sehr ausgeglichen und haben viele Vereine das gleiche Ziel ausgegeben ...
... und das Beispiel Mattersburg hat in der vergangenen Saison gezeigt, dass es trotz eines starken Kaders auch ganz schnell gegen den Abstieg gehen kann?
Genau. Ein großer Teil der Vereine hat die Möglichkeit vorne mitzuspielen und nach hinten ist auch nicht viel Luft. Das ist natürlich eine schwierige Situation, die jetzt durch den Aufstieg des LASK, der vermutlich auch gleich vorne ein Wörtchen mitreden möchte, nicht leichter wird. Unabhängig davon haben wir bei St. Pölten in den vergangenen zwei Jahren viel weiter gebracht und eine gute Basis dafür geschaffen, jetzt den entscheidenden Schritt setzen zu können. Zielsetzung des Vereins ist es, unter die Top 3 zu kommen und möglichst lange vorne mitzuspielen und dann ist grundsätzlich alles möglich.
Also auch schon der Aufstieg in die Bundesliga oder käme der für St. Pölten in der neuen Saison noch zu früh?
Wie gesagt: Ziel für den SKN kann es nur sein, lange vorne mitzuspielen und dann ist im Finish mit dem notwendigen Glück alles möglich. Mittelfristiges Ziel ist es jedenfalls aufzusteigen und zur Nummer eins in Niederösterreich zu werden und das ist angesichts der Konkurrenz aus der Südstadt und von Wr. Neustadt ambitioniert genug. Ich bin aber überzeugt, dass das zu schaffen ist und der SKN in Österreichs Fußball eine ähnlich gute Rolle spielen kann, wie das aktuell die SV Ried tut.
St. Pölten hat mit dem neuen Stadion einen entscheidenden Schritt in Richtung erfolgreiche Zukunft gesetzt, auch im Sponsoring- und Marketingbereich konnten zuletzt viele Verbesserungen erreicht werden. Wie schwierig ist es angesichts der nahen Konkurrenz von Rapid, Austria und auch der Admira gerade in diesem Bereich zu reüssieren?
Natürlich spüren wir, dass in unmittelbarer Umgebung gleich mehrfach Bundesliga-Fußball gespielt wird. Aber trotzdem hat sich der SKN in der Landeshauptstadt und auch in der direkten Umgebung einen guten Ruf erarbeitet und viele Unterstützer gewonnen. Aktuell verfügt der Verein über rund 70 Partner und Sponsoren. Das ist schon sehr gut, nun gilt es diese Basis aber auch zu stabilisieren und auszubauen und da sehe ich schon noch ein wenig Luft nach oben.
Diese Luft nach oben wird der Verein in Zukunft ohne Ihre Unterstützung abrufen müssen. Warum kommt es Ende August zur einvernehmlichen Trennung?
Weil sich Dinge manchmal anders entwickeln als man sich das zuvor vorgestellt hat. Es gab in letzter Zeit in manchen Punkten Auffassungsunterschiede und so haben wir uns letztendlich entschieden, mit Ende August getrennte Wege zu gehen.
Nachdem Sie aktuell auch die Organisation der Europacupspiele gegen Plovdiv verantworten und die Trennung erst vor kurzem bekannt gegeben wurde, ist es wohl noch zu früh um einen Gedanken an die Zukunft zu verlieren?
Ja, da ist es noch zu früh, wobei sich die Trennung in der Branche natürlich schnell herumgesprochen hat und es auch schon erste lose Gespräche gegeben hat. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ich hier in St. Pölten sehr gute Arbeit geleistet und mir in vielen Bereichen Know-How angeeignet habe und das möchte ich nun in einem neuen Aufgabengebiet unter Beweis stellen. Wo das aber sind wird, ist noch völlig offen.
Vielleicht bei Herzensverein Rapid? In den vergangenen Jahren gab es doch immer wieder Gerüchte, dass Sie zu Rapid zurückkehren könnten.
Stimmt, es gab immer wieder Gespräche und Kontakt, aber letztendlich ist es dann nie zu einer Zusammenarbeit gekommen. Keine Ahnung, ob es jetzt von Seiten Rapids Interesse gäbe, aber irgendwann ist eine Rückkehr natürlich nicht auszuschließen.
Unter anderem waren Sie in Hütteldorf noch zu Zeiten von Präsident Rudolf Edlinger als Projektleiter des Stadionneubaus bzw. –umbaus im Gespräch. Hätte Sie diese Aufgabe nach dem erfolgreichen Stadionprojekt in St. Pölten gereizt?
Das wäre natürlich sehr spannend gewesen und hätte mich auch interessiert. Aber damals war ich in St. Pölten vielen Leuten im Wort und war ich mitten in einem Projekt und als sich dann auch bei Rapid das Stadionprojekt verzögert hat, bin ich schließlich hier in St. Pölten geblieben. Damit war das Thema für mich auch erledigt, bis ich letztens bei der Stadionpräsentation das geplante Projekt gesehen habe: Das war schon sehr beeindruckend und hätte mir natürlich auch Spaß gemacht.
Wie wichtig ist es für den österreichischen Fußball, dass nach einem vergleichsweise kleinen Verein wie St. Pölten aktuell auch die Branchengrößen Rapid und Austria modernere Stadien bekommen?
Das ist unerlässlich. Wer den internationalen Fußball beobachtet, sieht, dass immer mehr Vereine professionell arbeiten und immer mehr Verbände und Ligen professionelle Strukturen schaffen und da muss auch Österreich nachziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Vereine müssen den Besuchern ein gewisses Service bieten, damit diese auch ins Stadion kommen. Auch, wenn wir uns mit Deutschland nicht messen können, aber die Entwicklung dort zeigt, was mit einer guten Vermarktung und mit einer topmodernen Infrastruktur möglich ist. Das kann man im kleinen Maßstab schon auch auf Österreich runter brechen, mit neuen Stadien erschließen sich auch hierzulande völlig neue Möglichkeiten. St. Pölten hat in seinem Hospitality-Bereich etwa regelmäßig 500 Besucher und das wirkt sich auf den gesamten Verein positiv aus – durch höhere Ticketeinnahmen, aber auch dadurch, dass potenzielle Sponsoren und Partner dort einfach ein professionelles Umfeld haben, in dem sie sich präsentieren können und wo sie dann auch gerne hinkommen. Sie werden dort gut verpflegt, fühlen sich dort wohl und können sich dort auch mit Freunden und Partnern treffen und unterhalten.
Über die Ticketeinnahmen hinaus werden mit den Hospitality Bereichen also auch potenzielle Sponsoren bei der Stange gehalten oder von einem Engagement überzeugt?
Definitiv. Manche Bereiche sind beim SKN durch das neue Stadion fast von Null auf 100 geschossen, im Kleinen ist also auch bei uns durch Investitionen in die Infrastruktur viel möglich. Und davon profitiert schließlich auch der sportliche Bereich: Im Umfeld vieler Stadion werden auch gleich moderne Trainingsmöglichkeiten realisiert und in den Stadien wie auch hier in St. Pölten moderne Fitnessräume oder ein Regenerationsraum.
Trotz dieser Vorteile tut sich in Österreich infrastrukturell neben dem geplanten Stadionneubau in Hütteldorf, dem Stadionausbau bei der Austria und der verpflichtenden Einführung von Rasenheizungen nicht sehr viel. Warum?
Weil diese Dinge auch mit finanziellem Aufwand verbunden sind. Irgendwer muss dafür schließlich auch aufkommen. Dass das aber dringend notwendig ist zeigen Vereine wie Grödig, die zwar sportlich die Qualifikation für die Bundesliga schaffen, aber infrastrukturell große Probleme haben. Das Produkt Fußball ist in Österreich unter solchen Voraussetzungen nur sehr schwer zu verkaufen und deshalb sind weitere Investitionen auch so enorm wichtig.
Inwieweit können Projekte wie aktuell bei Rapid und Austria als Zugpferd wirken und auch Projekte und Investitionen bei anderen Vereinen provozieren?
Das wird sich ganz sicher positiv auswirken. Wir hatten auch in St. Pölten immer wieder Besuch von anderen Vereinen, die sich über das Projekt und dessen Umsetzung informiert haben und selbst ähnliche Konzepte realisieren wollen und nichts anderes wird dann auch bei Rapid und Austria der Fall sein. Auch dort werden sich dann andere Vereine informieren und natürlich steigen dann auch bei anderen Vereinen die Ambitionen ähnliche Projekte umzusetzen – alleine schon um damit auch die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, um sportlich konkurrenzfähig zu bleiben. Die sportliche Entwicklung muss schließlich mit der infrastrukturellen Verbesserung Hand in Hand gehen – in ein noch so tolles Stadion kommen die Fans auch nur dann, wenn auch die sportliche Leistung passt.
Immer wieder wird in Österreich neben der Infrastrukturproblematik auch das Ligaformat diskutiert: Könnte die Einführung einer 16er Liga zu mehr Professionalisierung beitragen? Bei vielen Vereinen würde sich dadurch schließlich die Planungssicherheit deutlich erhöhen, man könnte sich um einen langfristigen Aufbau bemühen und auch mehr in die Infrastruktur investieren.
Da gibt es viele Meinungen, aber ich persönlich könnte mir eine 16er Liga sehr gut vorstellen. In der zweiten Liga wird bei vielen Vereinen sehr gut gearbeitet, aber trotzdem ist die Situation wahnsinnig schwierig, weil sowohl wirtschaftlich als auch infrastrukturell eine Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht und es auch sportlich entweder um den Aufstieg oder gegen den Abstieg geht. Ich kann mir also sehr gut vorstellen, dass die besten Vereine der zweiten Liga in die Bundesliga aufrücken und alles darunter regional aufgeteilt wird. Davon könnten dann auch die Regionalligen profitieren und gerade Austria Lustenau, aber auch der SKN, eventuell Kapfenberg, Mattersburg und der LASK oder Wacker Innsbruck könnten durchaus oben mitspielen. Und darauf aufbauend gäbe es sicher auch interessante Ansätze, etwa mit einem Playoff um die Europacupstartplätze zum Saisonschluss oder ein großes Playoff der Tabellenletzten gegen die Regionalligameister um den Auf- bzw. Abstieg um für zusätzliche Spannung zu sorgen.
Danke für das Interview!