Marcel Koller: 'Es ist nicht meine Aufgabe, der liebe Onkel zu sein'

Der Schweizer Marcel Koller muss sich mit Österreich für die nächste Europameisterschaft qualifizieren. Ein Gespräch über seinen Plan, seine Treue zu etablierten Teamkickern und warum Trainer und Spieler der österreichischen Liga mehr tun könnten. Das Ges

 

Interviewtermin bei Marcel Koller. Der Schweizer kommt gerade von der Kaderbekanntgabe-Pressekonferenz. Die Journalisten haben ihn dort traditionell nach Marko Arnautovics Formschwankungen befragt. Koller war angriffslustig. „Haben Sie das letzte Spiel von ihm gesehen", kontert er auf eine an ihn gerichtete Frage. Koller macht das in letzter Zeit öfter. Er reagiert auf Fragen an ihn mit Gegenfragen. Ein Journalist will zum Beispiel wissen, warum Österreich in den letzten zwanzig Minuten gegen Schweden keine Torchance mehr hatte. Koller stellt die Gegenfrage: „Hatten die Schweden in den letzten zwanzig Minuten eine Torchance?" Manchmal wirken die Gegenfragen Kollers witzig. Dann lachen alle. Manchmal würgen sie aber auch einen gerade entstehenden Diskurs ab. Was Koller damit auch zeigt: Er legt es nicht darauf an, von allen gemocht zu werden. „Es ist nicht meine Aufgabe, der liebe Onkel oder der liebe Teamchef zu sein", sagt er im Gespräch mit 90minuten.at. „Meine Aufgabe ist es, erfolgreich zu sein." Das erste Gruppenspiel der Qualifikation endete 1:1. Zu Hause gegen den direkten Konkurrenten Schweden. Wie will Marcel Koller Österreich zur Europameisterschaft führen? Welche Pläne, welche Alternativen hat er? Marcel Koller nimmt Platz.

 

90minuten.at: Sie waren vor ihrem Engagement in Österreich nie zuvor Teamchef und haben jetzt eine Qualifikation hinter sich. Was haben Sie daraus gelernt?
Marcel Koller: Man kann als Teamchef nicht jeden Tag auf dem Platz stehen. Das war anfangs auch richtig extrem für mich. Ich hatte mein erstes Spiel im November und das nächste erst im März wieder. Es war für mich schwierig, die Spieler drei Monate nicht zu sehen. Man sitzt im Büro, macht Vorbereitungen, reist zu den Spielern und versucht seine Idee zu vermitteln. Anfangs hatte ich damit richtige Probleme, die Mannschaft so selten zu sehen.

 

Und wie ist das jetzt?
Mittlerweile hat sich das gelegt. Man hat den Spielern Ideen vermittelt. Sie wissen einen gewissen Ablauf, was die Aufgabe natürlich leichter macht. Aber es ist beim Team schwierig, weil die Spieler nach dem Spiel gleich wieder weg sind und du das nicht jeden Tag weiter geben kannst. Das hat sich in den zweieinhalb Jahren sicherlich verbessert. Das war auch ein Grund für die Vertragsverlängerung. Ich habe immer betont, dass ich zu wenig Zeit habe. Und ich dachte mir vor der Verlängerung: Wenn ich jetzt weggehe, habe ich wieder das gleiche. Ich muss wieder von vorne anfangen. Ich habe gesehen, dass die Mannschaft Potential hat. Wir sind noch nicht fertig mit der Umsetzung meiner Idee, wie ich Fußball spielen möchte. Das braucht noch mehr Zeit.

 

kultshirts banner oktober 2014

fussballshirt.at: Kultige Fußballshirts - powered by 90minuten.at

 

Haben Sie mittlerweile Wege gefunden, um ihre Idee in den kurzen Lehrgängen schneller und effizienter zu vermitteln?
Wichtig ist, dass die Spieler wissen, wie wir spielen wollen. Aber die Detailarbeit - damit einer weiß, ob er noch zehn Meter zurückkommen muss, damit der Raum zu ist - das ist Sisyphusarbeit. Das ist das, was du den Spielern jeden Tag sagen musst. Wenn ein Spieler zwei Monate später wieder kommt, ist das was er ein, zweimal gehört hat wieder weg.

 

Sie haben davon gesprochen, gegen Schweden eine Weiterentwicklung erkannt zu haben. Wo genau?
Wir sind nach dem Ausgleich ruhig geblieben. Wenn wir jetzt das Auswärtsspiel in Kasachstan hernehmen, wo alle einen Sieg erwartet haben, da sind wir die letzten zwanzig Minuten am Platz hektisch geworden. Jeder hat versucht das Tor alleine zu erzielen. Wir haben die Kreativität und Ruhe verloren. Gegen Schweden haben wir versucht weiter Fußball zu spielen und diese Lücke zu finden. Aber Schweden hat mit neun Mann hinten sehr gut verteidigt und es war sehr schwierig da durchzukommen. Um uns zu verbessern müssen wir noch schneller den Ball zirkulieren lassen. Das den Spielern zu vermitteln ist das Ziel. Aber es ist schwer: Wir haben vor dem Spiel in Moldawien eine Trainingseinheit. Es ist sehr schwierig beziehungsweise praktisch unmöglich, alles so in eine Trainingseinheit zu packen, dass man das nachher schon sehen wird.

 

< blockquote>

Verlieren ist sicher schlechter als diesen einen Punkt mitzunehmen.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Wie war ihre Überlegung im Schweden-Spiel? Wollten Sie das Risiko nehmen die drei Punkte zu holen?
Schweden hat nicht viel nach vorne gemacht. Wir mussten nach vorne kommen und hätten durch einen Konter das Spiel noch verlieren können. Verlieren ist sicher schlechter als diesen einen Punkt mitzunehmen. Die Frage war jetzt nicht, ob es geht. Die Frage war, ob der eine oder andere Spieler noch das bringen kann, was ich von ihm erwarte. Und das war nicht der Fall. Deshalb habe ich gewechselt. Wir sind immer in die Mitte gezogen und das war die falsche Lösung. Wir hätten über außen kommen müssen. Das sind aber auch Dinge, die wir bei unserem Treffpunkt miteinander ansprechen müssen.

 

War die Einwechslung von Lazaro nicht ein Risiko? Er hatte zu dem Zeitpunkt ein bisschen mehr als 600 Ligaminuten bei Salzburg, war kein Stammspieler und dann kommt er in der Entscheidung vor 48.000 Zuschauern gegen Schweden ins Spiel. Man hatte schon den Eindruck, dass er von der Kulisse beeindruckt war.
Der Valentino ist 18. Da ist es schon noch so, dass ihm die Ruhe, die Geduld das ein oder andere Mal noch fehlt. Aber er ist ein Spieler mit viel Qualität, mit Schnelligkeit, die du heutzutage auch brauchst. Er kann mit einem Dribbling vorbeikommen. Und du denkst als Trainer: Wer kann dir noch die Entscheidung bringen? Und dann überlegst du: Wer hat die Woche gut trainiert? Er hat die Dinge, die wir speziell für das Schweden Spiel trainiert haben, gut umgesetzt. Und es war meine Hoffnung, dass das klappen könnte.

 

Sie haben am Tag nach dem Spiel in eine Journalistenrunde gefragt: Soll ich beim ersten Spiel schon alles riskieren? Gegenfrage: Geht es nicht um eine gewisse Punkteanzahl, die man erreichen muss, wenn man sich qualifizieren will?
Stark spielen ist wichtig. Wir wollten den Sieg, haben ihn aber nicht erreicht. In der letzten Qualifikation haben wir gegen Deutschland das erste Spiel verloren. Da bist du gleich noch mehr unter Druck.

 

Das heißt: der größere Schaden wäre gewesen zu riskieren und dann das Spiel zu verlieren?

Ja, dann hätten wir das Spiel verloren. Schweden ist auch ein direkter Konkurrent. Die sind jetzt froh, dass sie den Punkt geholt haben.

 

Wie würden Sie sich von ihrem Naturell her einschätzen: Sind Sie eher der risikofreudige oder eher der risikoscheue Typ?
Auf den Fußball bezogen will ich die Spiele gewinnen. Aber ich kenne meine Spieler und habe viele Spiele von Moldawien und von Montenegro gesehen, sodass ich die Gegner schon ein bisschen einschätzen kann. Das ist situativ zu entscheiden, ob man mehr Risiko nimmt oder nicht.

 

Das heißt: Gegen Schweden war es gegen einen direkten Konkurrenten klüger den Punkt abzusichern?
Ich wollte gewinnen. Aber wenn wir sagen: Wir spielen mit fünf Stürmern und die Schweden bleiben alle stehen und du läufst in ein Gegentor, dann wird es ja noch viel schwieriger.

 

Auch die Moldawier werden höchstwahrscheinlich defensiv spielen. Sollte es eine knappe Partie werden und der Gegner gegen Schluss hinten dicht macht, hätten sie eine Strategie parat, um da noch gegenzusteuern?
Es wird auf unsere Hartnäckigkeit ankommen und auf die Konstanz, den Druck hochzuhalten, ihnen keine Luft zu geben. Wir müssen versuchen, das auch auswärts umzusetzen.

 


Sie haben sich früh auf einen Stamm an Spielern festgelegt, um ihre Philosophie zu vermitteln. Es scheint so, als ob einige Spieler wie Fuchs, Janko, Garics oder Harnik zu Beginn ihrer Amtszeit stärker waren als jetzt. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, dass es immer wieder Phasen gibt, wo du ein bisschen besser in Form bist und Phasen nach Verletzungen, wo das nicht so ist. Ich war in meiner aktiven Karriere selber oft verletzt und habe Monate gefehlt. Wenn du da zurückkommst, musst du dich ran arbeiten.

 

< blockquote>

Da muss man auch manchmal sagen: Tut mir leid, du bist jetzt nicht dabei, weil der andere vielleicht etwas hat, um gegen den nächsten Gegner erfolgreich sein zu können.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Es scheint trotzdem so, als wäre die Tendenz da, dass manche Spieler nicht mehr zulegen sondern eher abbauen. Beim ÖFB ging man ja immer davon aus, dass das Team mit den Jahren besser wird. Was würden Sie sagen: Ist das Team von seinen Einzelspielern heute stärker als zu ihrem Amtsantritt?
Es waren ja die gleichen Spieler.

 

Aber würden Sie sagen, dass die Mannschaft von ihrem Leistungsvermögen heute stärker ist als zu ihrem Amtsantritt?
Die Spieler sind ein bisschen älter, aber nicht um die 35 und keiner hört bald auf. Viele sind in einem guten Alter, wo sie Erfahrung haben und sich auch bewusst sind, da und da muss ich wieder zulegen. Es ist auch im Klubfußball so: Es sind nicht nur gute Zeiten dabei, sondern auch schlechte. Und mit denen musst du gut umgehen können. Wir versuchen ja im Nationalteam jede Position doppelt besetzt zu haben. Wenn der eine dann mal schwächelt, hat der andere die Möglichkeit den Platz einzunehmen.

 

kultshirts banner oktober 2014

fussballshirt.at: Kultige Fußballshirts - powered by 90minuten.at

 

Die beiden Legionäre Andreas Ivanschitz und Andreas Weimann sind nur auf Abruf dabei. Zum zweiten Mal in Folge. Kann man sagen, dass die beiden nicht ins System Koller passen?
Sie waren immer mit dabei. Aber es geht darum, zu schauen, ob andere etwas haben, das uns gut tut. Es ist nicht meine Aufgabe der liebe Onkel oder der liebe Teamchef zu sein. Meine Aufgabe ist es erfolgreich zu sein.

 

Die Frage ist: Passen die beiden Spieler nicht in ihr System?
Nein. Weimann spielt ja eigentlich so, wie wir spielen. Ich will jetzt auch nicht Kritik üben. Es sind vielleicht Kleinigkeiten. Und unser Ziel muss sein, auf den einen oder anderen Gegner mal reagieren zu können. Da muss man auch manchmal sagen: Tut mir leid, du bist jetzt nicht dabei, weil der andere vielleicht etwas hat, um gegen den nächsten Gegner erfolgreich sein zu können.

 

Aber hätte die Robustheit, die man in der englischen Liga zeigen muss, gegen Schweden nicht besser gepasst als ein Spieler aus der zweiten deutschen Liga?
Das sind natürlich Überlegungen, die wir im Trainerteam anstellen. Wir analysieren und präsentieren dann jene Spieler, wo wir denken, dass das für die nächsten beiden Spiele passen könnte. Man kann auch nicht immer alles beschreiben und erklären. Man hat manchmal bei dem einen das bessere Gefühl als bei dem anderen.

 

Marco Arnautovic spielt aktuell weniger. Er dürfte konditionell Aufholbedarf haben. Haben Sie mit ihm in letzter Zeit gesprochen...
Ja, habe ich. Gestern. (Anmerkung: Gespräch fand am 30. September statt)

 

Hat er aufgeholt?
Er hat die besten Werte. Auch von den Werten im Schweden-Spiel, was Sprintleistung oder Laufleistung anbelangt, war er voll im Soll drinnen. Wir haben als Team 122 Kilometer zurückgelegt. Das ist auch ein guter Wert.

 

Können Sie die Fragen eigentlich noch hören: Warum spielt Fuchs, warum Almer, warum Janko?
Es ist eh immer ein bisschen anders (lacht). Es war anfangs immer nur das Thema Arnautovic. Das hat sich dann ein bisschen gelegt, jetzt kommt es wieder. Aber das ist ja auch gut. Spieler, die im öffentlichen Interesse stehen, können etwas bewegen oder haben schon einmal etwas bewegt. Wenn alle gleich sind und alles ein Einheitsbrei ist, kann es ja auch nicht richtig sein.

 

< blockquote>

Ich denke, dass ich der Einzige bin, der von unseren Gegner viele Spiele schaut.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Was auffällt: Sie bleiben bei vielen Dingen konsequent. Manche sagen auch: Sie bleiben stur. Sind Sie stur?
Ich denke nicht (lacht). Ich denke, dass ich der Einzige bin, der von unseren Gegnern viele Spiele schaut. Ich fühle mich bei meinen Entscheidungen gut. Wenn sich alle anderen nicht so gut dabei fühlen, dann ist es ihr Problem. Sie haben vielleicht nicht dieses Wissen über die Gegner. Ich habe ja heute bei der Pressekonferenz auch einen Journalisten gefragt, ob er das letzte Spiel (von Marko Arnautovic, Anm. d. Redaktion) gesehen hat. Er antwortet: Nein. Ist das wichtig? Ich sage: Ja sicher ist das wichtig, dass du ein Spiel siehst. Wie willst du einen Spieler sonst beurteilen. Ich muss als Trainer beurteilen können: wie hat ein Spieler gespielt, was hat er gemacht? Oder: Hat mir das gefallen, wie er gespielt hat? Ist das gut für uns? Gibt mir das ein gutes Gefühl, wenn ich ihn aufbiete?

 

Bei manchen hatten sie lange nicht die Gelegenheit Spiele zu beobachten.
Ich muss ja nicht vor Ort sein, um die Spieler live zu sehen. Es gibt ja auch fernsehen.

 

Aber manche spielen gar nicht. Die kann man nicht beobachten. Bei Robert Almer zum Beispiel.
Jaja, klar. Aber dann kann ich ihn ja aus dem beurteilen, was ich in der Vergangenheit gesehen habe, wenn er beim Team war.

 

< blockquote>

Wenn einer nur laufen kann, aber nicht die Qualität hat, dann wird es schwer.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Merken Sie einen großen Unterschied am Feld während eines Spiels, ob ein Spieler bei seinem Verein regelmäßig spielt oder eben nicht spielt?

Grundsätzlich ist es so: Wenn einer regelmäßig spielt und den Rhythmus hat, das merkst du natürlich schon. Aber für mich ist auch wichtig, dass wir die Qualität haben. Wenn einer nur laufen kann, aber nicht die Qualität hat, dann wird es schwer. Es ist auf diesem Niveau so eng, dass der Ball sofort wieder weg ist, wenn ihn sich ein Spieler nicht gut mitnimmt. Das sind Dinge, die man beurteilen muss. Viele können 90 Minuten laufen. Rauf und runter. Aber dann kommt der Ball noch dazu. Das ist dann halt auch bei vielen ein Problem.

 

Das heißt: Hohe individuelle Qualität fängt die fehlende Spielpraxis ein wenig auf. Kann man das so zusammenfassen?
Ja.

 

< blockquote>

Wenn man die Spiele der WM gesehen hat, wird deutlich, dass in der österreichischen Liga auch noch viel mehr möglich ist< /div>< /div>< /blockquote >

 


 

Sie haben vor einigen Wochen nach dem Rapid-Out im Europacup die Arbeit der österreichischen Trainer ein wenig kritisiert. Merken Sie eigentlich im Training, dass Legionäre, die bei internationalen Klubs spielen, ihre Taktik schneller umsetzen können?

Ich denke nicht, dass das etwas mit der Liga zu tun hat, sondern mit dem Trainer, den er zur Verfügung hat und wie er mit den Spielern und dem Team arbeitet. Wenn ich die Spiele hier schaue, dann können wir uns immer noch verbessern. Als ich die Aussage gemacht habe, bin ich gerade mit den Eindrücken der WM aus Brasilien zurückgekommen. Wenn man dort das hohe Tempo, die Schnelligkeit und die Fitness sieht, wird deutlich, dass hier auch noch viel mehr möglich ist.

 

Rapid-Trainer Barisic hat auf ihre Worte geantwortet, dass man das von Außen nicht beurteilen kann.
Aber du siehst ja als Trainer von Außen auch etwas.

 

< blockquote>

Wir können mehr tun...Die Spieler wollen ja auch weiterkommen< /div>< /div>< /blockquote >

 

Das heißt, Sie haben quasi den Journalisten gespielt?
(Lacht) Es ist ja immer so, dass man mehr machen kann. Man darf nicht zufrieden sein und du musst die Spieler korrigieren. Es hat jetzt nichts mit Rapid zu tun, sondern war allgemein gemeint. Ich habe ja auch eine Zeit lang jeden Verein besucht und ein Training angeschaut. Es ist zwar nur ein Training, aber ich habe auch eine gewisse Erfahrung, um ein Spiel beurteilen zu können. Wir könnten mehr tun. Die Spieler werden danke sagen, wenn sie bereit sind etwas aufzunehmen - und der Großteil der Spieler will das. Die wollen ja auch weiterkommen.

 

kultshirts banner oktober 2014

fussballshirt.at: Kultige Fußballshirts - powered by 90minuten.at

 

Es gab die Aussage von Terrence Boyd, der von Rapid zu Leipzig gewechselt ist, wonach er in Österreich nicht mehr hundert Prozent geben musste und bei Ballverlust nur ein Spieler dem Ball hinterherjagt und alle anderen stehen.
Der Konkurrenzkampf in Deutschland ist größer. Dort hat der ein oder andere vielleicht ein bisschen weniger Talent, gibt aber Vollgas. Der Konkurrenzkampf und der Druck dabei zu sein ist viel größer. Das Gute ist, dass die Spieler dort merken: Ich muss Gas geben und dazwischenhauen, dann kann ich auch dabei sein.

 

< blockquote>

Es ist gut, wenn wir eine Mannschaft wie Red Bull Salzburg haben, die top ist, weil die anderen davon lernen können< /div>< /div>< /blockquote >

 

Stichwort Konkurrenz: Finden Sie es besser, wenn die österreichische Meisterschaft spannend verläuft oder wenn Red Bull Salzburg vorne weg zieht?
Es ist gut, wenn wir eine Mannschaft haben, die top ist, weil die anderen davon lernen können. Anscheinend haben die Vereine das heuer gemacht. Du musst analysieren: Wie kannst du gegen eine Spielweise angehen. Das hat die eine oder andere Mannschaft getan. Daher ist es auch gut so, wie es im Moment ist.

 

Sie selbst haben vor der Qualifikation mit Mittelfeld-Pressing eine alternative Spielvariante dazu genommen. Hatten Sie den Eindruck, dass Österreich zu ausrechenbar geworden ist?
Du kannst ja nicht immer Angriffs-Pressing spielen. Wenn der Gegner nur lange Bälle spielt, funktioniert das nicht. Die Idee des Mittelfeld-Pressings ist genau gleich, nur dass wir zwanzig, dreißig Meter weiter hinten stehen. Wir haben das gegen Tschechien versucht und es hat in dem Sinne nicht geklappt, dass ich gesagt hätte: Oh, wir können das. Von der Idee her ist es genau das Gleiche. Aggressiv sein, agieren. Nicht abwarten, hinterherlaufen und hoffen, dass der Gegner vielleicht einen Fehlpass macht; sondern das Heft in die Hand nehmen und den Gegner zu Fehlern zwingen.

 

< blockquote>

Wenn wir gegen Schweden ein zweites Tor machen und die keines mehr, wäre die Diskussion doch gar nicht< /div>< /div>< /blockquote >

 

Immer wieder – auch nach dem 1:1 gegen Schweden – wird die mangelnde Chancenverwertung beklagt. Ist die fehlende Effizienz ein Grundproblem ihrer Mannschaft?
Wenn man viele Spiele schaut, dann merkt man, dass auf der ganzen Welt nicht jede gute Torchance auch verwertet wird. Es gibt Spezialisten, die mehr Tore schießen, die sind dann aber bei den Topklubs. Und andere können das vielleicht noch lernen.

 

Kann man Chancenverwertung lernen?
Ich hatte einmal einen Mitspieler, der stand immer am richtigen Ort. Ich denke schon, dass du das verfeinern kannst: Bewusster, konsequenter, aggressiver. Da musst du aber auch als Trainer Zeit haben. Ich sehe das, du musst es aber auch verlangen. Und das ist beim Nationalteam schwierig, weil eben die Zeit fehlt.

 

Man sieht auch bei großen Mannschaften immer wieder, dass sogar Weltklassespieler viele Großchancen liegen lassen. Ist es vielleicht weniger ein Problem, dass man die vier, fünf Halbchancen nicht verwertet, sondern man zu wenige zwingende Chancen kreiert?
Wenn du fünf Chancen hast, dann hast du die ja auch kreiert. Und der Schweden-Torhüter hat gegen uns sehr gut gehalten.

 

Aber ist ihre Mannschaft gegen Schweden wirklich an der Chancenverwertung gescheitert? Die Schweden hatten nach dem 1:1 auch einen Lattenschuss. Dann wäre es 1:2 gestanden.
Das war die einzige Chance der Schweden. Wenn wir ein zweites Tor machen und die keines mehr, wäre die Diskussion doch gar nicht.

 

Besteht aus strategischer Sicht die Möglichkeit, die Chancenanzahl zu erhöhen?
Wenn du das erste Tor machst, dann kommt der Gegner wahrscheinlich ein bisschen heraus und wir hätten mehr Raum. Es gibt wenige Mannschaften, die 0:1 zurück liegen und weiterhin hinten bleiben.

 

Was, wenn gegen Moldawien dieses schnelle Tor nicht fällt. Welche Strategie haben Sie dafür?
Ruhig bleiben, das wird ganz entscheidend sein.

 

Aber nicht zu ruhig bleiben, oder?
Nein, wir müssen konstant den Druck hochhalten, aber nicht hektisch werden, wenn es nicht gleich am Anfang passiert.

 

< blockquote>

Siege kannst du nicht planen< /div>< /div>< /blockquote >

 

Wie geht man als Teamchef eigentlich an so eine Qualifikation heran? Braucht es dafür eine Art Masterplan oder reicht es von Spiel zu Spiel zu schauen?

Das ist ein von Spiel zu Spiel schauen. Siege kannst du nicht planen.

 

Haben Sie jemals ausgerechnet, wie viele Punkte sie wann und wo holen sollten, um sich zu qualifizieren?
Nein, das bringt nichts.

 

Man könnte sich ja hinsetzen, sich den Spielplan anschauen und dann ein bisschen von der Strategie her taktieren. Nie gemacht?
Ja, wie beim Toto, oder? Es passiert im Spiel. Wie in Irland. Dort sind wir in Führung gegangen, sind dann 1:2 hinten und schießen noch das 2:2. Zu Hause gegen Irland wussten wir: Wir dürfen nicht verlieren sondern müssen gewinnen. Zweite Halbzeit haben nur noch wir gespielt. Und wir haben das Spiel gewonnen. Man kann das im Vorfeld nicht planen.

Danke für das Gespräch.