Karl Wieseneder: ‚Wir verstecken uns oft hinter der Kleinheit von Österreich. Das ist Bullshit'
Im Interview mit 90minuten.at spricht Karl Wieseneder, Geschäftsführer LAOLA1 und geschäftsführender Gesellschafter the sportsman media holding, über die geringe Wertschätzung von Sport in Österreich, warum die Politik in die Pflicht genommen werden muss
90minuten.at: Sport, Medien und Business in Österreich? Wie funktioniert dieses Dreieck in Österreich?
Karl Wieseneder: Grundsätzlich hat Sport zu wenig Bedeutung in Österreich. Das Sportbewusstsein in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren zurückentwickelt. Es gibt auch zu wenig Lobbying, die verantwortlichen Personen stehen zu wenig dahinter. Natürlich spielen da auch die Medien eine Rolle, da diese für den Sport zu wenig kämpfen und darunter leidet auch wieder das Business. Das Potenzial im Sportbusiness wird in Österreich nicht ausgeschöpft.
Sie meinen also, dass das Sportbewusstsein sogar rückläufig ist?
Ja, das allgemeine Sportbewusstsein in Österreich geht zurück, es wird Sport weniger bewusst erlebt aber auch die Konsumation des Sports geht zurück, diese Hypothese stelle ich auf. Wir sind hier im Vergleich zu anderen Ländern unterentwickelt. Die Sportstunden im Bereich der Familien, Kindergärten, Schulen nehmen ab. Sport hat einfach keine Bedeutung, aktiver Sport wird nicht gefördert, das sieht man ja auch beim Thema Sportstättenbau und zieht sich vom Amateur- bis in den Profisport. Die Politik ist im Sport nicht mehr präsent.
Sehen Sie Länder, in denen es eine andere Entwicklung gibt?
Zu meinen Bundesliga-Zeiten, das ist schon 20 Jahre her, haben wir Studienreisen nach Skandinavien unternommen. Da sind wir am Sonntag um sieben Uhr früh angekommen und die Sportplätze waren voll, man hat viele Leute auf der Straße laufen oder Radfahren gesehen. Ein damaliger Funktionär hat gemeint: „Bei uns sieht man um die Zeit die Leute betrunken nach Hause wanken." Das ist eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte hinzieht. Die Infrastruktur in diesen Ländern für den Breitensport war einfach vorhanden, das Sportbewusstsein war daher in den Köpfen der Bevölkerung.
Und Österreich im Vergleich dazu ...?
Sport wird in Österreich nur sehr gering gefördert. Ich habe letztens eine OECD-Studie in die Hände bekommen und gelesen, dass Österreich bei den 15-Jährigen die dicksten Kinder haben, über 50% sind überfettet – dafür trinken sie den meisten Alkohol und rauchen am meisten. Eine andere Studie hat gezeigt, dass Österreichs Bevölkerung den höchsten Kalorienbedarf hat. Platz eins – noch vor den USA ...
< blockquote> Warum gibt es diese Entwicklung in Österreich Ihrer Meinung nach? < blockquote> Kommen wir zum Thema Sport-Infrastruktur. Ist die öffentliche Hand hier für Stadien, etc. in die Pflicht zu nehmen? Rund um Österreich sprießen die Sporttempel wie Schwammerl aus dem Boden, Österreich scheint wie gelähmt .. Nehmen die Medien die Rolle der Systemkritik nicht wahr? Kann man diesen Rückstand aufholen? Apropos Wetten: Ist es Ihrer Meinung nach problematisch, dass sich die Bundesliga tipico an Board geholt hat? Mit Sport + Marke (Infos und Anmeldung) kommt erstmals ein internationaler Sport/Business Kongress nach Österreich. Was erwarten Sie sich davon? Danke für das Interview! >>> Informationen und Anmeldung zum Kongress unter www.sport-marke.at
Es liegt einiges im Argen in Österreich, das zieht sich dann natürlich rauf bis in den Profisport und man sieht es natürlich auch bei der Infrastruktur. Eine Einstellung zum Sport gibt es nicht, die Politik muss in die Pflicht genommen werden. Es gibt für den Sport keinerlei Lobby, auch nicht überparteilich. Auch die Sportverbände haben versagt, die Bundessportorganisation, die ganzen Dachverbände. Die haben alle nur auf sich geschaut und wir haben den Zug verpasst.
Die Politik muss vor allem für den Breitensport die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Wenn man ganz unten anfängt, dann würden sich Vereine wie Rapid oder Austria auch leichter tun und die öffentliche Hand nicht in dem Ausmaß benötigen, weil es dann einfach mehr Sportinteresse geben würde, was sich dann positiv auf alle Bereich, auch auf das Sportbusiness, auswirkt. Allein wenn man hochrechnet, was überfettete Kinder in der Zukunft kosten. Was wird aus denen in 10 Jahren? Man muss das Geld vorher investieren, damit diese Kinder gar nicht so ungesund leben. Der Anteil der öffentlichen Hand für große Stadionprojekte ist aus meiner Sicht nur das letzte Puzzleteil ganz oben, wichtig ist wie schon erwähnt die Infrastruktur für den Breitensport.
Wir verstecken uns oft hinter der Kleinheit von Österreich. Das ist Bullshit. Es gibt Städte wie Linz, Graz, Salzburg die man mit vielen Städten in Deutschland vergleichen kann. Von Wien will ich erst gar nicht sprechen. Dass da ein 25.000er-Stadion überhaupt so eine Diskussion ist, ist lächerlich. Man muss größer denken, man muss internationaler denken. Man hat aber speziell bei Rapid und Austria auch vor der Euro 2008 die Chance verpasst, ein tolles Stadion hinzustellen, in dem Rapid, Austria und das ÖFB-Team spielen. Dann hätte Rapid einen Schnitt von 45.000, die Austria von 30.000 Zuschauern. So ist es jetzt aber, wie es ist. Da waren die Vereine aber zu kleinkariert.
Da muss man ein bisschen zurückdenken. Vor 20, 30 Jahren gab es zwei, drei starke Medien, die das Land regiert haben. Die haben sich mit dem Sport zusammengetan, die haben dann den Sport quasi auch bestimmt. Da hat man sich dann lange Zeit der erforderlichen neuen Situation nicht angepasst so wie etwa in Deutschland, wo in den 80er-Jahren zum Beispiel das TV privatisiert wurde. Man hat dann den Absprung von den zu dominanten Medien nicht geschafft. So wie beim Privatfernsehen. Darunter hat auch der Sport gelitten.
Das wird man rein national gesehen nur noch schwer aufholen können, das funktioniert wenn dann nur im internationalen Konnex. Ein Beispiel: Was die Privatisierung des TVs betrifft, ist Österreich 20 Jahre hinten nach. Österreich tut sich jetzt daher ungleich schwerer und muss sich noch dazu gegen die Konkurrenz aus Deutschland durchsetzen. Wenn das damals Hand in Hand mit Deutschland passiert wäre, wäre es kein Nachteil gewesen. Das wurde meiner Meinung nach bewusst verabsäumt. Ein ähnliches Beispiel passiert übrigens gerade in Deutschland zum Thema Wetten, da ist Deutschland viel zu spät dran.
Ich sehe da kein Problem. Nicht die Wettanbieter sind das Problem, die sind sogar die Geschädigten. Die Manipulationen werden von anderen Leuten betrieben, egal ob die Bundesliga tipico heißt oder nicht.
Es ist sehr gut. Man sollte möglichst viele derartiger Veranstaltungen haben, so etwas sollte es täglich geben (lacht). Solche Veranstaltungen heben den Wert des Sports. Je mehr getan wird, um die Qualität zu verbessern, desto besser. Ich hoffe, dass Sport + Marke angenommen wird. Es gibt auch in der Wirtschaft aufholbedarf, professionelles Sportsponsoring zu betreiben und auch den Medienwert zu erkennen, den Sport bieten kann. Vor allem in einer Zeit, wo Etats oft nur noch international vergeben werden, ist es umso wichtiger, den nationalen Stellenwert des Sports zu heben.