Günter Kreissl: ‚Die Spieler steigen im Amateurbereich manchmal finanziell besser aus'

Immer wieder am Abgrund und trotzdem noch immer in der Bundesliga vertreten. Neben der sportlichen Komponente kommt für den SC Wiener Neustadt jetzt aber auch noch ein andere, bedrohende Herausforderung zu: die Infrastruktur. Wiener-Neustadt-Manager Günte

 

90minuten.at: Es gab vor wenigen Tagen eine wichtige Entscheidung in Sachen Stadion. Was bedeutet das konkret für den Verein Wiener Neustadt? Was ist jetzt noch zu tun?
Günter Kreissl: Es freut uns natürlich, dass im Rahmen des Bürgervotums viele Menschen die Chance genutzt haben ihre Meinung kundzutun. Dass mit 60 Prozent eine klare Mehrheit für den Bau einer mehrfunktionellen Sportanlage war, ist ein erfreulicher Umstand, der hoffentlich auch Wirkung auf diversen politischen Ebenen zeigen wird.

 

Was können wir uns unter einer Multifunkionsanlage vorstellen?
Kreissl: Unserem Wissensstand nach ein Sportareal, dessen Herzstück ein kompaktes Fußballstadion samt Trainingsplätzen ist, auf dem aber auch andere Sportarten wie etwa Leichtathletik, Beachvolleyball, etc. eine neue Heimat finden könnten.

 

Gibt es einen Plan B, den Verein und Stadt stemmen können, wenn es doch nicht zu diesem Projekt kommt?
Kreissl: Das kann man nicht so einfach mit Ja oder Nein beantworten. Es gibt die Bekundungen der Stadt, in jedem Fall mitzuhelfen die BL-Kriterien erfüllen zu können. Wir als Verein können es alleine definitiv nicht stemmen, beziehungsweise ist es aus heutiger Sicht schwer denkbar. 

Spritzendorfer: Wir werden da auf die Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen sein.

Kreissl: Die Stadt ist sich schon auch bewusst, dass, wenn die Finanzierung mit Land und Bund nicht zustande kommt, alles unternommen werden muss, um die Bundesliga-Kriterien zu erfüllen.

 

Sportlich könnte es durchaus rosiger aussehen, aber der SC Wiener Neustadt ist schon so oft tot geschrieben worden und doch nicht abgestiegen. Dennoch: Gilt der Neubau unabhängig von der Spielklasse, in der gespielt wird?
Kreissl: Diese Frage müsste man eigentlich wieder der Stadt-Politik stellen. Was wir aber gehört haben, soll dieses Projekt unabhängig von der Spielklasse durchgezogen werden, da es die vorherrschende Meinung gibt, dass eine so große Stadt in jedem Fall über bessere infrastrukturelle Sportbedingungen verfügen sollte.

 

Das Thema gibt es schon länger. Der Bund hat in der Südstadt ein Stadion, Landeshauptmann Erwin Pröll hat schon eines in St. Pölten bauen lassen und macht keinen Hehl aus seiner Präferenz, dass eben dieser Klub in der Bundesliga spielen soll. Wie schwierig ist das für den Klub SC Wiener Neustadt? Wenn man dann noch die Größenordnung von 10 Millionen Euro für das Rieder Stadion im Kopf hat.
Kreissl: Zunächst einmal brauchen wir für 2015/16 eine gewisse Anzahl überdachter Plätze, das könnten wir durch das Überdachen bestehender Zuschauerbereiche arrangieren. Ab der Saison 2016/17 braucht der SC dann noch eine Rasenheizung. Auch das erscheint mir mit Hilfe machbar, da man über die Kosten in sechsstelliger Höhe Bescheid weiß und es hier auch einen „Von-Bis"-Bereich gibt. Wir müssen nicht zwingend z.B. sechs oder acht Millionen investieren. Rein auf die BL-Kriterien bezogen geht das auf alle Fälle auch günstiger. Die Frage ist, was man zur Verfügung hat und was perspektivisch Sinn macht. Was es für uns aber wirklich schwierig macht, ist die politisch bedingte, lange Zeitspanne, bis Entscheidungen fallen. Aber gewisse Kriterien müssen einfach in 20 Monaten erfüllt sein, im Juli 2016. Bis es aber auf politischer Ebene Entscheidungen gibt, sind uns die Hände gebunden. Es gibt viele Interessen, die am politischen Parkett von uns nur schwer einzuschätzen sind.

 

Wann gibt es die endgültige Entscheidung in der Stadionsache?
Kreissl: Hoffentlich sehr bald! Inzwischen wäre jedes Monat, jede Woche früher von positiver Bedeutung.

 


Die wirtschaftliche Lage ist hier in Wiener Neustadt auch nicht rosig. Der Verein wurde von Frank Stronach von 0 auf 100 hergestellt, da gibt es quasi keine lokale Verwurzelung. Aber man ist nun einmal da. Inwiefern würde sich die wirtschaftliche Lage mit einem attraktiveren Stadion verbessern?
Spritzendorfer: Es gibt viele Beispiele, dass das in der Regel positive Effekte hat. Es bringt nicht nur kurzfristig aus Neugier neue Besucher, es erhöhen sich auch mittel- und langfristig die Zuschauerzahlen. Somit ist ein Anstieg der Erlöse aus den Bereichen Ticketing und VIP denkbar. Es wäre schön, wenn die Infrastruktur unser einziges Problem wäre. Dann müsste ja unsere überdachte Haupttribüne immer voll sein und dann ließe sich darüber streiten, ob man sich bei Wind und Wetter auf die nichtüberdachten Tribünenbereiche setzt oder stellt. Wir sind da gefordert, die Akzeptanz für den Verein dauerhaft zu erhöhen. Das versuchen wir auch durch diverse Marketingaktionen und einer gewissen Portion Selbstironie zu erreichen - unabhängig von der Infrastruktur.

 

Finanziell schaut es generell, mit der Ausnahme Red Bull, nirgends rosig aus. Wie einfach ist es, überhaupt gute Spieler für Wiener Neustadt zu bekommen? Immerhin ist die Fluktuation in den letzten Jahren zurückgegangen.
Kreissl: Die Basis dafür ist der Glaube, dass wir es schaffen können. Wir raunzen nicht, dass wir mit Abstand das niedrigste Budget haben und deshalb Herausforderungen nicht zu bewältigen sind. Unser Ziel ist es, mit dem definitiv billigsten Kader der tipico-Bundesliga maximalen Erfolg zu haben. In den letzten zwei Jahren haben wir da zum Beispiel sehr viel Mühe und Aufwand, nicht Geld, ins Scouting investiert. So haben wir immer wieder Spieler gefunden, die zunächst ganz oben nicht so wahrgenommen wurden. Es muss aber schon auch klar sein, dass das mit unseren Mitteln Jahr für Jahr ein Drahtseilakt ist, Richtung gesichertem Klassenerhalt zu agieren. Aber es ist machbar. Das haben wir in den letzten drei Jahren bewiesen. Da ist es aber auch so, dass viele Spieler um ein bisschen weniger Geld spielen, weil der SC auch sehr positive Eigenschaften, wie den Bundesliga-Status und die familiäre Atmosphäre, hat, was viele Spieler zu schätzen wissen. Aber kaum ein Spieler macht's um 25 Prozent von dem, was er bisher hatte.

 

Die Vereinigung der Fußballer hat neulich gemeldet, dass in Österreich recht wenig verdient werden kann. Ab wann ist man überhaupt noch Profifußballer?
Kreissl: Dazu stehe ich pragmatisch. Sobald einer im Hauptberuf Fußballer ist und kollektivvertragsmäßige Vorgaben erfüllt werden, ist er Profi. Dass ein Spieler am Karriereende für sein weiteres Leben ausgesorgt hat, hat im österreichischen Fußball im Grunde noch nie funktioniert. Natürlich sind wir im Vergleich mit anderen Ländern vom Lohnniveau her niedrig. Fußballer ist in Österreich in der Regel kein Luxusberuf. Die Vereine – und das ist gut so – arbeiten meiner Einschätzung nach, heutzutage sehr korrekt, geben in immer mehr Fällen nur noch aus, was sie haben und sind auch finanzsteuerrechtlich nicht bereit sich Blöße zu geben. Als Konsequenz dieser grundsätzlich positiven Entwicklung ist aber auch das tatsächliche Einkommen der Spieler wahrscheinlich auf keinem Höchstwert.

 

Der Kollektivvertrag ist mit 14 Mal 1144 Euro brutto nicht gerade üppig. Auch wenn das Geld ist, das viele andere Sportarten gerne hätten.
Kreissl: Das ist meistens nur das Grundgehalt, da kommen noch Prämien dazu. Mit den Prämien kommst du dann zum Beispiel auf 1.500 Euro brutto. Das ist bei jungen Spielern absolut adäquat. Das ist nicht großartig, aber es muss sich niemand deswegen schämen. Aber eines ist auch Fakt: Der 18-Jährige, der im normalen Berufsleben steht, kann daneben noch in der Regional- oder Landesliga spielen und kann als Amateur bis zu 540 Euro Pauschale Reiseaufwandsentschädigung erhalten. Der steht dann eventuell in Summe besser da als einer, der in den Profiligen 1.500 brutto verdient, das ist klar. Dadurch entsteht aber auch ein Missverhältnis. Die Spieler steigen im Amateurbereich manchmal finanziell besser aus.

 

Wäre es da nicht wünschenswert, durch Ausbildungs- und Unternehmenskooperationen die Idee des reinen Profitums in beiden Ligen zu öffnen? Das wäre ja auch im Sinne der Fußballer, weil nicht aus jedem Akademiekicker ein erfolgreicher Profi wird. Parndorf hat das ja probiert.
Kreissl: Die Punkteanzahl von Parndorf war beachtlich für einen Halbprofiverein. Und diesen Ansatz würde ich nicht vom Tisch wischen. Aber viele Spieler wollen nur Profis sein. Diese Bereitschaft zu einer Zweittätigkeit, egal ob Arbeit oder Ausbildung zu bekommen, wäre ein immens positiver Prozess. Die Grundidee ist sehr gut, und sie ist auch gar nicht neu. Vor allem in dem Bereich, wo es nicht unglaublich lukrativ ist, Fußballprofi zu sein. Es würde die Qualität auch nicht drücken, wenn einer, statt lange zu schlafen und dann trainieren zu gehen, einem Job nachgeht oder die Uni besucht - dann schadet das der fußballerischen Leistung nicht. Für mich kann man das andenken. Ab und bis zu welchem Niveau ist zu hinterfragen.

 

Jetzt sind wir beim Ligenformat angelangt, quasi. Die Phalanx der Verteidiger der Zehnerliga in der Bundesliga bröckelt. Muss da nun im Sinne von allem, was wir bisher besprochen haben, etwas passieren?
Kreissl: Sich auf dieses Thema in einem Interview einzulassen, ist zum derzeitigen Moment fahrlässig. Das kann eventuell noch mehr Unruhe bringen, weil wir – die Bundesliga und ihre Vereine - grundsätzlich geschlossen auftreten wollen. Nur so viel: Wenn man bei irgendeinem Thema deutlich orten kann, dass bei einer größeren Anzahl an Vertretern der Bundesliga eine Unzufriedenheit da ist, ist es aus meiner Sicht immer legitim, Dinge zu hinterfragen. Das heißt nicht: Ich bin für das oder jenes. Ich finde nur, dass man einen Prozess des Hinterfragens anlassbezogen immer starten kann. Auch wenn dabei raus kommt, dass alles so bleibt, wie es ist. Das Ziel muss sein, dass das Produkt interessant ist.

Wir danken für das Gespräch!