BVB-Social-Media-Chef David Görges: 'Wir haben keine Posting-Garantie'
David Görges ist Leiter Neue Medien bei Borussia Dortmund und in dieser Funktion für sämtliche Web 2.0-Auftritte des deutschen Spitzenclubs verantwortlich. Im Rahmen des „Sport & Marke"-Kongresses im Wiener Hotel Savoyen konnten wir mit ihm über die Bedeu
Herr Görges, Borussia Dortmund weist mittlerweile mehr als 8 Mio. Fans bei Facebook, 930.000 Twitter-Follower und mehr als 300.000 Newsletter-Abonennten auf. Warum engagiert sich der Verein derart stark in den sozialen Medien?
David Görges: Die sozialen Medien sind längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und daher ist es für uns eine Selbstverständlichkeit diese Kanäle auch zu besetzen. Seiten über Borussia Dortmund würde es auf Facebook und Co. auch ohne unser Zutun geben, bespielen wir diese Seiten aber selbst, können wir sie auch entsprechend steuern, damit eine weitere Bindung zu unseren Fans aufbauen und Reichweite erzielen. Zudem transportieren diese Seiten auch Emotionen, die uns helfen, Sympathisanten zu Fans zu machen.
Gerade Letzteres dürfte aber nicht immer einfach sein?
Das hat auch niemand behauptet, aber durch kluge und durchdachte Beitrage können wir den Wirkungsbereich unserer Botschaften und Nachrichten deutlich erhöhen und auch Leute ansprechen, die wir so nicht erreicht hätten. Das ist natürlich eine Menge Arbeit, bei der auch immer die Gewissheit da sein muss, dass schlussendlich ganz klar der Verein und die Mannschaft im Mittelpunkt stehen. Unsere Kernaufgabe besteht darin, die sportlichen Ereignisse bestmöglich zu begleiten.
Hebt sich Borussia Dortmund in seinem digitalen Auftritt von anderen Bundesliga-Vereinen ab?
In vielerlei Hinsicht natürlich, wobei ich nicht bewerten kann, ob wir qualitativ besser oder schlechter unterwegs sind. Die nackten Zahlen sprechen in jedem Fall für uns, dabei sind wir hinter dem FC Bayern München die Nummer 2 in Deutschland ...
... ein Platz den man auch in der Endtabelle einnimmt ...
..... und der im digitalen Bereich vollkommen logisch ist. Bayern München hat jahrzehntelang große Erfolge gefeiert, da ist es völlig klar, dass sich das auch nachhaltig in Zahlen niederschlägt. Unabhängig davon ist es aber beeindruckend, welche Bedeutung die Vereine der Deutschen Bundesliga mittlerweile auf Facebook und Co. erlangt haben. Obwohl die meisten Vereine erst 2010 oder 2011 in den sozialen Netzen aktiv wurden, machen sie kumuliert den größten Facebook-Kanal ganz Deutschlands aus. Digitale Kanäle sind mittlerweile also relevante Medien, die in vielen Vereinen auch sehr intensiv gelebt werden.
Wie würden Sie den Auftritt des BVB im Netz im qualitativen Vergleich mit anderen Bundesligisten bewerten?
Es gibt regelmäßig Untersuchungen zu dem Thema, was uns die Möglichkeit gibt, uns nicht selbst einschätzen zu müssen. Quantitativ sind wir wie gesagt auf Platz 2 in Deutschland und in der qualitativen Bespielung unserer Netzwerke sind wir – so hoffe und glaube ich – ganz vorne dabei. Wobei man schon sagen muss, dass im digitalen Bereich keine Konkurrenzsituation zwischen den Vereinen herrscht und wir in vielen Bereichen zusammenarbeiten.
Während sportlich also größte Rivalitäten gelebt werden, kooperiert der BVB online mit Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Schalke und sogar dem FC Bayern?
Kooperation ist der falsche Ausdruck dafür, aber wir sprechen im Rahmen einer Expertenkommission der Deutschen Fußball Liga (DFL) regelmäßig miteinander und tauschen uns zu den unterschiedlichsten Inhalten aus. Digitale Ideen und Strategien haben immer nur eine Relevanz für den jeweiligen Fan und der wird nicht in den Facebook-Kanal eines anderen Vereins schauen, ob dort beispielsweise dieselbe Applikation läuft. Wir können uns in diesem Bereich also sehr gut austauschen, uns beispielsweise in den Bereichen Service und Fannähe aber trotzdem gut unterscheiden.
BVB: Über 8,9 Mio. Fans auf Facebook
Welcher Aufwand steckt hinter dem gesamten Online-Auftritt des BVB?
Wir haben alleine 12 Kameraleute und Redaktionsmitglieder, die sich um unseren BVB Total!-TV-Auftritt kümmern und den Klub rundum begleiten. Im sozialen Medienbereich reden wir von vier Mitarbeitern, dazu haben wir sieben Programmierer für die technische Infrastruktur und auch die Kommunikationsabteilung mit ihren insgesamt vier Leuten liefert viel Content und Input. Dazu kommen noch kommerzielle Inhalte, die etwa von Mitarbeitern des Online-Shops erstellt werden. Wir leben die digitalen Themen bis hinauf in die Vereinsspitze, wenn das oberste Management Live Content in Form von Bildern und kurzen Videos von ihren Handys etwa von der Champions League -Auslosung in Nyon liefert.
Wie viel Überzeugungsarbeit war intern auf dem Weg hin zu dieser tiefen Verwurzelung im Verein notwendig?
Sehr viel, weil das Thema auch so vielschichtig ist und wir im Fall der Fälle auch die Spieler miteinbeziehen, wenn wir das für eine gute Idee halten und Content damit ideal aussteuern können. Wir haben beispielsweise mit unserem Sponsor MAN den MAN-Brückenschuss ins Leben gerufen (Anm.: das Video ist hier zu sehen), bei dem ein Spieler den Ball in einer Unterführung aus der vorderen Eingangstüre des Mannschaftsbusses geschossen hat und der Ball dann bei der hinteren Tür zurück in den Bus flog und von Torhüter Roman Weidenfeller gefangen wurde. Das war richtig guter Content, von dem wir überzeugt waren, dass ihn unsere Fans, aber auch der Sponsor gut finden werden und den wir über einen viralen Ansatz verteilen wollten. Also haben wir das Video zu Beginn nicht auf unserer offiziellen Plattform gepostet, sondern auf den Seiten von Nuri Sahin und Roman Weidenfeller und erst später auf unserer eigenen Seite, was so von unseren Fans sehr gut angenommen wurde.
Derart guten Content zu finden und zu kreieren ist aber oft eine schwere Herausforderung ...
... die uns aber deutlich leichter fällt, weil wir es mit einem Fußballverein mit all seinen Emotionen und Geschichten rundherum zu tun haben. Trotzdem stimme ich Ihnen hier hundertprozentig zu, guter Content liegt nicht auf der Straße, den muss man suchen und ausfindig machen und das ist oft mehr Aufwand, als Außenstehende vermuten möchten. Unser Ansatz ist es dabei sowohl unterhaltsame, als auch intelligente Geschichten zu finden. Nehmen wir unsere Fans und unser Motto „Echte Liebe" (Anm.: für die Kampagne bekam der BVB den Marketingpreis des Deutschen Sports verliehen) nicht ernst, dann wird das an der Stelle auch nicht funktionieren und sich schlussendlich kontraproduktiv auswirken.
Lässt der BVB dabei im Zweifel auch den einen oder anderen Tag ohne Posting verstreichen, bevor aus der Not heraus Content verwendet wird, der qualitativ nicht den Ansprüchen genügt?
In jedem Fall! Wir haben keine Posting-Garantie. Wenn nichts Relevantes passiert, dann müssen wir nicht unbedingt etwas posten. So könnten wir etwa zwischen Weihnachten und Silvester aufgrund unserer Manpower ein starkes Programm fahren, aber da gibt es nur sehr wenige Themen mit Relevanz und dann belassen wir es auch dabei und halten uns entsprechend zurück.
Wie groß sehen Sie unabhängig davon die Gefahr, dass der digitale Auftritt des BVB mit seinen vielen Millionen Online-Fans bei der eigentlichen Fanbase als zu übertrieben und zu kommerziell wahrgenommen wird? Der BVB verkörpert in seiner Außendarstellung schließlich immer noch ganz stark den Ruhrpott, auf den Fanseiten im Internet bekennen sich aber plötzlich auch tausende Fans in China und Japan zu Dortmund.
Wir finden es völlig berechtigt, dass auch diese Leute Borussia Dortmund toll finden, weil wir das ja schließlich auch tun. Es wäre also schon fast anmaßend oder arrogant zu sagen, nur wir dürften den Verein toll finden. Ganz wesentlich dabei ist aber, dass wir authentisch bleiben und wir uns so präsentieren, wie wir wirklich sind. Würden wir uns verstellen und anders darstellen, würden wir einen Fehler machen und nicht mehr glaubwürdig sein, weder für die Fans in und um Dortmund, noch für unsere Fans in China, Japan oder sonst wo.
Die Gefahr einer Überkommerzialisierung des BVB sehen Sie also nicht?
Nein, in keinem Fall. Diese Gefahr wäre erst dann gegeben, wenn es im Kern nicht mehr um den Verein und die Mannschaft geht, sondern nur mehr darum, ein Produkt zu verkaufen.
Beim Kongress „Sport & Marke" haben Sie mehrmals von Borussia Dortmund als Marke gesprochen. Ist das nicht ein erster Schritt in diese Richtung den Verein nur noch als Produkt zu sehen und zu begreifen?
Das war ein Fachvortrag und daher habe ich auch entsprechende Ausdrücke verwendet. Es geht im Bereich Marketing und Vertrieb auch darum, wie man mit Markenbelegung umgeht, was nichts Negatives ist und auch Fußballvereine wie eben Borussia Dortmund einschließt. Dabei versuchen wir den BVB in seinem Kern so zu belassen, wie er ist, wir wollen auf keinen Fall austauschbar sein. Wir arbeiten also nur mit den Werten, die wir auch tatsächlich leben. Das haben auch unsere Aktivitäten im Rahmen des Champions League-Finales in London gezeigt.
Ganz London war dabei mit Sprüchen, Schlagworten, Sujets und Motiven rund um den BVB vollgepflastert.
Wir haben dabei aber ganz bewusst darauf geachtet, die Engländer mitzunehmen. Deshalb haben wir in viele unserer Botschaften auch die Engländer eingeschlossen und ihnen beispielsweise für die Erfindung des Fußballs und die Möglichkeit eines tollen Endspiels auf ihrem Boden gedankt. Unser Hashtag für die sozialen Netzwerke war beispielsweise #fairytale – das englische Wort für Märchen. Das haben wir natürlich bewusst gemacht.
Sollten durch diesen Ansatz – ähnlich wie bei den Web 2.0-Auftritten des BVB – aus englischen Sympathisanten Fans gemacht werden?
Nicht bewusst, aber wenn uns das geglückt sein sollte, freut es uns natürlich. Vielmehr waren die Aktionen rund um das Finale ein Fest für all unsere Fans und natürlich auch für alle Mitarbeiter unseres Vereins. Die Kampagne hat die sozialen Medien als festen Bestandteil mit eingeschlossen und den gesamten Verein durchdrungen. Das war für alle Beteiligten ein tolles Ereignis.
Wie beeinflussen Top-Leistungen wie der Einzug ins Champions League-Finale oder zuletzt ins Finale des DFB-Pokals das Posting-Verhalten der BVB Fans, aber auch des Vereins?
Hier ist in jedem Fall die Vorfreude auf ein solch tolles Ereignis deutlich zu spüren. Die Interaktionsraten sind hoch und es gibt noch einmal deutlich mehr Kommentare als sonst. Selbiges gilt auch für uns. Auch wir freuen uns enorm und das spiegelt sich auch in unserem Posting-Verhalten wider - das ergänzt sich allerdings sehr gut: wir haben eine hohe Frequenz und die Fans eine absolute Aufnahmebereitschaft, da sich vieles auf dieses Ereignis kapriziert. Zudem haben wir natürlich durch unsere Aktionen vor Ort auch viel zu erzählen.
Wie intensiv ist dann während den Spielen die Interaktion mit den Fans?
Sie ist vor allem vor dem Ereignis sehr intensiv. Gerade weil auch viele Fans die sozialen Kanäle als Anlaufstelle für akute Service-Fragen nutzen. Während des Spiels geht es vor allem um die Unterstützung der Mannschaft – hier findet dann eher ein gemeinsames Erleben des Spieles statt.
Danke für das Gespräch!