Vienna-Coach Kurt Garger: 'Egal ob Fellner, Garger oder Mourinho'

Es tut sich einiges in Wien Döbling. Sportdirektor und Neo-Trainer Kurt Garger bewertet aber nicht nur dies, sondern kann als zweifacher Europacup-Finalist auch Profundes über die internationalen Spiele sagen. Zum Beispiel: „Der Anspruch muss immer sein,


90minuten.at: Retrospektiv gesehen hätte sich die Vienna den Zwischenschritt Gerhard Fellner auch schenken können, oder?
Kurt Garger: Das war zu dem Zeitpunkt nicht so geplant. Wir haben nach Alfred Tatars Abgang nach Mattersburg einfach einen Trainer gesucht und die Hierarchie war klar: Ich bin Sportdirektor und wir suchen einen Trainer. Aus mehreren Kandidaten ist schlussendlich Gerhard Fellner übergeblieben. Es hat viel für ihn gesprochen: Er war jahrelang Co-Trainer unter verschiedenen Trainern. Dass es dann nicht so gelaufen ist wie erwartet, kann vorher niemand wissen. Und so wie sich der Schritt ergeben hat, dass er Trainer wird, hat sich leider auch der nächste Schritt ergeben. Auch das war nicht geplant und hat sich kurzfristig ergeben.


Man wollte ihn nicht vorschicken und schauen, was passiert?
Überhaupt nicht. In der Situation ist die Vienna ja nicht. Gerhard Fellner erhielt einen Einjahresvertrag. Anhand dieser Aktion erkennt man, dass er nicht vorgeschoben wurde und geschaut wurde, wie es rennt. Das war eine normale Geschichte. Fellner ist Trainer, für dieses Jahr und, wenn möglich, darüber hinaus. Leider Gottes ist es im Fußball oft so, dass es nicht eintritt, wie man es plant.


Schon in der Winterpause zeigten Sie sich von "Ihren" Neuzugängen überzeugt. „Ihre“ - Wie war da das Verhältnis mit Alfred Tatar?
Das Verhältnis zu ihm war immer normal und ist es auch. Wir haben gut zusammengearbeitet, sonst wäre das gut Ergebnis im Frühjahr als viertbeste Mannschaft in der Rückrunde und in der Endtabelle Siebter. Wir hatten Wochen vor Meisterschaftsende mit dem Abstieg nichts mehr zu tun. Das ist ja auch zuvor nicht so gewesen, die Vienna war das nicht gewohnt, hat immer gegen den Abstieg gespielt oder zum Teil über die Relegation die Klasse gehalten. Das hatten wir frühzeitig positiv erledigt. So hätte es mit Gerhard Fellner weitergehen sollen. Wir haben ja auch gemeinsam noch bei Austria Salzburg gespielt. Im Fußball wird aber jeder Trainer an den Ergebnissen gemessen, egal, ob er Fellner, Garger oder Mourinho heißt. Wenn die fehlen – oder auch die Perspektive – ist der nächste Schritt notwendig.


Wie schwierig ist es, bei der Vienna einen Kader zu planen?
In Wahrheit gar nicht. Wenn man unsere Möglichkeiten kennt, weiß man, in welchem Bereich und von welchen Mannschaften Spieler gesucht und geholt werden. Die Spieler, die wir im Sommer geholt haben, habe ich über einen längeren Zeitraum gescoutet, sie beobachtet. Das waren solche, die für die Vienna leistbar sind und Qualität haben. Ich muss mich im Rahmen der Möglichkeiten bewegen.


Ist da die Fallhöhe geringer, wenn jeder Transfer gut sein muss, man holt nur den, bei dem man sich zu hundert Prozent sicher ist?
Ich kann nicht so denken, dass ich ein, zwei Spieler in der Hoffnung hole, dass aus ihnen was wird und wenn nicht, ist es auch nicht so tragisch. Bei uns sollte die Trefferquote so sein, dass die Spieler der Mannschaft und dem Verein möglichst etwas bringen. Das ist keine Frage. Das erschwert das Ganze ein bissl, aber wenn man sich drauf vorbereitet, ist das kein großes Übel.


Sie waren sieben Mal Meister, standen mit der Rapid '85 und Salzburg '94 im Europacupfinale - ist ein guter Kicker automatisch ein guter Trainer - bzw. war das "früher" leichter?
Ein guter Kicker muss nicht unbedingt ein guter Trainer sein! Das haben viele schon bewiesen. Genauso wie es jene gibt, die gut waren und gute Trainer sind. Man muss als Trainer anders an die Sache herangehen. Als Spieler bist du zuerst für die verantwortlich und dann für die Mannschaft. Als Trainer ist es umgekehrt. Da bist du für's Gesamtbild verantwortlich. Auch für jeden Blödsinn, der in der Mannschaft passiert – gerechtfertigt oder nicht – bist du verantwortlich und wirst vom jeweiligen Präsidium zur Verantwortung gezogen.


Spüren Sie in der Öffentlichkeit Gegenwind gegen verdiente Kicker, die Trainer werden wollen - Stichwort Polster, Vastic, Schöttel?
Die Zugangsweise ist komplett anders. Werden ein Schöttel oder Polster oder irgendein Ehemaliger Trainer, dann ist die Erwartungshaltung höher, als bei einem Unbekannten. Wenn man ihn von der Spielerseite her nicht so kennt, steht er weniger im Fokus. Dann kann er mit mehr Ruhe an die Geschichte herangehen und den Erfolg ruhiger planen. Die Erwähnten sind viel schneller im Fokus der Medien und werden genauer beobachtet.


Die zweite Liga ist voll von sogenannten modernen Konzepttrainern - Zeidler, Scherb, Canadi - da wirken Sie als verdienter Ex-Kicker fast etwas deplaziert. Stört das?
Von meiner Seite aus habe ich keine Berührungsängste. Die Kollegen schätze ich genau so wie jene, die größere Namen haben, von denen nach wie vor einige tätig sind. Ein Pfeifenberger oder Kirchler sind halt nicht mehr Spieler-, sondern Trainerkollegen. Und ich schätze sie genau so. Jeder versucht seinen Job so gut wie möglich, auf seine Art und manchmal besser, manchmal schlechter zu machen. Es sind ja so viele Komponenten! Ich vergleiche das immer so: Es gibt Stürmer, die treffen bei einigen Vereinen ohne Ende. Dann wechseln sie und treffen nicht mehr. Alle fragen sich: Wieso? So ist das auch bei Trainern. Auch die brauchen ein Umfeld, in dem sie sich wohl fühlen. Ist er zur richtigen Zeit am richtigen Ort, dann gibt es Erfolg. Man muss im Fußball nicht immer alles rational erklären.


Machen sich es manche Ex-Kicker auch manchmal leicht? Lassen die sich verleiten, den Namen wirken zu lassen?
Das sind immer solche Vermutungen. Auch die, die einen Namen haben, bereiten sich genau so seriös vor, wie alle anderen. Sie haben das in ihrer Laufbahn mitgekriegt, dass das Trainertum heutzutage intensiv und seriös ist; und nervenaufreibend. Da läuft keiner Gefahr, das auf die leichte Schulter zu nehmen. Medial ist da der Fokus schon anders. Ein Polster gibt mehr her, als ein „Namenloser“. Definitiv. Wenn du als Journalist ehrlich zu dir selber bist, wirst du einen Polster auch anders beurteilen.


Das kann stimmen. Sind da die Medien populistischer, als sie es sein müssten, egal in welche Richtung? Also lieber „den 35-Jährigen Sportwissenschafter“ als „den Garger“, quasi Klopp versus Basler?
Den Eindruck kann man sichlerich kurzfristig haben. Das ist von Deutschland rübergeschwappt. Tuchel oder Klopp haben Erfolg. Aber man darf auch alte Trainer nicht abschreiben. Jupp Heynckes hatte den größten Erfolg der Geschichte der Bayern – mit 67 Jahren! Alter ist nichts Schlechtes. Das bedeutet mehr Erfahrung, mehr Wissen. Manchmal ist es stimmungsabhängig. Am Ende des Tages zählen Punkte und Erfolge. Die kann man mit 35, 50 oder 67 machen.


Drei Vereine haben Chancen auf die Gruppenphase. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Ganz ehrlich: Die Austria hat sicherlich das schwierigste Los. Aber bei Salzburg und Rapid muss immer der Anspruch sein, gegen eine litauische oder georgische Mannschaft weiterzukommen. Egal, ob das Team jung oder unerfahren ist. Der Anspruch muss immer sein, so eine Mannschaft aus Georgien oder Litauen auszuschalten. Da gibt es keine zweite Meinung. Wenn man das nicht schafft, ist das ein Misserfolg, das braucht man dann nicht schön reden. Wir müssen an unseren Fußball gewisse Ansprüche stellen.


Kann man 85 mit 94 vergleichen und in weiterer Folge beides mit heutzutage? Wird es immer schwieriger für kleine Klubs oder kann ich in ein paar Jahren so ein Interview mit Manuel Ortlechner, Franky Schiemer oder Mario Sonnleitner führen, wie es damals im Europacupfinale war?
Es ist definitiv schwieriger. Wenn ich die Finali mit Rapid und Salzburg hernehme, war alleine schon der Zugang zu Legionären ein anderer. Damals hatten wir die Möglichkeit, Toplegionäre aus unseren Nachbarländern zu holen. Bei Rapid war ein Zlatko Kranjcar von Dinamo Zagreb. Der war ein Topspieler aus Jugoslawien. Die Topspieler aus Kroatien oder Serbien orientieren sich nach Italien und England, aber nicht zu uns. Du bekommst nur die dritte oder vierte Wahl. Das hat sich geändert. Und die Legionäre waren mit ein Grund, warum wir damals so stark waren. Auch wir Österreicher waren gut. Die Mixtur hat es, gepaart mit Glück, ermöglicht, dass wir ins Europacupfinale kommen.


Um das weiterzuspinnen: Vor zehn, fünfzehn Jahren war die Liga voll mit Legionären, nun steht sie genauso gut/schlecht da, nur mit viel mehr heimischen Kickern und solchen aus dem direkten Umland, wie etwa Beric. Richtig analysiert?
Genau, das hängt alles zusammen. Wenn man sich heute schon einen Legionär sucht, ist es vernünftig, einen guten Georgier zu nehmen oder so. Es gab Zeiten, da kamen ja irgendwelche, die den Fußball Österreichs nicht weiterentwickelt haben. Parallel dazu gibt es die wirtschaftliche Situation. Da ist es besser, den eigenen Nachwuchs zu nehmen, wenn man sich die Legionäre nicht leisten kann. Viele Vereine sind ja darauf angewiesen, die eigenen weiter zu entwickeln und ihn dann vielleicht als Legionär ins Ausland zu verkaufen, damit man ein Geld verdient. Das ist eine wichtige Einnahmequelle für heimische Klubs.


Ist da die immer besser werdende Arbeit in der zweiten Liga wichtig, siehe zum Beispiel Grödig oder WAC, die nur ganz knapp am EC scheiterten?
In der zweiten Liga wird sehr professionell gearbeitet, das muss man ehrlich sagen. Die Situation wird nicht unterschätzt. Sportlich sind die Ligen eng zusammengerückt. Die Heute für Morgen-Erste Liga hat aufgeholt. Die Aufsteiger haben keine Probleme, oben zu bleiben, spielen eher gleich im Bereich der Europa League-Plätze mit. Das hat die Admira gezeigt und letztes Jahr der WAC.


Was würden Sie an der zweiten Liga ändern?
Es wird immer nur die sportliche Lösung gesucht. Diese liegt aber im wirtschaftlichen Bereich. Viele Vereine, das muss man ehrlich sagen, stehen auf der Kippe zum Überleben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Liga heißt, wie sie heißt, weil sich kein Sponsor findet. Der Fußball wäre grundsätzlich attraktiv, wird von Sky teilweise gut verkauft.


Wirtschaftliche Konsolidierung also mit zehn Teams, erst dann über das Format nachdenken?
Genau. Sportlich passt das schon. Wirtschaftlich braucht es noch. Darum haben wir immer wieder Probleme, wegen der Wirtschaftlichkeit, nicht wegen des Sportlichen, wie beim FC Lustenau. Da könnte man noch genug andere Beispiele anführen. Wirtschaftlich ist das nicht einmal österreichisches Niveau.


Zum Schluss noch: Wann sehen wir die Vienna wieder in Europa?
Schau, wir müssen uns auf dem Boden der Realität bewegen. Da geht es wieder ums Wirtschaftliche und was uns das erlaubt. Von der Tradition her kann die Vienna ein Verein sein, der in absehbarer Zeit wieder in der Bundesliga spielt. Es spielen auch Vereine, die vielleicht nicht diesen Namen haben, aber aus welchem Grund auch immer, wirtschaftlich andere Möglichkeiten haben. Aber wir arbeiten ständig dran. Es sind ein paar Projekte am Laufen, die die Zukunft rosiger gestalten können. Dann ist auch sportlich mehr drinnen. Vom Namen her ist das unbestritten.


Wir danken für das Gespräch!