SKN-Obmann Tröstl: ‚Dass bei zehn Vereinen zwei fix absteigen müssen, ist absoluter Wahnsinn'

Seit 2010 ist Gottfried Tröstl im Amt des Obmanns des SKN St. Pölten. Schritt für Schritt soll der Verein aus der niederösterreichischen Landeshauptstadt an die Bundesliga herangeführt werden. Gegen den Begriff "FC Pröll" wehrt sich Tröstl genauso wie geg

 

90minuten.at: Wie viel Wahrheit steckt in der Aussage, dass der SKN St. Pölten der „FC Pröll" ist?
Gottfried Tröstl: Dass es einen Fußballklub in der Landeshauptstadt gibt, ist nichts Verwerfliches. Dass dieser Klub in der größten Stadt des Bundeslandes guten Fußball spielt, ist natürlich sinnvoll. Die Infrastruktur betrifft ja nicht nur den Fußball. Es ist sinnvoll, einen guten Profifußballklub entsprechend in der Landeshauptstadt zu positionieren. Und egal, ob das der Herr Pröll ist, das basiert alles auf den herkömmlichen Wegen, Sportförderung und sonstigen Dingen. Wirtschaftlich ist St. Pölten am Wachsen und das spüren wir als Verein im Sinne eines guten Feedbacks von der Sponsorenbasis. Das ist ja positiv für die Stadt und das Umfeld. Es ist wichtig, dass ein niederösterreichischer Verein im Profifußball eine wichtige Rolle spielt. Dass es nicht Wiener Neustadt ist oder die Südstadt, hat wenig damit zu tun.

 

Wie eng können bzw. dürfen oder sollen die Bande zwischen Politik und Fußball sein? Auch über staatsnahe Betriebe?
So weit wie es rechtlich für beide Seiten möglich ist. Man darf nicht vergessen, dass das kein Spaß oder Jux oder Tollerei für die ist, die uns unterstützen. Die Sponsoren müssen sich für alles rechtfertigen. Es kann ja nicht Geld in einen Sportverein hinein gepumpt werden, wenn kein Output da ist. Die Werbewerte geben das aber wieder. So gesehen ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir als Verein bieten der Wirtschaft die Plattform und die nimmt es an und die kann es rechtfertigen. Sehr gut sogar, so lange die Werbewerte stimmen und das Sportliche funktioniert. Der SKN als Verein ist einer, der aus 50 ordentlichen Mitgliedern besteht, das sind diejenigen, die das legitimieren. Der Verein muss einen Vorstand wählen und wir müssen uns in einer roten Stadt und einem schwarzen Land positionieren. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu beiden und bekommen Feedback von allen Seiten.

 

Die Fußballlandschaft in der zweiten Liga in Niederösterreich gestaltet sich so, dass es den SKN gibt, der sehr breit aufgestellt ist. Der SV Horn ist da mehr abhängig von einer Person. Würden Sie sich manchmal wünschen, top-down zu entscheiden und nicht die Gremien zu durchlaufen? Herr Riegler kann beispielsweise sein Geld beim WAC anlegen, wie er will...
Ich glaube nicht, dass er machen kann, was er will. Nur Geld hineinzustecken...Er will ja auch einen Output und ich weiß aus Gesprächen mit ihm, dass er diesen sehr wohl bekommt. Die Pellets, die er produziert, hat davor beispielsweise keiner gekannt. Aber natürlich, manche Entscheidungen kann er einfacher treffen, wenn er sein persönliches oder das Kapital der Firma hineinsteckt. Unser Vorteil ist ganz einfach, dass es wahrscheinlich nur mit einer breiten Basis auf einer mittel- und langfristigen orientierten Art und Weise gehen wird. Es hat vor zwei Jahren einen runden Tisch mit Trenkwalder und Wiener Neustadt gegeben, da wurde diese Thematik besprochen. Da hat Herr Trenkwalder gesagt, er würde die Sponsorenbasis gerne breiter aufstellen, aber wenn es einen Sponsor wie Trenkwalder gibt, ist es schwierig, zusätzlich irgendwelche größeren zu bekommen. So ist eine breite Positionierung, auch von der Risikostreuung her, von Sponsoren, die man aufbringen muss, sicher nachhaltiger als ein großer Sponsor, auf dessen Gutdünken das Werk aufgebaut ist. Die reagieren, das merkt man an MAGNA, auch entsprechend sprunghaft.

 

Je mehr Firmen gegenüber ich mich rechtfertigen muss, desto transparenter sind die Finanzen. Planen Sie auch, wie der SCR Altach, das Budget auf Euro und Cent zu veröffentlichen?
Ganz klare Aussage: Seit meinem Antritt 2010 ist die Prämisse, dass alles offiziell dargestellt wird. Der SKN ist sicher mit Altach der Vorzeigeverein der Heute für Morgen-Ersten Liga. Für uns gibt es nichts anderes. Wir sind es auch unseren Sponsoren schuldig, jeden Cent und jeden Euro transparent darzustellen. Als wir angetreten sind, gab es noch eine ausstehende Prüfung. Wir haben uns dann freiwillig dem Finanzamt und der Sozialversicherung gestellt, haben gesagt, dass wir eine GPLA-Prüfung (Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben durch Finanzamt, Sozialversicherungsträger und Stadt bzw. Gemeinde, Anm.) haben wollen, um zu wissen, wo wir stehen. Es gibt in diese Richtung nur die eine Vorgabe von uns: Es muss alles ganz korrekt abgebildet werden. Das ist möglicherweise ein Wettbewerbsnachteil, da der Eine oder Andere möglicherweise versucht, sich da Vorteile herauszuholen. Das wird über kurz oder lang in den nächsten Jahren nicht mehr zu halten sein. Die tipp3-Bundesliga ist da schon weiter, bei uns in der Liga kämpfe ich seit drei Jahren, um die Datenbank Schritt für Schritt auch zu bekommen. Mittlerweile werden dem Kreditschutzverband einige gemeldet, hier muss alles dargelegt werden, bis zu den anonymisierten Personalkosten. Sonst lügen wir uns alle selbst in den Sack. Der Sponsor wird keinen Cent irgendwo investieren, wo Gelder in irgendwelchen Kanälen verschwinden oder auftauchen.

 

Um es konkret zu machen: Was kann man beim SKN als Kicker verdienen?
Ich habe mir das angesehen und es ist so, dass der SKN mindestens laut Kollektivvertrag zahlt, für die Kicker, die aus der Akademie rauskommen, bis hin zu Spitzenspielern inklusive Lohnnebenkosten. Ich habe das mit 50 Punkten hochrechnen lassen, mit dem Trainer dazu. Ein Spieler kostet brutto, inklusive Lohnnebenkosten des Arbeitgebers, zwischen 30.000 und 180.000 Euro. Der SKN hat aber sicherlich qualitativ und aufgrund des Wachstums von unten herauf den Großteil im unteren Bereich. Es gibt nicht viele Spieler im sechsstelligen Bruttobereich. Das ist beim SKN alles problemlos auf den Tisch zu legen.

 

Ist Schwarzgeld das „Doping des Fußballs"?
Vor zehn Jahren haben vermutlich die Wenigsten etwas dagegen gesagt. In der heutigen Zeit funktioniert das einfach nicht mehr. Ich möchte das Wort Doping dort lassen, wo es hingehört. Aber ich möchte eines sagen: Es ist ein Kämpfen mit unterschiedlichen Waffen. Auf dem Sportplatz soll man mit sportlichen Fähigkeiten kämpfen, abseits des Platzes, gerade in den zwei höchsten Profiligen, muss das auch so sein. Das heißt entsprechend auch, dass man sich so darstellt und alles so abführt, wie es gehört. Drunter will ich es nicht so beurteilen, aber auch hier sollte im Sinne der ordentlichen Geschäftsgebarung alles möglichst klar dargestellt werden.

 

Es sind ja in den letzten Jahren Zahlen ans Licht gekommen, mit denen die Finanzierung eines Kaders nicht finanzierbar ist. Wie stehen Sie dazu? Denken Sie sich nicht: „Ich Trottel rechne alles genau ab und fahr wohin, wo das Budget überhaupt nicht glaubwürdig ist." Und dann verliert der SKN vielleicht auch noch?
Den Kampf dagegen haben wir nicht aufgegeben. Das Podium, wo wir das immer wieder sagen, ist die Bundesliga, die Klubkonferenz. Das ist ja das Aushängeschild des österreichischen Fußballs. Da muss man ganz klar sagen: Wenn hier nicht der Ansatzpunkt gefunden wird, das ganze entsprechend zu nivellieren – im Sinne davon, alles auf ein Niveau zu bringen - und novellieren in der Art und Weise, wie das abgerechnet wird; so lange ich da noch einen Hoffnungsschimmer sehe, werden wir nicht aufhören. Wir müssen einfach professioneller werden. Das ist das Thema. Man wird schön langsam müde, wenn der eine oder andere Mitkonkurrent, der qualitativ am oberen Level spielt, mit anderen Mitteln versucht, das auszuhebeln. Das ist zu kritisieren. Wenn ich mir die Budgets anschaue, muss ich schauen, welche Mannschaft ich mir leisten kann und nicht umgekehrt.

 


 

Können Sie das Wort „zufrieden" mit der beschlossenen Reform in Einklang bringen?
Ich glaube, man kann mit dieser Reform nicht zufrieden sein. Es wird ja schon jahrelang drüber diskutiert. Es wurde verabsäumt, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Personen zusammen zu bringen. Beide Seiten stellten nicht den Fußball in den Mittelpunkt und das ist das, was ich kritisiere. Es ist ein Kompromiss herausgekommen, damit überhaupt eine Lösung zustande kommt. Aber es ist so und ich stehe dazu: Die zwei Zehnerligen haben in den letzten Jahren sicher die Qualität des Fußballs gehoben. Was ich nicht akzeptieren kann, ist dieser Schritt. Es ist gut, dass wir die Amateurmannschaften nicht in der Liga haben, vom wirtschaftlichen Aspekt her. Vom Sportlichen her waren sie immer eine Bereicherung. Was ganz schlecht ist, da gehe ich eine Stufe runter, dass man die Amateure nach unten drückt. Ruttensteiner hat immer präferiert, dass sie weiter oben spielen. Das wird ein größeres Problem werden. Wenn wir unsere Juniors in den nächsten Jahren in die Regionalliga bringen, müssen wir möglicherweise gegen den Fünften der Regionalliga Relegation spielen, wenn wir in der Landesliga Meister geworden sind. Das ist absoluter Irrsinn. Um es kurz zu halten: Ich glaube, dass die zwei Zehnerligen ok sind. Wirtschaftlich stelle ich mir die Frage, ob Österreich überhaupt 20 Profifußballvereine leisten kann. Es ist ein Kompromiss herausgekommen, bei dem keine der beiden Seiten das Ansehen vollkommen verloren hat.

 

Glauben Sie nicht, dass sich die Fans verarscht fühlen, wenn etwas beschlossen wird, was offensichtlich ein Blödsinn ist, damit niemand das Gesicht verliert?
In der Weise stimmt das nicht, weil die Zehnerligen für die sportliche Qualität das Beste sind. Wir hätten uns auch gewünscht, und das haben wir auch eingebracht, dass die Amateure in den Regionalligen nicht beschränkt werden. Das war aber ein Ansinnen der Landesverbände, das sie unbedingt wollten. Ich war nicht im Verhandlungsteam und es gab Schwierigkeiten, diese Lösung zustande zu bringen. Ich will das nicht weiter kommentieren.

 

Ist nicht gerade die angehobene Fallhöhe durch zwei Fixabsteiger in einer Liga, in der das Finanzieren offensichtlich schwierig ist bzw. es sich manche selber schwierig machen, katastrophal?
Das ist definitiv der Hauptgrund. Da geht es um die wirtschaftliche Existenz. Rein persönlich ist das der größte Schnitt, der da vollzogen wird. Hier war das aber die einzige Möglichkeit, diesen Kompromiss zustande zu bringen. Dass bei zehn Vereinen 20 Prozent absteigen müssen, ist absoluter Wahnsinn. Ich hoffe, dass es nicht wirtschaftliche Auswirkungen hat, ohne Maß und Ziel die Existenz zu sichern, bar jeglicher wirtschaftlicher Fundamentaldaten. Dann würde sich das Konstrukt ins Knie schießen und wäre zum Scheitern verurteilt. Es ist ein gewisses Risiko.

Danke für das Interview!

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