Sebastian Prödl: 'Ob ich all meine Ziele erreiche, hängt nicht nur von mir sondern auch von Werder ab'

Mit einem 1:1-Unentschieden gegen Eintracht Frankfurt hat Werder Bremen am vergangenen Spieltag den Klassenerhalt perfekt gemacht – trotz nun insgesamt 13 Partien ohne Sieg. Die sportliche Krise hat in dieser Woche ein erstes Opfer gefordert: Cheftrainer

 

90minuten.at: Herr Prödl, am Mittwoch wurde Thomas Schaaf beurlaubt. Wie haben Sie die Entscheidung aufgenommen?

Sebastian Prödl: Es war ein sehr emotionaler Abschied. Der Trainer hat nur eine kurze Ansprache gehalten, allen war klar, dass ihm dieser Schritt nicht leicht fällt. Er hat bei Werder ein Stück Geschichte geschrieben, daher sind diese Emotionen am Ende auch keine Überraschung.

 

Sind Sie überrascht von der Trennung?

Ja. Den Druck, den er in den vergangenen Wochen hatte, hätte niemand gerne. Aber er ist gut damit umgegangen. Dass er nun gehen muss, ist für ihn mit Sicherheit hart. Das hinterlässt Spuren.

 

Wenn man die vergangenen drei Jahre resümiert, muss man sagen, dass Werder Bremen hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Da stehen alle in der Verantwortung, nicht nur der Trainer. Da darf sich niemand herausnehmen.

 

Woran machen Sie die Misserfolge der vergangenen drei Jahre fest?

Der Verein steckt im Umbruch. Wir haben den Sprung von einem Umbruch, der nun mal bewältigt werden muss, zu einem hoffnungsvollen Umbruch nicht ganz geschafft. Wir hatten gute Spieler, uns ist es aber nicht gelungen, diese Qualität in Punkte umzumünzen. Wir haben uns nicht nur in dieser Saison oft unter Wert geschlagen. Dann sind wir jedes Mal in eine Negativspirale geraten, und leider waren die jungen Spieler noch nicht ganz so gefestigt, um mit der Situation richtig umgehen zu können.

 

Die Erwartungen waren hoch.

Es wurden stets zu Saisonbeginn große Hoffnungen geschürt. Da war von der Europa League die Rede. Wenn man jetzt sieht, dass wir gerade so den Klassenerhalt geschafft haben, muss man sagen: Die Erwartungen waren angesichts des Umbruchs, in dem wir stecken, zu hoch.

 

Muss ein Verein wie Werder Bremen denn nicht mehr als 33 Punkte nach 33 Spieltagen haben?

Das steht außer Frage. Wie gesagt: Wir haben uns unter Wert geschlagen und kamen mit den hohen Erwartungen nicht so gut zurecht.

 

Sie persönlich haben zu Saisonbeginn ordentliche Leistungen abgeliefert, dann gab es schwächere Phasen, zwischenzeitlich waren Sie sogar Reservist. Warum haben Sie es nicht geschafft, konstant gut zu spielen?

Am Anfang bin ich tatsächlich gut reingekommen. Dann gab es schwächere Auftritte, ich musste auf die Bank. Das hat natürlich auch bei mir eine gewisse Verunsicherung ausgelöst. Am Ende habe ich mich aber wieder gefangen und gute Leistungen abgeliefert. Die Tatsache, dass ich aus der Misere herausgekommen bin, hat mich stärker gemacht, und ich fühle mich gut. Ich bin voller Tatendrang und bereit für das Bundesliga-Spiel in Nürnberg und die WM-Qualifikation mit der Nationalmannschaft.

 

Sie haben in den vergangenen zwei Jahren versucht, sich als Führungsspieler bei Werder zu etablieren. Sie sagten im September: „Weil viele den Verein verlassen haben, entsteht zwangsweise eine neue Rangordnung. Eine verantwortungsvolle Position entsteht aber nicht durch Worte, sondern durch Taten." Haben Sie Ihre Ziele verpasst?

Ich setze mir stets sehr hohe Ziele, alle kann ich nicht erreichen. Ich bin stolz auf das, was ich bisher geschafft habe. Aber ob ich all meine Ziele erreiche, hängt nicht nur von mir persönlich, sondern auch davon ab, wie gut Werder spielt. Allgemein kann ich nicht so zufrieden mit dieser Saison sein. Aber ich bin froh, dass ich die Krise überstanden, gute Spiele abgeliefert und wieder dazugelernt habe. Was eine Führungsposition angeht, müssen andere Leute im Verein beurteilen, wie sie mich sehen. In den vergangenen Wochen habe ich gespürt, dass man bei Werder auf mich baut.

 

Vor fünf Jahren wurden Sie in Ihrer Heimat als Riesen-Talent gefeiert. Müssten Sie bei einem Verein sein, der nicht gegen den Abstieg spielt, um Ihre Ziele zu erreichen?

Die ganze Mannschaft hat in dieser Saison eine schlechte Defensivleistung gezeigt, da kann auch ich mich nicht ausklammern. Ich habe es mir selbst ausgesucht, meinen Vertrag bei Werder bis 2015 zu verlängern. Es gab Anfragen von anderen Vereinen, aber ich fühle mich in Bremen sehr wohl und bin nun auch der Meinung, dass ich mich – bedingt durch den Trainerwechsel - in einem neuen Arbeitsumfeld weiterentwickeln kann.

 

Welche Chancen ergeben sich für Sie durch den Trainerwechsel?

Es ist wie ein Vereinswechsel für mich. Der Trainer, der mich zu Werder geholt hat und mit dem ich hier viele schöne Momente hatte, ist nun weg. Es wird ein neues Trainerteam kommen, die Struktur wird verändert, es wird neue Sichtweisen geben. Natürlich ist es bitter, dass Thomas Schaaf nun nicht mehr da ist. Aber eine solch große Veränderung ist immer auch eine Chance. Ich bin sehr gespannt auf das, was kommt.

 

Was sind Ihre persönlichen Ziele mit Werder? Es kann nicht Ihr Anspruch sein, phasenweise zwischen Bank und Rasen zu pendeln.

Das ist richtig. Falls ich jetzt in Nürnberg spiele, dann habe ich von 34 Bundesliga-Spielen 27 gemacht, das ist nicht so schlecht. Aber klar ist: Ich will immer mehr. Ich bin gespannt, was der neue Trainer vorhat. Ob er mit mir plant oder ohne mich. Ich stelle mich darauf ein, dass ich bei Werder Bremen in einer verantwortungsvollen Position gebraucht werde. Aber der Fußball ist schnelllebig und manchmal brutal. Man muss abwarten, was im Sommer passiert.

 

Um mehrere Werder-Spieler gab es in dieser Saison Ärger. Wie wichtig ist Disziplin für eine Mannschaft?

Es ist wichtig, Spieler mit Charakter in einer Mannschaft zu haben, die wissen, worum es geht und Verantwortung übernehmen können. Ich bin mir sicher, dass Thomas Eichin (Sportdirektor, d. Red.) bei der Zusammenstellung des Kaders für die kommende Saison genau auf diese Kriterien achten wird. Man hat in dieser Saison gesehen, wozu disziplinierte und charakterstarke Mannschaften fähig sind. Man muss sich nur Freiburg und Frankfurt anschauen. Die hatte vor der Saison niemand auf dem Zettel, und nun stehen sie glänzend da. Das haben sie nicht zuletzt dank charakterlicher Mittel geschafft. Diese Teams sind mit Leidenschaft bei der Sache, Egoismus zählt da nicht. Sie können ein Vorbild für uns sein. Wenn auch wir diese Mittel an den Tag legen, sind wir ihnen aufgrund unserer fußballerischen Qualität überlegen.

 

Ihre Teamkollegen Marko Arnautovic und Eljero Elia wurden zuletzt suspendiert, weil sie nachts um drei auf der Autobahn erwischt wurden.

Das Thema nervt mich nur noch. Ich werde ständig darauf angesprochen. Jeder kennt meine Meinung: Das ist ein absolutes No-Go, so spät unterwegs zu sein, gerade wenn wir im Abstiegskampf stecken. Aber sie wurden suspendiert und bestraft, damit ist das Thema abgehakt. Im Sommer werden die Karten neu gemischt.

 

Wie geht es mit Werder weiter? Was darf man erwarten?

Es ist noch zu früh, etwas zu erwarten. Wir kennen den Trainer noch nicht und wissen auch nicht, mit welchen Spieler wir in die kommende Saison starten. Erst einmal geht es jetzt darum, die Fehler aufzuarbeiten.

 

Für Österreich haben Sie zuletzt zweimal nicht gespielt, waren nur Ersatz. Wie sehen Sie Ihre Situation in der Nationalmannschaft?

Vieles ist abhängig von meinen Leistungen bei Werder. Als ich zuletzt vier Wochen hintereinander bei Werder auf der Bank saß, hat mich der Nationaltrainer nicht spielen lassen. Das ist klar, es zählt das Leistungsprinzip. Aber ich gehe fest davon aus, dass ich jetzt gegen Schweden wieder dabei bin. Ich bin fit, motiviert und voller Selbstvertrauen. Die Konkurrenz schläft nicht, aber ich glaube, dass ich ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft bin.

Danke für das Gespräch!