Roman Mählich: ‚Kommt der Teamchef aus Österreich, wird er es schwer haben'
Marcel Koller - die Zeichen stehen auf Abschied. Zeit, gemeinsam mit ORF-Experte Roman Mählich Bilanz zu ziehen: „Kommt der Teamchef aus Österreich, wird er es schwer haben." Beim Übergang zwischen Nachwuchs und Profi sieht Mählich noch großen Aufholbedar
Wie sieht Ihre Bilanz über zwei Jahre Marcel Koller aus – vor allem wenn man den Bereich Taktik beurteilt?
Er hat bei seiner Antrittsrede zwei Dinge angesprochen, die sich banal anhören, aber es nicht sind. Das österreichische Nationalteam hat in der letzten Qualifikation zu viele Tore bekommen und zu wenig geschossen. Das ist das, worum es im Fußball eigentlich geht. Das zu ändern ist ihm gelungen. Wir haben seit langem wieder ein positives Torverhältnis, plus zehn. Das ist ihm gelungen. In den letzten beiden Qualis davor waren es zwei Mal minus eins, unter Brückner und Constantini. Was geblieben ist, ist die Auswärtsschwäche. Die kostet in Wahrheit die Teilnahme.
Die gibt es schon länger, im Klubfußball stabilisiert es sich langsam aber sicher. Auswärts spielt man anders: es ist schöner, vor 50.000 Fans im Happel zu spielen statt beispielsweise gegen so viele in Stockholm. Aber warum ist das so schlagend?
Zufall ist es keiner. Es hängt auch mit Qualität und mentaler Stärke zusammen. Was anderes kann es nicht sein, dass es so große Leistungsunterschiede gibt. Aber wenn man nur das Schwedenspiel hernimmt, war das in der ersten Halbzeit wirklich sehr gut. Es würde auswärts also schon funktionieren.
< blockquote> Was fehlt noch für einen zweiten Platz in der Quali. Schaut man sich die Ergebnisse an, war es wohl auch Pech, oder? Ich meine, vier Minuten in Schweden, ein lucky punch fehlte in Kasachstan, Arnautovic daheim gegen Deutschland...Qualität oder Pech? Schweden gegen Österreich war ja vom Ergebnis klar auf Augenhöhe, hier 2:1, da 1:2. Vier Minuten. Das kann doch durch Pech erklärt werden, oder etwa nicht? Ist das eine Kategorie, die sich im modernen Fußball verändert, prozentual gegenüber Vorbereitung, Einberufungspolitik und Umsetzung des Matchplans? < blockquote> Und wie arbeitet man daran? Alle auf die Couch, dann kommt es irgendwann? Gut, ein Alaba wird als Triple-Sieger mental anders drauf sein als Arnautovic. An der übertriebenen Erwartungshaltung manchen Fußballern gegenüber können die aber auch nur bedingt etwas... Konkret gibt es in Bezug auf Koller drei Kritikpunkte: Erstens die Einberufungspolitik. Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Koller vertraut jedoch nahezu bedingungslos auf seine Spieler... Der zweite Kritikpunkt sind die Wechsel während des Matches. Im Spiel selbst zauderte der Teamchef bei Umstellungen manchmal. Sehen Sie das auch so? < blockquote> Der dritte Kritikpunkt ist die Abstimmung zwischen A- und U-Teams. Hier wurden Ergebnisse angekündigt. Aber Zsak, Stadler, Heraf und Gregoritsch sind schon unterschiedliche Typen. Da wird unterschiedlich gespielt, muss da etwas kommen? Ist das ein Versäumnis? 90minuten.at-CR Michael Fiala meinte vor einigen Tagen, dass Koller Österreich wohl verlassen muss, wenn er die Möglichkeit dazu hat. Mehr geht ja eigentlich kaum mit Österreich. Soll er gehen? Aber 24 aus 54, das muss doch gehen. Der neue oder alte Teamchef sollte einen Vertrag über vier Jahre bekommen, habe ich letztens in meiner Kolumne gemeint (Four more years, Marcel!). Ein Erfolg wäre es, ein Team von 13 zu sein, die in Russland dabei sind. Zum Abschluss: Gerald Gossmann meint, dass Fußballösterreich zwar mit einem Koller-Abgang leben kann, aber nicht, wenn dann wieder einer daherkommt, der halt einmal Nationalteamspieler war. Ist diese Sorge berechtigt? Wir danken für das Gespräch!
Sowohl als auch würde ich sagen. Es gibt Fortschritte, die sind klar ersichtlich. Die Verteidigung steht höher, es wird schneller in die Spitze gespielt. Das hat oft sehr gut ausgesehen. Die Spiele waren besser. Es ist zwar nicht nur Pech, es liegt aber schon an Kleinigkeiten. Das muss man so sagen.
Wenn man sich so selten qualifiziert wie Österreich, reicht der Glücksschmäh nicht aus. Die Schweden haben es eben zusammen gebracht, in Deutschland einen 0:4-Rückstand aufzuholen. Österreich hat das nicht geschafft. Oder startet mit einem 0:0 in Kasachstan. Das ist schon ein Problem. Das ist etwas Mentales. Diese Mannschaft – da sind wir uns alle einig – ist eine, die seit langem die höchste Qualität hat. Es gibt nicht nur einen Alaba, der wahrscheinlich schon Weltklasse ist. Den hatten die vorigen Trainer nicht, Constantini hat ihn nur debütieren lassen. Um den herum hat sich eine Mannschaft herauskristallisiert, der auch etwas zugetraut wird. Sie spielen öfter als in den letzten Qualifikationen schönen Fußball. Noch gelingt es nicht, auswärts so aufzutreten wie zuhause. Das ist schon ein Unterschied, ob daheim oder wo anders. Jetzt muss ich ausholen: Wenn wir einen Fußballer anhand der vier Säulen analysieren – Kondition, Technik, Taktik, Persönlichkeit – dann haben unsere Spieler die ersten drei. Nervenstärke, Mentalität, da gibt es möglicherweise Nachholbedarf.
Das stimmt zu hundert Prozent. Ich bin überzeugt, dass in der Ära Koller taktisch viel weiter gegangen ist. Wir haben Fehler gemacht, aber das machen die anderen auch. Das war doch auf hohem Niveau. Da gibt es keine Unterschiede. Physisch, ja, ok, da hat man gesehen, dass Janko nach einer Stunde Krämpfe bekam, weil er halt nicht so im Spielrhythmus drinnen ist. Die Österreicher laufen nicht langsamer oder weniger als die Gegner. Das ist ein Fakt. Und dann gibt es die mentale Komponente. Da gilt es generell aufzuholen. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Die sind alle schon lange dabei. Aber Alaba kann man sich schon als Vorbild nehmen, was das Auftreten angeht. Da braucht man nicht drum herum reden. Hätte Arnautovic die Persönlichkeit eines Alabas, dann wäre er dort, wo ihn viele schon seit Jahren sehen. Die hat er aber nicht.
Stimmt. Die sind alle nur Produkte ihrer Ausbildung. Aber ich kenne nicht jedes Umfeld, in dem sie aufwachsen.
Es ist immer alles von der Leistung abhängig. Spekulationen über Aufstellungen sind in meinen Augen oft unseriös. Einerseits sieht nur der Teamchef seine Spieler in der Vorbereitung. Nur er sieht die Kandidaten im Ausland, wenn sie spielen. Wir haben da nicht so die Möglichkeiten, vielleicht bei denen, die in Deutschland sind. Dann wird es schwer. Und nur der Teamchef kennt den Gegner wirklich. Das tun wir alle nicht. Er hat vor dem Spiel gegen Schweden zehn DVDs von Bewerbs- und Freundschaftsspielen gesehen. Nach dem allen macht er seine Aufstellung. Im Nachhinein ist es immer leicht zu werten, warum der oder der spielt. Vielleicht ist der im Training so stark, vielleicht passt er so gut gegen den Gegner.
War das so? Aber wer sagt das? Es kann schon sein. Man liest viel, aber was bedeutet das? Nur weil es wo steht, muss es nicht stimmen. Koller hat nun alle überzeugt, man erkennt eine Handschrift. Und ob er einmal früher tauschen hätte sollen – ob das dann so ausschlaggebend gewesen wäre...Wann hat die Mannschaft in der Quali wirklich enttäuscht? Deutschland auswärts und von mir aus beim 0:0 in Kasachstan.
Das geht sich in zwei Jahren nicht aus. Und meiner Meinung nach ist das vielleicht auch nicht unbedingt eine Aufgabe des Teamchefs, sondern eher eine ÖFB-interne Aufgabe. Des Weiteren dauert das auch viel länger. So ausschlaggebend ist das auch nicht, ob alle im selben System spielen. Es geht um die Spielanlage. Du musst gezwungenermaßen auswärts in Deutschland anders spielen als gegen Irland daheim.
Müssen muss er nichts. Ich glaube, dass der echte Gradmesser die EM-Quali mit 24 Teilnehmern wird. Da ist der Druck richtig da, da müssen wir dabei sein.
Was machen wir dann mit der EM 2016? Ob zwei oder vier Jahre ist ehrlich gesagt wurscht. Ob der nächste Teamchef einen Zwei- oder Vierjahresvertrag bekommt, ist egal. Man müsst eben in zwei Jahren neu verhandeln. Ob dann alle Nachwuchsmannschaften gleich spielen werden? Viel eher muss man sich fragen, warum österreichische Nachwuchsnationalmannschaften regelmäßig bei Nachwuchsgroßereignissen dabei sind. Heute wird alles im Fernsehen übertragen, da gibt es mehr Theater, aber außergewöhnlich ist es nicht. Wieso gewinnt die Austria im Nachwuchs gegen Porto und Zenit, spielt 3:3 gegen Atlético und dann geht es im Erwachsenenbereich nicht so. Das interessiert mich mehr, als ob alle dann das gleiche System spielen. Es muss was anderes sein. Läuferisch, technisch, taktisch sind unsere Burschen nicht schlechter als die anderen. Irgendwo ist aber ein Knackpunkt und sie schaffen es nicht, den Sprung zu machen. Wie oben erwähnt, hakt es – ohne dass ich einen Beweis habe – an der Persönlichkeitsentwicklung.
(denkt lange nach) Ich würde mir keine Sorgen machen, schon gar nicht davor. Eine Trainerbestellung ist immer ein Risiko. Eine Garantie gibt es nicht. Viele reagieren so, weil viele den Aushängeschildern des heimischen Fußballs gegenüber negativ eingestellt sind. Das hat umgekehrt Koller auch in die Karten gespielt. So konnte er seine Anhänger noch mehr auf seiner Seite wissen. Ich bin mir sicher, dass er geht und die Schweiz übernimmt. Aber auch dann glaube ich, dass der Grundstein gelegt ist und es gibt Alternativen. Alaba, Junuzovic, Harnik und Co. halten schon noch ein paar Jahre durch. Da ist etwas möglich. Kommt der Teamchef aus Österreich, wird er es aber schwer haben.