Robert Sedlacek: ‚Müssen uns nicht dauerhaft Kritik hingeben'
In Champions und Europa League wundert man sich über schwache Schiedsrichterleistungen. In Österreich sucht man Top-Referees ohnehin vergeblich. Nicht das einzige Problem mit dem sich Robert Sedlacek herumschlagen muss. Der zukünftige ÖFB-Schiriboss im 90
90minuten.at: Herr Sedlacek, in Österreich ist derzeit kein Top-Referee in Sicht. Warum hat sich seit der erfolgreichen Zeit von Konrad Plautz, der 2006 bei einem Champions-League-Halbfinale zum Einsatz kam und 2008 bei der EM pfeifen durfte, so ein Loch aufgetan?
Eine der Gründe ist wohl, dass es früher leichter war, Schiedsrichter nach oben zu bringen. Wir hatten auch eine ganz gute Lobby bei der UEFA, Leute, die auf uns geschaut haben. Das Karriereende von Thomas Einwaller hat jetzt tatsächlich ein Loch entstehen lassen. Es gibt eben viele Dinge, die ein Schiedsrichter mitbringen muss, um für höhere Aufgaben in Frage zu kommen – von der Fitness bis vor allem zur Altersstruktur. Aber wir haben ein paar Leute, wo wir hoffen, dass sie nach oben kommen. Aber es stimmt schon, unsere Schiedsrichter spielen derzeit eine bescheidene Rolle.
Was macht der ÖFB denn in Sachen Lobbying? Wie versucht man denn neue Stars hervorzubringen? Wer soll die Schiedsrichter ausbilden? Wie muss man sich denn entwickeln, um vom Bundesliga-Schiri zum WM-Schiri zu werden? Braucht man Profi-Schiedsrichter? Eine weitere Diskussion, die eine ewige werden könnte, ist jene über die Torkameratechnik. Was halten Sie davon? Stark unterstützt werden von der UEFA auch Torrichter, die aber immer wieder in der Kritik stehen. In Ländern wie Italien sind sie im Ligaalltag schon zu sehen. Wurde in Österreich schon darüber nachgedacht? Wie innovativ ist man sonst in Österreich im Schiedsrichterwesen? Hat man etwa schon einmal über das Freistoß-Spray, das in Südamerika eingesetzt wird, nachgedacht? Veränderung im österreichischen Schiedsrichterwesen wünscht sich auch die „IG Referee", die von Harald Ruiss ins Leben gerufen wurde und versucht Missstände im österreichischen Schiedsrichterwesen aufzuzeigen. Wie stehen Sie dem gegenüber? Kann man Kritik von außen nicht auch immer etwas Positives abgewinnen? Immerhin stehen hinter der Plattform Schiedsrichterpersönlichkeiten wie Manfred Schüttengruber oder Bernhard Brugger. Die werden sich doch sicher auch noch von früher kennen. Wie geht man damit um, dass sie sich dort einsetzen? Haben Sie den Kontakt zur Deeskalation gesucht? Wie reagieren Ihre Bundesliga-Schiedsrichter darauf? Diese Frage könnte man auch bei einer anderen aktuellen Geschichte stellen: Günter Benkö, WM-Referee 1998 und Schiedsrichter des Turniers bei der EM 2000 ist bald nicht mehr für die Besetzung der Schiedsrichter für die Profiligen zuständig, was ihn wenig gefreut hat. Wie löst man dieses Problem? Also ist er nicht mehr böse, weil ihm die Schiedsrichterbesetzung weggenommen wurde? Warum machen Sie die Besetzung jetzt? Sie sind Vorsitzender der Schiedsrichterkommission und sollen nun auch Vorsitzender der Elitekommission werden. Sind das nicht viele Posten? Danke für das Interview!
Wir haben versucht Kontakte zu knüpfen. Wir haben zum Beispiel Leute wie Herbert Fandel, der in der Schiedsrichterkommission der UEFA sitzt und selbst ein Top-Referee war, nach Wien eingeladen, um zu zeigen, wie wir arbeiten und was für Potential hier herrscht. Aber man kann im Schiriwesen nicht von heute auf morgen mit Stars rechnen.
Wir werden in Zukunft verstärkt auf Videoschulung setzen und auch die Schiribeobachter mehr als bisher anleiten. Mit jungen Schiedsrichtern ist es immer so eine Sache, wenn sie zu lange in der Regionalliga bleiben, verlieren sie oft die Motivation und hören auf. Am Ende des Tages wollen auch sie zu UEFA, wir müssen sie so gut es geht begleiten, um schließlich die Besten zu finden und sie in den Profiligen einsetzen. Da geht es auch um Persönlichkeitsschulung, die schon in jungen Jahren forciert werden muss.
Wir haben mit Günter Benkö und Konrad Plautz erfahrene Top-Leute, die das für uns übernehmen sollen. Wir wollen weg davon, dass wir an einem Stichtag ein paar Talente auswählen und die versuchen nach oben zu bringen. Auch ihre Leistungen sind tagesabhängig. Daher ist es unser Ziel, mehrere Schiedsrichter, die es durch ihre Leistungen innerhalb ihres Landesverbands bereits bis in die Regionalliga geschafft haben, über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Es geht um ein Heranreifen wie bei einem Fußballer.
Es gibt ja keine Profis. Da unsere Schiedsrichter arbeiten gehen, spielt der Beruf und natürlich auch die Familie eine große Rolle. Wer ganz nach oben will, muss Kompromisse eingehen, jede zweite oder dritte Runde zum Einsatz kommen zumindest und das Schiedsrichterwesen eigentlich vor Beruf und Familie stellen.
Das ist die ewige Diskussion. In Wirklichkeit ist das in allen Ligen der Welt nur eine Frage der Finanzen. In den großen Ligen gibt es auch nicht ausschließlich Profi-Schiedsrichter, die wirklich nicht mehr arbeiten gehen. Aber im Prinzip sind sie es natürlich, weil der Verdienst so hoch ist, dass sie nicht mehr arbeiten müssen nebenbei.
Das ist sicher eine gute Sache und wird bei großen Turnieren auch schon getestet werden. Aber sie kostet viel Geld und es geht nur um eine einzige Entscheidungsfindung. Da passieren ja leider viel mehr Fehler, beim Rest bleibt uns weiterhin nur: schulen, schulen, schulen. Aber wenn die UEFA die Technologie unterstützt, wird sie im Profibereich sicher bald Einzug halten.
Das Problem ist, dass man sehr schwer gleich gute Leute bekommt wie bei den Hauptschiedsrichtern. Die großen Verbände schaffen das zum Teil, die UEFA will es auch, aber für uns ist das momentan nicht aktuell, weil wir keine personellen Ressourcen besitzen.
Es gibt immer wieder Ideen, aber immer wieder Leute, die meinen, es sei alles toll, weil es seit 30 Jahren so gemacht wird. Es ist nicht einfach, etwas voranzubringen. Bei diesem Spray habe ich das Gefühl, das es mehr ein Showelement ist, was zur südamerikanischen Mentalität passt.
Um ehrlich zu sein – sehr negativ. Die wahre Sinnhaftigkeit verstehe ich nicht. Weil ich vor allem nicht verstehe, warum das teilweise aktive Schiedsrichter machen. Diese Interessensgemeinschaft birgt einen Interessenkonflikt. Eine private Internetplattform kann von den Verbänden oder vom ÖFB nicht anerkannt werden.
Ich weiß nicht, wie viele tatsächlich dahinter stehen und lese es nicht immer. Im Grunde hat aber jeder Schiedsrichter in seinem Landesverband seine Vertrauensleute. Anliegen jetzt über Dritte zu spielen, ist problematisch.
Mit Schüttengruber plaudere ich gerne noch, aber wenn es um die „IG Referee" geht, kann ich nur darauf verweisen, dass ich nicht der richtige Ansprechpartner bin. Ich kann mit einem Privatverein über gewisse Dinge nicht diskutieren. So schlecht sind der ÖFB und unsere Gremien nicht aufgestellt, dass wir uns dieser Kritik dauerhaft hingeben müssen.
Ich hab seiner Zeit als er mit diesem Brief an die Öffentlichkeit ging einige Male mit Ruiss gesprochen, bin aber auf wenig Verständnis gestoßen. Ich fürchte, er hat eine eigene Meinung und wir werden schwer einen Konsens finden.
Die meisten Top-Referees halten sich eher bedeckt. Ich glaube, das größere Dilemma ist, dass dieser Verein die Schiedsrichterkollegien in den Landesverbänden in die Bredouille bringt. Die betreuen aktiv Schiris und müssen sich übers Internet Ratschläge erteilen lassen. Man muss doch nicht alles öffentlich austragen, oder?
Ich habe mich erst kürzlich mit ihm getroffen. Konrad Plautz war auch dabei. Es ging um Details zu ihren neuen Posten als Talente-Scouts und -Coaches. Benkö hat zugesagt, dabei sein zu wollen.
Es tut ihm weh, aber er weiß, dass Veränderungen manchmal hingenommen werden müssen. Es erwarten alle, dass etwas passiert und jedem wäre ein österreichischer Schiedsrichter bei einer EM oder WM am liebsten. Aber wenn wir nichts ändern, werden wir keinen Schritt nach vorne machen. Das Besetzen bringt das Schiedsrichterwesen nicht weiter – wir haben 20 Referees in den beiden Ligen, zehn pfeifen da, zehn dort. Benkö kann in seiner neuen Funktion mehr einbringen.
Ich wollte das selber machen, damit es auf einer Schiene liegt. Außerdem gab es manchmal Kritik, weil Benkö der einzige Landesverbands-Schiedsrichterobmann war, der auch in der Schiedsrichter-Elite tätig war, was ja nur durch eine Ausnahmeregelung möglich wurde.
Es war nach dem Tod von Gerhard Kapl der Wunsch des ÖFB, dass ich den Posten übernehme. Und diese beiden Gremien waren immer in einer Hand. Das war wiederum mein Wunsch, es so zu machen, wie es einmal war.