Michael Krammer: 'So wie ich die Situation einschätze, bauen wir zu 80% ein neues Stadion''

Seit wenigen Wochen ist Michael Krammer neuer Präsident des SK Rapid. Im ausführlichen Interview mit 90minuten.at erzählt Krammer, wie es dazu gekommen ist, Präsident zu werden, in welchem Bereich Lokalrivale Austria ganz gut arbeitet, zu welchem Prozents

 

Kurzer Rückblick: Wann haben Sie das erste Mal daran gedacht, Rapid-Präsident werden zu können?
Ich kann Ihnen genau nachschauen. (sieht am Handy nach) Es war der Montag, der 21. Oktober. Das war die Sitzung des Wahlkomitees mit der Präsentation von Erich Kirisits. Unmittelbar danach.

 

Den Gerüchten nach wurden Sie von den Fanvertretern im Wahlausschuss motiviert?
Zunächst eine kleine Korrektur. Es gibt von der Mitgliederversammlung gewählte Vertreter im Wahlkomitee, zwei Kuratoriumsmitglieder – Kurt Dolinek und ich – sowie vom damals aktuellen Präsidium Nikolaus Rosenauer. Und alle fünf haben mich nach der Kirisits-Präsentation gebeten, meine ursprüngliche Entscheidung nicht zu kandidieren, zu überdenken.

 

Das hat dann zu dem geführt, wie wir es erlebt haben?
Ich habe zunächst gesagt, ich muss jetzt mal in mich gehen und werde auch mit meiner Frau reden. Ich musste auch meine geschäftlichen Themen durchanalysieren, was ich künftig weglassen muss, um das machen zu können. Ich habe mir ein paar Tage Bedenkzeit erbeten. Aber da wurde es so richtig klar, dass ich mich mit dem Thema Rapid-Präsidentschaft auseinandersetzen muss.

 

Was hat im Endeffekt dafür gesprochen, es zu machen? Sie haben immerhin gerade ein StartUp gegründet, da braucht man gewöhnlich viel Zeit und Energie, damit das auch was wird? Rapid-Präsident sein ist bekanntlich nicht unbedingt ein Job, den man so nebenbei macht ...
Ja, da bekomme ich gerade mit. Es sind auch derzeit keine 20 Stunden. Es sind 30 oder 40. Ich zähle das nicht so genau. Im Endeffekt war es eine emotionale Entscheidung es zu tun. Warum emotional? Es waren viele Dinge, die durch die Arbeit in der Reformkommission entstanden sind. Man lernt die handelnden Personen näher kennen. Ein Verein hat viele Stakeholder, die man nach außen nicht erkennt. Das große Engagement verpufft oft oder richtet sich sogar gegen den Verein, wenn man es nicht kanalisiert. Die Chance zu sehen, dieses große Potenzial zum Nutzen des Vereins zu kanalisieren, war mein emotionaler Anker. Auch die handelnden Personen und die ganz starke, persönliche Beziehung zu Rapid.

 

Sie haben von 30 oder gar 40 Stunden pro Woche gesprochen. Hat Sie dieser Umfang überrascht?
Rational habe ich mir das so zurechtgelegt, dass ich gesagt habe: Klar, am Anfang ist das sicher sehr intensiv aber wir sind auch dazu da, Strukturen zu schaffen. Die Strukturen sehen dann eine Vorstandsebene vor, die auch die hauptamtliche Arbeit in vollen Umfang trägt und dann irgendwann gibt es für mich eine intensive Aufsichtsratsfunktion.

 

Dh. im Vergleich zu Ihrem Vorgänger Rudi Edlinger werden Sie weniger präsent sein. Am Ende der Reform wird der Rapid-Präsident Krammer nicht im Vordergrund stehen?
Zumindest ist das meine Illusion. Das kann man nicht zu 100% selber beeinflussen. Das eine ist die Repräsentationsarbeit, die bleibt als Präsident so oder so. Das andere ist die tatsächliche, die operative Führungsarbeit. Und da gibt es im Moment sehr viel, was zu tun ist. Da muss es das Ziel sein, diese Tätigkeit auf die hauptamtlichen Mitarbeiter zu übertragen.

 

Der Blick zum Lokalrivalen zeigt eine mögliche Struktur, die dem SK Rapid als Vorbild dienen könnte? Dort stehen die Herren Kraetschmer und Parits im Vordergrund, Präsident Katzian nimmt man alle paar Monate medial wahr ..
Genau so soll es sein. Der Lokalrivale ist per se nicht unser Vorbild, aber diesen Bereich hat er ganz gut gemacht. Es wird eine nicht notierende AG werden, weil hier gewisse Transparenz-Kriterien vorgeschrieben sind. Bei einer GmbH ist doch sehr viel durch Eigentümereinflussnahme möglich und gibt es keine vergleichbare Verpflichtung zur Transparenz.

 

Wie sieht der Zeitplan hier aus?
Die Umstrukturierung ist jetzt im Laufen mit der Schaffung der Strukturen der AG, die einzelnen Aufgabenbereiche müssen beschrieben werden, wie die Organisationseinheiten den Vorstandsbereichen zugeordnet sind, die Beschreibung der Anforderungen an die künftigen Vorstände. Dann kann man die Organisation schon einsetzen, ohne sie in eine AG umzuwandeln. Denn die Umwandlung in eine AG hat viele bilanztechnische und steuerrechtliche Aspekte. Zum Beispiel fällt die Umsatzsteuerbefreiung weg, wir zahlen plötzlich Umsatzsteuer für die Tickets. Da brauchen wir irgendwas anderes, wo wir die Umsatzsteuer gegenrechnen können, zum Beispiel Stadionbau. Unabhängig davon von diesen Aspekten wollen wir vorher die Organisation schon schaffen und einsetzen und diese dann zum richtigen Zeitpunkt in eine AG umzuwandeln.

 

Wann soll das passieren?
Das Ziel ist, dass wir die Struktur im zweiten Quartal 2014 fertig haben und dann die Personalauswahl starten können.

 

Und wann soll die AG auf dem Papier schlussendlich auch rechtlich existieren?
Das kann ich jetzt noch nicht sagen, das hängt auch von der Stadionentscheidung ab. Da lege ich mich jetzt noch nicht fest, da werden auch die Steuerexperten gefragt sein, wann der beste Zeitpunkt dafür ist.

 

Wenn die Mitarbeiter des SK Rapid dieser Interview lesen werden: Muss sich dann jeder hinterfragen, ob er in der neuen Struktur noch einen Platz hat?
Nein, sie brauchen sich da keine Gedanken machen, weil eines kann ich sagen: Rapid ist in der Verwaltung nicht überbesetzt. Was sich ändern kann, ist die Zuordnung von Mitarbeitern.

 

Derzeit gibt es bei Rapid zwei zentrale Management-Positionen, einerseits Werner Kuhn und andererseits Andy Marek, die sehr viel Kompetenzen und Entscheidungsgewalt an sich gezogen haben. Ist es auch ein Ziel, das Management breiter aufzustellen?
Zuerst muss man ganz offen sagen, derzeit funktioniert der SK Rapid ohne eine einzige Geschäftsordnung. Es gibt keine. Die Dinge sind nirgends niedergeschrieben und nicht nachvollziehbar. Das ist nicht gut. Das muss ein erster Schritt sein, das alles zu definieren, wer genau welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche hat. Dann beschäftigen wir uns damit, ob die handelnden Personen die richtigen sind für die jeweiligen Aufgaben. Aber eines möchte ich klarstellen: beide von ihnen genannten Manager arbeiten mit mehr als 100% Einsatz für Rapid.

 

Werner Kuhn war eine Reizfigur in den letzten beiden Jahren. Das wird Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein. Sie haben zuletzt in Interviews versucht, zu kalmieren und sich gegen Personenhetze ausgesprochen. Die entscheidenden Funktionen werden neu ausgeschrieben, dh. aber nicht, dass sich nicht auch Werner Kuhn dafür bewerben kann?
Zu erst einmal: Kalmierend ist der falsche Ausdruck. Nennen wir es versachlichend. Das ist auch meine Aufgabenstellung. Ich kann nicht – plakativ gesagt – eine Person feuern, eine andere hinsetzen, wenn die Strukturen nicht besser werden. Dann führt das wieder zum Chaos. Zuerst ist es unsere Verantwortung die Strukturen zu schaffen und dann suchen wir die Personen aus. Es ist nichts ausgeschlossen, jeder kann sich bewerben.

 

Aber die entscheidenden Positionen müssen neu ausgeschrieben werden, oder?
Wir werden es tun, wir haben uns dazu auch verpflichtet. Wir haben aber nicht die Pflicht es zu tun, wie eine staatliche Organisation. Wir wollen es aber trotzdem machen.

 

Wer beschäftigt sich mit der Strukturentwicklung? Gibt es ein Team der klugen Köpfe?
Im Präsidium habe ich die Verantwortung übernommen, diesen Auftrag durchzuführen. Wir werden demnächst ein Team von Mitarbeitern zusammenstellen, die dieses Organisationsprojekt begleitet. Natürlich muss man hier aktuelle Mitarbeiter einbeziehen. Werner Kuhn und Andy Marek wissen sehr viel über die Organisation und die Arbeit in diesem Klub. Die will ich unbedingt dabei haben. Ich muss ja auch wissen, was die Leute jetzt machen. Es muss zuerst ein Istzustand her, um zu einem Sollzustand zu kommen. Ich habe drei große Unternehmen selbst restrukturiert, auch bei EPlus in Deutschland habe ich drei große Restrukturierungen geleitet. Ein bisschen Erfahrung in diesem Thema habe ich also auch.

 

Werden Sie sich da auch extern beraten lassen?
Das ist durchaus möglich. Die Projektleitung wird jemand übernehmen, der nicht unmittelbar im Verein davon betroffen ist.

 

Das Stadion haben Sie vorher schon angesprochen. Wie ist der Status Quo der ominösen Wolke „Neues Rapid-Stadion", die über Rapid hängt?
Fangen wir mit der finanziellen Seiten an: Es gibt einen Gemeinderatsbeschluss vom November 2011, wo ein gewisser Betrag für die Stadionsanierung und -adaptierung gewidmet ist. Parallel läuft seit einigen Wochen ein Anbieterprozess, wo derzeit vier Anbieter im Rennen sind. Das geht gut voran, da wird es jetzt demnächst eine Detailspezifikation geben, so dass man ein verbindliches Angebot im Februar am Tisch hat. Dann weiß man genau, was es kosten wird. Man kann jetzt schon ungefähr sagen, dass es vom Kostenrahmen 45 Mio. Euro nicht so weit weg ist. Das ist realistisch.

 

Wir reden hier von einem Angebotsverfahren am Standort Hütteldorf?
Ja. Am Standort Hütteldorf ein Stadion mit 24.000 Sitzplätzen.

 

Wenn jetzt jemand kommt und etwas anbietet für einen anderen Standort?
Themenverfehlung. Zurück zum Thema: Parallel dazu wollen mit Bezirksvertretern und den Anrainern bzw. der Initiative des Hugo Breitner Hof in den Dialog gehen und erklären, was wir verbessern können für die Anrainer. Die haben eine große Belastung, das ist eine schwierige Situation für die derzeit. Aber das wird durch ein neues Stadion besser werden, z.B. die Anreise der Auswärtsfans, Polizei kommt ins Stadion, etc.

 

Die Anrainer sind bekanntlich sehr mächtig, was große Bauvorhaben betrifft ..
Jedenfalls leben wir dort gemeinsam seit 1977 und wollen auch in Zukunft noch eine lange Zeit dort gemeinsam leben. Wir beleben dort auch die Gegend, schaffen Infrastruktur und das wollen wir gemeinsam mit den Anrainern machen. Zurück zum Thema Finanzierung: Bereits jetzt arbeiten wir auch daran, welche klassischen Finanzierungsformen gibt es, welche alternativen Finanzierungsformen gibt es und wer kann ein potenzieller Namenssponsor für das neue Stadion sein. Alle diese Dinge haben wir uns vorgenommen, bis April 2014 zusammenzuführen, um dann eine Grundlage zu haben und zur Gemeinde zu gehen und zu sagen: So schauts jetzt aus. Bauen wir oder bauen wir nicht.

 

Inwiefern muss die Gemeinde dann noch zustimmen?
Naja, das ist das Grundstück von der Gemeinde. Wir sind Pächter und daher ist die Gemeinde ein ganz wesentlicher Stakeholder.

 

Im Optimalfall könnte es wann eine definitive Entscheidung geben, dass das Stadion gebaut wird?
Im Optimalfall können wir 2014 noch die offizielle Entscheidung treffen und auch zu bauen beginnen. Das ist aber wirklich der Optimalfall. Da muss sich recht rasch ein Stadionsponsor finden, da muss Klarheit bzgl. Finanzierung herrschen, der Gemeinderatsbeschluss muss durch sein, der Dialog mit den Anrainern muss passen. Es gibt viele Meilensteine, die wir da erreichen müssen, dann können wir das schaffen.

 

In einem Interview habe ich gelesen, dass Hütteldorf aller Möglichkeit nach der neue alte Standort des neuen Stadions sein soll. Könnte in diesem Verfahren jetzt auch noch herauskommen, dass diese vier Anbieter einen Stadionneubau in Hütteldorf als nicht realistisch erachten?
Dass das Stadion in Hütteldorf steht ist für mich die Arbeitshypothese. Ich habe im Moment keine andere. Die Arbeitshypothese wäre dann eher: Wenn es keinen Neubau gibt, dann sanieren wir.

 

Die dritte Möglichkeit einen alternativen Standort heranzuziehen schließen Sie also aus?
Aus mehreren Gründen: Es wäre eine Entwurzelung des größten Traditionsvereins Österreichs, der seit 100 Jahren genau in dieser Gegend spielt und beheimatet ist. Rapid wird oft als „die Hütteldorfer" bezeichnet. Das ist unser zweiter Name. Das geht einfach nicht. Zweiter Grund: Es ist Zeitdruck da. Das derzeitige Hanappi-Stadion entweder wegzureißen oder zu sanieren. Jedes andere Projekt wo anders dauert mindestens fünf oder sechs Jahre. Dann müssen wir das Hanappi sanieren und wo anders neu bauen, weil sie uns sonst die Hüttn zusperren. Das wäre auch nicht wirtschaftlich.

 

Wenn die Entscheidung zum Bau gefallen ist, wie lange dauert es dann bis das Stadion steht?
Die Anbieterfirmen sehen eine Bauzeit im Idealfall von 18 bis 24 Monaten vor, inkl. Abriss.

 

Die Saison 2014/15 würde man dann noch im Hanappi-Stadion zu Ende spielen?
Hoffentlich nicht mehr ganz. Das wäre ein nettes Problem, das ich gerne hätte, wenn wir im Frühjahr 2015 ins Happel-Stadion ausweichen müssen. Wenn es ganz ideal läuft, können wir eventuell schon im Herbst 2014 beginnen, dann wäre auch eine Rückkehr in der Saison 2016 möglich. Aber so weit will ich gar nicht denken, das wäre der Idealfall.

 

Es klingt aber doch durch, dass es nicht 100%ig ein neues Stadion geben wird?
Sie haben nach einer Alternative gefragt. Ja, die Alternative ist die Sanierung. Ich bin optimistisch. Im Moment – so wie ich die Situation jetzt einschätze – würde ich zu 80% sagen: Wir machen das. (Neubau des Stadions, Anm. d. Redaktion)

 

Letzte Frage zum Stadion: Es gab und gibt ja immer wieder die kreativsten Vorschläge zu sehen, wie das neue Rapid-Stadion aussehen könnte. Sind diese zum Teil sehr futuristischen Vorschläge überzogen? Was darf sich der Rapid-Fan vom neuen Stadion erwarten und welches Fassungsvermögen wird es haben?
24.000. Das ist eine Größe, die an diesem Standort sinnvoll ist und auch Rapid in der Lage ist, sie vollzubekommen. Weil jeder Stadionneubau, egal wo man sich das ansieht, hat immer neue Zuschauer gebracht, auch wenn der Trend in Österreich derzeit nach unten zeigt. Auf der anderen Seite haben wir einen gegenläufigen Trend mit weniger attraktiven Gegnern in der Bundesliga. Da finde ich es besser, wir bringen 24.000 Leute in ein Stadion, das annähernd voll ist als wir haben ein 30.000er Stadion, das immer halb leer ist. Die Stimmung ist ein großer Bestandteil von Rapid und daher ist uns das wichtig.

 

Und was muss das neue Stadion können, was sind die Anforderungen?
Wir wollen schon ein architektonisches Zeichen setzen, aber vor allem was den besten vermarktbaren Teil des Stadions betrifft, ein Zeichen setzen. Business-Plätze, Logen, VIP-Sitze in ausreichender Zahl, Direktzufahrt von der Garage, bis hin dazu, dass wir durchaus sagen wollen: Ein Wien-Besuch für Fußball-Affine Menschen soll im neuen Stadion enden. Ein ordentlichen Platz für das Rapideum, ordentliche Gastronomie, etc., so wie wir das von internationalen Vorbildern kennen. Wir werden kein Dortmund-Stadion hinstellen, aber für unsere Maßstäbe. Die Leute sollen gerne hinkommen, auch schon vorher, gerne Zeit hier verbringen. Das neue Stadion soll natürlich auch für die UEFA-Kategorie 4 ausgelegt sein, damit man Champions- oder Europa-League spielen kann.

 

Hat Sie eigentlich auch der ÖFB deswegen kontaktiert. Da gab es Signale von ÖFB-Präsident Leo Windtner, dass der ÖFB daran interessiert ist, ein Stadion zu haben, dass man auch für Länderspiele nützen kann?
Ich habe schon einen Termin mit dem ÖFB-Präsidenten, da werden wir sicher auch über diese Thematik sprechen, aber der kommt erst.

 

Machen Sie sich sorgen, dass man aufgrund der Compliance-Regeln, die ganzen Business-Logen nicht so verkaufen kann, wie man sich das vorstellt?
Das ist sicher schwieriger geworden. Das muss man aber auch bei der Gestaltung berücksichtigen. Eine VIP-Loge ist ja nicht nur bei einem Spiel zugänglich. Diese Logen sind ja wie Besprechungsräume ..

 


Thema Fans: In den letzten 1,5 Jahren war es nicht ganz leicht. Einerseits Rapid-Fan zu sein, andererseits im Rapid-Management oder –Präsidium zu sitzen. Da wurden unschöne Dinge ausgerichtet von Richtung Westtribüne. Wie haben Sie das empfunden?
Ein Fußballverein ist ein ganz sensibles Gebilde. In der Wirtschaft gibt es Markenartikel und es gibt Fetischisten, die dann diese Marken kaufen. Wenn die von diesen Marken enttäuscht werden, kaufen sie eine andere Marke. Bei einem Fußballklub ist das nicht möglich. Wenn mich meine Marke, mein Verein, mit dem ich verwurzelt bin, enttäuscht, dann entsteht negative Energie. Die kann aber nicht dadurch entweichen, in dem der Fan zu einem anderen Verein geht. Also richtet sich diese Energie nach innen. Das ist die Problematik. Daher muss man wahnsinnig aufpassen, dass innerhalb dieses Gefüges mit Mitgliedern, Fans, Mitarbeitern, Mannschaft und Medien eine Kommunikation entsteht, die das verhindert. Und ich muss offener und transparenter sein als in der Vergangenheit, das ist meine Erkenntnis aus meiner intensiven Arbeit mit Rapid im vergangenen Jahr.

 

Jetzt gibt es immer wieder den Vorwurf, dass die Fans bei Rapid zu viel Rechte genießen. Es gibt Transparente, Demonstrationen, Beschimpfungen oder sogar die Forderung, mit der Mannschaft in der Kabine nach einer Niederlage zu sprechen. Wo sehen Sie die Grenze?
Wir leben in einer Demokratie. Wenn die Fans demonstrieren, sollen sie demonstrieren. Das ist ihr gutes Recht. Wenn sie schreien wollen „Vorstand raus" ist das nicht super, aber es ist halt so. Das ist aber in ganz Europa so. Das muss man akzeptieren. Das passiert umso häufiger, wenn sich sportlicher Misserfolg mit wenig Kommunikation verbindet. Dann hat man ein Problem. Das ist nicht schön, weil es das Image schädigt und auch die Sponsoren zurückhält. Die Medien lieben es, aber es schädigt natürlich das Ansehen des Vereins. Die nicht so intensiven Fans sehen das auch nicht so positiv. Die klare Grenze ist Gewalt, andererseits Diffamierung und drittens, wo dem Verein finanzieller Schaden zugeführt wird. Für den Imageschaden sind wir alle gemeinsam verantwortlich. Wo aber wirklich ein finanzieller Schaden entsteht, dann ist Schluss mit lustig. Auch dass Fans in die Kabine wollen – sogar ich gehe nur in Ausnahmefällen in die Kabine. Das wäre zu viel des Guten.

 

War der Verein in den vergangenen Jahren bzgl. Fans insgesamt zu weich, zu hart oder war es gerade richtig?
Das kann ich als Außenstehender nicht wirklich beurteilen. Meine Informationsaufnahme hatte ich durch Kuratoriumssitzungen, daher weiß ich nicht, was tatsächlich vorgefallen ist.

 

Der Wettskandal hat die Medien in den vergangenen Wochen beherrscht und den österreichischen Fußball runtergezogen. Wie haben Sie das wahrgenommen, welchen Schaden hat der österreichische Fußball als Ganzes genommen?
Der Schaden ist sehr groß. Der österreichische Fußball hat an sich schon nicht den besten Stellenwert in der Öffentlichkeit, die Bundesliga an sich auch nicht - und dann kommt der Wettskandal als Tüpfelchen auf dem I, wo dann die treuesten Fans sich denken, was soll ich davon halten? Ich finde, dass in der Kommunikation der Bundesliga nach außen nicht alle Chancen genutzt wurden, ein System darzustellen, wie es in der Zukunft sein soll. Es hilft in so einer Situation nichts, sich hinzusetzen und zu beschwichtigen oder die Vergangenheit zu erklären. Man muss vorwärtsgerichtet erklären, was man tun will, um das künftig zu verhindern. Da muss 100% der Kommunikation und Energie hineinfließen. Da gibt es verschiedene Blöcke von Maßnahmen. Der wichtigste Punkt aus meiner Sicht ist, dass die Vereine beginnen müssen, die Spieler ganzheitlich auszubilden, nicht nur sportlich. Auch klar machen, was es bedeutet, sich auf so etwas einzulassen – nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich, was sich da für Dramen abspielen. Schulungen müssen ein integrierter Bestandteil von der Jugend bis zur Kampfmannschaft sein.

 

Das heißt auch der Verein ist hier massiv gefordert?
Ja klar. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen können wir nicht schaffen, aber die Persönlichkeitsbildung ist Aufgabe der Vereine.

 

Hatten Sie schon Zeit sich Gedanken zu machen, was Rapid hier verbessern kann?
So weit ich das mitbekommen habe, wird hier schon viel getan. Wir waren der erste Verein, der den Verein zur Wahrung der Integrität im Sport zu einem Schulungsvortrag zu Gast hatte. In den nächsten Wochen soll dies wiederholt und auch für die Amateur- und Akademiemannschaften in Anspruch genommen werden.

 

Wie denken Sie, kann die österreichische Liga als Ganzes vorankommen?
Ohne Details zu wissen, das sage ich ganz oberflächlich. Ich habe mich mit der Liga noch keine drei Stunden (Das Interview wurde am 6. Dezember, vor der ersten Bundesliga-Sitzung von Michael Krammer gefügrt, Anm. d. Redaktion) beschäftigt. Aus Sicht des interessierten Fußballkonsumenten würde ich mir wünschen, dass neben den finanziellen Mindeststandards auch infrastrukturelle Mindeststandards definiert werden. Es ist erschütternd, Matches wie Wolfsberg gegen Salzburg zu sehen. Das ist in Wahrheit ein Wahnsinn, wenn ich höre, dass manche Vereine in der Bundesliga mehr Veranstaltungskosten haben als Zuschauereinnahmen. Das geht nicht. Wir wollen im europäischen Konzert mitspielen, da brauchen wir Mindeststandards.

 

Das sind Standards, die die Vereine selbst beschließen müssen ...
Ja, im Gremium als Ganzes.

 

Daran scheitert es dann meistens. Wenn man mit der Bundesliga-Spitze redet, hört man immer: Dazu braucht man die Vereine. Ist da die Bundesliga-Spitze gefordert, mehr Führungsqualität an den Tag zu legen?
Ich rede mir jetzt sehr leicht, weil ich die Situation nicht kenne, da ich die Bundesliga-Führung bei derartigen Sitzungen noch nicht kennengelernt habe. Vielleicht stelle ich es mir auch zu einfach vor, daher kann ich keine Patentrezepte abgeben.

 

Wäre es machbar, durch einen langfristigen Plan – sagen wir bis 2020 – die Infrastruktur wie etwa Rasenheizung durchzusetzen. Muss man sich selbst die Klinge ansetzen?
Unbedingt. Man braucht eine gewisse Übergangsfrist und man muss den Vereinen ermöglichen, eine Finanzierung zu finden. Diese Investition ist Nachhaltig, weil der Fußball dadurch attraktiver wird.

 

Ein Patentrezept dazu gibt es aber nicht?
Ja, aber nur wenn man diese Übergangsfrist auch verpflichtend macht, passiert es. Sonst passiert nichts. Erst wenn man die Ziele gesetzt hat, wird daran gearbeitet.

 

Gibt es dieses nachhaltige Denken in der österreichischen Liga?
Ich weiß es nicht, aber es muss in diese Richtung gehen.

 

Noch eine Frage: Wie sehen Sie die Diskussionen zum Ligenformat. Natürlich ist es kurzfristig für Rapid attraktiver zwei Mal im eigenen Stadion gegen die Austria zu spielen als nur einmal und dafür das andere Spiel gegen einen jetzigen HfMEL-Verein. Aber möglicherweise verträgt Österreich nicht mehr als 16 Profivereine. Was wiegt hier mehr in dieser Diskussion?
Ich habe mir dazu noch keine finale Meinung gebildet. Ich habe da derzeit nur eine Ist-Aufnahme und noch kein fertiges Konzept. Daher kann ich dazu noch nicht wirklich etwas sagen. Verträgt der österreichische Fußball wirklich 16 Profivereine in der obersten Liga, auch was die Mindestanforderungen in der Infrastruktur betrifft, etc.? Ich weiß es nicht, dazu hatte ich noch zu wenig Kontakt mit den anderen Vereinsvertretern.

 

Die österreichische Liga lebt unter anderem davon, solidarisch zu sein. Jeder Verein hat Einzelinteressen, die er mit der Solidarität in Einklang bringen muss. Wie wichtig ist die Solidarität für die Liga?
Unser Ziel als Rapid ist es ganz klar, durch unser Abschneiden in der Bundesliga permanent europäisch mitzuspielen. Dazu braucht man finanzielle Mittel. Wenn man sich diese Abstufung abschaut – es gibt zwar Tendenzen, dass die Europa League mehr Geld künftig bekommen soll als bisher – aber die Top 10 Vereine in Europa leben nach dem Motto: „Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu." Die werden immer reichen. Daher kann ich auf nationaler Ebene nicht den Samariter spielen. Das geht nicht. Weil sonst kann ich im europäischen Konzert irgendwann nicht mehr andocken. Ich muss mich darum bemühen, wie ich die bestmöglichen Rahmenbedingungen bekomme. Dort, wo Solidarität notwendig ist, wird es sie geben, aber das ist nicht die erste Zielsetzung.

 

Wie definieren Sie die notwendige Solidarität?
Das wird sich herausstellen. Ohne mich damit beschäftigt zu haben: Wenn jemand gegen Rapid spielt, ist das wie ein Lotto-Sechser für den anderen Verein, weil er damit weiß, er hat viel mehr Quote, dadurch profitiert er eh schon durch Rapid. Warum muss dieser Verein dann bei den TV-Geldern auch noch im gleichen Ausmaß profitieren wie Rapid? Wenn ein Verein, der 1.500 Zuschauerschnitt hat, im Sonntagsspiel gegen Rapid spielt und dann plötzlich 400.000 TV-Zuseher bekommt, dann ist das schon ein solidarischer Akt von Rapid.

 

Wenn Sie nach Deutschland blicken. Ist die deutsche Liga solidarischer aufgestellt als die österreichische?
Nein, das finde ich nicht. Wieso?

 

Das Erfolgsmodell der deutschen Liga beruht schon darauf, dass alle an einem Strang ziehen – Querschüsse der Bayern inklusive ...
Wenn ich dort bin, wo Bayern ist und über welche konsequenten finanziellen Maßnahmen das erreicht wurde, die zum Teil zu tiefst unsolidarisch waren, kann ich nachher leicht gönnerhaft sein. Aber wir sind weit davon entfernt: Wenn wir zu solidarisch sind, finden wir auf europäischer Ebene keinen Anschluss mehr. Und zudem bekommen die Bayern aus dem nationalen Fernsehtopf wesentlich mehr Geld als zum Beispiel Braunschweig oder Augsburg!

Danke für das Interview!

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