Helmut Schulte: ‚Ich habe es mir interessant vorgestellt bei Rapid zu arbeiten, aber nicht so interessant.‘

Helmut Schulte, erst seit wenigen Monaten bei Rapid und schon im Kreuzfeuer der Fans. Der deutsche Sportdirektor mit St. Pauli-Vergangenheit im 90minuten.at-Interview über Peter Schöttel, Rapids Philosophie, warum er junge Spieler nicht mit Geld zuschütte

 

90minuten.at: Sie waren zu einem Gespräch in Wien, ehe Sie zum Sportdirektor bestellt wurden. Was wollte man von Ihnen wissen?

Helmut Schulte: Das Gespräch hat eine Stunde gedauert, da waren Leute vom Präsidium und vom Kuratorium dabei. Ich habe mich vorgestellt, was ich bisher gemacht habe und ein paar Überzeugungen von mir zum Thema Fußball, die sich in den letzten 25 bis 30 Jahren bei mir breitgemacht haben, erklärt. Dann gab es noch einige Fragen, die ich beantwortet habe. Ich konnte damals natürlich nichts zur aktuellen Situation des SK Rapid erklären. Anhand der Fragen, die mir gestellt wurden, hatte ich das Gefühl, dass es einige Schwerpunkte gibt, mit denen man sich damals schon beschäftigt hat. Dann bin ich zurückgeflogen und habe das ganze losgelassen und mir gesagt: „Wenn die Vereinsführung der Meinung ist, dass ich der richtige bin, werden sie sich melden.“ Diese Gelassenheit habe ich mir in fast 30 Jahren Profifußball erarbeitet. Das ist der Vorteil des Alters.

 

Inwiefern ging es damals schon um „Fußball-philosophische“ Fragen. Wie hat man Ihrer Meinung nach damals abgeklopft, dass Schulte und Rapid zusammenpassen?

Das kann ich nicht sagen, da müsste man die Verantwortungsträger fragen, die vor Ort waren. Der Hintergrund war, dass ich bereits in Vereinen gearbeitet habe, wo sehr viel Leidenschaft und Emotion zu Hause ist, viele Zuschauer ins Stadion kommen und mit dem ganzen Herzen dabei sind. Natürlich wollte man wissen, wie ich gearbeitet habe, wie ich mir gewisse Dinge und Strukturen vorstelle.

 


Ich glaube, dass eine Struktur zunächst stimmen muss, damit Menschen da drinnen agieren können.

 

Wie unterscheidet sich denn die Aufgabe eines Sportdirektors in einem emotionalen Verein wie Rapid oder St. Pauli zu einem Verein, der in diesen Bereichen weniger gefordert ist?

In einem emotionalen, leidenschaftlichen Traditionsverein ist es im Positiven wie im Negativen interessanter zu arbeiten. Es gibt emotionale Spitzen, die ich hier auch schon erlebt habe. Bei anderen Vereinen sind die Spitzen sicherlich nicht so extrem. Vielleicht kann man in solchen Vereinen sogar etwas leichter arbeiten. Aber wie ich schon in meinem Buch geschrieben habe, muss ja jeder selbst entscheiden, ob man die extremen Ausschläge des Lebens mitmachen will oder nicht. Ich habe mich dafür entschieden, das mitzumachen. Ich versuche da immer abgeklärt zu sein, bin aber jemand, der sehr mitlebt und mitfiebert. Ich versuche das ganze Thema strukturell anzugehen, aber das, was ich hier in den letzten vier Monaten miterlebt habe, lässt mich natürlich nicht kalt.

 

Sie haben die Struktur angesprochen. Sie haben immer betont, dass Sie sich zunächst einen Überblick verschaffen, zuhören und erst dann Entscheidungen treffen wollen? Welchen Änderungsbedarf gibt es aus Ihrer Sicht in der sportlichen Struktur des SK Rapid?

Man kann jede Struktur optimieren und besser machen. Das kann auch dadurch funktionieren, in dem man das Personal besser macht, indem man dann gegebenenfalls auslaufende Verträge nicht verlängert und neues Personal holt. Ich bin jetzt nicht derjenige, der meint, dass jeder Mensch in jeder Struktur passend gemacht werden kann. Ich glaube, dass eine Struktur zunächst stimmen muss, damit Menschen da drinnen agieren können.

 

Und stimmt die sportliche Struktur beim SK Rapid?

Da wird es sicherlich noch Anpassungen geben. Was die Kampfmannschaft und das Agieren eines Trainerteams betrifft ist das so, wie es für den SK Rapid gut ist. Im Scouting-Bereich müssen wir was tun, im Nachwuchsbereich kann man sicher auch etwas tun, da fehlt mir aber noch die Expertise, weil ich bisher zu wenig Zeit dafür hatte. Da weiß ich aber, dass ich mich auf Carsten Jancker mit seinen Fachkenntnissen  verlassen kann. Abseits davon gibt es das große Thema Vereinsstruktur. Dazu will ich aber jetzt nichts sagen. Dazu habe ich sicherlich meine Ideen und Gedanken und auch ein Gefühl, was hier günstig wäre. Das ist aber nicht meine Aufgabe, darüber zu philosophieren. Da stehe ich jederzeit als Ratgeber zur Verfügung. Es gibt aber auch hier keine Patentrezepte. Es gibt den SK Rapid, der sehen muss, wie er den Herausforderungen der Zukunft am besten begegnet und sich diesen stellt.

 

Die Vertragsverlängerung von Peter Schöttel war eine ihrer ersten offiziellen Amtshandlungen. Haben Sie damals zu diesem Zeitpunkt schon genügend Zeit gehabt, alles zu analysieren oder war es so, wie es im Umfeld oft heißt, dass die Verlängerung von Schöttel schon vor Ihrer Ankunft beschlossene Sache war?

Es ist so gewesen, dass es im Herbst bereits weit fortgeschrittene Gespräche mit Peter Schöttel gegeben hat. Dann hat man aber, soweit ich das gehört habe, das Ganze auf Eis gelegt, weil man zunächst die Personalie des neuen Sportdirektors abwarten wollte. Das finde ich – unabhängig, dass ich das geworden bin – die absolut richtige Vorgehensweise. Ein Verein wie der SK Rapid braucht einen Sportdirektor, der die Entwicklung des Klubs langfristig im Auge hat …

 

… geht das mit einem Einjahresvertrag?

Die waren so schlau, dass sie gesehen haben: Den Schulte können wir sogar nur für ein halbes Jahr einstellen. Der wird in dem halben Jahr alles so machen, wie es für den Verein mit besten Wissen und Gewissen richtig ist. Da reicht auch ein Einjahresvertrag. Keiner hat den Klub gezwungen, keiner hat mich gezogen.

 


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Sich im Profifußball von Leuten zu trennen, ist Normalität. Nicht normal ist, wenn jemand das Ende seines Vertrags erfüllen kann. Ich möchte die Kultur eines Trennens etabliert wissen. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Ich habe Sie vorher unterbrochen. Wir waren beim Thema Vertragsverlängerung von Peter Schöttel ...

Es hing so ein bisschen an mir. Ich musste entscheiden: Gehen wir mit einer offenen Trainerpersonalie in das Frühjahr – wir konnten ja im Grund genommen noch alles gewinnen. Oder lassen wir die Trainerpersonalie offen. Offen zu lassen hätte ein gewisses Misstrauen gebracht. Den Vertrag zu verlängern war mutig, ich war aber davon überzeugt, dass es richtig war. Es ist nicht so, dass es schon komplett entschieden war. Das haben wir dann gemeinsam im Trainingslager so getroffen. Ich würde auch wahrscheinlich in gleicher Situation ähnlich reagieren. Kann aber sagen, „die Dummheit der Vergangenheit, die Weisheit der Gegenwart“ ist immer ein Thema. Im Nachhinein kann man sagen, dass es ein Fehler war. Diesen Fehler haben wir richtig und gut korrigiert. Ich bin nach wie vor von der Person Peter Schöttel überzeugt. Das Spiel mag auch schon vor meiner Zeit nicht immer attraktiv gewesen sein, aber die sportlichen Erfolge waren da. Zweiter Platz und Quali für die Europa League, dann dritter Platz nach der Herbstrunde. Dann ist aber eine Entwicklung entstanden und ich kann noch nicht einmal sagen, was da passiert ist. Am Ende dieser Entwicklung hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass wir so weitermachen konnten. Dann haben wir das im Klub sehr professionell umgesetzt, was in Österreich aber glaub ich niemand wirklich mitbekommen hat.

 

Wie meinen Sie das?

Nicht nur weil Schöttel auch bei der Pressekonferenz mit dabei gewesen ist. Sich im Profifußball von Leuten zu trennen, ist Normalität. Nicht normal ist, wenn jemand das Ende seines Vertrags erfüllen kann. Ich möchte die Kultur eines Trennens etabliert wissen. Es macht mir keinen Spaß zu einem Spieler zu sagen, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Aber wenn ich davon überzeugt bin, dass es für die Zukunft des Klubs wichtig ist, dann mache ich das. Das gehört zu meinem Job. Es geht um richtige Entscheidungen für die Zukunft des Klubs. Dazu bin ich bereit. Die Lösung mit Barisic/Jancker ist für den Klub die aus jetziger Sicht bestmögliche Lösung. Ich hoffe auch, dass uns diese Lösung in die nächste Saison trägt.

 

Hätte Peter Schöttel ohne Sie als Sportdirektor schon früher gehen müssen? Haben Sie ihm am längsten die Treue gehalten?

Keine Ahnung. Natürlich gibt es immer Gespräche, die im Raum bleiben, wo sie stattfinden. Es gab nie eine Entscheidung davor. Erst nach dem Pasching-Spiel haben wir uns zusammengesetzt und die Entscheidung umgesetzt. Natürlich wird vorher hin- und her diskutiert.

 

Immer wieder im Fokus der Fans ist der aktuelle Kader. Generell liest man dabei oft, dass dieser zu schwach ist für den Anspruch, den der SK Rapid hat. Wie sehen Sie den aktuellen Kader? Müsste dieser rein von der Qualität her mit jenem der Austria mithalten können?

Ich glaube, dass ein Vergleich der erste Schritt ist, um unglücklich zu werden. Das macht man ja nur, wenn es einem schlecht geht. Unser Kader hat ein Ungleichgewicht. Wir haben viele junge Spieler, viele alte Spieler, aber nur wenige Spieler im Höchstleistungsbereich einer Karriere, also im Alter von 25 bis 30. Das fehlt uns so ein bisschen, ohne den Spielern, die in diesem Alter bei uns sind, die Qualität abzusprechen. Die andere Frage ist: Ist der Kader gut zusammengestellt für die Aufgaben, die uns erwarten. Den SK Rapid erwartet von den neun Gegner in der Meisterschaft sieben bis acht Mannschaften, die sich eher in der eigenen Hälfte aufhalten werden. Dh. ich brauche Spieler, die eine gegnerische Mannschaft auseinanderspielen können. Dafür sind wir nicht optimal aufgestellt. Mit einem Vergleich mit der Austria kann ich wenig anfangen. Man muss sich immer auf die eigenen Stärken und Schwächen konzentrieren und soll sich nicht abhängig machen von Vergleichen. Beide Kader sind im Vergleich zur vergangenen Saison nicht großartig verändert worden. Letzte Saison war Rapid auf Platz zwei und Austria auf Platz vier. Beide Mannschaften haben den einen oder anderen Transfer gemacht. Das darf aber bei diesen gleichen Voraussetzungen nicht den Ausschlag geben, dass Rapid deutlich  mehr als 20 Punkte hinter der Austria liegt. Also hat es etwas mit Qualität zu tun? Haben wir diese Qualität nicht auf den Platz bekommen? Eher unwahrscheinlich. Aber wir haben eine deutliche bessere Qualität als wir im Frühjahr gezeigt haben.

 


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Jeder Verein kann sich glücklich schätzen, wenn er so eine Ikone im Klub hat. Steffen Hofmann wird auch im Alter für den Verein sehr, sehr wertvoll sein.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Sie haben jetzt gerade betont, dass Rapid die Spieler im Alter von 25 bis 30 Jahren fehlen. War der Transfer von Branko Boskovic nicht eigentlich ein Fehler? Wir haben es bei uns als „populistischen Kauf“ bezeichnet, um die Fans ruhig zu stellen?

Ich war auch skeptisch und habe mich dann überzeugen lassen, dass wir ein zusätzliches spielerisches Element brauchen. Das hat man auch gesehen in den Partien, in denen er gespielt hat. Natürlich ist es ein gewisses Risiko, wenn man einen 32-Jährigen verpflichtet. Ich bin aber trotzdem davon überzeugt, dass sich Boskovic in dieser und vor allem in der kommenden Saison als sehr positiver Transfer für Rapid herausstellen wird – sofern er gesund bleibt. Er hat so viel fußballerische Potenz. Auch Steffen Hofmann hat sich ganz vehement für diesen Transfer ausgesprochen und Steffen kannte zu diesem Zeitpunkt den Verein viel besser als ich. Steffen meinte: „Der wird uns besser machen“. Und das ist auch so. Er ist ein sehr, sehr guter Spieler.

 

Sie haben vorher angesprochen, dass es manchmal hart ist aber notwendig, Spielern zu sagen, dass man den Vertrag nicht verlängert. Der Vertrag von Steffen Hofmann ist um drei weitere Jahre verlängert worden. Hat Rapid dem Fußballgott - wie er unter den Fans genannt wird – hier nicht eigentlich einen zu langen Vertrag gegeben? Eigentlich hat er seinen Leistungszenit ja schon überschritten und die Verletzungen werden auch nicht weniger?

Ich sehe, wie er sich zurückarbeitet. Wie seriös und professionell er diese Reha-Maßnahmen macht. Das würde er nicht machen, wenn er seinen Zenit überschritten hätte. Jeder Verein kann sich glücklich schätzen, wenn er so eine Ikone im Klub hat. Er wird auch im Alter für den Verein sehr, sehr wertvoll sein.

 

Anders wertvoll als vor sieben, acht Jahren?

Klar, anders. Wenn man 23, 24 Jahre und voll im Saft ist, kann man alles umrennen und über den Haufen laufen und hat einen Körper, dass man glaubt, man kann die Welt erobern. Wenn man älter als 30 ist, hat man mehr das Auge für das Spiel. Man spielt viel abgeklärter. Er wird immer viel laufen und viel Ausdauer haben. Er wird aber noch schlauer werden und der Mannschaft Struktur geben können. Das sind Entscheidungen, die junge Spieler oft noch falsch machen. Da braucht es in jeder Mannschaft mindestens einen Spieler, der genau weiß, was zu tun ist. Und das ist Steffen Hofmann.

 

Vom Gefühl wirkt es dennoch jedoch manchmal so, als ob sich Rapid nicht traut, die nächste Generation nach Steffen Hofmann einzuläuten?

Wir haben auf dieser offensiven Mittelfeldposition mehr als einmal geläutet. Wir haben Branko Boskovic, Dominik Wydra oder Louis Schaub. Das ist eine optimale Situation für den Klub. Wir haben zwei ganz erfahrene Spieler und zwei junge, die sich an den alten orientieren können. Beide erfahrenen Spieler können dies auch weitergeben, nicht nur durch das, was auf dem Platz passiert sondern auch durch persönliche Gespräche. Am Ende entscheidet aber der Trainer, wer spielt. Und das hängt von der Leistungsfähigkeit ab und nicht vom Alter.

 

Ist es dennoch schwieriger, verdienstvolle Spieler des Klubs zu „entlassen“?

Das ist bei jedem Spieler gleich. Im Endeffekt geht es darum, ob das Gesamtpaket passt. Das Gesamtpaket Steffen Hofmann hat für uns gepasst. Bei Markus Katzer oder Markus Heikkinen war dies nicht mehr der Fall. Dabei geht es nicht nur um den Spieler an sich. Man muss auch den Gesamtaufbau des Kaders hier miteinbeziehen. Und nicht zuletzt natürlich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir haben die Verantwortung einen Kader so zusammenzustellen, dass er gut zusammenpasst und dass wir in der nächsten Saison gut performen können. Das kann so weit gehen, dass man zum Beispiel einen Stürmer im Kader hat, der genau weiß, er ist die Nummer zwei, damit der Einser-Stürmer genügend Zutrauen hat, Leistung zu bringen. Es ist nicht ganz so einfach, einen Kader zusammenzustellen. Das fängt ja schon beim Torhüter an: Muss man jemanden haben, der dem Einser-Tormann Druck macht oder drei gleich gute Torhüter – oder soll es ein ganz Junger sein. Da gibt es ganz viele Kleinigkeiten zu berücksichtigen.

 

Wie würden Sie die sportliche Philosophie bei Rapid beurteilen. Was haben Sie vorgefunden und wo gibt es Adaptierungsbedarf?

Die Philosophie richtet sich nach dem, was der Verein ist. Rapid ist ein leidenschaftlicher Verein und dementsprechend sollte Rapid leidenschaftlich Fußball spielen. Ende.

 


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Geld schießt Tore, wenn ich Leute habe, die die Möglichkeiten positiv ausnützen. Aber: Form schlägt Klasse, darüber brauchen wir nicht diskutieren. < /div>< /div>< /blockquote >

 

 

Wird zu viel über Philosophie geredet?

Nein. Wie komme ich der Philosophie eines Klubs auf die Spur? Ich mache eine Analyse und sehe dann, welche Zielsetzung sich daraus ergibt. Dann definiere ich den Weg, den ich beschreiten will, um dorthin zu kommen, wo ich hinkommen will. Ich möchte, weil ich weiß, was wir können und was wir nicht können, dass wir talentierte, österreichische Spieler beim Klub haben, die den nächsten Schritt machen und Leistung bringen. Ich akzeptiere aber, dass es irgendwo über dem SK Rapid bzw. der österreichischen Liga etwas gibt, was auch attraktiv ist. Da drinnen sehe ich mich irgendwo. Wenn die Fans das Gefühl haben, dass die Leidenschaft und der Einsatz der Mannschaft stimmen, dann ist das Stadion voll. Da ist das Ergebnis gar nicht mal so wichtig. Natürlich muss Rapid – wir sind der erste Verein in der Stadt – auch Ergebnisse liefern. So wie ich den Verein kennengelernt habe, wird man aber auch zufrieden sein, wenn da unten auf dem Platz so richtig angepackt wird. Das ist eine absolute Voraussetzung. Es hat hier früher Mannschaften gegeben, die richtig angepackt und dann auch richtig gut Fußball gespielt haben. Das hängt natürlich auch damit zusammen, wie überlegen das Team ist. Wenn ich den größten Etat habe, kann ich Mannschaften an die Wand spielen. Das spielt es derzeit nicht – es gibt immer eine Mannschaft, die einen größeren Etat haben wird als wir.

 

Also Geld schießt Tore?

Ja, wenn ich Leute habe, die die Möglichkeiten positiv ausnützen. Aber: Form schlägt Klasse, darüber brauchen wir nicht diskutieren. Wiener Neustadt kann auch gegen Red Bull Salzburg gewinnen, das ist ja das Schöne an der Sache. Im Normalfall steht aber Salzburg am Ende der Saison ganz oben. Man freut sich dann ganz besonders, wenn dies nicht der Fall ist und die Mannschaft mit dem zweithöchsten Etat Meister wird. Dass aber jemand mit dem zehntbesten Etat Meister wird, kommt nur alle 50 Jahre vor. Rapid hat den Anspruch, immer unter den ersten drei zu sein. Der Verein ist derzeit da. Es gibt eine Mannschaft, die hatte einen wahnsinnigen Lauf, die ist jetzt ganz an der Spitze und dann gibt es eine Mannschaft, die viel, viel mehr Geld hat, also sind wir Dritter. Man könnte jetzt sagen: Alles super, Qualifikation für den internationalen Wettbewerb. Wenn man aber gesehen hat, wie wir im Frühjahr gespielt haben, kann man überhaupt nicht zufrieden sein – weder von den  Ergebnissen noch von der Leistung her. Zurück zur Philosophie: Ich glaube, dass wir gut aufgestellt sind, wenn wir versuchen, die bestmöglichen Spieler aus Österreich nach Hütteldorf zu bekommen. Das ist nicht einfach. Man muss denen das Gefühl geben, als gestandener Spieler, der hier was erreicht hat, das nächste Leistungsniveau zu erreichen. Das ist allemal besser, als das erstbeste Angebot anzunehmen, das es immer geben wird, wenn man ein paar gute Spiele macht und in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Und wenn wir Spieler aus dem Ausland holen, sollten dies Spieler sein, die uns auf jeden Fall besser machen. Das wäre meine Philosophie, was die Mannschaft betrifft.

 

Ein Schlagwort ist auch immer eine durchgängige Spielphilosophie von der Kampfmannschaft runter bis zur ersten Nachwuchsmannschaft. Wie denken Sie darüber?

Das ist kalter Kaffee. Ich habe lang genug im Profi- und Jugendbereich gearbeitet: Es sollte Zielvorstellungen geben, also Richtlinien, nach denen wir unsere Fußballer ausbilden. Wenn irgendjemand kommt und sagt, gleiche Spielphilosophie in allen Altersstufen, sage ich: Thema verfehlt, setzen, sie haben die Nachwuchsarbeit nicht verstanden. Es ist sinnvoll, sich bei den Nachwuchsmannschaften nach gewissen Organisationsformen bzgl. Taktik zu orientieren. Es ist ein ganz kleiner Teil der Ausbildung. Der Nachwuchs hat nichts mit der Profimannschaft zu tun. Die Profimannschaft muss sich so aufstellen, dass sie mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung steht, ein optimales Ergebnis erzielt. Das kann manchmal ganz anders sein, was im Nachwuchsbereich passiert. Wenn ich nochmal für den Nachwuchs allein verantwortlich wäre, spielen wir in der C- und D-Jugend nur noch Mann gegen Mann, damit ich Spieler vernünftig ausbilde. Das taktische Verhalten würde ich erst ab U16 anfangen. Da werden wir uns darüber auch bei Rapid unterhalten, das ist aber jetzt noch zu früh, da mir hier noch der detaillierte  Einblick fehlt.

 

Sie wurden in Deutschland für Ihre Nachwuchsarbeit gelobt. Welche Ideen haben Sie bereits für den SK Rapid?

In Gespräch mit Carsten Jancker versuche ich ihn mit gewissen Themen zu konfrontieren. Ich versuche ihm dies mitzugeben, ob er es dann verwendet oder nicht, ist seine Entscheidung. Ich komme jetzt nicht daher und sage: Du musst das so oder so machen. So ein Chef werde ich nie sein. Ich gebe ihm die Möglichkeit, an meiner Expertise teilzuhaben. Ich will Jancker unterstützen und ihn entwickeln. Ich will ein Entwickler sein, aber nicht seine Arbeit machen.

 

Carsten Jancker ist aus meiner Sicht jemand, der eher nicht für die 2. Reihe „verwendbar“ ist. Ist er als Co-Trainer auf lange Sicht denkbar?

Jancker fühlt sich sehr wohl in seiner Rolle als Co-Trainer, der seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz an junge Spieler weitergeben kann. Der strebt gar nicht in die erste Reihe. Er arbeitet sehr schlau mit Barisic zusammen, ich glaube auch, dass dies noch eine ganze Zeit lang gut geht. Im Endeffekt entscheidet das aber Carsten ganz allein, ob er für die erste Reihe gemacht ist oder nicht. Wenn eine entsprechende Anfrage kommt, muss er sich damit auseinandersetzen. Ich mache mir keine Gedanken, ob Jancker in drei Jahren noch immer Co-Trainer sein kann oder nicht. Jetzt habe ich ihn gefragt, ob er in Doppelfunktion agieren kann und er hat mit ja geantwortet.

 

Das heißt für Sie wäre es ein erfreuliches Szenario, mit Barisic und Jancker in die kommende Saison zu gehen?

Das ist eine Möglichkeit, die wir anstreben. Ich werde aber keine Absichtserklärungen in den Medien abgeben, das widerstrebt mir total. Wir werden die beste Möglichkeit für den SK Rapid finden – was das Trainerteam, Mannschaft, Nachwuchs, Scouting, etc betrifft.

 

Apropos Scouting: Ist das eine der großen Baustellen bei Rapid?

Natürlich ist das Scouting auch bei Rapid optimierbar. Hier gibt es derzeit so viele Baustellen beim Verein – die größte Baustelle ist der Kader. So etwas hört nie auf.

 

Präsident Edlinger hat letztes Jahr gemeint, dass ein Rapid-Trainer vor allem Rapid-Vergangenheit vorweisen muss. Unabhängig davon, wie lange Barisic/Jancker als Trainer bei Rapid tätig sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das ähnlich sehen?

Es wäre schön, da bin ich ganz bei Herrn Edlinger, wenn der Rapid-Trainer eine gewisse Klub-Vergangenheit vorweisen kann ...

 

Präsident Edlinger meinte aber nicht, dass es schön wäre, sondern Voraussetzung …

Es wäre schön, wenn es uns immer gelingen würde, den bestmöglichen Trainer zu Rapid zu holen, der auch ein Gefühl für diesen Klub, also Rapid-Vergangenheit hat. Das ist genau meine Philosophie. So war es bei mir auch bei St. Pauli. Spieler, die ihre Karriere und Ausbildung gemacht haben, die zum Club zurück zuholen. Aber: das alles entscheidende Merkmal Vergangenheit zu haben, ohne Qualifikation und ohne Expertise, das hat auch Herr Edlinger nicht so gemeint.

 


Wenn wir in die kommende Saison blicken: Ein paar Spieler wurden verlängert, ein paar müssen gehen. Der finanzielle Spielraum ist bescheiden. Werden sich die Rapid-Fans darauf einstellen müssen, ohne spektakuläre Transfers in den kommenden Wochen auszukommen?

Ein spektakulärer Transfer ist relativ – Einstein lässt grüßen. Wir werden große Kracher bekommen, die wirtschaftlich möglich sind.

 


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Wenn Geld für den Spieler wichtiger ist, soll er gerne dorthin gehen, dann ist er aber auch nicht der richtige Spieler für uns. < /div>< /div>< /blockquote >

 

Das heißt absolut gesehen wird es keinen großen Kracher geben?

Das weiß ich nicht, da stellt sich die Frage für mich, was man darunter versteht. Einen deutschen Nationalspieler werden wir nicht holen. Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten sehr gute und ordentliche Spieler zu Rapid holen. Mein Netzwerk werde ich dazu natürlich auch für den SK Rapid nützen.

 

interview fiala schulteSie haben vorher gemeint, dass es auch Ziel sei, die besten jungen, österreichischen Spieler zu Rapid zu bekommen. Ist das nicht ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man die finanzielle Konkurrenz in Salzburg betrachtet?

Wenn das für den Spieler wichtiger ist, soll er gerne dorthin gehen, dann ist er aber auch nicht der richtige Spieler für uns.

 

Dh. nicht Rapid muss überzeugen, dass jemand für ein Drittel des Geldes bei Rapid spielen soll, sondern der Spieler muss davon überzeugt sein, bei Rapid spielen zu wollen?

Genau. Ich kann ja keinen mit Geld überzeugen. Wenn er glaubt, dass er wo anders spielen wird, soll er dorthin gehen. Ich kann nur von meinem Gefühl sagen wenn sich jemand für mehr Geld entscheidet: wirtschaftlich wäre das pfiffig, karrieretechnisch nicht so pfiffig. Ich werde nie mehr einen Spieler versuchen zu überreden, wenn er nicht das Gefühl hat, hier bei uns richtig zu sein.

 

Aber in der Realität scheint es, als ob Geld eine immer wichtigere Rolle bei jungen Fußballern einnimmt. Ist es dann im Endeffekt für Vereine wie Rapid schwieriger geworden, derartige Spieler zu bekommen?

Das kann man sich ganz einfach beantworten. Sie bekommen von einem Internetportal in der Schweiz, das so ähnlich aufgestellt ist wie 90minuten.at, ein Angebot, wo Sie drei Mal so viel verdienen. Sie müssen aber in die Schweiz umziehen. Was machen Sie? Soll irgendjemand auf der Welt sagen, das ist richtig oder das ist falsch. Das ist Ihre Entscheidung. Ich kann keinen Menschen für die Entscheidung kritisieren. Es kommt dazu, dass Fußballer nur 10 bis 15 Jahre Geld verdienen können. Das wirtschaftliche Argument ist wichtiger geworden, vielleicht zu wichtig. Ich akzeptiere das. Nochmal: Ich werde nicht Fußballer mit Geld überzeugen, zum SK Rapid zu kommen. 

 

Ich möchte mit Ihnen auch einen Blick auf die österreichische Medienlandschaft werfen. Wie sehen Sie die österreichischen Medien im Vergleich zu Deutschland?

Mit Vergleichen werden wir wie schon vorher erwähnt unglücklich. Die österreichischen Medien sind wie sie sind, ich sehe keinen großartigen Unterschied. Was es in Deutschland nicht gibt, sind die Gratis-Zeitungen, dadurch ergibt sich auch eine unterschiedliche Wahrnehmung, das ist für mich neu.

 

Sie sind bei den Fans in Ungnade gefallen, als Sie ihren „Apell“ bei einer Pressekonferenz losgeworden sind. Stichwort „nur wer Rapid im Herzen trägt, wird auch die Mannschaft unterstützen“. Haben Sie sich hier von den Medien missverständlich interpretiert gefühlt?

Ja. Das hätte man viel mehr so darstellen können, wie ich es gemeint habe. Hätte man machen können.

 

Hätten Sie nicht wissen müssen, dass man ein dreiminütiges Statement schwer 1:1 in den Boulevard-Medien darstellen kann?

Auch ich mache Fehler. Natürlich muss man als handelnde Person auch einmal etwas sagen, man muss auch sehr vorsichtig sein mit dem, was man sagt. Das ist dann immer enttäuschend, wenn derartige Passagen missverständlich abgedruckt werden. Jeder, der dabei gewesen ist, weiß, wie ich es gemeint habe. Und jeder, der es so geschrieben hat, dass es missverständlich gebraucht werden konnte, der muss damit leben. Ich muss auch damit leben. Ich kann nur jedem sagen, der ein Problem damit hatte: Es war nie meine Absicht, irgendwelche Leute zu diskreditieren oder den Respekt abzusprechen. Mich hat das wahnsinnig überrascht, was hier passiert ist. Ich weiß ja selber was ich denke und was ich fühle. Ich finde es toll, wenn die Leute ihre Mannschaft unterstützen. Ich verstehe allerdings auch, wenn eine Mannschaft sehr, sehr schlecht spielt, dass man seine Unzufriedenheit mit Pfiffen oder Trainer-Raus-Rufen zeigt. Trotzdem ist es insgesamt schöner, wenn man seine Mannschaft unterstützt. Dazu habe ich versucht, die Leute aufzurufen. Das ist falsch verstanden worden. Wer es noch nicht richtig verstanden habe, der kann es auf der Homepage nachlesen.

 

Werden Sie aktiv versuchen, dieses angeschlagene Image bei den Fans zurechtzurücken?

Ich weiß nicht, ob es wirklich angeschlagen ist. Bei dem Spieltag damals hat es Sprechchöre gegeben, seitdem hat es das nicht mehr gegeben. Wir wollen vernünftig Fußball spielen und jeder, der mich kennt, der sich über mich kundig gemacht hat, weiß, dass ich niemanden etwas absprechen will. Ich will die Fans durch meine positive Arbeit für den Verein überzeugen.

 

Rapid hat selten bei wichtigen Positionen wie Sportdirektor oder Trainer über den nationalen Tellerrand geblickt. Sie sind einer der ersten. Haben Sie das Gefühl, dass zwar Rapid mit Schulte einerseits ein Signal setzt, sich zu öffnen, aber gleichzeitig noch ein bisschen Hemmungen hat, „dem Deutschen“ diese Verantwortung auch zu 100% in die Hände zu legen?

Alle die Dinge, für die ich die Verantwortung habe, die sind auch in meinen Händen, da treffe ich auch die Entscheidungen – in Absprache mit Präsidium. Wenn das Präsidium aber zwei oder drei Mal die Zustimmung verweigert, brauchen wir auch nicht weiter über eine Zusammenarbeit nachdenken. Dann können sie es ja selbst besser machen. Natürlich gibt es Befindlichkeiten auch gegen meine Person, ich bin nicht so blauäugig. Das ist aber ganz logisch. Ich will die Entscheidungen sukzessive Schritt für Schritt treffen und jetzt hier nicht den Leuten gleich von Anfang an sagen, was sie zu tun haben. Ich tauge gar nicht zum Feindbild. Ich bin so positiv, ich gehe so positiv an diese ganze Geschichte heran. Ich möchte meine Arbeitskraft zur Verfügung stellen, damit es in diesem Klub vorwärts geht, ohne dass ich irgendjemand ausgrenzen will. Verdammt. (lacht)

 

Ihr Vertrag läuft bis zum Ende des Jahres 2013. Es stehen bei Rapid bei der Hauptversammlung sehr wichtige Personalentscheidungen an. Denken Sie, dass auch Sie solange warten werden müssen, um zu wissen, wie es mit Ihnen persönlich bei Rapid weitergehen wird?

Es wird einen neuen Präsidenten geben, es gibt möglicherweise auch weitere Veränderungen im Präsidium, es gibt möglicherweise Veränderungen in der Struktur, etc. Ich muss versuchen, die Mannschaft unter unseren Rahmenbedingungen so zusammenzustellen, dass es wieder mehr Spaß macht. Alles andere steht nicht in meiner Macht. Vielleicht bin ich fatalistisch. Wenn die Leute, die was zu sagen haben, überzeugt davon sind, dass ich der Richtige bin, dann bin ich das. Wenn nicht, dann hab ich hier nichts verloren.

 

Sie brauchen am Ende dieser Saison keinen Vertrauensbeweis in Form einer vorzeitigen Vertragsverlängerung?

Das ist mir egal. Wenn morgen einer kommt und sagt, wir wollen den Vertrag verlängern, dann sage ich: das brauchen wir ja gar nicht, der verlängert sich ja automatisch, wenn er nicht gekündigt wird. Von daher ist niemand gezwungen, mit mir jetzt zu reden. Wenn sich aber jemand danach fühlt, kann er jederzeit mit mir reden und ich höre mir alles an.

 

Anders gefragt: Sie haben hier nicht einen derart großen Scherbenhaufen vorgefunden und sind zu dem Schluss gekommen, dass Sie hier nicht der richtige Mann sind?

Ich habe es mir interessant vorgestellt bei Rapid zu arbeiten, aber nicht so interessant.

Danke für das Interview!