Helgi Kolvidsson: 'Der Sinn dieser Liga: Das Sprungbrett ins Profigeschäft'

Was war das für eine verrückte Erstligasaison. „Schuld" am Grödiger Aufstieg scheint Austria Lustenau zu sein. Helgi Kolvidsson winkt aber ab: „Im Sport ist alles möglich!" Und nach der Saison ist der Beginn der neuen Saison, die für Lustenau mit einem 0:

 

90minuten.at: Wo kann sich die Austria realistischer Weise einordnen?
Helgi Kolvidsson: (lacht auf) Realistisch! Wir haben natürlich zehn neue Spieler dazu bekommen, das muss erst alles zusammen passen und wachsen. Anhand unseres Herbstes und Frühjahres hat man glaube ich gesehen, dass im Sport alles möglich ist. Wir setzen uns keine Grenze.

 

Hat die sportliche Leitung ihre Lehren aus dem letzten halben Jahr gezogen, um solche Situationen wie im Frühjahr zu vermeiden?
Dass so etwas bei einem Verein vorkommt, liegt nicht nur an einer Person. Wir haben genau so trainiert wie im Herbst und es gehören im Sport einfach viele Faktoren dazu: Krankheiten, Verletzungen, Stimmung, Negativlauf, Pech, Vertragssituationen, etc. Die Saison jetzt auf einem Grund aufzuhängen, das nun umzustellen und dann passiert so etwas nie wieder – das gibt es nicht, auch, weil man mit Menschen zu tun hat. In und um die erste Mannschaft herum haben wir 30 Leute, den Vorstand, eine große Fangemeinde und da gibt es Erwartungen, Druck und so weiter, also insgesamt sehr viele Faktoren, die da eine Rolle gespielt haben. Im Herbst war es genau umgekehrt. Trotzdem gibt es Punkte, auf die wir Einfluss nehmen können, etwa die Vertragssituationen. Auf die Sachen werden wir versuchen zu reagieren und sie in Zukunft anders machen.

 

Haben Sie bei der Verpflichtung der Spieler den Charakter noch näher angeschaut? Die Traumliga ist die Heute für Morgen-Erste Liga wohl nicht für alle Spieler...
Das ist sicherlich wichtig und wir haben viele junge Spieler geholt. Das sind hungrige Spieler, die etwas erreichen wollen. Das ist das Signal der Liga. Es gibt nur eine gewisse Anzahl an Ausländerplätzen, wir haben die Jugendregelung. Diese Liga ist das Sprungbrett für einen, der richtig ins Profigeschäft reinkommen will. Wenn du die bekommst und die das erreichen wollen, können wir auch vorwärts kommen. Das ist nicht nur der Sinn der Liga, sondern auch vom Verein. Wir freuen uns über jeden Spieler, der den Weg nach oben machen kann und uns hilft, uns auf der sportlichen Ebene einen Namen zu machen, dass wir noch mehr Talente bekommen. Die wollen wir wieder so hoch wie möglich bekommen. Ich habe selber persönlich das Sprungbrett Austria Lustenau genutzt, um Nationalspieler zu werden und international zu spielen. Es geht also.

 

Und haben Sie sich im Frühjahr mal gedacht: „Scheiße, was mache ich hier?"
quo vadis bundesligaAls Trainer ist gibt es eben auch so Phasen, in denen alles gelobt wird und dann kommt eine Negativphase. Ich mache diesen Beruf „Sportler" oder „Fußballer" seit knapp 20 Jahren. Das ist nichts Neues. Klar stehst du als Trainer anders da, hast mehr Verantwortung und kriegst mehr mit. Natürlich berichtet die Medienlandschaft, die wir mittlerweile haben, nicht nur Positives, sondern dann auch eben Negatives. Da bist du nicht nur selber getroffen. Da habe ich mir selber eine dicke Haut zugelegt. Freunde, Bekannte, Verwandte und Familie können damit oftmals nicht so umgehen (lacht). Aber, mein Gott, das gehört zu meinen Beruf. Wenn es so einfach wäre, könnte es ja auch jeder machen!

 

Sie konnten aber trotzdem noch durch Lustenau gehen, ohne dass Sie angepöbelt wurden?
Es gibt immer wieder Kommentare. Aber damit muss man eben leben. Wir arbeiten in einem Beruf, der in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, es wird darüber diskutiert. Gibt es wenig Positives, musst du damit umgehen, dass alles, was du machst, nicht das Richtige sein soll und in der Woche, wenn das Ergebnis stimmen sollte, ist wieder alles ok, was du gemacht hast. Da darf man sich nicht blenden lassen. Ich habe meine Philosophie von Fußball und daran arbeiten wir täglich. Diese Linie ziehen wir durch.

 

Die Liga wurde durch drei neue Klubs und viele Trainerwechsel durcheinander gewürfelt. Können Sie da eigentlich viel aus dem letzten Jahr in Bezug auf die Gegner mitnehmen?
Damit habe ich mich lange gar nicht beschäftigt. Wir haben selber so viele neue Spieler, hatten viele Probespieler da und mussten wir das Puzzle mal für uns zusammensetzen. Es sind drei neue Vereine und das, was letztes Jahr war, ist für mich eigentlich erledigt. Es gibt wenige Vereine, die vom Kader her wirklich stabil sind, der Großteil ist neu. Da muss man sich schnell ein Bild von dem Ganzen machen. Das wird man erst nach ein paar Spieltagen sehen.

 

Geographisch hat sich die Liga Richtung Osten verschoben. Das ist auch nicht gerade billig. Kann das für die Vorarlberger zum Nachteil werden?
Im Cup hatten wir noch Stegersbach zum Probefahren in diese Richtung dazu (grinst). Das ist halt so und umgekehrt müssen die auch zu uns kommen. Das gleicht sich alles aus.

 

Und wie sind die Gefühle gegenüber Liefering?
Ich verstehe beide Sichtweisen. Die anderen Vereine sehen, dass es dort jemanden finanziell stärkeren mit anderen Mitteln gibt und natürlich, dass das ein ganz anderes Vereinswesen als bei uns ist. Es ist anders, als das Vereinsleben, das wir führen müssen. Jeder muss gehen, Leute, Freunde und Verwandte für freiwillige Arbeit suchen. Ich verstehe auch die Profiklubs. Die haben junge Talente und werden immer darauf hingewiesen, dass sie junge Talente ausbilden sollen und davon profitieren die ganze Liga und die Nationalmannschaft. Da war es nun notwendig, dass die ihre jungen Spieler, die noch nicht für die erste Liga reif sind, gegen höchst mögliche Konkurrenz zu spielen. Ich habe da nichts dagegen. Das ist für die Talente wichtig.

 

Kann es nicht problematisch sein, wenn es nun jemanden gibt, der hohe Ablösen, vor allem für junge Spieler, zahlen kann?
Wir haben das Problem ohnehin auch in Vorarlberg. Altach hat die Amateure in der Regionalliga, kann profihafte Trainingsbedingungen und Spielpraxis in der dritten Liga anbieten. Das haben wir nicht. Der FC Lustenau hatte auch nicht so einen großen Kader, also konnten sie die Jungen zu sich holen und sagen, dass sie dort eher spielen als bei der Austria. Wir waren immer der Dritte. Das wird es immer geben.

 

Und der eigene Nachwuchs?
Die kommen alle aus der Akademie. Aber wenn du einen hast, der noch zu Hause wohnt, dann kann man den als Profi mit rein nehmen, weil der hat die Unterstützung von daheim. Holen wir ein Talent aus Wien, muss der selbständig werden mit dem Auto, mit der Wohnung und so weiter. Da ist für dieses Gehalt keiner zu kriegen. Und wenn er wirklich so gut ist, dass wir das Geld investieren, dann kommt er erst gar nicht zu uns. Das ist ein bisschen schwierig.

 

Wer wird Meister?
Der, der die meisten Punkte macht!

Wir danken für das Gespräch!