Heinz Lindner: ‚Letztendlich liegt es auch in der Eigenverantwortung, seinen Gegner zu kennen'
Austria Wien-Schlussmann Heinz Lindner ist trotz des bevorstehenden Rückrundenstarts sehr entspannt. Bei einer Melange meint er im Gespräch mit 90minuten.at, dass Rapid am Sonntag mehr unter Druck stehe als die Austria und dass er keine Angst vor einem me
90minuten.at: Am Sonntag bestreiten Sie Ihr 100. Pflichtspiel für die Austria, relativ früh für einen Tormann. Ist das Ihr bisheriges Highlight?
Heinz Lindner: Ich hab das selber erst diese Woche erfahren, dass ich das 100. Spiel für die Austria bestreiten werde. Das ist natürlich eine große Ehre. Dass es ausgerechnet auf ein Derby fällt, ist natürlich fein. Aber es ist letztendlich nichts Anderes als ein Spiel, in dem es um drei Punkte geht und das wir versuchen werden zu gewinnen.
Registrieren Sie die Stimmung als Torwart intensiver als Feldspieler? Kann sich negative Stimmung auf Sie übertragen oder gibt's das mit Anpfiff alles rund herum nicht mehr? Die ersten zwei Saisonderbys waren für Sie relativ gemütlich. Rapid hat sich verstärkt und möchte sicherlich nicht noch einmal verlieren, schon gar nicht daheim und wird sehr motiviert sein... Noch kurz zur Hinrunde: Sind Sie sich bewusst, dass die positive Stimmung innerhalb kürzester Zeit auch umschlagen könnte? Sind Sie und die Mannschaft darauf vorbereitet? Manfred Schmid hat 90minuten.at viel über Matchvorbereitung erzählt. Inwieweit unterscheidet sich die Spielvorbereitung für einen Tormann von Feldspielern? Also wird es erst im Sommer wieder spannend, wenn es in die Europacup-Quali gehen soll. Wie detailliert ist das? Sie sind im Fünfer vor allem mit den Beinen stark – im „Stile eines Eishockey-Goalies". Fans bemängeln beispielsweise die Qualität der Ausschüsse. Wie sieht Ihr Stärke/Schwäche-Profil aus? Otto Konrad ortet keinen außergewöhnlichen Goalie in Österreich. Sie schon? Dennoch gab es da den Patzer gegen die Elfenbeinküste. Vielleicht hätte der Schuss vom Mitspieler verhindert werden können – man liest Patzer, umgekehrt passiert großen Torhütern schon einmal ein Fehler, Oli Kahn WM 2002, Petr Cech bei der EM 2008. Gehören die Patzer nicht auch dazu? Stichwort große Karriere: Christian Gratzei meinte, er würde kein besserer Torhüter, nur weil er beispielsweise bei einem türkischen Verein, also im Ausland, spielt. Wie stehen Sie einem Auslandstransfer gegenüber? Und eigentlich meinen viele ausländische Beobachter, dass die Bundesliga „eh nicht so schlecht ist, wie alle immer tun". Welchen Stellenwert müsste die Liga für Sie haben? Sehen Sie sich auf lange Sicht als einer, der einem Konsel oder Wohlfahrt nachfolgen könnte? Wir danken für das Gespräch!
Es ist eigentlich so, dass Du einzelne Wörter während des Spiels nicht mitkriegst, aber die Stimmung im Allgemeinen. Und die ist in dem Spiel sehr aufgeheizt, durch die Zuschauer, durch die Rivalität. Das kriegt man mit und spürt es jetzt auch durch die mediale Vorberichterstattung in den Wochen zuvor.
Wenn Du Dich von dem beeinflussen lassen würdest, wärst du sowieso falsch. Du musst dein Spiel durchziehen und dich auf das konzentrieren, was das Wesentliche ist: drei Punkte einfahren. Einerseits bekommt man es eh nicht mit, andererseits gehört es zu meinem Beruf dazu.
Das Derby ist ein besonderes, es ist medial aufgeheizt und wir wollen einfach gewinnen, es ist für die Fans und uns wichtig. Da willst Du gewinnen – und so wird es bei Rapid auch sein. Nur gehen wir mit zehn Punkten Vorsprung ins Spiel, die müssen unbedingt gewinnen. Wir haben nicht den Druck, wollen aber natürlich zu hundert Prozent siegen. Aber es wäre der falsche Weg, sich jetzt unnötig unter Druck zu setzen. Ich glaube, dass Rapid viel mehr unter Zugzwang ist.
Man kann es so sehen, aber auch von der anderen Seite. Gewinnen wir, sind wir 13 Punkte vor Rapid und zehn Punkte vor Salzburg. Wenn die ein Nachtragspiel haben und wir vorher noch gegen die Admira spielen, sind wir vielleicht 13 Punkte vorne. Das kann man so und so sehen. Wir wissen, dass es ein wichtiges Spiel ist und wenn wir gewinnen, Rapid sehr viel Rückstand hat. So gehen wir in die Partie rein. Falls wir nicht gewinnen, werden die Medien schreiben, dass der Lauf vorbei ist. Aber das ist ein Spiel von 16! Es ist auch nichts verloren, wenn es in die Hose geht.
Es ist in Österreich ja so, dass man relativ oft gegeneinander spielt. Man lernt seine Gegner sehr gut kennen. Unsere Außenverteidiger werden gewusst haben, dass der Drazan den Ball immer weit nach vorne spielt und wenig nach innen gezogen ist. Genauso weiß ich, dass die Stürmer dieses und jenes machen – was, will ich jetzt nicht sagen. Man kennt sich. So eine Videoanalyse, wie sie Manfred sehr professionell macht, hilft aber. Letztendlich liegt es auch in der Eigenverantwortung jedes Spielers, seinen Gegner zu kennen.
Manfred schaut, wie die Taktik des Gegners aussieht, wie die spielen. Auf Konter oder ob sie ihr Spiel aufzwingen wollen. Das ist von Gegner zu Gegner verschieden. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir versuchen, unser Spiel durchzuziehen.
Das Wichtigste ist einmal, dass du kein Tor kriegst. Dann können wir schon mal nicht verlieren und das ist auch mein Ziel. Über meine Stärken und Schwächen soll man sich ruhig unterhalten. Ich schaue, dass ich mit dem Verein so viel Erfolg wie möglich habe, der Torwarttrainer versucht jeden Tag im Training, meine Schwächen zu erkennen und daran zu arbeiten. Das machen wir, seit ich bei der Austria bin, sehr gut und genau. Ich rede aber sehr ungern über Stärken und Schwächen, das sollen andere beurteilen.
Als Tormann ist es sehr wichtig, dass du nicht negativ auffällst, konstant gute Leistungen bringst, nd das eine oder andere Spiel für die Mannschaft gewinnst. Das ist sehr wichtig für das moderne Torwartspiel - wenig auffallen und in gewissen Situationen Spiele entscheiden.
Wenn man keine Fehler macht, lernt man nichts mehr. Um auf das angesprochene Spiel zurückzukommen: Egal, ob der Schuss verhindert werden hätte können oder nicht, wenn der 20 Mal zustande kommt, habe ich ihn 19 Mal. Das war für mich persönlich sehr bitter, dass es zu dem Zeitpunkt war, als ich meine Chance im Nationalteam bekommen habe. Aber es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und im Selbstmitleid zu versinken. Du musst das so schnell wie möglich abhaken und weiter tun. Das habe ich gemacht und es ist mir sehr gut gelungen, weil ich die nächsten Bundesligaspiele sehr gut gespielt habe, mir nichts anmerken ließ. Somit wollte ich das abhaken. Und Fehler haben schon die besten Torhüter gemacht, dafür andere Spiele gewonnen. Beim Oliver Kahn kann man sich an zwei, drei Patzer erinnern, aber an viel mehr Topparaden. Das ist letztendlich das Entscheidende.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es das Ziel jedes österreichischen Fußballers sein muss, irgendwann den Sprung ins Ausland zu schaffen, weil die Liga nicht den Stellenwert genießt, wie andere in Europa. Es gibt verschiedene Wege, wie man das schafft. Man kann in der Jugend gehen und dann den Sprung in den Profikader versuchen. Oder man macht es so wie ich, dass man Stammspieler wird und dann irgendwann gleich in eine Kampfmannschaft verpflichtet wird. Aber ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, welche Liga das sein soll.
Es ist schon wichtig, dass dein nächster Verein Perspektiven hat, dass er international spielen will oder in einer attraktiven Liga wie England oder Spanien ist. Das sind so Sachen, die man bei einem Transfer sicher berücksichtigen muss. Aber ich bin zurzeit bei der Austria sehr glücklich und habe auch noch einen Vertrag. Und ich bin auch noch nicht reif, den Sprung zu machen, möchte mich noch ein, zwei Jahre hier etablieren um dann bereit zu sein, irgendwann ins Ausland zu gehen.
Natürlich ist das mein Ziel. Und es war auch mein Ziel, irgendwann für Österreich zu spielen. Das habe ich mir als kleiner Bub gewünscht. Aber damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich will mich natürlich im Nationalteam als Nummer eins festsetzen. Es war schade, dass ich meine Chance nicht genutzt habe. Aber ich bin jung und werde wieder eine kriegen. Lukas Königshofer, Jörg Siebenhandl und ich sind noch jung und können noch reifen. Wir müssen uns auf der Torhüterposition keine Sorgen machen.