Gerhard Stocker: 'Es wird zu sehr mit dem Kopf des Aufsteigers gedacht'

Der Präsident der Heute für Morgen-Ersten Liga sprach mit 90minuten.at darüber, dass er auf „seine“ Liga stolz ist. Des Weiteren nimmt der Tiroler zum schwach vertretenen Westen Stellung – und erklärt Liefering zum Optimum. Das Interview führte Georg Sand

 


90minuten.at: Sie sagten bei der Pressekonferenz zum Ligastart der Heute für Morgen Ersten Liga, sie wären stolz auf die Liga. Was ruft dieses Gefühl in Ihnen hervor?
Gerhard Stocker: Wir haben in vielen Bereichen eine absolut gute Entwicklung. Die Frage ist, ob man sich in der Berichterstattung oder Darstellung immer auf das konzentrieren muss, was nicht so gut funktioniert. Es gibt Infrastrukturprobleme, keine Frage. Für mich ist es aber zu kurz gegriffen, wenn man heute her geht und sagt, weil es keinen Ligasponsor gibt, ist diese nichts wert. Man muss diesen Geschichten auf den Grund gehen, warum es so ist. Es sind teilweise Gedanken, die man gar nicht öffentlich machen kann, weil man die Realisierung gefährdet. Oder nehmen wir die Zuschauerzahlen: Wenn man sich diese über Jahre hinweg anschaut, schaut es besser aus.

 
Markenexperte Gerhard Hrebicek meinte eins im Interview mit 90minuten.at: „Ein Sponsor im Namen bringt nur kurzfristig etwas.“ Was denn nun?
In der Schweiz wurde Raiffeisen dazu genommen, ein langfristiger Partner. Beim Verein einen Sponsor zu lukrieren ist auch Glückssache. Da jetzt herzugehen und zu sagen, dass wir uns nicht einmal einem Sponsor verkaufen können, dass das ein Kriterium dafür ist, wie schlecht die Liga ist, ist zu kurz gegriffen.


Der Westen ist derzeit schwach, es steht sieben zu drei für den Osten, oben gibt es nur Wacker Innsbruck. Warum?
Wir müssen aufpassen: Es gibt drei Bundesländer, die nur einen Verein unter den ersten 20 Klubs haben: Kärnten, Oberösterreich, Tirol. Es sind immer andere Gründe. Wenn ich mir das in Tirol anschaue, hoffe ich, dass der Neustart gelingt und klar ist, dass die Leute, die die Hebel in der Hand haben, diese auch gleichzeitig umlegen. Man braucht sich nur den begrenzten Sponsorenmarkt anschauen. Wir müssen in unserem Konzept alle in eine Richtung gehen und in Tirol wäre eine Pyramide vom Breiten- zum Spitzensport ganz eindeutig. Da gibt’s keinen Zweiten, der oben spielen will. Aber es braucht dringend einen Klub drunter, in der Ersten Liga. Da muss es ein Rieseninteresse geben, dass diese zwei Vereine existieren können.

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 Im Verhältnis haben wir zu vergleichbaren Ländern die breiteste Spitze.< /div>< /div>< /blockquote >


Das könnte man auf viele Vereine umlegen: Ist die öffentliche Hand zu viel oder zu wenig involviert?
Ich muss gleich sagen, dass Österreich eine Staatsoper hat sowie so und so viele Landestheater. Ich brauche eine Pyramiden-hafte Struktur. Ich kann diese nicht so machen, dass ich zig Spitzenvereine habe. Ich muss mich damit beschäftigen, was der Markt verträgt, die Sponsoren und der Fußball generell.


Inwieweit darf von Außen eingegriffen werden, durch Strukturen, Statuten, Verbindungen in die Politik? Die Hotspots sind ja Wien, Graz und Salzburg.
Ich möchte einwenden, dass Wacker Innsbruck noch immer der dritterfolgreichste Verein ist. Man kann sagen, dass einige Titel erschlichen wurden, aber grundsätzlich müssen wir in Österreich sagen: Ok, vielleicht vertragen Tirol und Vorarlberg nur zusammen einen in der Bundesliga und zwei drunter. Aber wie soll ich das begrenzen? Es nutzt nur, Vereinsführungen zu begeistern, auf ein größeres Gesamtes zu schauen. Das ist sehr schwierig.


BFV-Präsident Gerhard Milletich meint bezüglich des neu beschlossenen Ligenformates, dass jede Ehe geschieden werden kann. Stimmen sie dem zu? Ist eine größere zweite Liga mit echten Amateurteams vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit möglich?
Es ist auch immer eine Frage des Standpunktes. Es wird eigentlich viel zu sehr mit dem Kopf des Aufsteigers gedacht. Ok, einer hat es sportlich geschafft, bin nicht mehr im Landesverband, sondern in der Bundesliga. Das sind komplett andere Strukturen, auch im Management. Wenn aber jemand absteigt, kann der sagen, er baut einfach Leute in der Geschäftsstelle ab. Das ist ganz schwierig, der Übergang in beide Richtungen ist noch zu groß. Es geht aber nur um den, der sportlich Meister geworden ist.


Sind Parachute-Payments, wie von Premier League in die Championship, ein Weg?
Über die Lizenzierung geht es ja beim Aufsteiger, beim Aufsteiger ist es ein sensationeller Beschluss, dass es zwei Direktabsteiger gibt und sich die zehn Vereine selbst verpflichtet haben, dem Vorletzten 110.000 Euro zu geben, damit er sich umstrukturieren kann. Da sieht man, wie die Leute denken, sie sich bewusst sind, was ein Abstieg bedeutet. Es ist aber nicht viel anders als bisher. Uns geht es darum, dass wir mehr gemeinsam die ersten drei Ligen zusammenführen. Wer dann dahinter steht, ist eine andere Geschichte. Im Verhältnis haben wir zu vergleichbaren Ländern die breiteste Spitze.

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 Moment! Da muss man auch die Rechtsstaatlichkeit gelten lassen. Auch ein Kompliment an Red Bull, wie das wirklich offensiv behandelt wurde.< /div>< /div>< /blockquote >


Ich höre heraus, dass die große Reform nach diesen sechs Jahren folgt, weil man jetzt nichts überstürzen wollte?
Das ist das Problem der Demokratie. Ich brauche Mehrheiten, man kann nicht diktatorisch vorgehen. Darum ist das der maximal mögliche Kompromiss.


Der auch Liefering mit einschließt?
Moment! Da muss man auch die Rechtsstaatlichkeit gelten lassen. Auch ein Kompliment an Red Bull, wie das wirklich offensiv behandelt wurde. Das sind zwei verschiedene Vereine! Es ist keine Amateurmannschaft. Sie können nur in der Übertrittszeit wechseln. Theoretisch könnten andere Vereine ebenso finanziell und sportlich so kooperieren.


Das ist aber nicht der Sinn der Übung, oder?
Nein. Aber wir können bei den derzeitigen Statuten nicht anders. Da müsste man die Statuten ändern, aber Red Bull hat zugestimmt, dass Liefering in der Bundesliga keine Stimme hat, der Anteil aufgeteilt wird. Die zweite Liga hat weiterhin 30 Stimmen ohne Liefering. Und sie dürfen nicht aufsteigen. Man ist mit dieser Sache konfrontiert und ich war positiv überrascht, wie das von Red Bull und dem Ligavorstand abgehandelt wurde.


Verstehen Sie die Fans, die das als salomonische Lösung ansehen?
Den Statuten entsprechend wurde das Optimale herausgeholt, dass dieser Schnitt gemacht wurde.


Wir danken für das Gespräch.