Ernst Baumeister: 'Arnautovic ist ein Zirkus-Spieler'
Ernst Baumeister war acht Mal Meister, vier Mal Cupsieger mit der Austria und stand mit den Veilchen im Europacupfinale. 90minuten.at hat den derzeitigen Trainer von Union Mauer zum Interview gebeten. Ein Gespräch über seine Karriere, den nicht erfolgten
Acht Mal Meister, vier Mal Cupsieger mit der Austria und eine Finalteilnahme im Cup der Cupsieger. Dazu zwei WM Teilnahmen. Wie fällt ihr Resümee Ihrer aktiven Spielerkarriere aus?
Im Großen und Ganzen darf man mit so einer Karriere nicht unzufrieden sein. Es gibt nur wenige in Österreich, die so viel erreicht haben. Insofern schau ich schon zufrieden auf meine Laufbahn zurück.
An welche Erfolge erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Es gab viele Highlights, aber das Europacup-Finale und die WM-Teilnahme 1978 kann man von den Emotionen sicherlich herausheben.
Obwohl Sie 1978 in Argentinien ohne Einsatz geblieben sind...
Wir haben damals erstmals seit 20 Jahren wieder an einer WM teilgenommen. Die Stimmung im Team war super. Wir waren insgesamt sieben Wochen als Team zusammen, ohne eine einzige Reiberei. Das ist bei einer Fußballmannschaft mit 22 Spielern schon außergewöhnlich und so etwas habe ich in der Art auch nicht mehr erlebt. Natürlich hätte ich gerne gespielt, aber wir hatten damals einen guten Kader. Walter Schachner und ich waren die jüngsten Spieler, ich hab mich nicht beschweren können, dass ich nicht spiele – es war schon ein Erfolg, überhaupt dabei zu sein.
Trotz aller Erfolge haben Sie nie den Sprung ins Ausland gewagt - warum eigentlich nicht?
Ich habe ein paar Mal die Chance gehabt, aber es hat sich immer irgendwie zerschlagen. 1981 hatte ich ein Angebot von Tottenham – die wollten damals „Schneck" (Anm.: Herbert Prohaska) und mich im Doppelpack. Herbert ist aber gerade erst aus Italien zurückgekehrt und wollte nicht wieder ins Ausland. Von Lazio Rom hatten Steinkogler und ich ein Angebot und es war eigentlich schon alles fixiert. Zwei Monate später ist in Rom ein neuer Präsident gekommen, der hat einen neuen Trainer geholt und sie haben zwei andere Ausländer verpflichtet. Damals durften nur zwei Ausländer pro Verein spielen und damit war die Sache erledigt. Es gab dann noch ein paar weitere Angebote, da wollte mich die Austria aber nicht gehen lassen. Joschi Walter hat nach einer Saison immer nur einen Spieler ziehen lassen. Es waren also immer wieder Geschichten, wo es am Schluss nicht ganz gereicht hat.
Trauern Sie den verpassten Möglichkeiten nach? Viele Österreicher gehen sehr früh ins Ausland, nicht alle schaffen auf Anhieb oder überhaupt den Durchbruch. Ist der frühe Sprung ins Ausland Ihrer Meinung nach der richtige Weg? Warum schafft es Ihrer Meinung nach nur ein geringer Prozentsatz der Spieler? Wie sehen Sie generell die Entwicklung des österreichischen Nachwuchses? Zwei aktuelle Beispiele sind Ihre ehemaligen Admira-Schützlinge Christopher Drazan und Jimmy Hoffer... Was unterscheidet die heutige von ihrer Spielergeneration? Ist es heute schwieriger, als Profi Fuß zu fassen? Österreich hat derzeit viele Legionäre, die im Team aber ihrer Form nachlaufen. Woran liegt das? Gerade Arnautovic hat bei Marcel Koller aber einen guten Stand. Wie beurteilen Sie die bisherige Arbeit des Teamchefs? Gibt es auch Kritikpunkte an Kollers Arbeit? Bei seiner Bestellung gab es viel Kritik der 78er-Generation. Besonders Herbert Prohaska hätte sich eine österreichische Lösung gewünscht. Wie ist Ihre Meinung dazu? Am Freitag geht es für das Team mit der WM-Quali weiter. Während die Partie gegen doe Färöer ein Pflichtsieg ist, sieht es gegen Irland schon anders aus. Was erwarten Sie von den beiden Spielen? Wie muss Koller das Team einstellen, um doch mehr aus Irland mitzunehmen? In Teil 2 des Interviews mit Ernst Baumeister: Baumeister über die erste Liga ("Die erste Liga ist eine Totenliga"), warum er nicht mehr ganz oben als Trainer arbeitet ("Ganz ehrlich: Ich habe nicht mehr den Biss") und was die Arbeit in der Oberliga für ihn reizvoll macht ("Die Spieler hier sind wissbegieriger als weiter oben").
Nein, überhaupt nicht. Ich war in Österreich 18 Jahre Bundesliga-Profi und hatte bei der Austria eine wunderschöne Zeit. Es war nicht so, dass ich mit Gewalt wegmusste, weil irgendwelche Dinge nicht gepasst hätten.
Ich glaube, dass viele Spieler viel zu früh ins Ausland wechseln und zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit ihrer Entwicklung fertig sind. Im Austria-Nachwuchs gab es im Jahrgang von David Alaba sogar noch talentiertere Spieler, die es aber nicht geschafft haben. In Österreich schreien alle „Juhu", wenn nur einer von 20 Jungen den Durchbruch schafft. Die 19 anderen, die auf der Strecke bleiben, kennt kein Mensch mehr.
Ein Problem sind Eltern und Manager, die oft nur das schnelle Geld sehen und die Spieler bei Top-Vereinen unterbringen wollen, wo sie dann aber keine Chance haben. Ich denke, ein 15- oder 16-Jähriger muss nicht ins Ausland gehen. Wenn er wirklich gut genug ist, kann er in Österreich Fuß fassen, sich hier entwickeln und auch drei, vier Jahre später ins Ausland wechseln. Spieler und Eltern werden von den Managern leider oft schlecht beraten, planen die Karriere nicht langsam Schritt für Schritt und verschwinden dann schnell wieder von der Bildfläche.
Im Großen und Ganzen haben wir wieder ein wenig aufgeholt. Wir sind nicht so schlecht, wie es immer dargestellt wird. Ein Problem im Nachwuchs ist aber leider die österreichische Mentalität. Die Jungen geben sich zu früh zufrieden und haben oft eine zu lasche Einstellung. Wenn jemand zwei-, dreimal in einer Kampfmannschaft spielt, glaubt er schon, er ist der Wunderwuzzi und braucht nicht mehr tun, weil er sowieso schon Geld, Auto und Wohnung bekommt. Viele vergessen dabei, dass das Leben mit 20 erst am Anfang ist. Deswegen bleiben dann auch sehr viel Junge in ihrer Entwicklung stecken.
Hoffer habe ich damals bei Admira gesagt, dass der Wechsel zu Rapid noch zu früh kommt - aber er ist gegangen und hat eine hervorragende Saison gehabt. Von Rapid hat er dann zu früh gewechselt. In Neapel war er glaube ich nur für die Vertragsunterschrift, danach war er jedes Jahr woanders, gespielt hat er aber nirgends. Beim Christopher ist es dasselbe: Er hat eine Super-Saison gehabt, bleibt aber seit zwei Jahren in der Entwicklung stehen. Bei Rapid hat er kein Fixleiberl mehr gehabt, aber wechselt ins Ausland. Wenn man im kleinen Fußball-Land Österreich kein Leiberl hat, wechselt man nach Deutschland. Der Gedankengang kommt mir ein bisschen weltfremd vor. Die Jungen sollten schauen, dass sie in Österreich zwei, drei Jahre ein Fixleiberl haben und dann den nächsten Schritt machen. Besonders in jungen Jahren brauchen die Spieler Matchpraxis, um sich weiter zu entwickeln.
Das ist schwierig zu vergleichen, weil sich der ganze Lebensstil und das ganze Drumherum verändert haben. Wir sind ganz anders aufgewachsen, waren immer in Bewegung und waren froh, wenn wir irgendwo spielen konnten. Heute muss man den Kindern bei den Vereinen wieder die Bewegung und das Laufen beibringen. Da sind die Eltern gefragt, die schauen müssen, dass die Kinder nicht den ganzen Tag vor dem Laptop versauern. Der Fußball ist viel athletischer geworden, es ist heute auch nicht mehr leicht, so schön zu spielen wie früher. Wir haben zwar früher für unsere Zeit auch sehr hohes Tempo gespielt, aber wir haben am Ball noch mehr Zeit gehabt. Heutzutage muss man schon wie ein Zehnkämpfer ausgebildet sein, damit man sich oben durchsetzen kann. Wenn man körperlich nicht fit ist, hat man auch in der Oberliga keine Chance. Das Fußballerische allein genügt heute nicht mehr, das war früher vielleicht noch leichter.
Viele Vereine setzen heute noch immer auf zu viele mittelmäßige Ausländer und dabei bleiben österreichische Talente auf der Strecke – das war zu meiner Zeit noch nicht so. Red Bull Salzburg holt zum Beispiel mit Dibon eines der größten Talente, dann spielt aber ein Vorsah, der die letzten fünf Partien „verschnitten" hat. Wenn einer bei mir in der Oberliga solche Fehler macht, hole ich ihn zu mir auf die Bank und sage „schau ma uns die Partie jetzt gemeinsam an". Aber Vorsah spielt Bundesliga und nimmt einem Talent den Platz weg. Leider ist das aber kein Einzelfall.
Bis auf wenige Ausnahmen sind unsere Legionäre bei ihren Vereinen keine Führungsspieler. Im Moment bauen wir alles auf Alaba auf – aber wie soll er das alles alleine schupfen? Das geht nicht! Ivanschitz, Harnik und Junuzovic sind gute Spieler, aber nicht konstant genug. Arnautovic ist ein Zirkus-Spieler, wenn es ihn freut, kann er dir ein Match gewinnen, das passiert aber in zehn Spielen zweimal. Bei den restlichen Matches müsste man ihn nach 20 Minuten rausnehmen.
Eigentlich positiv! Er hat Ordnung ins Team gebracht, einen Stamm gefunden und man erkennt klar die Handschrift des Trainers. Die Mannschaft weiß, wie sie defensiv stehen muss und wie sie sich in der Offensive verhalten muss. Aber auch er kann keine Wunder bewirken. Wenn man sich in einer Gruppe mit Deutschland, Schweden, Irland für die WM qualifizieren will, muss schon Weihnachten und Ostern zusammenfallen. Das muss uns in Österreich aber auch klar sein.
Er hält mir zu viel an seinen Leuten fest. Einen Hosiner hat er nur ins Team geholt, weil es ihm die Leute schon aufgezwungen haben. Janko hingegen spielt nirgends, kommt im Team aber zum Einsatz. Ohne Spielpraxis kann man im Team auf Dauer nicht seine Leistungen bringen. Ab und zu sollte er auf einzelnen Positionen mehr rochieren. Aber ansonsten macht das Team unter Koller einen Schritt in die richtige Richtung.
Ich muss ehrlich sagen, ich hätte mir Herzog sehr gut als Teamchef vorstellen können. Er war schon U21-Trainer, hat da einen guten Job gemacht und lebt für den Fußball. Aber seine Zeit wird noch kommen – über kurz oder lang sehe ich ihn als Teamchef.
Gegen die Färöer lassen wir nichts anbrennen, diese Klasse haben wir mittlerweile. Wenn ein schnelles Tor gelingt, können wir sie abschießen. In Irland wird es eine heiße Partie, das wird nicht einfach. Wir haben gegen englische Teams immer große Probleme, da ist uns das Spiel zu körperbetont. Ich rechne damit, dass wir in Dublin maximal einen Punkt holen.
Das Team muss aggressiv sein und dagegen halten. Im taktischen Bereich kann man in der kurzen Zeit aber nicht viel verändern. Was soll man in drei, vier Tagen großartig anders machen? Wenn man immer nur für ein paar Tage zusammen ist, kann man das taktische Konzept nicht jedes Mal komplett umstellen.