Christian Haas: ‚Mir ist vollkommen egal, was Sascha Boller bei Lustenau verdient'
Nach dem Sieg gegen Lustenau wurde der Aufstieg fixiert. Im ausführlichen Gespräch mit 90minuten.at versucht Sportdirektor Christian Haas die Bedenken gegen den „Dorfklub Grödig" vom Tisch zu wischen: „Gebt uns einfach eine Chance!". Außerdem kritisiert e
(Hinweis: Dieses Gespräch wurde vor der Fixierung des Aufstiegs in die tipp3-Bundesliga geführt)
90minuten.at: Bei Grödig passiert gerade sehr viel. Was genau?
Christian Haas: Fakt ist, dass der neue Vorstand, also wir, vor zehn Jahren gekommen sind und da gab es draußen Bierbänke und eine Kantine sowie ein Trainingsplatz. Wir haben den VIP-Klub, beide Tribünen und Trainingsplätze gebaut. Unter anderem einen Kunstrasen-Platz der neuesten Generation. Die Profimannschaft trainiert im Sportzentrum Rif (Anm.: Olympiastandort des ÖOC). Die Trainingsbedingungen sind zum Herzeigen. Diese Bedingungen haben vielleicht drei andere Mannschaften in Österreich.
Vielen Fans fällt es schwer sich vorzustellen, dass Großklubs hier ab der kommenden Saison inklusive Anhang einreiten. Was sagen Sie denen?
Ich verstehe diese Meinungen, das muss man ganz klar sagen. Der SV Scholz Grödig hatte vor der Saison das Ziel, die Großen zu ärgern. Wir haben Adi Hütter und Edi Glieder sowie den Rest des neuen Trainerteams verpflichtet, 14 neue Spieler geholt und wir wollten Folgendes: Den Abstand zur Spitze zu verringern. Der dritte Platz wäre schön, so dass man sagen kann: ‚Ok, wir sind auf Tuchfühlung.' Im Winter haben wir mit neun Punkten Rückstand abgeschlossen. Da haben wir eine kleine Chance gesehen. Wir haben den Kader noch einmal verändert, aber schon im Hinblick auf die neue Saison. Wir haben Trdinaj, Dobras, Harrer und Hafner geholt, um vielleicht zu Austria Lustenau noch einmal hinzukommen und sie zu ärgern. Und jetzt sind wir vorne. Wir haben nicht geglaubt, dass es so schnell geht. Das Blatt hat sich gewendet. Dann haben wir uns gedacht, dass da etwas passieren kann und wir haben uns intern damit befasst. Jetzt ist die Situation so da und wir diskutieren im Vorstand, was wir machen, wenn wir aufsteigen sollten.
Hat sich der Vorstand die Sinnfrage nach dem Aufstieg auch gestellt, auf Basis des Status quo?
Nein. Ich hatte zum Beispiel ein Gespräch mit Hauptsponsor Scholz. Alle stehen dem positiv gegenüber. Wir wissen, dass sehr viel Arbeit auf uns zukommt. Wir müssen die Zufahrt (Anm.: derzeit über einen Feldweg), die Parkplätze und das Stadion klären. Letzteres ist das geringste Problem. Wir können die Haupttribüne verlängern und hinten zu machen. (Video-Tipp: Grödig-Spieler feiern Aufstieg)
Mit wie viel Geld und Zeit rechnen Sie dafür?
Die Kosten wissen wir nicht, wir schätzen es intern. 400.000 bis 500.000 Euro muss man da jetzt investieren. Aber Grödig wird kein komplettes Stadion hinstellen. Es gibt zum Beispiel Leasingvarianten. Wir gehen nicht her und bauen ein komplettes Stadion. Im Fußball weiß man es nie. Wir könnten aufsteigen und in einem Jahr wieder absteigen! Das kann man nie sagen. Wir können die besten Spieler holen und absteigen. Wir müssen sukzessive wachsen. Wir werden bauen und leasen, es waren Architekten da und die Pläne werden vorgelegt. Darüber hinaus gab es Gespräche mit der Gemeinde. Es ist eine interessante Aufgabe, dass so hinzukriegen, dass man hier Bundesligafußball spielen kann.
Neun Spieler kamen aus der Regionalliga. Ist das Konzept und Stärke, dass Grödig ins Unterhaus scouten geht?
Wir befassen uns sehr stark mit den Regionalligen. Und in Grödig haben wir auch nicht das Budget, dass wir uns die besten Spieler holen. Wir müssen unbekannte, billige Spieler holen. Natürlich haben wir teurere „Stars". Aber wir müssen immer schauen, dass wir das Budget einhalten. Wir können nicht 20 Lexas verpflichten. Das können wir uns nicht leisten und wir geben das Geld aus, das wir haben. Und mehr geben wir nicht aus. Warum soll man jungen Spielern keine Chance geben? Ob das jetzt ein Stephan Nutz, ein Mario Leitgeb oder ein Simon Handle war – das sind talentierte Spieler, die alle noch nicht zweite Liga gespielt haben. Sie sind hungrig und wollen etwas erreichen und der Erfolg gibt uns Recht.
Der eigene Nachwuchs ist noch nicht so zum Zug gekommen, da haben Sie erst vor vier, fünf Jahren richtig begonnen. Wie ist der Status Quo in diesem Bereich?
Wir sind, das traue ich mich sagen, in Salzburg in der U14 hinter Red Bull Salzburg die zweitbeste Mannschaft und wir haben sehr gute Trainer. Unser Ziel ist auch hier klar definiert: Wir müssen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs heraus bringen. Die zweite Mannschaft spielt in der höchsten Salzburger Liga im Mittelfeld. Dort sind lauter junge Spieler. Aber das braucht noch Zeit, denn wir haben das gesamte System umgestellt, waren vor zehn Jahren noch in der ersten Klasse.
Ist das ein spezifisches Problem der „Emporkömmlinge", dass die erste Mannschaft schnell raufsteigt und der Unterbau nachhinkt bzw. viele darauf vergessen und die Amateurmannschaft „irgendwo" ist?
Da haben Sie vollkommen Recht. Wir haben das zu Beginn auch verschlafen. Es ging rauf, rauf, rauf. Wenn man Grödig verfolgt, sieht man, dass wir schon in der Ersten Liga waren und abgestiegen sind. Normalerweise verschwindet ein Klub dann. Ich werde den Augenblick nie vergessen. Ich bin im Büro gesessen und es war gar niemand mehr da. Kein Mensch hat daran geglaubt, dass wir noch einmal zurückkommen. Das zeichnet uns aus. Wir haben es noch einmal probiert, noch einmal geschafft. Mit der professionellen Nachwuchsarbeit haben wir zu spät angefangen. Aber: Wir haben es erkannt und wenigstens angefangen. Seit drei Jahren haben wir einen guten Nachwuchs und bekommen auch sehr gute Spieler. Unser Ziel muss sein, dass aus der Umgebung die Eltern wollen, dass die Burschen nach Grödig kommen.
Sie sagten, dass alle weg waren, wohl auch die Spieler. Fühlten Sie sich da auch finanziell ausgesaugt und auch persönlich enttäuscht?
Das ist Profifußball. Die Spieler sind hier, damit sie als Profis Geld verdienen. Ein Fußballer hat nur 15 Jahre Zeit, dass er Geld verdient. Ich verstehe die Spieler auch. Wenn sie woanders mehr Geld kriegen, gehen sie. Dass Grödig jetzt nicht die Topadresse im österreichischen Fußball ist, ist mir klar. Momentan sind wir aber die Nummer elf in Österreich!
Bleiben wir beim Geld. Es gibt seit Kurzem einen Wirtschaftsbeirat. Was hat es mit dem auf sich?
Den gibt es seit Jänner. Der wurde aber nicht gegründet, um einen möglichen Absturz zu verhindern, sondern, damit es neue Sponsoren gibt. Es wird ja immer gesagt: „Der SV Grödig ist der Haas!" Aber: Ich will das nicht. Am liebsten wäre mir, es wären zehn Topsponsoren da. Das ist aber nicht einfach. Wir haben jetzt Scholz, Suzuki und sehr viele kleine. Mit dem Wirtschaftsbeirat ist in kurzer Zeit sehr viel Geld zusammen gekommen. Da sind viele führende Unternehmer dabei, die sagen, dass ihnen die Marke Grödig taugt.
Was ist die Marke „Grödig"? Wofür steht der Klub? Was bieten Sie den Sponsoren? Wenn der Sponsor kommt und ich das Stadion herzeige, werden Sie vermutlich schon auch gute Argumente brauchen, oder?
Der SV Grödig macht im Vergleich zum anderen großen Verein in Salzburg aus geringen Mitteln das Maximum.
Grödig ist im Spannungsfeld des „puren Kommerzes" und der „puren Tradition"?
Uns gibt es seit 1948. Red Bull Salzburg und Austria Salzburg haben ihren eigenen Weg. Wir waren seit 1948 immer eigenständig. Was bringt es dem Sponsor? Es bringt ihm Werbepräsenz in der zweiten Liga. Der SV Grödig hat im Fernsehen und den Zeitungen eine sehr gute Präsenz. Natürlich wäre die Werbepräsenz für Sponsoren in der ersten Bundesliga noch interessanter.
Und das Profil des Klubs würden Sie wie beschreiben?
Der SV Grödig ist der Verein zum Anfassen. Ob das jetzt Spieler oder Funktionäre sind. Ich trinke mit jedem ein Bier oder einen Kaffee, bin der Erste, der kommt und der Letzte, der geht. Wir sind aber noch eine schlafende Marke. Aber Woche für Woche kriegen wir Lob. Ich sage dann immer: „Das freut mich, es würde mich aber noch mehr freuen, wenn ihr herkommt und zuschaut." Wir haben nichts davon, wenn alle nur sagen, dass wir eine super Arbeit leisten. Und es reden in Salzburg viele über Grödig.
Reden wir über die ominösen 1,8 Millionen Euro Budget, die ja auch im offiziellen Bundesligajournal stehen. Sie bestreiten diese Zahlen?
Letztes Jahr haben wir 41 Punkte gemacht. Wir wissen nicht genau, was eine Saison kostet. „Circa 1,8 Millionen Euro" steht im Journal.
Ist das das Budget von Reinigungskraft bis Stefan Lexa? SKN-Präsident Gottfried Tröstl war 90minuten.at gegenüber sehr offen, was das betrifft?
Das haben wir geglaubt. „Circa" ist ein dehnbarer Begriff. Ich glaube nicht, dass ich verpflichtet bin, irgendjemand oder einem Journalisten zu sagen, was wir für ein Budget haben. Ich denke mir etwas dabei. Aber: Jeder kann beim KSV (Anm.: Kreditschutzverband) die Personalkosten nachschauen. Das, was der SV Grödig hatte. Jetzt kann man sich 2011/12 ansehen. 2012/13 wird das anders aussehen. Einerseits haben wir eine teurere Mannschaft und andererseits machen wir statt 41 Punkten 65 bis 70. Herr Tröstl von St. Pölten verwechselt Äfpel mit Birnen. Er redet von 3,5 Millionen Euro – das glaube ich! Aber er hat ein Stadion zu finanzieren. Das haben wir nicht. Wenn ich dort in den VIP-Klub gehe, sind dort 500 Gäste. Das wäre hier auch schön. Er muss hochrechnen, was ihn das kostet. Klar, er kriegt es dann wieder. Man kann nur die Personalkosten vergleichen. Grödig hat, glaube ich, höhere Personalkosten als St. Pölten.
Heutzutage fordert der Fußballfan Transparenz. Warum sagen Sie keinen Richtwert?
Den gab es. Circa. Es können 2,2 oder 2,3 Millionen Euro auch sein. Ich kann das aber nicht sagen. Ich weiß, was mich der Punkt für die Mannschaft kostet. Es kommt drauf an, wen der Trainer von Anfang an aufstellt. Ich habe eine Durchschnittsberechnung. Letztes Jahr waren es 41, dieses Jahr 70. 1,8 Millionen Euro war eine Circa-Angabe zum Budget. Bei uns ist das mit dem Budget ein bisschen anders als bei anderen Vereinen, weil wir sehr viel selber entscheiden. Wir haben zum Beispiel unsere Mannschaft im Winter auf Trainingslager geschickt, das haben wir voriges Jahr nicht gemacht. Dann sind wieder 25.000 Euro extra zu zahlen. Heuer geht es um sehr viel, die Mannschaft reist einen Tag früher an. Wieder 2.000 Euro weg. St. Pölten hat wahrscheinlich sehr strenge Vorgaben. Wir sagen: Das leisten wir uns jetzt, machen dies und jenes. Wenn ich mir nur die Personalkosten 2011/12 anschaue, hatten wir höhere als der SKN.
Herr Tröstl meinte, er gebe bei 50 Punkten 30 bis 180.000 Euro inklusive Lohnnebenkosten pro Jahr für seine Spieler aus. Ist das in etwa auch das, was es hier gibt?
Ich verstehe das nicht. Ich würde nie bekannt geben, was der teuerste Spieler bei Grödig bekommt. Das ist ja eine Verhandlungsbasis für den nächsten Spieler. Bei den 30.000 bin ich bei ihm, wir haben auch die jungen Spieler mit 1.100 brutto dabei (Anm.: Das vorgeschrieben Minimum lt. Kollektivvertrag). Aber ich sage doch nicht meine Grenze nach oben. Das klingt auch nach viel Geld. Finden Sie das ok? Wenn Ihr Chef sagt, dass der teuerste Mitarbeiter so viel verdient? Ich will nicht, dass die ganze Mannschaft diskutiert, wer das ist. Ich habe selber eine Firma mit 21 Mitarbeitern und würde nicht sagen, dass die „von bis" verdienen. Dann diskutieren 21 Leute, wer wer ist.
Aber wenn man sich die Geschichte der zweiten Liga anschaut, haben viele Leute viel falsch gemacht. Da verstehe ich schon, warum die Fans Transparenz verlangen...
Die können sie haben. Ich habe kein Problem, der Bundesliga meine Personalkosten zu geben. Herr Tröstl will, dass alle Zahlen der 26 Angestellten hingeschrieben werden. Dann schreibe ich hin, ich sage irgendeine Summe, der Stefan Lexa verdient 3.200 Euro. Wenn ich jetzt sehe, dass ein anderer Spieler das verdient, was passiert dann?
Der nächste Verein bietet mehr und der Spieler wechselt?
Ich weiß nicht, wie er darauf kommt. Wenn ich sehe, was jeder Spieler verdient und ich will einen, dann gebe ich ihm 400 Euro mehr!
War das im Fall von Sascha Boller so?
Mir ist vollkommen egal, was der bei Austria Lustenau verdient. Wir hatten ein Gespräch, weil er für uns ein interessanter Spieler ist und wir ihn haben wollten. Wir haben ihm unsere Vision, was wir vorhaben, erklärt. Eines Tages geht es dann ums Finanzielle. Es geht mich nichts an, wenn ich wissen würde, was er dort verdient. Wüsste ich, was er verdient, sagen wir 3.000, dann hätte ich 3.300 gesagt, damit er herkommt. Ich verstehe nicht, wie man auf so was kommt.
Die eingeforderte Transparenz ist also ein zweischneidiges Schwert?
So ist es. Dann diskutiert die Mannschaft, sagt: „180.000? Du verpflichtest den und der spielt scheiße." Und in der ganzen Kabine wird das geredet. Wir wissen ja auch nicht, ob uns Sascha Boller hilft. Wir glauben es. Und in der Firma bin ich ja auch nicht verpflichtet zu sagen, was wer verdient. Gibt's das irgendwo anders auf der Welt? Es sind die Personalkosten offengelegt. Aber das ist ja was anderes.
Sie haben den SV Grödig in der 1. Klasse übernommen. Haben Sie Probleme bei der Abrechnung gehabt, weil ja immer wieder über Schwarzgeld geredet wird?
Es hat Probleme bei uns gegeben, weil es keine Regelung gab. Als wir angefangen haben, gab es Fahrtenzuschuss, Benzingeld und so weiter. Dann gab es Prüfungen und dann kam das Gesetz. Seit das mit den 540 Euro klar ist, ist das besser. Aber das betrifft uns nicht, weil wir nur Profispieler haben.
Also mussten Sie auch nachzahlen?
Es war immer sehr undurchsichtig, weil man nicht wusste, was man darf und was nicht. Man kann ja nicht mit lauter Profis in der ersten Landesliga spielen. Wir haben alles gemacht, aber man musste schauen, ob das alles hält. Jetzt gibt es eine klare Regelung.
Ist das Vereinsrecht überhaupt gut für den Fußball? Wenn man von der dritten in die zweite Liga will, braucht man wohl schon Profis, oder?
Das war so. Wir hatten bei den Aufstiegen zwischen acht und zehn angemeldete Profis in der Regionalliga. Und Studenten.
Ist das nicht schwierig in der Regionalliga, wenn Vereine mit Ambitionen sich mit solchen messen, die die Regionalliga als das höchste der Gefühle auffassen?
Es ist ein freier Wettbewerb. Austria Salzburg will aufsteigen, bei Seekirchen gehen alle arbeiten. Wenn man aufsteigen will, man braucht sich ja nur Pasching, den LASK oder Parndorf anschauen, dann wird man Profis brauchen. Sonst wird es schwierig.
Was möchten Sie, zum Abschluss allen ausrichten, die mit einem Aufstieg Grödigs das Ende des heimischen Fußballs kommen sehen?
Ganz klar: Gebt uns einfach eine Chance, schaut euch an, wie wir arbeiten und wir hoffen, euch eines Besseren belehren zu können!
Wir danken für das Gespräch!
Video-Tipp: Grödig-Spieler feiern Aufstieg