Bjelica: 'Ich wollte, dass mich die Spieler ernst nehmen'

Noch vor dem Auswärtsspiel gegen den SV Grödig hatte 90minuten.at einen Interviewtermin mit Austria-Cheftrainer Nenad Bjelica. Ein Gespräch über das 1:1 in der Champions League, warum die Wutrede passieren musste und warum Bjelica nicht über Einwechslunge

 

90minuten.at: Wie sehr ärgert es Sie, dass Atletico in St. Petersburg noch ein Tor kassiert hat?

Nenad Bjelica: Das ist so passiert und wir können das nicht beeinflussen. Atletico hat alles probiert, um das Spiel zu gewinnen. Und wir hatten es immer noch in der eigenen Hand, eventuell in Porto zu gewinnen. Das haben wir nicht geschafft und man muss mit einem Punkt zufrieden sein, die Dominanz von Porto anerkennen. Wir hatten Glück, das hatte Porto in Wien. Es hat sich ausgeglichen. Ein Punkt reicht nicht fürs Weiterkommen, er gibt uns aber Hoffnung für die Zukunft.

 

Porto war sehr gut, Heinz Lindner konnte sich wie in Madrid auszeichnen. Kritisierbar ist oberflächlich die Hereinnahme von Marin Leovac.

Wir haben einen Spieler gebracht, der diese Position in der Saison schon oft gespielt hat und der sehr schnell ist. Wenn du gegen Porto auswärts spielst, kannst du nicht einen Simkovic bringen, weil der kein Konterspieler ist. Es gab keine Alternativen, entweder Simkovic oder Leovac. Wir haben uns eben für Letzteren entschieden, weil er mehr in der Defensive arbeiten kann und ein schneller Konterspieler ist. Aber jeder hätte das anders gemacht. Ich habe mich so entschieden, das soll jeder beurteilen, wie er will.

 

Aber ich will nicht über Einwechslungen reden. Jeder, der nicht mit meinen Entscheidungen zufrieden ist, soll sich eine Lizenz holen und es probieren.< /div>< /div>

 

Auch ein Problem, dass Leovac einfach in den Datenbanken überall als Linksverteidiger ausgewiesen ist, obwohl die Übergänge da immer fließender werden?

Im Spiel gegen Zenit hat die Entscheidung jeder gelobt. Man kritisiert das, aber lobt nicht, dass wir gegen Porto zehn Minuten vor Schluss noch einen gelernten Stürmer für einen Mittelfeldspieler gebracht haben, um eventuell zu überraschen. Aber du kannst in Porto nicht schon in der 50. Minute riskieren, dann kannst du auch schnell drei, vier Stück bekommen. Wir wollten weiter defensiv stabil bleiben und dann eventuell aus einem Konter ein Tor machen. Da hat Leovac perfekt gepasst.

 

Es heißt ja eben, dass mehrere Positionen beherrscht werden müssen.

Die Position von Roman Kienast ist auch nicht ideal, aber der kompensiert das mit viel Einsatz, Laufbereitschaft und Leidenschaft. Aber ich will nicht über Einwechslungen reden. Jeder, der nicht mit meinen Entscheidungen zufrieden ist, soll sich eine Lizenz holen und es probieren. Ich kanns nicht jedem Recht machen. Wenn man die Aufstellungen der Fans liest, sieht man bei 100 Aufstellungen 99 verschiedene.

 

Einen Spieler auf andere Positionen zu stellen, was verlangt das, gerade bei Roman Kienast oder Rubin Okotie? Ist das eine mentale Sache oder beinhartes Training?

Von allem ein bisschen. Rubin hat bei Sturm auch im Mittelfeld gespielt, auch bei uns schon. Wenn wir volles Risiko nehmen wollen, muss er das können. Er hat sich immer bemüht und alles gegeben. Hätten wir eine andere Alternative, hätten wir eben den gebracht. Den hatten wir aber nicht. Aber wir machen das auch oft im Training, rechtes oder linkes Mittelfeld haben wir oft trainiert. Für ihn ist das mit 25 kein Problem.

 

Wir schauen ja auch, was die Fans so denken, da gibt es auch mal Kritik.

Die öffentliche Meinung interessiert mich nicht, weil ich es nicht jedem Recht machen kann. Ich habe für jede Entscheidung eine Erklärung, die ich aber nicht abgeben will. Wir besprechen das auf der Trainerbank, manchmal treffe ich die Entscheidung auch alleine. Das ist im Fußball einfach so.

 

Wir Journalisten können auch nicht bei jedem Training sein!

Man liest in Foren, Facebook und Twitter, was geschrieben wird, wie wir trainieren; aber es kommt keiner zum Training. Wer wissen will, was wir trainieren, kann er kommen. Jedes Training ist offen.

 

Verstehst du, mit der einen Mannschaft muss man gar nicht laut reden, beim WAC reichte ein Blick in die Augen und er wusste, was ich meine.< /div>< /div>

 

Klar ist nun, dass die Austria nicht international überwintert. Das Transferfenster öffnet sich, Philipp Zulechner gefiele Ihnen. Wie weit sind sie da schon, wer wirklich kommen soll?

Natürlich. Wir reden intern und wenn etwas konkret ist, machen wir es öffentlich. Wir werden, wenn das Transferfenster öffnet, die Gespräche führen und melden, wenn es etwas zu melden wird. Wir wollen eben mit zwei, drei Spielern den Kader verstärken, um schon in Richtung Sommer die Mannschaft aufzubauen.

 

Und wie kompliziert ist es, in eine bestehende Mannschaft reinzukommen, ohne große Möglichkeiten, eigene Spieler zu haben?

Nenad Bjelica 1 Gepa PicturesEs ist schwierig, weil man 25 Spieler kennen lernen muss. Spielerisch kenn ich jeden, charakterlich kannte ich keinen. Du kannst sie aber nur kennen lernen, wenn du sie in Situationen bringst, wenn sie spielen oder nicht, auf der Tribüne sitzen und wie sie darauf reagieren, wie ein Profi oder wie ein Amateur. Ob sie jammern oder nicht. Ob sie dann eine Nichtnominierung als Motivation oder Strafe sehen. Solche Dinge kannst du nicht wissen, wenn du neu kommst. Zum WAC habe ich 25 Spieler gebracht, nach drei Jahren wusste ich, wie jeder ist und reagiert. Hier bin ich noch in dem Prozess, in dem ich von Tag zu Tag jeden näher kennen lerne. Aber das ist ein Prozess, das kannst nicht vom ersten Tag her machen, egal, wie viele Informationen du hast. Du bist anders als dein Vorgänger, hast eine andere Art. Die Spieler müssen mich auch akzeptieren, wie ich bin. Ich muss ja wissen, ob ich mit einem leise oder aggressiv reden muss. Das ist so. Wie mit Kindern. Hast du zwei Kinder, dann reicht es bei einem, nur zu reden und mit dem anderen muss man lauter sein.

 

Ist der Prozess zeitlich begrenzt?

Nein, ich glaube nicht, dass ich viel verändern muss. Ich möchte schon den einen oder anderen Spieler holen, der auf meinen Wunsch hin kommt, von dem ich hundertprozentig überzeugt bin und bei dem ich diesen Lernprozess nicht machen muss. Wenn ich den von früher kenne, erleichtert das meinen Job. Aber grundsätzlich haben wir eine charakterlich sehr gute Mannschaft. Das betrifft auch die Spieler, mit denen ich ein paar Probleme hatte. Wir haben uns kennen gelernt, sie wissen, was ich erwarte und sie sich von mir erwarten können. Wir haben uns angepasst. Aber das ist ein Prozess.

 

Sie können auch schlecht in der ersten Arbeitswoche mit allen 25 Kaderspielern auf ein Bier gehen.

Das geht nicht. Verstehst du, mit der einen Mannschaft muss man gar nicht laut reden, beim WAC reichte ein Blick in die Augen und er wusste, was ich meine. Es ist aber nicht jede Mannschaft oder jeder Spieler gleich. Deswegen kann man nicht mit allen gleich umgehen.

 

Und manche brauchen eine Wutrede in der Öffentlichkeit?

Das ist eine nötige Maßnahme. Wenn du mit einem Spieler, der nicht in Form ist, intern etwas besprichst und er das nicht versteht oder verstehen kann, musst du anders reden. Dann musst du ein anderes Auftreten haben. So wie ich nach dem Rapid-Spiel gesprochen habe, habe ich auch intern gesprochen. Wenn ich drei Mal mit jemandem Rede und er kapiert das nicht, muss ich anders mit ihm reden. Ich habe mich auch immer vor die Mannschaft gestellt, habe „Wir" gesagt, nicht „die Spieler haben schlecht gespielt". Ich habe nie gesagt: „Nenad Bjelica hat die Champions League-Qualifikation geschafft." Immer wir. Wir sind eine Einheit und sind in diesem Moment dann frustriert, weil ich die Mannschaft nicht so einstellen konnte, wie ich es mir erwarte. Dann reagiere ich anders. Das haben sie akzeptiert. Seitdem läuft alles besser. Das ist ein Prozess, wie gesagt. Beim WAC habe ich die Mannschaft nie so alle zusammen öffentlich attackieren müssen, weil sie gewusst haben, wenn ich Stopp sage, dass Stopp ist. Ich wollte, dass mich die Spieler ernst nehmen.

 

Ich habe damit kein Problem, solang die Berichte der Wahrheit entsprechen. Das habe ich bei einem Kommentar auf Eurer Seite nicht so empfunden, der erschien mir einseitig, nachdem der Autor Auszüge meiner Aussagen verwendet und anschließend nicht korrekt interpretiert hat..< /div>< /div>

 

Also intern war schon alles gesagt?

Absolut, natürlich. Wir haben viele Dinge besprochen, aber ich bringe meine privaten Gespräche nicht in die Öffentlichkeit. Wenn ich drei Mal mit ihm rede und wieder enttäuscht bin, dann muss ich etwas anders machen. Das hat man bei der nächsten Aufstellung gesehen. Meine Unzufriedenheit war nicht mit Lindner, Ortlechner oder Murg. Mit ein paar anderen schon. Viele Spieler bringen tolle Leistungen, ein paar brachten aus irgendeinem Grund keine Leistung.

 

Wobei man nicht vergessen darf, dass die Medien es auch genüsslich ausschlachten, wenn der Bjelica auszuckt – und nachher wird ihm das vorgeworfen.

Ich habe damit kein Problem, solang die Berichte der Wahrheit entsprechen. Das habe ich bei einem Kommentar auf Eurer Seite nicht so empfunden, der erschien mir einseitig, nachdem der Autor Auszüge meiner Aussagen verwendet und anschließend nicht korrekt interpretiert hat. Ich habe immer „Wir" (Anm. der Redaktion: siehe dazu "Bjelica erklärt die Spielerkritik zum System")   gesagt und gemeint, dass ich Hauptverantwortlicher bin. Und ein Spiel nannte er nicht, nämlich das Spiel gegen die Admira. Da waren wir katastrophal. Da habe ich die Mannschaft hundertprozentig in Schutz genommen. Es fällt in jedem Satz „Wir". Wenn man das so Stimmung machen will, finde ich das nicht ok. Natürlich: ich bin ein Teil der Mannschaft und manchmal muss ich sie provozieren, um bessere Leistungen zu bekommen. Aber ich habe immer Respekt. Ich habe in meiner gesamten Karriere nie einen Spieler beleidigt, intern oder öffentlich. Nie. Ich habe die Leistungen kritisiert und auch gelobt. Ich kann jedem Spieler in die Augen schauen. Das ist das Wichtigste. Wenn es von sieben zwei nicht kapieren, dann haben sie ein Problem. Und wenn die zwei wichtig sind, ist das schlimm. Man sieht doch gerade, wie viel einige unserer Spieler wert sind, wenn sie Leistung bringen. Jeder kann sagen, dass etwas nicht so ist wie im letzten Jahr. Aber die Leistungen mancher waren auch einige Zeit nicht so wie im letzten Jahr. Andere haben sich dafür weiter gesteigert. Kienast, Lindner, Murg, Stankovic, Mader - Royer kam unter anderem auch dazu.

 

Aber das sind eigentlich die, die in den Medien fürs Ausland gut befunden wurden, auch wenn nur für Hosiner ein konkretes Angebot vorlag.

Ich kenne nur die Diskussion um Hosiner.

 

Man weiß ja auch nicht, was die Berater mit ihren Klienten reden.

Schau, die gesamte Geschichte mit Meistertitel und Champions League – das hat man bei dieser Wutrede gesehen – sind die größten Erfolge, die diese Jungs hatten. Jeder Erfolg ist aber gefährlich. Einer geht besser damit um, einer schlechter. Es gibt einen Spruch: Wenn du Erster, musst du so arbeiten, als ob du Zweiter wärst. Das ist nicht bei jedem so. Manche tun als Erster ein bisschen weniger.

 

Apropos Erfolge. Da werden in Favoriten riesige gefeiert, dann wird der Wettskandal publik. Was bedeutet dieser für die Austria?

Gott sei Dank sind weder Austria noch WAC dabei. Da musst du als Trainer jedem Einzelnen klar machen, dass das nicht toleriert wird und jeder eliminiert wird, wenn was passiert. Das ist unsere Rolle als Trainer. Die anderen müssen die radikalen Strafen machen. Mit leisen Strafen wird das wieder passieren. Es gibt keinen anderen Weg. Wie damals in England mit den Hooligans. Da gibt es radikale Strafen. Drei Jahre kein Stadion, fünf Jahre keinen Job. Da überlegst du zwei-, dreimal. Das muss man machen, sonst wird der Fußball und der Sport umgebracht.

 

Ist Wetten ein generelles Problem?

Es ist eine Krankheit.Wenn man das zum Spaß machst, ok. Aber wenn du große Summen investierst und vom Wetten leben willst, das ist für mich eine Krankheit. Dass die Spieler da auch manchmal reinfallen, ist bitter. Aber jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir verdienen genug Geld zum Leben. Das sind Leute, die über ihrem Limit leben. Das ist bitter. Und du kannst in der österreichischen vierten und fünften Liga wetten, wo die Leute nix verdienen. Dann schieben sie ein Spiel und bekommen so viel, wie sie in drei Monaten kriegen. In den Ligen würde ich die Wettmöglichkeiten nicht anbieten.

Wir danken für das Gespräch!