Toni Polster: 'Uns österreichischen Trainern hilft ja niemand'
Toni Polster möchte auch als Trainer erfolgreich werden. Auf eine Chance wartet er, glauben tut er nicht daran. Ein 90minuten.at-Gespräch über österreichischen Dilettantismus, unbrauchbare Inhalte in der Trainerausbildung, warum Hyballa oder Schmidt nicht
Toni Polster im ausführlichen Interview mit 90minuten.at
Toni Polster kommt aus der Kabine des SC Viktoria Wien. Der Lacher hält, der Grinser auch. Ein Toni Polster weiß, dass man nicht nur in Köln oder Sevilla erscheinen muss, ein Toni Polster erscheint auch in Meidling. Die Anzahl seiner Bewunderer am Platz in der Oswaldgasse ist weniger geworden als in der deutschen Bundesliga. Naturgemäß. Trotzdem schmeißt sich Polster ins Zeug. „Na, ist des a Schenheitswettbewerb heite“, ruft Polster zwei Damen vor der Kantine zu. Die Damen kichern. Die Herren begrüßt er mit „Na mei schena Bua“ schablonenhaft, aber nicht unehrlich. Toni Polster ist mit Viktoria Wien in die vierte Leistungsstufe aufgestiegen, liegt zur Winterpause auf dem zweiten Platz. „Ich dachte schon, dass ich es aufgrund meiner Vorgeschichte als Spieler ein bisschen leichter haben werde als Trainer Fuß zu fassen“, sagt er. Aber auch in Meidling fühlt sich Polster wohl. Er, der aus den Tiefen des Wiener Kicks hervor kam und jetzt eben wieder dort zurückgekehrt ist. Er sieht seine Rückkehr als Beginn einer neuen Erfolgsära – dieses Mal als Trainer. Wir setzen uns an einen Heurigentisch in der Kantine. Vier, fünf Herren sitzen ein wenig entfernt. Manche beobachten uns, anderen ist es egal. Manchmal werden wir unterbrochen. „Na mei schena Bua“, schallt es dann durch den Raum. Ein Handschlag von Toni Polster, ein Klopfer auf die Schulter werden hier auch zum 150. Mal nicht fad. Wir legen los.
90Minuten.at: Ein Journalist hat einmal über Sie gesagt: „Der Polster glaubt so lange an den Erfolg, bis er auch wirklich eintritt.“ Hat das immer so funktioniert?
Toni Polster: Ich habe immer aus Konflikten meine Leistungen bezogen. Mir hat nie jemand – und das verfolgt mich bis heute – richtig etwas zugetraut. Aber immer wieder die Genugtuung zu bekommen, es allen bewiesen zu haben, war ein großer Antrieb dabei.
Ihnen haftet bis heute das Image des Schmähbruders an. Ist das auch ein Hindernis, um als Trainer Fuß zu fassen?
Für viele die hintergründig nicht sehr intelligent sind, mag das zutreffen. Aber der Spass ist doch das Fundament von jeder guten Arbeit. Viele haben noch nicht verstanden, dass Spass zu einem guten Job dazugehört. Ich wollte bei allem immer Spass haben. Das hat mir schwere Arbeit oft erleichtert.
An welchen Erfolg glauben Sie im Moment gerade?
Ich befinde mich gerade in einer zwiespältigen Situation. Als Spieler habe ich es viel mehr in der Hand gehabt, Erfolg zu haben oder auf der Erfolgsleiter nach oben zu kommen. Als Trainer bin ich von vielen Faktoren abhängig.
„In vielen Vorstandsebenen ist der Dilettantismus sehr verbreitet“
Wo können Sie als Trainer den Erfolg mitbestimmen?
Ich kann bei meiner Mannschaft den Erfolg mitbestimmen. Aber ich kann meine Karriere nicht steuern wie als Spieler. Erfolg ist zwar planbar, aber die Karriereerfolgsleiter als Trainer nicht. Ich habe zwar als Trainer Erfolg, aber in vielen Vorstandsebenen in Österreich ist der Dilettantismus nach wie vor sehr verbreitet. Das geht hinauf bis in die Bundesliga.
Was meinen Sie konkret?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass Arbeitsmethoden und Konzepte nicht so viel zählen. Man nimmt einfach den billigsten, egal welches Konzept der Trainer hat. Man überlegt sich bei Vereinen auch nicht: Wer passt wirklich zu uns und kann uns weiterhelfen. Ich könnte heute viel höher oben trainieren, hätte ich einen Sponsor mitgenommen und gratis gearbeitet. Das ist aber für mich der falsche Ansatz, auch wenn für mich das Finanzielle erst an zweiter oder dritter Stelle kommt.
Sie arbeiten jetzt erfolgreich bei Viktoria Wien in der Wiener Stadtliga – vierte Leistungsstufe. Wollten Sie bewusst als Trainer weiter unten beginnen oder haben Sie aus der Not eine Tugend gemacht?
Ja, ich habe aus der Not eine Tugend gemacht. Ich dachte schon, dass ich es aufgrund meiner Vorgeschichte als Fußballer ein bisschen leichter habe.
Was macht einen guten Trainer, Ihrer Meinung nach, aus?
Da gibt es viele Attribute, die ein Trainer haben sollte. Für mich ist es wichtig, dass man die Jungs an der richtigen Stelle erwischt – mit Herz und Leidenschaft. Es ist wichtig, dass man Spieler so anpackt, dass sie für dich durchs Feuer gehen.
„Ich weiß viel mehr Dinge als andere, die nie gespielt haben“
Wie viel Wissen beziehen Sie als Trainer aus Ihrer Spielerkarriere?
Ich weiß viel mehr Dinge als andere, die nie gespielt haben. Es ist schon ein Vorteil, ohne jeden Zweifel. Wenn du dann noch ehrgeizig bist und weiterlernen willst, dann ist das die richtige Mischung, die man haben muss um erfolgreich zu sein.
Wie eignet man sich als Trainer Wissen an? Erinnert man sich an Weisheiten seiner eigenen Trainer oder schaut man nach Deutschland zu Klopp und Tuchel und schaut sich dort etwas ab?
Überall wo man etwas für sich verwerten kann, nimmt man etwas mit. Vom Jürgen Klopp habe ich das LifeKinetik-Thema aufgenommen, darüber habe ich auch meine Diplomarbeit bei der Trainerprüfung geschrieben. Mir ist als Trainer wichtig, dass ich die einzelnen Bausteine zusammensetze. Ich will aber bei meinen Spielern nicht der Oberlehrer sein, der ihnen erzählt wie gut ich war. Ich sehe mich als Unterstützer der Mannschaft und die Spieler spüren, dass sie sich hundertprozentig auf mich verlassen können. Das kriege ich von der Mannschaft auch wieder zurück.
Stichwort Taktik: Ist das ein wichtiger Baustein für Sie?
Logisch ist die Taktik ein wichtiger Baustein, aber man soll sie auch nicht überstrapazieren oder überbewerten. Natürlich ist es wichtig, dass jeder Spieler weiß, was er zu tun hat, wenn er den Ball hat oder wenn er ihn nicht hat.
„Vieles von der Trainerausbildung werde ich nie verwenden, weil ich es nicht für wertvoll halte“
Wie viel Wissen haben Sie von der Trainerausbildung des ÖFB mitgenommen?
Das ist wie bei der Führerscheinprüfung. Vieles nimmst du mit und anderes brauche ich überhaupt nicht. Ich habe für viele Dinge, die ich ohnehin unterbewusst immer so gemacht habe, die Begründung erfahren. Aber viele Sachen werde ich nie verwenden, weil sie nicht zu mir passen und weil ich sie nicht für wertvoll halte.
Was zum Beispiel?
Etliche Sachen. Teilbereiche von Themen. Wir haben ja tausende Themen durchgemacht. Vieles geht einfach an der Ursprünglichkeit des Fußballs vorbei. Der Fußball ist ja eigentlich einfach und doch so kompliziert.
Welche Inhalte hätten Sie sich in der Trainerausbildung gewünscht?
Es ist so: Du musst als Trainer deine eigene Geschichte schreiben. Du kannst natürlich viele Dinge lernen, aber wenn plötzlich zwei Spieler im Training aneinander krachen, dann musst du wissen, was zu tun ist. Das steht aber nicht in Büchern, da musst du aus dem Herzen heraus entscheiden.
Im letzten Trainerlehrgang saßen ausschließlich ehemalige Größen, weil Sie durch das Punkteschema für eine Spielerkarriere bevorzugt werden. Wie finden Sie das?
Es kann ja nicht sein, dass ich 95 Länderspiele habe und gleich bewertet werde wie jemand, der aus drei Metern keinen Autobus getroffen hat. Das kann es nicht sein und von daher finde ich das schon gerecht. Aber es ist jetzt auch erschwert worden.
Jetzt sollen ehemalige Profis nicht mehr mit der A-Lizenz sondern bei B beginnen.
Aber im Vergleich haben wir es ja auch viel schwerer gehabt als ein Prohaska oder ein Krankl, weil wir den UEFA-Pro-Lehrgang dazu machen mussten, den es früher nicht gab. Das was ein Krankl oder ein Koncilia damals machen mussten, habe ich ja schon vor drei Jahren gehabt.
„Ich wüsste nicht was ein Hyballa oder Schmidt besser können als ich. Aber uns hilft ja niemand“
Aber verstehen Sie den Ärger von Traineranwärtern ohne große Spielerkarriere, die durch dieses Punktevergabesystem gar keine Chance bekommen aufgenommen zu werden?
Das verstehe ich natürlich. Aber es gibt auch ehemalige Größen, die abgelehnt wurden. Ich glaube halt schon, dass jemand der viel erreicht hat in seiner Karriere Vorteile haben sollte.
Derzeit sind Trainer ohne Profilaufbahn modern. Auch in Österreich wurden mit Schmidt und Hyballa zwei dieser Trainer verpflichtet. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ich finde diese Entwicklung nicht gut. Bei allem Respekt: unser Trainerkurs wurde immer als hochkarätig verkauft und dann vertrauen wir unseren Trainern nicht, die diese hochkarätige Ausbildung durchmachen. Von daher wüsste ich nicht, was gewisse ausländische Trainer besser machen können.
Man sagt: Sie sollen taktisch besser sein.
Das sind wir ja auch. Wenn man bei meiner Mannschaft zehn Minuten zuschaut, dann sieht man die Handschrift eines Trainerteams. Ich wüsste nicht was ein Herr Hyballa oder ein Herr Schmidt besser können als ich. Aber uns hilft halt niemand. Wenn bei Panathinaikos ein Jugoslawe entlassen wird, stehen die nächsten drei Jugoslawen gleich vor der Tür. Der entlassene Trainer macht dann noch Werbung für die drei, die vor der Tür stehen. Und einen von den Jugoslawen nehmen sie dann. Uns hilft im Ausland überhaupt niemand. Sogar in Österreich nehmen sie uns nicht richtig ernst.
„Gludovatz hat mit Vastic, Polster oder Schachner nicht geredet. Das ist eine bodenlose Frechheit“
Denken Sie, dass es den österreichischen Trainern geschadet hat, dass Didi Constantini als Teamchef Taktik als überbewertet bezeichnet hat?
Taktik ist ein wichtiger Bestandteil, aber man kann es auch übertreiben. Es gibt auch hunderte andere Sachen im Fußball, die wichtig sind. Taktik ist ganz entscheidend, aber auch Standardsituationen oder ein Anstoß können wichtig sein. Da muss man auch wissen, was zu tun ist. Aber natürlich ist es vielleicht nicht so gut, wenn der Didi das sagt. Es ist aber auch traurig, wenn ein Paul Gludovatz erzählt, er hat mit allen österreichischen Trainern gesprochen und dann den Hyballa nimmt. Zumal er ja Trainer-Chefausbildner war. Und er hat weder mit Vastic, Polster, Schachner, noch mit irgendwem geredet. Und das empfinde ich als bodenlose Frechheit.
Es ist der Trend erkennbar, dass ehemalige Größen nicht mehr automatisch einen Trainerposten bekommen. Andi Herzog ging in die USA. Schachner, Jara, Krankl und Pacult stehen am Abstellgleis.
Wie soll es auch funktionieren, wenn nicht einmal die österreichischen Funktionäre an uns glauben. So groß die Qualitäten des Herrn Schmidt auch sein mögen, aber dass man da eine Million Euro Ablöse an Paderborn zahlt – da kann ich nur den Kopf schütteln. Ich denke: gegen Düdelingen auszuscheiden hätten wir auch geschafft. Aber ich gehe meinen Weg und kann diesen Weg nur durch gute Arbeit beeinflussen. Ich werde alle auch als Trainer überzeugen. Wenn ich im Sommer Meister werde, bin ich zum dritten Mal als Trainer Meister geworden. Mit den Lask-Juniors bin ich dazu im ersten Jahr aufgestiegen. In Österreich muss ich mich für meine Erfolge als Trainer aber entschuldigen.
Herbert Prohaska hat einmal beim ÖFB für seinen Freund Andi Ogris interveniert. Wie finden Sie solche Freundschaftsdienste?
Der Andi Ogris hat ja die UEFA-Pro-Lizenz. Diese Ausbildung ist hochkarätig und kein Wifi-Kurs, der in dreimal zwei Stunden erledigt ist. Das ist eine jahrelange Arbeit und so viele UEFA-Pro-Lizenz-Trainer haben wir nicht. Es wäre doch schade, wenn ein Mann wie der Andi Ogris nicht im Fußball arbeiten würde.
Haben Sie schon einmal ein gutes Wort für einen Freund eingelegt?
Für wen soll ich ein gutes Wort einlegen? Ich werde ja selbst als Trainer in Österreich nicht ernst genommen – nicht einmal vom Ex-Cheftrainerausbildner Gludovatz. Ich sehe mich nicht in der Lage und habe auch nicht den Einfluss jemandem helfen zu können, weil ich ja in erster Linie mir selbst auch nicht helfen kann.
Denken Sie, dass es Leute gibt, die für Sie ein gutes Wort einlegen?
Nein, ich glaube nicht. Da ist sich jeder selbst der Nächste. Und so viele Jobs haben wir ja sowieso nicht in Österreich. Noch dazu, wenn die Hälfte mit Ausländern belegt ist.
„Wenn wir zu einer WM fahren wollen, müsste ich übernehmen“
Der Sportreporter Edi Finger jun. hat kürzlich erwähnt, dass er Prohaska als Teamchef voraussagte, dann Krankl, jetzt hat er sich auf den Namen Polster als nächsten Teamchef festgelegt. Denken Sie, dass es so kommen wird?
Schwer zu sagen und eher zu verneinen, weil ich ja selbst als Rekordtorschütze des ÖFB nie ein Interesse gespürt habe, mich in irgendeiner Art und Weise einzubinden. Aber wenn wir wieder einmal zu einer WM fahren wollen, dann müsste ich wahrscheinlich übernehmen. Aber so wursteln wir halt weiter.
Also Sie würden sich den Teamchef zutrauen?
Warum sollte ich mir das nicht zutrauen? Ich habe jetzt fünfeinhalb Jahre die Ausbildung gemacht. Wenn ich jetzt Meister werden würde, werde ich zum dritten Mal Meister. Aber derzeit schaut es so aus: Wenn ich irgendwo im Gespräch bin, aufgrund meiner Erfolge, unterstellt man mir, dass ich Selbstanzeigen aufgebe. Aber man überschätzt mich, wenn man glaubt, dass ich irgendjemanden von der Zeitung etwas diktieren kann. Wahrscheinlich bleibt mir auch als Trainer keine andere Wahl, als ins Ausland zu gehen, um Erfolg zu erlangen.
"Es blieb im Ausland sicher auch nicht verborgen, dass ich seit Jahren gute Arbeit leiste."
Derzeit ist Marcel Koller Teamchef. Wie finden Sie seine Arbeit bisher?
Ich denke, dass er einen guten Job macht. Es hat eine Entwicklung stattgefunden. Es kommt ihm auch zugute, dass sich die Spieler entwickeln und besser werden. Aber ich befürchte, dass wir es wieder nicht schaffen zur Weltmeisterschaft zu fahren. Aber ich würde mich über meinen Irrtum freuen.
Einer der Hoffnungsträger im Team ist Marko Arnautovic. Sie kritisieren ihn regelmäßig. Warum?
Ich glaube, dass er ein fantastischer Spieler ist. Was mir aber total gegen den Strich geht ist sein Gehabe. Wenn er bei einem Corner für uns zum Teamchef hinausläuft und ihm irgendetwas erklären will, anstatt ein Kopftor zu schießen, dann verstehe ich das nicht. Wenn er das Gehabe weglässt, tut er sich selbst einen Gefallen. Er macht ja nicht jedes Match zwei Tore. Und wenn das Gehabe nicht wäre, könnte er sich noch mehr auf das Wesentlich fokussieren.
Kennen Sie ihn persönlich?
Nein.
Marko Arnautovic hat auf Ihre Kritik in einem Interview mit dem „Datum“ geantwortet: „Der Polster hat wohl kein eigenes Leben.“ War das zu frech?
Ich weiß nicht was er damit meint.
„Als Kolumnist musst du dir keine Gedanken über Aufstellung oder taktische Manöver machen. Du kritisierst einfach. Das ist relativ einfach“
Er hat gemeint, dass Sie ihn zu oft kritisieren.
Ich schreibe in der „Österreich-Zeitung“ eine Kolumne. Dort schreibe ich das, was aus meinem Herzen kommt. Ich glaube was ich sehe, wohlwissend natürlich, dass es im Nachhinein sehr leicht ist etwas zu beurteilen. Aber als Kolumnist musst du dir keine Gedanken über Aufstellung, Trainingsgestaltung oder taktische Manöver machen. Sondern du kritisierst danach was du davor gesehen hast. Das ist relativ einfach.
Wie sehen Sie die österreichische Spielergeneration insgesamt?
Ich glaube, dass wir die beste Mannschaft seit Jahren haben. Aber diese Mannschaft muss sich auch einmal qualifizieren für irgendwas und an dem wird sie gemessen werden.
Gibt es einen Polster-Nachfolger im Team?
Nein, leider nicht. Aber das ist so eine typische Toni-Polster-Gschicht: Als ich noch gespielt habe, hat man gesagt: Passt der noch in den modernen Fußball hinein? Und als ich nicht mehr gespielt habe, wurde gesagt: Hätten wir nur einen, der vorne lauert, nicht so viel rennt aber die Tore macht.
Sehen Sie da Parallelen zu Marko Arnautovic. Ihnen beiden wurde ja regelmäßig zu wenig Einsatz vorgeworfen.
Ja, aber ich bin ja zweimal in der WM-Gruppe Schützenkönig geworden. Sowohl 1990 als auch 1998. Ich denke, dass die Leute durchaus einverstanden wären, wenn Arnautovic ein bisschen weniger rennt und dafür zweimal Schützenkönig wird und uns zur WM schießt.
Wäre Marc Janko ein Nachfolger, den Sie akzeptieren würden?
Von der Qualität her, hätte er es drauf. Aber er ist ja bei den letzten drei Vereinen nie Stammspieler gewesen.
Polster über seinen fehlenden Nachfolger: „Der Arnautovic hat zwei Saisontore und in Österreich werden sie mit 14 Toren Schützenkönig“
Bei Twente Enschede war er bis kurz vor Schluss Stammspieler, hat in jedem zweiten Spiel getroffen.
Bei Porto hat er nicht gespielt und jetzt spielt er schon wieder selten. Und zwei Tore in einem Jahr sind auch nicht viel. Der Arnautovic hat zwei Saisontore und in Österreich werden die Spieler mit 14 Toren Schützenkönig.
Im ServusTV-Studio haben Sie vor ein paar Monaten gesagt, dass wir keine Spezialisten mehr haben. Wie haben Sie das gemeint?
Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren einen Fehler gemacht haben – wir haben Kreativität und Phantasie in der Ausbildung nicht mehr zugelassen. Deswegen lechzen wir ja nach einem Arnautovic, der einen Übersteiger unfallfrei zustande bringt. In Zeiten von Prohaska, Kreuz, Sara hat so einen Übersteiger jeder beherrscht – und das um drei Uhr früh, wenn man sie aufgeweckt hätte. Außerdem soll man die Linksfüßler links und die Rechtsfüßler rechts spielen lassen. Als ich zum LASK gekommen bin, habe ich mir die Jungs einmal angeschaut, dann habe ich die Spieler gefragt, welche Position sie spielen. Der Erste hat mir gesagt: Ich kann links, rechts, vorne, hinten, den Sechser und hinter den Spitzen spielen. Dann habe ich den Zweiten gefragt. Der hat mir das gleiche gesagt. Das kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ich habe dann die Jungs wieder dorthin gestellt, wo sie ihre Stärken und Positionen haben. Die sind innerhalb von drei Monaten um dreißig Prozent besser geworden. Aber nicht, weil ich so ein super Trainer bin, sondern weil ich Kreativität und Phantasie zugelassen habe und sie auf ihre Positionen gestellt habe.
„Wir haben keinen Wohlfahrt oder Konsel, keinen Prohaska oder Herzog und keinen Torjäger von der Klasse eines Polster oder Krankl“
Viele Experten bezeichnen die jetzige Spielergeneration als die Beste seit 1978. Zu Recht?
Die 90er/98er-Generation hat sich zweimal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert und das kann diese Generation leider nicht vorweisen. Leider muss man bilanzieren, dass diese Generation nicht das gebracht hat, was wir uns erwartet haben. Wir haben keinen Torwart mehr von der Klasse eines Konsel, Wohlfahrt. Wir haben keinen Spielgestalter mehr von der Klasse eines Prohaska oder Herzog. Wir haben keinen Torjäger mehr von der Klasse eines Polster oder Krankl.
Aber wir haben viele Legionäre, die Stammspieler in Weltligen sind.
Gott sei Dank. Und deswegen hoffe ich, dass wir uns qualifizieren. Aber wir können nicht immer nur vom Aufbauen reden. Wir bauen seit Jahrzehnten nur auf und sind seit 1998 nicht mehr dabei.
Sie selbst waren als Spieler im Ausland bei Torino, Sevilla, Logrones, Rayo Vallecano, Köln und M´Gladbach. Warum sind Sie nie zu einem Spitzenklub gewechselt?
Ich hätte mir das schon gerne bewiesen. Aber dafür musst du auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Wäre ich damals um zwei, drei Jahre jünger gewesen, hätte ich vielleicht den Hugo Sánchez bei Real Madrid ersetzen können. Auf der anderen Seite war ich bei meinen Klubs immer der Star.
Bayern München war einmal kurz Thema, oder?
Ja, das war Thema. Das hat aber nicht funktioniert, weil die Österreicher damals überhaupt kein Standing hatten. Und laut Udo Lattek wollte mich der Uli Hoeneß nicht und laut Hoeneß wollte mich der Lattek nicht.
Denken Sie, dass Sie als Trainer ähnlich erfolgreich werden können wie als Spieler?
Mein Ziel ist natürlich die Bundesliga, aber laut meinem Gefühl werde ich Erfolg wieder nur übers Ausland erreichen. Ich denke, dass ich über kurz oder lang hier nicht die Chance bekommen werde.
Toni Polster wirkt nach dem Gespräch in sich gekehrt. „Passts?“, fragt er nach rund einer Stunde Gespräch. Wir gehen nach draussen. Ein paar Zuschauer für das Testspiel sind da. Es ist nasskalt, ein bisschen Frühnebel wartet auf den Übergang in Abendnebel. Die Mannschaft wärmt auf. Afrikanische Jugendliche wärmen sich in dicken Winterjacken und mit Trommeln auf. „Hey Toni Polster, du hast doch ein Tor gegen Kamerun gemacht“, entfährt es einem der Jugendlichen. Toni Polster nickt. „Ja, mei Bua.“ Jetzt lächelt er auch wieder.
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