Thomas von Heesen: 'Gerson wird nicht lange bei Rapid spielen'
Der Kapfenberger SV wurde wegen seiner Hamsterkäufe im Winter getadelt. Nun setzt Thomas von Heesen auf den Nachwuchs. Im Interview mit 90minuten.at schwärmt er von Rapids Innenverteidiger Gerson, erläutert den neuen Kapfenberger Weg und nennt als Ziel: "
Der Kapfenberger SV wurde wegen seiner Hamsterkäufe im Winter getadelt. Nun setzt Thomas von Heesen auf den Nachwuchs. Im Interview mit 90minuten.at schwärmt er von Rapids Innenverteidiger Gerson, erläutert den neuen Kapfenberger Weg und nennt als Ziel: "In zwei, drei Jahren soll man sagen: Das ist Kapfenberg, das ist die Spielphilosophie und das erkennt man."
Das Gespräch führte Georg Sander
Heesen: "Aber die Wahrscheinlichkeit bestand ja auch, dass man absteigt und ich habe die Konsequenz, dann auch zu bleiben und zu versuchen, strukturell, was den Nachwuchs angeht, es neu aufzustellen und eine Philosophie für die ganzen Jahrgänge zu entwickeln." (Foto: Gepa Pictures)
90minuten.at: Wie bilanzieren Sie rückblickend die erste Zeit in der tipp3-Bundesliga, verbunden mit dem Abstieg?
Thomas von Heesen: Man hatte eine Situation, in der man mit relativ großem Abstand zum Vorletzten unterwegs war und musste innerhalb der Mannschaften etwas ändern. Bis dato hat die Mannschaft spielerisch nicht das gezeigt, was man sich erwartet hatte. Wir haben dann Veränderungen vorgenommen, haben einige Spieler verpflichtet, die das Niveau des Spiels absolut angehoben haben. Letztendlich fehlten dann die Ergebnisse. Verschiedene Aspekte, wie rote Karten, die wir uns zugezogen haben oder Punkte in direkten Duellen zu machen, um wieder ran zu kommen. Ein ganz großes Problem war ja noch, dass, bevor wir überhaupt das erste Spiel nach der Winterpause im Februar hatten, 13 Punkte Rückstand hatten, weil unsere Spiele ausgefallen sind. Und das ist ein Riesenrucksack für eine Mannschaft, die keine Fehler machen darf. Gut – das waren verschiedene Dinge, wir haben nicht geschafft. Ich denke aber, wir haben uns viel Respekt erarbeitet in der Liga, weil wir sehr guten Fußball gespielt haben, teilweise dominiert haben. Leider haben wir auch zu wenig Tore gemacht.
"Ich denke aber, wir haben uns viel Respekt erarbeitet in der Liga, weil wir sehr guten Fußball gespielt haben, teilweise dominiert haben."
Thomas von Heesen über die Zeit in der tipp3-Bundesliga
Sehen Sie es da auch persönlich als Verdienst, dass Gerson über den KSV zum SK Rapid Wien gekommen ist? Vor allem taktisch agierte die Verteidigung anders als Ihr Vorgänger ...
Gerson war eine richtige Größe und ich bin von ihm überzeugt. Seine Qualität kann man nicht eins zu eins ersetzen. Er ist ein Spieler, der mit seinen 20 Jahren Führungsqualitäten, außergewöhnliche technische und athletische Fähigkeiten hat, die man so nicht oft findet. Ich glaube er wird auch nicht lange bei Rapid spielen, weil er einfach in ein oder zwei Jahren auf einem anderen Niveau unterwegs sein wird. So einen Spieler zu verlieren ist die eine Geschichte, aber in Gesprächen mit ihm oder Peter Schöttel habe ich gesagt, dass er ein Spieler für Rapid ist, der sich auf der Ebene „Rapid Wien" super entwickeln kann, bevor er zu einem Bundesligaklub in Deutschland geht. Das wäre vielleicht noch zu früh gewesen. Da hätte ihn auch nur jemand genommen, der gegen den Abstieg spielt, das heißt, der Druck wäre zu groß gewesen und Rapid ist eine Führungsmannschaft, ist eine tolle Mannschaft mit vielen jungen Spielern geworden.
Was hat sie bewegt, trotz des Abstiegs in der Heute für Morgen-Ersten Liga weiter zu machen? Was war der Reiz an der Aufgabe?
Ich habe das schon in Bielefeld gemacht und eine Mannschaft aufgebaut. Ich habe gesagt, dass ich das durchziehe. Die Chance in der Bundesliga zu bleiben lag ja bei 20 zu 80, wenn man einen guten Lauf hat, kommt man vielleicht zurück. Aber die Wahrscheinlichkeit bestand ja auch, dass man absteigt und ich habe die Konsequenz, dann auch zu bleiben und zu versuchen, strukturell, was den Nachwuchs angeht, es neu aufzustellen und eine Philosophie für die ganzen Jahrgänge zu entwickeln. In zwei oder drei Jahren sollte das auch zu sehen sein. Das heißt aber auch, dass wir jetzt nach dem Abstieg und dem Verlust von fünf Topspielern Spieler nicht eins zu eins ersetzen können. Dafür sind erstens die finanziellen Mittel nicht da und zweitens kommen nur wenige Spieler mit sehr hoher Qualität in diese Liga. Insofern muss man Abstriche machen und kann nicht erwarten, dass die Qualität der Spieler da ist. Es ist aber auch so, dass die Erwartungshaltung hoch ist, denn als Abstiegskandidat wird man als Favorit gehandelt – das sind wir aus meiner Sicht aber nicht. Wir müssen schauen, dass wir uns stabilisieren und dann wirklich eine Mannschaft mit neuen Spielern entwickeln, die dann auf gutem oder sehr gutem Niveau in die Liga eingreifen muss.
Haben Sie sich den Start in diese Saison leichter vorgestellt, trotz der Umbauten im Kader?
Wir haben die Liga nicht unterschätzt, mein Co-Trainer und ich haben uns bereits im Frühjahr einige Spiele angesehen und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Spielweise ändern müssen. Es geht nicht nur über das Spielerische, wir haben einen Schwerpunkt auf Standardsituationen und zweite Bälle sowie eine hohe Laufbereitschaft. Austria Lustenau bildet da auch eine Ausnahme, die sind ja nicht einfach so rein gekommen. Sie sind als Mannschaft gewachsen und waren auch schon letztes Jahr gut dabei. Das ist ihr Vorteil. Wir mussten ganz viele neue Spieler einbauen. Das ist jetzt keine Entschuldigung. Wir laufen so 15 Punkte hinterher. Die fehlen uns aus den zu vielen Unentschieden.
Aber eigentlich hat man mit Joachim Standfest, Thomas Burgstaller und Dominic Pürcher doch guten Bundesligadurchschnitt eingekauft...
An sich ist es schon gut, wenn man Spieler hat, die schon zusammen gespielt haben, das ist klar. Die kennen sich und kennen ihre Stärken und Schwächen, was ganz wichtig ist. Ich brauche Verteidiger, die schon auch offensiv agieren können, wenn die Qualität stimmt, vom Tempo und von der Athletik her. Da mussten wir einige Abstriche machen, weil Gerson weg ist – der hat praktisch die Abwehr alleine organisiert, dem konnte keiner weglaufen und er war im Spielaufbau sensationell. Wenn du das nicht mehr hast, dann musst du schauen, dass du defensiv so kompakt stehst, dass die Außenverteidiger mit einrücken und Defensivarbeit leisten. Das ist zwei, drei Mal falsch gelaufen, es kam hinten zu eins gegen eins-Situationen und daraus haben wir hoffentlich gelernt. Wir haben in den letzten Spielen auch weniger Chancen zugelassen, auch wegen der Trainingsarbeit in der Defensive. 13 oder 14 der Gegentore haben wir durch individuelle Fehler bekommen, das hat mit der taktischen Grundausrichtung gar nichts zu tun. Das sind individuelle Dinge schwer erklären kannst. Ein Rückpass aus zwei Metern zum Torwart oder jemandem im Sechzehner auf den Rücken springen oder Ähnliches. Das hat uns in entscheidenden Situationen weit zurück geschmissen. Das dann aufzufangen – mental – ist nicht so einfach. Wir müssen uns nun Schritt für Schritt unsere Erfolge erarbeiten. Von anderen Dingen zu sprechen wäre müßig.
"Ich glaube Gerson wird auch nicht lange bei Rapid spielen, weil er einfach in ein oder zwei Jahren auf einem anderen Niveau unterwegs sein wird."
Sie haben den Zeitraum von zwei bis drei Jahren angesprochen, bis Ihre Ideen greifen werden. Wenn man bis zum Winter aber in die „Scheißgasse" kommt, muss man wieder, wie letztes Jahr, mit kurzfristigen Verpflichtungen rechnen? Oder wollen Sie das bewusst nicht mehr?
Es gibt eben finanzielle Rahmenbedingungen, vorgegeben vom Verein. Wir haben uns auch dazu entschlossen, die Nachwuchsjahrgänge 1990 bis 93 einzubauen. Da sind zehn bis zwölf Spieler, die immer dabei sind und mittrainieren und wir wollen diese Spieler auf einem guten Niveau ausbilden. Das Problem ist nur, es dauert noch mindestens ein Jahr, diese Spieler körperlich an die Trainingsanforderung im Erwachsenenbereich zu gewöhnen, da es ein ganz anderes Tempo, eine andere Belastung ist, ganz andere Anforderungen. Das kann ich von ihnen noch nicht erwarten. Sie werden zwar ein paar gute Spiele machen, dann werden sie aber wieder ein paar Spiele haben, bei denen man merkt, dass sie eine Pause brauchen oder langsam aufgebaut werden müssen. Wenn du davon vier oder fünf Spieler in der Mannschaft hast, dann gibt es auch die Verantwortung, dass es sukzessiv Schritt für Schritt geht. Wir haben aber auch genug erfahrene Spieler, die eigentlich die Situation annehmen müssen, wie sie ist, dass sie die jungen führen und sich diese Spieler in deren Schatten entwickeln können. Das geht natürlich leichter, wenn man Erfolg hat, als wenn es eine Situation ist, wie wir sie jetzt gerade vorfinden.
Sehen Sie in der Nachwuchsarbeit Unterschiede zu Deutschland? Oder ist das Heranführen eines Nachwuchsspielers an die erste Mannschaft immer schwer, weil es eben schwer ist?
Ich glaube, dass tiefere Problem ist hierbei, dass Kapfenberg nicht das „El Dorado" des Fußballs ist. Die Toptalente wechseln mit 15, 16 oder 17 zu größeren Vereinen. Das heißt also, dass wir schneller und schlauer sein müssen, intensiver scouten müssen, weil wir diese mit 17, 18 oder 19 auf hohem Niveau in die erste Mannschaft einbauen müssen.
Die Mannschaft wird unter Ihnen also noch jünger werden, weil sie zu dem Spieler sagen: „Du kannst schon zu Sturm Graz gehen, aber dort beginnst erst mit 19 in der ersten Mannschaft, bei uns mit 17"?
Wenn sie die Qualität haben, ja. Es geht ja nicht darum, ob ein Spieler jünger oder älter ist, sondern ob er schon die außergewöhnliche Klasse hat. Oder braucht er noch ein Jahr um sich im taktischen und athletischen Bereich zu entwickeln. Das ist unsere Aufgabe jetzt, den Status zu erstellen, bei dem wir eben diese zwölf Spieler der Jahrgänge 90 bis 93 haben – wie sind die unterwegs, wo müssen wir ansetzen, um eine einheitliche Richtung zu bekommen, dass wir alle Spieler auf der gleichen Höhe haben. Dann können wir wieder die nächsten Jahrgänge entwickeln. Das ist das Modell der Zukunft.
Damit kann man aber auch einfahren. Muss man den Aufbau eine Klasse weiter unten machen?
Den Anspruch der ersten Mannschaft darf man nicht verlieren, da muss das Maximale in der Liga her. Wir wollen auf Dauer eine führende Rolle in der Liga spielen. Auf der anderen Seite werden junge Spieler entwickelt, darum spielt unsere zweite Mannschaft ja in der dritten Liga, weil wir wollen, dass sich die jungen Spieler unserem Niveau annähern. Die dritte Liga ist ja unheimlich stark.
Sie persönlich wollen aber mit dem KSV wieder in die Bundesliga, egal wie lange es dauert?
Gut Ding will Weile haben – blöder Spruch, aber (lacht). Ich bin immer für nachhaltigen Erfolg und nicht für kurzfristigen. „Kurzfristig" beruhigt die Medien und den Vorstand, aber mittelfristiger Erfolg beruhigt auf Dauer alle und ist deshalb nachhaltiger, weil man Substanz hat. Das ist wichtig. Man muss im Klub ruhig weiter arbeiten, verspüre auch keinen Stress, eher das Gegenteil – ich würde es aber auch nicht an mich heranlassen. Ich gehe mit meiner ganzen Überzeugung in die Trainingsarbeit und versuche, Spielern zu vermitteln, dass wir Schritt für Schritt weiterkommen wollen. Die Trainingsinhalte werden auch nach unten weitergegeben, damit sich eine Philosophie entwickelt, das geht nicht von Heute auf Morgen. Wir können nicht sagen, dass wir zwischen zwei Systemen umswitchen, das funktioniert nicht. Geduld haben, ohne gibt es keinen nachhaltigen Erfolg. In zwei, drei Jahren soll man sagen: Das ist Kapfenberg, das ist die Spielphilosophie und das erkennt man. Und dann können sich auch Talente auf Positionen entwickeln, mit denen keiner gerechnet hat. Positionsbezogen Talente auszubilden ist sicherlich ein Baustein des Ganzen. Dann ist es auch leichter, Spieler in die erste Mannschaft einzubauen.
Wir danken für das Gespräch!
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