Terrence Boyd: ‚Als die Fans aus dem Stadion gegangen sind, war das richtig hart’

Rapid-Stürmer Terrence Boyd ist ein Mann der klaren Worte. Im Interview mit 90minuten.at spricht er sehr offen und ehrlich über den Fußball. Der 21-Jährige spricht über sein erstes halbes Jahr in Wien, die extreme Medienlandschaft und dass das Spiel Rapid

terrence boyd c georg sanderRapid-Stürmer Terrence Boyd ist ein Mann der klaren Worte. Im Interview mit 90minuten.at spricht er sehr offen und ehrlich über den Fußball. Der 21-Jährige spricht über sein erstes halbes Jahr in Wien, die extreme Medienlandschaft und dass das Spiel Rapids wieder besser geworden ist. Offenkundig nimmt er sich und das Team in die Pflicht, denn „man muss ja auch viel Geld für einen Stadionbesuch zahlen."

Das Gespräch führte Georg Sander

 

90minuten.at: Sie nahmen an 29 Spielen teil, absolvierten 2043 Minuten und erzielten bewerbsübergreifend 13 Tore - sind Sie zufrieden mit Ihrem ersten Halbjahr bei Rapid Wien?
Terrence Boyd: Weil es mein erstes Profijahr ist, bin ich schon zufrieden. Andererseits muss man gucken, denn ich habe viele Chancen liegen gelassen. Hätte ich mich mehr konzentriert, hätte ich ein paar Tore mehr am Konto. Das ärgert mich auf jeden Fall. Aber das ist schwer zu erklären, das kann man sich nicht antrainieren, das kommt mit den Spielen.

 

 


Am Anfang, nach den Spielen gegen AS Rom und Wacker Innsbruck, war ich ja der Spieler und ein paar Wochen später, als ich keine Tore geschossen habe, war ich dann in der großen Krise. Das wird zu dramatisch dargestellt.


 

 

 

Rapid hat wenig Kopftore erzielt. Ein Manko?
Es gab viele Tore durch Direktabnahmen, da sind die Bälle flach reingespielt worden. Damit habe ich auch kein Problem. Ich glaube nicht, dass da extra flach geflankt wird, auch wenn die natürlich schneller ankommen, wenn sie auf den ersten Pfosten kommen. Wir machen uns darüber aber keine Gedanken – Hauptsache, die Dinger kommen an!

 

In Ihren ersten Spielen für Rapid haben Sie groß aufgespielt, dann folgte an Toren und Vorlagen gemessen eine fast zweimonatige Flaute. Haben Sie da mit sich gehadert?
Hier wird das alles zu sehr überbewertet. Am Anfang, nach den Spielen gegen AS Rom und Wacker Innsbruck, war ich ja der Spieler und ein paar Wochen später, als ich keine Tore geschossen habe, war ich dann in der großen Krise. Das wird zu dramatisch dargestellt.

 

Ist das ein mediales Problem? In Österreich gibt es ja nur entweder Weltmeister oder Schlechtester überhaupt und außerdem...
Es ist fast überall so, aber hier wird das fast noch extremer dargestellt. Das ist in Deutschland nicht so. Hier geht es schnell in die eine oder andere Richtung. Aber für mich ist das alles neu, ich habe in der Regionalliga gespielt, das war gar nichts im Vergleich zu dem hier. Man gewöhnt sich aber dran.

 

Ärgern Sie sich drüber, dass gute Leistungen abseits von Toren so wenig wahrgenommen werden? Wenn Sie etwa den spielentscheidenden Treffer ermöglichen, weil Sie durch gutes Spiel zwei Verteidiger auf sich ziehen, ein anderer das Tor macht?
Nein, überhaupt nicht. Wenn es geklappt hat und wir das Spiel gewonnen haben – warum sollte mich das ärgern? Es geht darum, dass wir gewinnen und nicht, wer mehr in der Zeitung steht oder wer mehr gelobt wird. Ich weiß ja, wie es war.

 

Einstürmersysteme sind in. Vermissen Sie jemanden neben sich?
Es wäre schon einfacher, wenn man einen neben sich hätte. Da wäre es einfacher, den Ball zu halten und zu warten, dass die anderen nachrücken. Aber ich habe das so die letzten drei, vier Jahre gespielt. Was anderes kenne ich mittlerweile nicht mehr.

 

 


Aber es gab auch Spiele, da sagte ich mir, dass ich nicht alles gegeben habe. Als die Fans aus dem Stadion gegangen sind, war das richtig hart.


 

 

 

Sie waren bis vergangenen Sommer in Deutschland, nun in Österreich, dem "kleinen Bruder". Wagen Sie einen Vergleich!
Das kann man gar nicht vergleichen. Deutschland hat viel mehr Einwohner und sehr viele Talente. Obwohl ich sagen muss, dass sich Österreich mit seinen Talenten richtig sehen lassen kann. Auch bei Rapid. Man muss aber mal überlegen: Der DFB ist der größte Verband der Welt. Was es da für Möglichkeiten gibt, das ist etwas anderes. Und die Liga hat sich sehr stark weiter entwickelt. Die Bundesliga ist die zweitbeste Liga der Welt. Das muss man relativ vergleichen. Die österreichische Liga ist aber besser als sie von außen dargestellt wird! Ich wusste nicht recht viel über sie und ich bin angetan, wie es hier abgeht. Man hat Spaß, man wird richtig gefordert und es wird guter Fußball gespielt.

 

boyd vs romaRund um den Verein rumort es - Fans, Stadion, Sportdirektor - das Team punktete aber in den letzten Wochen gut. Hat es gedauert, bis die Störgeräusche beseitigt waren?
Ich muss sagen, dass es einfacher ist gut zu spielen, wenn kein negativer Druck von außen da ist. Für mich war das neu, weil in der zweiten Mannschaft hat man keinen Druck – wenn du absteigst, steigst du ab. Wir haben hier ganz andere Ansprüche. Es gab eine Zeit, da war ich selber richtig unzufrieden, weil wir einfach nicht nur verloren haben. Wenn man kämpft und sich den Arsch aufreißt, kann einem niemand was vorwerfen. So will ich auch ins Spiel gehen. Manchmal soll es eben nicht sein. Aber es gab auch Spiele, da sagte ich mir, dass ich nicht alles gegeben habe. Als die Fans aus dem Stadion gegangen sind, war das richtig hart. Das war echt eine Zeit, in der wir nicht guten Fußball gespielt haben. Jetzt lässt sich das echt wieder gut anschauen und ich denke, die Fans stimmen mit uns überein, dass wir wieder guten Fußball spielen. Man muss ja auch viel Geld für einen Stadionbesuch zahlen.

 

Viele Spieler sagen, sie kriegen es nicht mit, was auf den Rängen abgeht.
Na klar! Kurzfristig dachte ich auch: „Wow, was ist denn jetzt los!" Da war das halbe Stadion weg.

 

Das Team ist sehr jung, hat aber dennoch Ansprüche. Kann man dem so eigentlich gerecht werden, fehlt eventuell vor allem in der Offensive ein erfahrener Mann?
Das können Deni Alar und ich auch selber entwickeln. Klar ist es hilfreich, wenn jetzt einer weiß, wie er sich später im Spiel cleverer gegen die Uhr verhalten oder einen Elfmeter herausholen kann. Es geht ja darum, wer die meisten Tore schießt. Aber ich bin ja nicht für die Transfers zuständig, aber wir kriegen schon auch viel mit von Spielern wie Steffen Hofmann, Markus Heikkinen oder Mecki Katzer.

 

Sie waren schon in Deutschland. Interpretieren Sie Österreich als Sprungbrett? Würden Sie diesen Weg auch anderen Spielern empfehlen?
Es ist schon ein Sprungbrett. Aber ich habe nicht hergewechselt, um gleich wieder abzuhauen. Ich kann mich hier sehr gut weiterentwickeln. Es ist mein erstes Profijahr und es dauert noch ein paar Jahre. Ich bin noch lange nicht fertig. Ich denke nicht darüber nach, in ein paar Jahren wieder abzuhauen. So etwas ergibt sich. Das wird es in naher Zukunft nicht geben.

 

In Österreich galt ein Spieler lange mit 24 Jahren noch als Talent. Gibt es Entwicklungsunterschiede zwischen den Spielern?
Die 17- oder 18-jährigen Spieler in dieser Liga sind hochbegabte Typen. Aber ich bin erst in der U19 zu einem Bundesligisten gestoßen, vorher habe ich nur bei kleineren Vereinen gespielt, sprich die beste Mannschaft war in der Verbandsliga (Anm.: 6. Spielklasse). Von daher hatte ich ja keine technische Ausbildung, erst in den zwei Jahren bei der Hertha. Ich weiß, dass ich noch sehr viel Luft nach oben habe. Bei mir hat sich alles zusammengeschoben, weil ich erst so spät zu einem Bundesligisten gekommen bin. Aber ich habe den Vorteil, dass ich einen gewissen Torriecher habe, wo ich stehen muss. Das hat man oder nicht. Es wäre besser, wenn die Ballannahme besser wäre, die ist bei mir noch nicht perfekt. Das Toreschießen habe ich schon in die Wiege gelegt gekriegt.

 

Zum Abschluss: Wovon träumen Sie? Wo würden Sie gerne spielen?
Mein Lieblingsverein ist Arsenal, seit ich 15 oder 16 bin. Das kam mit meinem großen Vorbild Thierry Herny. Seitdem sind die Gunners für mich das Nonplusultra! Aber das ist sehr weit weg.

 

Wir danken für das Gespäch!

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