ÖFB-Frauenteamchef Thalhammer: 'Technisch, taktisch und mental gibt es kaum Unterschiede zu den Männern'
Eine Qualifikation für eine Europameisterschaft hat das Herrennationalteam noch nicht geschafft, Dominik Thalhammers Frauen sind nur 180 Minuten davon entfernt. Nach dem Titel „Jüngster Bundesligatrainer", den er sich mit 33 Jahren im September 2004 bei s
Eine Qualifikation für eine Europameisterschaft hat das Herrennationalteam noch nicht geschafft, Dominik Thalhammers Frauen sind nur 180 Minuten davon entfernt. Nach dem Titel „Jüngster Bundesligatrainer", den er sich mit 33 Jahren im September 2004 bei seinem Stammklub Admira Wacker sicherte, könnte er einen weiteren Meilenstein in Österreichs Fußball setzen. Im Gespräch mit 90minuten.at spricht Thalhammer über die Gründe für die Erfolge des österreichischen Frauennationalteams und spricht über die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball.
Das Gespräch führte Georg Sander
90minuten.at: Setzen wir die Qualifikation zu den Barrage-Spielen in eine Relation. Was fehlt Marcel Kollers Herren noch, damit diese so erfolgreich sind wie „Ihre" Frauen?
Dominik Thalhammer: Ich denke, dass das Herrennationalteam auf einem guten Weg ist, dorthin zu kommen, wo wir sind. Wenn man ins Detail geht und das Spiel und die Performance gegen Deutschland analysiert, die Prozesse innerhalb der Mannschaft betrachtet und diese über einen längeren Zeitraum so erbracht werden, kann das auch das Herrennationalteam schaffen.
Nun hat aber der Männerfußball in Österreich eine viel längere Tradition als der Frauenfußball (Anm.: seit 1972 gibt es eine Damenliga), es gibt mehr Vereine, mehr Erfolge. Kann man da nicht doch sagen, dass die Quali für das Play-Off höher einzuschätzen ist als wenn das die Herren schaffen?
Das ist eigentlich nicht zu vergleichen. Die Dichte ist in Österreich nicht so hoch und die Abstände an die Weltspitze oder zumindest europäische Spitze schon sehr groß. Deswegen ist vor allem dieser Erfolg gegen Dänemark sehr hoch einzuschätzen und die damit verbundene Berechtigung, im Play-Off anzutreten.
"Die Nummer 700 der Welt der Männer wird die Nummer eins der Frauen klar schlagen. Wenn eine Frau auf der Streif runter fährt, wird sie den Männern deutlich nach fahren. Es gibt nun mal athletische Unterschiede, in den anderen Bereichen sehe ich keine."
Kommen wir konkret zum russischen Damenteam, gegen die Österreich am 20./21 (heim) sowie 24./25. (auswärts) Oktober antreten wird. Wie viel wissen Sie schon über die Gegnerinnen?
Wir beschäftigen uns mit Russland, sobald wir das entsprechende Videomaterial ausgewertet haben. Ich denke, dass der Gegner einige Tradition im Frauenfußball hat, weil diese sich schon für Großereignisse qualifizieren konnten. Es wird ein sehr harter Brocken, aber taktische Details sind noch nicht zu analysieren gewesen, weil wir die Informationen erst im Laufe dieser Woche erhalten haben.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, diese Hürde zu nehmen?
Russland ist ähnlich wie Dänemark absolut Favorit und ich glaube, dass, wenn wir eine Leistung wie gegen die Däninnen abrufen können, ein Weiterkommen möglich ist. Aber wir können sehr unbeschwert und unbelastet in dieses Spiel gehen, weil wir schon extrem viel erreicht haben. Alles, was jetzt noch kommt, ist ein Bonus und Zuschlag. Es kommt jetzt nur noch die Kür, die Pflicht haben wir erledigt und das ist psychologisch eine gute Ausgangsposition.
Wie schätzen Sie allgemein die Entwicklung des Nationalteams im Allgemeinen ein? Um Dänemark zu schlagen braucht man ja nicht nur „einen guten Tag".
Es gibt externe Einflussfaktoren, etwa die Legionärssituation. Wir haben doch acht, neun Spielerinnen, die im Ausland spielen und körperlich und athletisch besser mithalten können. Und das andere ist die Entwicklung des Teams an sich. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren versucht, sehr strukturiert und prozessorientiert zu arbeiten und ich denke, es hat sich ein Team mit Gesicht entwickelt. Es sind Teamgeist und Wille da, die Ziele zu erreichen und die Elf hat technisch, taktisch, mental und athletisch extrem aufgeschlossen. Und an einem dieser „guten Tage" kann sie auch mit einem russischen Spitzenteam mithalten.
Was sind aber die Baustellen im Team? Was sind die nächsten Schritte?
Die gibt es nicht, eher Lernfelder und Optimierungsmöglichkeiten. Unser Spiel in Ballbesitz kann noch verbessert werden. Unsere Strategie gegen Dänemark war sehr stark auf Ballgewinn und Pressing ausgerichtet. Wir wissen aber auch, dass wir in Ballbesitz noch besser werden können.
"Vor Jahren haben wir irgendwo vor 500 Leuten und gespielt und nun haben wir in Wiener Neustadt gegen Portugal vor 2.300 gespielt, jetzt vor 2.700"
Sie sprechen mit Pressing eine allgemein sehr moderne Entwicklung im Fußball an. Müssen Sie generell anders trainieren als bei den Männern?
Ich bin einer, der nicht gerne vergleicht, aber technisch, taktisch und mental gibt es kaum Unterschiede. Die paar Unterschiede sind im Bereich der Athletik anzusiedeln, aber das ist in anderen Sportarten auch so. Die Nummer 700 der Welt der Männer wird die Nummer eins der Frauen klar schlagen. Wenn eine Frau auf der Streif runter fährt, wird sie den Männern deutlich nach fahren. Es gibt nun mal athletische Unterschiede, in den anderen Bereichen sehe ich keine.
Konkret in Bezug auf Österreich bezogen: Wacker Innsbruck ist der einzige Bundesligaverein der Herren, der bei den Frauen auch ein Team in der Bundesliga hat. Wie sehr begrüßen Sie es, dass andere Verein, etwa die Vienna, auch Frauenteams aufbauen? Braucht es auch die Rapid-Ladies?
Wiener Neustadt hat auch begonnen. Ich begrüße das natürlich. Je mehr Bundesligisten sich im Frauenfußball engagieren desto besser ist es für den Zulauf. Man siegt das ja auch im Ausland. Die großen Vereine, etwa in Spanien, springen auch auf den Zug „Frauenfußball" auf. Es geht aber step by step. Aber durch die Erfolge des A-Teams gibt es Respekt und Anerkennung und es gibt ein gesteigertes Interesse.
"Wir denken mittel- und langfristig. In einem Zeitrahmen von fünf bis zehn Jahren kann man unter die Top20 der Welt kommen."
Wie hoch ist der Stellenwert mit der NV-Arena in St. Pölten einen Standort für das Nationalteam zu haben?
Extrem hoch. In St. Pölten ist auch das nationale Zentrum für Frauenfußball. So haben wir hier ein Kompetenzzentrum für den Frauenfußball und auch eine eigene Heimstätte. Das ist ideal und das Stadion ist einfach toll und schön. Uns konnte nichts Besseres passieren.
8.000 Fans – ist das auch die richtige Kapazität. Bei den Herren ist gegen Deutschland das Happel-Stadion voll, bei den Frauen die NV-Arena?
Ein Stadion soll ja nicht leer stehen. Vor Jahren haben wir irgendwo vor 500 Leuten und gespielt und nun haben wir in Wiener Neustadt gegen Portugal vor 2.300 gespielt, jetzt vor 2.700. Es ist ein Prozess, der weitergehen soll und die Kapazität ist jetzt und in der kommenden Zeit ausreichend.
Was müsste im Frauenfußball, auch auf Klubebene, noch passieren, um noch professioneller zu arbeiten? Umgekehrt schwimmen ja auch die Herrenprofivereine nicht unbedingt im Geld.
Wie bei den Herren spielt die Liga eine große Rolle und eine gewisse Professionalisierung muss es wahrscheinlich auch bei den Damen geben. Es soll ja auch nicht so sein, dass die Besten alle ins Ausland abwandern müssen. Aber in Österreich haben die Spielerinnen eine gute Möglichkeit, sich auszubilden. Sie haben hier die Akademie für die 14 bis 18-Jährigen und danach können sie sich entscheiden, wie es weitergeht. Gerade durch die Einführung des nationalen Zentrums ist es nicht mehr notwendig, dass die Spielerinnen mit 14, 15 oder 16 ins Ausland gehen.
Neben dem Aufstieg gegen Russland: Was ist ihre konkrete Vision für den Frauenfußball? Was wäre da so ein Ereignis, das eintreten könnte? Man wird leider wohl kaum in Salzburg vor 30.000 Fans spielen oder die Weltmeisterschaft gewinnen.
Wir denken mittel- und langfristig. In einem Zeitrahmen von fünf bis zehn Jahren kann man unter die Top20 der Welt kommen. Und wir wollen zu europäischen Spitze aufschließen. Ich denke, das bringt dann auch viele andere Dinge mit sich. Man muss erfolgreiche Qualifikationen spielen und sich für eine Europameisterschaft qualifizieren. Das ist die Vision, auf die wir hinarbeiten können. An dieser Vision muss man step by step arbeiten, es ist ein Prozess. Wir würden die kommende Euro nehmen, es wäre ein Schlüsselereignis, aber es ist sehr kurzfristig. Es hätte aber auch große Auswirkungen auf den Breitenfußball. Man stelle sich vor: Österreich qualifiziert sich für Schweden! Für die Breite und die jungen Mädchen wäre das eine total tolle Geschichte. Auch die Eltern würden dann sehen, was für eine tolle Sportart Frauenfußball ist und ihre Kinder hinschicken.
Wir danken für das Gespräch!
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