Markenexperte Gerhard Hrebicek: ‚Bei den TV-Rechten wäre das Vierfache zu holen'
Österreichs Fußball hat Aufholbedarf. Stein des Anstoßes ist aber nicht etwa die sich langsam verbessernde Ausbildung oder taktische Schulung, sondern das Marketing. Gerhard Hrebicek ist Präsident des SC Klosterneuburg und Firmenchef von Eurobrand. Seine
Österreichs Fußball hat Aufholbedarf. Stein des Anstoßes ist aber nicht etwa die sich langsam verbessernde Ausbildung oder taktische Schulung, sondern das Marketing. Gerhard Hrebicek ist Präsident des SC Klosterneuburg und Firmenchef von Eurobrand. Seine Firma beschäftigt sich mit Markenwertanalysen - ein Feld, in dem es im österreichischen Fußball Nachholbedarf gibt. Anhand praktischer Beispiele gibt er einen Einblick in das komplexe Feld "Marketing" und meint, dass "Vereine auf ihr Profil schauen, darauf achten sollten , dass sie keinen Sponsor im Namen haben."
Das Gespräch führte Georg Sander
90minuten.at: Der SV Mattersburg gibt an, dass Namenssponsor Bauwelt Koch einen Werbewert von über drei Millionen Euro durch die Erwähnung im Namen lukriert. Wie kommt man auf solche Zahlen?
Gerhard Hrebicek: Der Werbewert ist die Summe aller der Marke zurechenbaren Auftritte. Wenn der SVM hier erwähnt wird, ist das wie eine Schwarz/Weiß-Einschaltung. Wenn jemand redaktionell erwähnt wird oder von der Kamera eingefangen wird, werden die Sekunden gezählt. Und dann wird anhand dessen, was eine Sekunde kostet, hochgerechnet. So kommt der Werbewert zustande.
Und wie viel ist dann eine Halbzeit am Sonntagnachmittag wert?
Das berechnen Agenturen. Grundsätzlich ist es so, dass eine Seite in der Kronen Zeitung 30.000 Euro wert ist und dann wird umgerechnet. Im Endeffekt ist das aber keine Ausgabe, sondern eine fiktive Zahl, wie viel ein Sponsoring in Schwarz/Weiß-Anzeigen wert ist. Eine Seite Bericht über die Bauwelt Koch wird mit einer Anzeige über eine Seite gleich gestellt. Und dann wird umgerechnet, auf Viertel- und Halbseiten und aliquot berechnet. Agenturen sammeln alles und rechnen dann Seiten und TV-Minuten den Marken zu und verleihen dem einen Wert: Eine Viertelseite in Medium X, eine halbe in Medium Y und drei Sekunden im Fernsehen. Das ist viel mehr, als jemand dafür ausgibt. Es ist eine fiktive Zahl, aber ein Indikator.
Und welcher Zusammenhang besteht zwischen Sponsorgeldern und Werbewert?
Das korreliert natürlich. Ein Verein erhält circa 15 bis 30 Prozent des Werbewertes. Das wird im Marketing so berechnet und wenn man im Lehrgang für Marketing und Verkauf war, weiß man das. Das ist eine berufsspezifische Kennzahl. Dass das nicht jeder Otto Normalverbraucher versteht, ist klar.
Die Wiener Viktoria versucht sich mit Toni Polster und dem FC St. Pauli als Klutclub zu etablieren. Wie wichtig ist in dem Zusammenhang mit dem Werbewert ein geschärftes Vereinsprofil?
Es ist ganz wichtig, dass Vereine auf ihr Profil schauen, darauf achten, dass sie keinen Sponsor im Namen haben. Barcelona oder Bayern haben keinen Sponsor in ihrem Vereinsnamen. Die Frage ist, wie sich der Verein nach außen zeigt. Das Gleiche gilt auch für die Bundesliga. Als Marke muss man darauf achten, dass man eine Marke bleibt. Ein Sponsor im Namen bringt nur kurzfristig etwas. Es geht um eine Zusammenarbeit zwischen Sponsor und Verein. Das heißt aber nicht, dass der Verein so heißen muss. Die glauben nur, dass das so toll ist. Denken wir an die Champions League. Die heißt nicht UniCredit-Champions League, sondern Champions League. Die Sponsoren partizipieren aber durch die medialen Aktivitäten enorm.
Dementsprechend fällt mir Ford als erste Automarke ein, wenn ich an die Champions League denke?
Genau das passiert und es muss aber noch lange nicht „Ford Champions League" heißen. Das kann man weiterspinnen. Unsere Bundesliga und die Vereine haben ein Riesenpotential, aber es gehört ein wertorientiertes Markenmanagement etabliert. Die Frage ist, wie viel die Marken heute wert sind und was man tun kann, um diese Werte zu erhöhen. Konkret heißt das, dass bei den TV-Rechten das Vierfache zu holen wäre, wenn man es ordentlich macht. Die Werbewerte würden sich dramatisch erhöhen, auch für die Vereine. Es gebe mehr Budget und das Rad beginnt sich zu drehen.
Spanien – Primera Division, England – Premier League, Deutschland – Bundesliga. Eigentlich ist der Name der heimischen Liga also schlecht gewählt?
Das ist auch ein Thema. Man müsste mal schauen, wo man im internationalen Wettbewerb steht. Da geht es um den Namen und ums grundsätzliche Positionieren sowie die Zusammenarbeit mit den Vereinen. „Kein Sponsor im Vereinsnamen" wird schwer bei den einzelnen Vereinen durchsetzbar sein. Aber wenn die Liga zum Guten der Vereine sagt, dass sie das nicht mehr will, ist das durchsetzbar. Die Klubs profitieren davon. Aber jeder Präsident, der eine Million dafür bekommt, wird schwer „Nein!" sagen.
Ein paar Fallbeispiele: Nehmen wir zunächst ein Positivbeispiel her. Auch wenn die Rieder „SV Josko Ried" heißen, gibt es dort ein Profil.
Die haben lokale Sponsoren, machen sehr viel im Nachwuchsbereich, bauen sehr viele junge Spieler ein. Das sind die Dinge, die man sich gemeinsam mit der Liga überlegen kann, wie man im Merchandising arbeitet, wie arbeitet man mit Fans zusammen. Wie arbeitet man mit Partnern zusammen, um einen gegenseitigen Wert zu erschaffen.
Die Falken hatten Superfund im Namen, heißen nun seit mehr als einem Jahr KSV 1919. Ist Tradition die richtige Marketingschiene?
Das muss auf allen Ebenen beobachtet werden. Es ist für die Weiterentwicklung wichtig, dass im Namen kein Sponsor ist.
Was würden Sie Vereinen wie Grödig oder Hartberg raten? Beide haben Bundesliga-Vereine in der unmittelbaren Nachbarschaft sowie einen traditionsreichen Regionalligisten.
Ich möchte nicht auf der Vereinsebene bleiben, sondern den gesamten Fußball betrachten. Es geht um Zusammenarbeit, gemeinsam ist man stärker. Wenn sich die Vereine mit der Bundesliga zusammensetzen, und überlegen, wie die Markenwerte verbessert werden können, erzeugt das einen Sog. Wenn die Liga um ein Vielfaches vermarktet wird, kommt auch mehr Geld zu den Vereinen. Das muss auf der Gesamtebene greifen. Auf der Einzelebene gibt es auch immer wieder positive Beispiele, aber eben auch negative. Es geht um Medienpräsenz und darum, die Rechte besser zu vermarkten, in die Welt zu vermarkten. Schauen wir nach Deutschland: Über 2,5 Milliarden Euro brachten die TV-Rechte, die Häflte mehr als zuvor für die kommenden vier Jahre. Die Liga denkt und macht. Da müssen wir ansetzen. Es gibt dann mehr Interesse am Fußball, mehr Mediencoverage bringt mehr Sponsoren.
In etwa wie in der Schweiz, wo es eine Corporate Identity gibt?
Das geht zu sehr ins Detail. Es gibt keine einfache Lösung. Die Frage ist, wie man aus der heutigen Situation in eine medial noch attraktivere Situation zu kommen. Man kann nicht einen einzelnen Punkt herausgreifen, es muss als Konzert passieren. Einzelne Schritte müssen zusammenspielen, das ist Markenwertstrategie.
Die nächste Ebene wird nur gemeinsam erreicht?
Genau. Und das zeigt sich dann in höheren Werbewerten, teureren TV-Rechten und so weiter. Das kommt Liga und Vereinen zu Gute. Wenn der Fußball dann noch attraktiver wird, profitieren auch die Ligen darunter.
Der Status Quo ist also „ausbaufähig", was Marketing und Fernsehen betrifft?
Wenn die Liga die Rechte in der Hand hat und das Material selbst produziert und dann die Formate erarbeitet, wie in Deutschland, dann wird mehr für den Fußball getan. Das große Bild vom Fußball müssen Bundesliga und ÖFB vorgeben, weil sie der Rechteinhaber sind. So wird die Liga ein Markenportfolio mit verschieden profilierten Marken. Nicht dieses Bürgermeister-und-Kirchturm-Denken. Man muss gemeinsam denken.
Wir danken für das Gespräch!
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