Ilco Naumoski: ‚Die auf der West glauben, sie können sich aufspielen'

Im Interview mit 90minuten.at plaudert Mattersburgs Ilco Naumoski über sein Bad Boy Image, die ewigen Talente in Österreich, Respekt vor Didi Kühbauer, den es ewig nicht mehr geben wird, dass es leichter ist gegen bekannte Kicker zu spielen und warum es n

ilco_naumoski___steindy_wikimediaIm Interview mit 90minuten.at plaudert Mattersburgs Ilco Naumoski über sein Bad Boy Image, die ewigen Talente in Österreich, Respekt vor Didi Kühbauer, den es ewig nicht mehr geben wird, dass es leichter ist gegen bekannte Kicker zu spielen und warum es nicht mit dem ganz großen Transfer geklappt hat: „Wenn mich eine Mannschaft braucht, kann ich mich nicht einfach schleichen." Und er kritisiert Rapid-Fans, die ihn beschimpfen: "Die auf der West glauben, sie können sich aufspielen. Hunderte Leute aus dem Westsektor könnten nie so eine Stimmung machen wie bei Partizan."

Das Gespräch führte Georg Sander

 

90minuten.at: Was ist Ihr Eindruck über die abgelaufene Saison: Ist die Liga schwächer geworden?

Ilco Naumoski: Die Liga wird von manchen Leuten unterschätzt. Für mich ist es genauso schwer wie zu der Zeit, als ich 2003 angefangen habe und auch später wurde es nicht einfacher. Es gibt keine leichten Spiele, egal, ob du in Innsbruck, Mattersburg oder Kapfenberg spielst. Die drei Punkte müssen immer hart erarbeitet werden, es wird dir nichts geschenkt. Vielleicht fehlen die Typen wie Kühbauer, Zickler oder Janko. Aber im Großen und Ganzen ist das Niveau eher besser geworden, weil alle hart arbeiten.

 

Merken Sie als Stürmer den personellen Aderlass? War es schwerer gegen Schildenfeld, Afolabi und Dragovic zu spielen?

So blöd es klingt: Es ist schwerer gegen andere Spieler zu spielen. Schildenfeld war ein großartiger Spieler, hatte großen Anteil am Meistertitel. Gegen Afolabi habe ich gerne gespielt, Dragovic kann ich nicht so einschätzen.

 


"Die Liga wird von manchen Leuten unterschätzt. Für mich ist es genauso schwer wie zu der Zeit, als ich 2003 angefangen habe"

Bevorzugen Sie körperlose Verteidiger oder welche, die auch hinlangen?

Eher solche wie Goce Sedloski. Dem lief man immer davon, aber wegen seines Stellungsspiels ist man nicht an ihm vorbeigekommen. Das kann man nicht lernen. Das ist unangenehm.

 

Es ist also leichter gegen einen bekannten Spieler zu spielen?

Das denken wohl auch alle über mich. Mich kennt man auch mehr als Deni Alar oder Julius Perstaller – die sind sehr gute Fußballer. Für mich ist es auch leichter, gegen bekannte Kicker zu spielen.

 

Beschäftigen Sie sich mit dem Gegenspieler, wenn diese bekannt sind?

Natürlich! Auch im Nationalteam ist der Reiz größer, wenn Goran Pandew dabei ist. Gegen England haben wir auswärts Unentschieden gespielt - gegen Spieler wie Ferdinand oder Terry. Da ist es schwieriger gegen Liechtenstein oder Luxemburg, gegen die wir trotz neunzigminütiger Dominanz 1:2 verloren haben. Entscheidend ist aber, was am Ende rauskommt.

 

Spielen Sie demnach auch wohl lieber gegen Topteams als kleinere Mannschaften?

Ich habe vor jeder Mannschaft Respekt. Alle laufen und spielen 90 Minuten. Es kann nicht sein, dass Salzburg – gegen die wir oft gut spielen – kommt und wir stellen die Zweikämpfe ein. Man muss gegen jeden voll in die Zweikämpfe gehen und bis ans Limit laufen. Talent alleine reicht nicht. Aber einen Leonardo siehst du 90 Minuten nicht und er kann trotzdem das Spiel mit zwei Aktionen entscheiden.

 

Wie wichtig sind sogenannte ‚Typen' in einer Mannschaft, gerade, wenn viele junge Spieler in der Mannschaft sind?

Ein Typ ist für mich einer, der eine Mannschaft führen kann, vor dem die Gegner und die Mitspieler Respekt haben. Vor den von mir erwähnten Spielern hatten alle Respekt. Einen Kühbauer hast du lieben oder hassen können, aber alle hatten Respekt vor ihm. Wir haben auch oft gestritten und ich konnte viel von ihm lernen und das möchte ich auch weitergeben. Aber einen Kühbauer wird es lange nicht mehr geben.

 


"Aber einen Kühbauer wird es lange nicht mehr geben"

 

Wie wichtig sind Persönlichkeit und Talent?

Man muss sich immer entwickeln. In dieser Saison war ich zum Beispiel sehr viel für die Mannschaft da. Pässe geben ist nun mal besser. Aber du musst schon mit 17, 18 Jahren im Profikader sein. In Österreich ist man mit 24 Jahren noch ein Talent. Das ist – auf Deutsch gesagt – Scheisse. Je früher Bundesliga, desto besser. Wie Prödl bei Sturm, Junuzovic beim GAK oder Dragovic bei der Austria. Und dann muss man den richtigen Schritt setzen. Und vergessen wir nicht David Alaba. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber wer hätte das gedacht, was der schon erreicht hat. Der geniert sich nicht, Vollgas zu geben.

 

Warum hat es bei Ihnen nicht zu einem großen Transfer erreicht?

Beim GAK war halb Europa hinter mir her, mit Fabio Capello bin ich zusammen gesessen, die Roma wollte mich. Gegen Dortmund habe ich in einem Freundschaftsspiel sogar ein Tor geschossen. Dann habe ich mich aber schwer verletzt, war ein Jahr weg. 2010 sind viele gegangen, ich nicht. Da habe ich spät unterschrieben, aber ich habe nicht vergessen, was Mattersburg für mich getan hat. Wenn mich eine Mannschaft braucht, kann ich mich nicht einfach schleichen. Ich war mitbeteiligt am Klassenerhalt. Ich mag das nicht, wenn sich nur einer selbst sieht. Auch die, die nicht spielen und nur mittrainieren gehören dazu. Ich hatte ein Angebot aus Schottland von einem guten Verein, aber die haben sich nicht an alles gehalten, wollten mich nur als Kaderergänzung.

 


"In Österreich ist man mit 24 Jahren noch ein Talent. Das ist – auf Deutsch gesagt – Scheisse"

 

Andi Herzog hat einmal gesagt, dass es vielleicht auch Spieler gibt, denen das Spielen an sich wichtiger ist und auch gar nicht ins Ausland gehen wollen.

Ich wohne seit 22 Jahren in Wien, der Verein und Martin Pucher haben mich damals gebraucht. Er hätte mir nie Steine in den Weg gelegt. Es war aber alles immer korrekt. Roma, Almeria, von Deutschland will ich gar nicht reden. In Catania war ich ein halbes Jahr, da will ich nie wieder hin. Die Mittelständler haben an Wert verloren. Grenoble wollte mich, am Flughafen hätte ich im Winter für drei Jahre unterschreiben können. Wir waren im Abstiegskampf und ich wollte Martin erreichen. Sie sagten: Jetzt oder nie. Ich habe nicht unterschrieben.

 

Es zählt also mehr als Geld und eine große Liga?

Aus manchen Ligen, zum Beispiel Japan, erhalte ich jede Woche drei Anrufe, dort könnte ich mehr verdienen. Aber hier bin ich Kapitän, habe Verantwortung und habe niemanden enttäuscht. Jetzt sind wir auf dem Weg, junge Spieler einzubauen. Vor einiger Zeit hatte der „Zwerg" ja auch nur Glück, also der gegnerische Trainer Kühbauer (lacht). Das habe ich ihm nachher auch gesagt und das hat er auch zugegeben.

 

Ein Name dazu: Stefan Maierhofer.

Naja, er ist mir ein Rätsel. Was er geschafft hat, Hut ab. Viele haben nicht das geschafft, was er geschafft hat. Die drei Transfers kann ihm keiner nehmen. Aber kennen tu ich ihn nicht wirklich.

 

Er sagte, es ist peinlich, wie es in den Stadien zugeht...

Ja, da hat er recht. Fußballerisch habe ich keine große Meinung über ihn. Aber man muss ihm gratulieren. Es gibt Mannschaften, die so einen Typen brauchen. Sein Auftreten mag ich. Aber Techniknachhilfe kann er haben (grinst). Er soll aber bleiben, wie er ist. Wenn du mich siehst, merkst du, dass die Leute mich schimpfen. Aber das ist der Respekt, den sie haben. Einen Pauschenwein schimpfen sie nicht, nichts gegen ihn. Aber sie beschimpfen die, von denen die Gefahr aus geht.

 

Man hört des Öfteren, dass die Akademiespieler gleich geschliffen sind, nur die Namen anders sind. Gibt es bei euch Typen wie Naumoski?

Zum Beispiel Stefan Illsanker. Der sagt dir die Meinung, ist beinhart, geht 100 Prozent, hat einen tollen Willen. Hätte ich nur 30 Prozent davon, hätte ich mehr geschafft. Er wird sich in Salzburg und im Ausland durchsetzen. Seidl ist auch ein cooler Typ. Wenn er macht, was er kann, ist er toll. Er glänzt mit tollen Pässen. Ich freue mich für ihn. Er ist so ein toller Bursche.

 

Was halten Sie von den typischen Edelkickern?

Naja, ein Leonardo, den erwischst du kaum und ich bin ihm einmal nachgelaufen und musste ihn foulen. Der wurde hart rangekommen. Junuzovic war eine Heulsuse. Bei Werder läuft er viel. Es muss bei einer Mannschaft passen. Jelavic hat bei Rapid auch seine Zeit gebraucht und jetzt ist er bei Everton und macht seine Tore. Er hat es geschafft.

 

Kommen wir zur Perösnlichkeit von Ilco Naumoski: Ärgern Sie sich, wenn Sie die Medien zum Bad Boy abstempeln?

Zu 50 Prozent bin ich selber schuld. Man hat mir aber auch nie eine Chance gegeben, wenn ich mich zusammengerissen habe. Dann kamen früher vor dem Spiel die Schiedsrichter und er sagt: „Wenn du ein falsches Wort sagst, fliegst du!" Dann frage ich ihn, ob er das zu Hofmann auch sagt. Ich bin halt so ein Typ. Ich habe noch nie jemanden im Zweikampf verletzt. Ich muss mich aber auch hinterfragen. Heuer bin ich mit den Schiedsrichtern zufrieden. Aber manche gehen nach Hause und lachen sich tot, wenn sie dem Naumoski wieder eine Rote gegeben haben. Und dann die Medien: Pehlivan bricht sich als Rapid- und Nationalspieler zwei Hände, da schreiben sie eine halbe Seite. Und bei der Zeugwartgeschichte zwei Monate lang. Ich rede nicht gerne mit den Medien. Medien wie Österreich würde ich nie ein Interview geben. Die haben nicht nachgelassen. Oder die Rote Karte gegen Jennersdorf - da hätte ich nicht mal spielen sollen und dann sechs Spiele Sperre!

 


"Man hat mir aber auch nie eine Chance gegeben, wenn ich mich zusammengerissen habe. Dann kamen früher vor dem Spiel die Schiedsrichter und er sagt: „Wenn du ein falsches Wort sagst, fliegst du!"

 

Was sagen Sie zu Okoties Aktion vor dem Block West?

Ich finde es gut. Ich bin ein Kind Rapids und Rapid ist nicht nur die Westtribüne. Ich war als Fan früher immer und überall selbst dabei. Damals waren aber nicht solche Typen wie heute dabei. Die kopieren das, was im Süden abgeht, aber das geht nicht. Die sehen – was sehr schlecht ist – dass in Griechenland auf den Platz gestürmt wird und dann machen sie das in Österreich auch. Aber Österreich ist Österreich und Balkan ist Balkan.

 

Ihre Beziehung zu vielen Rapidfans ist belastet, obwohl Sie eben diese Rapidvergangenheit haben.

Ich war als Kind in der Rapidschule, habe mit Ivanschitz und Payer gespielt. Dann hat man mir keine Chance gegeben, obwohl ich immer Torschützenkönig war. Aber in die Kampfmannschaft kam Ivanschitz als linker Stürmer mit elf Toren. Ich war rechter Stürmer und habe 30 geschossen. Er kam zur ersten Mannschaft, ich nur in die U18. Mein Vater war Bauarbeiter, aber es gab wohl Connections. Wo ist da die Gerechtigkeit? Mein Vater hat einen Kredit aufgenommen und ich bin meinen eigenen Weg gegangen. Er hat mich aus dem Vertrag ausgekauft. Mit 16 kam ich zu Stockerau, dann ging's zu Klingenbach. Ich war Torschützenkönig, wir sind aber nicht in die zweite Liga aufgestiegen. Dann holte mich Christian Keglevits, der Co-Trainer beim GAK war, dorthin.

 

Wo Sie sehr erfolgreich waren, obwohl es ein bisschen dauerte, oder?

Unter Thijs Libregts hatte ich große Mitspieler: Brunmayr, Akwuegbo, Bazina. Ich war siebter Stürmer. Sie wollten mir einen Amateurvertrag geben. Ich habe es ausgeschlagen und dann haben sie mir einen Profivertrag gegeben. Die Truppe damals war geil. Zunächst war ich aber nie im Kader. Dann fahren wir zu einem Freundschaftsspiel nach Leonding und nur Brunmayr und ich waren mit. Wir haben 10:2 gewonnen, ich habe sieben Tore gemacht. Ich habe mich reingehaut. Auch gegen Real Madrid beim 100-Jahr-Jubiläum. In der CL-Qualifikation gegen Tiraspol war ich dabei, aber ich habe immer Walkman gehört und die Uhr nicht umgestellt. Ich war alleine im Zimmer, habe geschlafen und wollte zum Training und sie sind zurückgekommen. Der Trainer sagte: „Das ist keine Profi-Einstellung!" und setzte mich auf die Tribüne. Dann kamen schlechte Spiele und wir waren Schlusslicht - ich bin dann zu mehr Einstätzen gekommen und habe einen Elfmeter herausgeholt.

 

In der Zeit entstand dann auch der Konflikt mit den Rapidfans...

Es ging zu Rapid ins Happelstadion, wegen der Renovierung, und ich habe von Anfang an gespielt. In der 18. Minute habe ich das 1:0 geschossen. Seit diesem Augenblick haben sie mich geschimpft, obwohl ich immer in der Rapid-Schule war. Ich verstehe Okotie, warum er das macht. Bei mir singen sie seit Jahren „Sohn einer Hure".

 

Hören Sie das?

Jetzt geht es links rein und rechts raus. Du hörst es - es ist unmenschlich.

 


"Ich verstehe Okotie, warum er das macht. Bei mir singen sie seit Jahren „Sohn einer Hure"

 

Erlauben die Fans sich zu viel?

Ich bin ein glühender Partizan-Fan. Ich hasse meine Freunde, die Roter Stern-Fans sind, aber ich würde ihnen nie etwas tun. Es passiert leider und in Serbien sind auch schon viele gestorben. Aber es sollte niemand verletzt werden, nur weil er seinen Verein liebt. Wir spielen Theater. Und hunderte Leute aus dem Westsektor könnten nie so eine Stimmung machen wie bei Partizan. Die auf der West glauben, sie können sich aufspielen. Ich verstehe Okotie. Wieso sollte ich mich beleidigen lassen? Ich war ja auch Fan. Und einen aus Bangladesh hätten sie lieber? Eigenbau ist doch schön. Aber die Westtribüne zieht andere auch mit. Ich habe schon was zurückgedeutet, aber jetzt glauben viele, es ist ok, „Der Naumoski ist ein Trottel" zu sagen. Die Gescheiten machen das nicht und von denen gibt es viele im Rapid-Anhang!

 

Wir danken für das Gespräch!

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