Helgi Kolvidsson: 'Man muss immer einen Plan B in der Tasche haben'

Denkt man an Island, kommen einem eher Geysire in den Sinn, und nicht gleich Fußballlehrer. Helgi Kolvidsson ist Isländer, ehemaliger Kicker und ein Trainer, der viel zu sagen hat. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über Pläne – für sein Team, wenn

KolvdissonDenkt man an Island, kommen einem eher Geysire in den Sinn, und nicht gleich Fußballlehrer. Helgi Kolvidsson ist Isländer, ehemaliger Kicker und ein Trainer, der viel zu sagen hat. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über Pläne – für sein Team, wenn Spielmacher Sascha Boller ausfällt, für sich, wenn die Taktik durch Gegentore durcheinander gewürfelt wird und für Spieler, die nicht nur auf Fußball setzen sollten.

Das Interview führte Georg Sander


90minuten.at: Wie sehen die Zielvorgaben für die kommende Saison aus? Die Austria präsentierte sich vor allem im zweiten Halbjahr stark.

Helgi Kolvidsson: Intern heißt das Ziel, stabiler und konstanter zu werden. Dass wir gute Spieler haben und gut spielen können, haben wir bewiesen, aber diese Konstanz muss man bringen und das ist die Sache, die wir uns vorgenommen haben.


Was heißt Konstanz in dem Fall? Obere Tabellenhälfte, Top drei oder Titelkampf?

Wir wollen konstant gut spielen, waren letztes Jahr unter den Topmannschaften und spielten bis zum Schluss mit. Genau das ist unser Ziel: Wir wollen vorne dabei sind. Das ist unser Anspruch. Und wir wollen uns täglich verbessern.


Sollte man aufsteigen, sagt man auch nicht „Nein!"...

(lacht) Wenn dem so wäre, würden wir nicht nein sagen, aber mit aller Macht nicht. Wir wollen es mit unseren finanziellen Mitteln nicht übertreiben. Das, was wir uns leisten können, machen wir. Aus dem was wir tun, versuchen wir das Beste zu machen.


Eine Sache fällt auf: Die Austria ist eine recht alte Mannschaft, etwa um vier Jahre älter als der SKN St. Pölten. Gibt es in Lustenau zu wenig gute Kicker, gehen die zu früh in die Akademien von Red Bull und Wacker?

Man darf aber nicht vergessen, dass in der Liga drei Vorarlberger Mannschaften spielen. Jedes Team braucht viele junge Spieler. Die Toptalente der Region sind hart umkämpft. Wir haben es uns als Ziel gesetzt, junge Spieler aus der Region zu holen, aus der Akademie, aber es gibt eben auch nicht so viele. Als dritter Tormann zählt aber bei mir der 40-jährige Torwarttrainer eigentlich noch dazu, das hebt den Schnitt ein bisserle. Aber für mich gibt es keine Altersgrenze. Ich habe gute Spieler.


Sascha Boller – er ist sehr wichtig für das Team, hat mit 30 Assists in zwei Jahren eine sehr hohe Quote – aber ist man nicht vielleicht zu abhängig von ihm?

Er ist ein Ausnahmespieler, aber wir haben auch bewiesen, dass wir ohne ihn gut spielen können, haben gegen den LASK 3:0 auswärts gewonnen, gegen den WAC 2:1. Wir haben wirklich tolle Spiele gezeigt, auch wenn er nicht gespielt hat. Wenn er spielt, ist er eine Bereicherung und eine super Waffe. Aber es geht auch ohne und das Kollektiv hat uns im Frühjahr stark gemacht.


Wenn Pierre Boya wieder zur Verfügung steht, wird Jan Zwischenbrugger noch weiter nach vorne gehen, von der '10' in den Sturm?

Ich habe noch Thiago da Silva, Patrick Salomon und Felix Roth, die auf der Zehnerposition spielen können. Jan kann auch auf der Sechs spielen. Da habe ich viele Spieler, die sehr flexibel sind und das erwarte ich mir auch.


Wird man also das 4-2-3-1 beibehalten oder Richtung 4-4-2 gehen, damit man wieder unberechenbarer wird?

Es hängt auch vom Gegner und der Spielsituation ab. Ich erwarte mir des Weiteren, dass meine Spieler die Systeme betreffend variabel sind, egal ob 4-2-3-1, 4-4-2 oder 4-1-4-1. Die Schwerpunkte werden von Spiel zu Spiel gesetzt.


Wie viel Eigenverantwortung müssen die Kicker bei Ihnen an den Tag legen? Franco Foda meinte, man könne fast reinschreien, was man will, Oliver Glasner, dass der Kapitän sehr viel entscheiden muss. Sind da die Führungsspieler Dürr, Krajic und Boller gefordert?

Die grobe Ausrichtung gebe ich vor. Aber im Fußball alles zu planen, geht sicherlich nicht. Du musst die Jungs darauf vorbereiten, im gegebenen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Man kann sich auch vornehmen, etwas defensiver zu spielen und nach vier Minuten kassiert man ein Gegentor – dann ist das ganze Konzept, an dem du die ganze Woche gearbeitet hast einfach – auf Deutsch gesagt - für'n Arsch. Da muss nicht nur ich mir an der Seitenlinie die Lunge ausschreien, sondern die Spieler müssen das auch erkennen. Fußball vorausplanen ist schwierig. Man kann sich vorbereiten und muss immer einen Plan B in der Tasche haben.


Ende der 90er spielten Sie bei der Austria. Harald Dürr ist noch immer da, aber was hat sich seitdem im Ländle verändert?

Damals waren wir in der Bundesliga, hatten eine sensationelle Euphorie in Vorarlberg, ein großes Fanpotential. Die Fans waren toll und es machte richtig Laune, die Heimspiele zu spielen. Wir merkten im Frühjahr jetzt auch wieder, wie diese Euphorie im eigenen Stadion von Spiel zu Spiel gewachsen ist. Die Außendarstellung des Vereins hat sich innerhalb kurzer Zeit verändert. Da sieht man schon das Potential, das wir haben. Und dann macht es Spaß und man merkt, wie viele Leute da mithelfen, wie viele Sponsoren da sind. Die Austria-Familie, die wir früher hatten, ist immer noch vorhanden. Wir versuchen, sie am Leben zu erhalten. Und der Harri ist jetzt Kapitän, ist damals als Junger reingekommen.


Auch die zweite deutsche Liga – sie spielten ja bei Ulm und Mainz – hat einen ziemlichen Boost erlebt. Wo sind die Unterschiede zwischen den zweiten Ligen, abgesehen von der Infrastruktur?

In Deutschland kommen mehr Leute, von Professionalität und Stadien her sind sie anders aufgestellt, aber wenn man an die Ausländer- und Jugendregelungen denkt, könnte man meinen, man könnte günstige Ausländer reinholen. Aber ich finde dieses System wirklich sehr gut und die Entwicklung, die die Liga gerade mit diesen einheimischen Spielern gemacht hat, zeigt, welches Potential es gibt. Der Weg mit „Heute für morgen" ist super für den österreichischen Fußball.


Ist ein so großer Nicht-Amateuerkader für ein Land wie Österreich so sinnvoll? Ist das Regulativ zu ändern, wäre es leichter oder anders, mit weniger Vollprofis zu spielen? In dem Punkt sind uns die Deutschen ja voraus, aufgrund der höheren finanziellen Mittel.

Ich halte es für einen absoluten Blödsinn, überhaupt irgendwas vorzuschreiben, was wer verdienen muss. Man kennt das ja aus unteren Ligen, dass manche Spieler, die wirklich gute Möglichkeiten haben, nicht rauf kommen. Jemanden etwas vorzuschreiben finde ich falsch. Eine saubere Buchhaltung und Planung sollte wirklich da sein, dass ich das, was ich zur Verfügung habe, ausgebe. Da wird kalkuliert, wie viele Kaderspieler eine Kategorie ich haben kann und das muss stimmen. Denn der Verein ackert im Hintergrund, die Finanzen müssen auf einen grünen Zweig kommen. Was ich habe, kann ich ausgeben, das sollte kontrolliert werden.


Es gibt genug Sportler, die Vollzeit arbeiten und Spitzenleistungen erbringen. Würden Sie auch in der zweiten Liga einen 25-Mann-Amateurkader für sinnvoll halten?

Das sollte keine Rolle spielen. Ich bin selber spät ins Profigeschäft eingestiegen, habe von halb acht bis viertel nach fünf gearbeitet – ich weiß, was das heißt, danach zum Training zu gehen und am Wochenende zu spielen. Ich bin mir voll bewusst, was da alles möglich ist. Ich finde es aber nicht verkehrt, ewig kann man nicht Fußball spielen. Wenn jemand nur in die zweite Liga kommt, wacht er mit 35 auf und hat keinen Beruf erlernt. Vielleicht hat er gutes Geld verdient, aber auch nicht so viel, dass er sonst nichts machen muss. Ich sag zu jungen Spielern, dass sie die Matura machen sollen. Den zweiten Weg, den Plan B, forciere ich.


Denken Sie, dass Sie da eine exklusive Meinung haben, diese Profiregelung aufzubrechen. Es wäre ja auch wirtschaftlich leichter zu kalkulieren.

Als Vater dreier Kinder würde ich meinen nichts anderes empfehlen. Wenn eines Profi werden will, würde ich nicht nur auf die Karte setzen, denn bei einer Verletzung weiß man nie, was passiert. Ich bin selber den Weg mit Schule und Ausbildung gegangen und habe auch nach meiner Karriere ein Fernstudium gemacht. Man muss ja ein bisserle länger als bis 35 arbeiten.


Zum Abschluss: Wo steht die Austria im Mai 2013?

So weit oben wie möglich.


Wir danken für das Gespräch.

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